Treffs mit Leichtathleten

Anna Rüh – die Diskuswerferin aus Magdeburg

An manche Interviews kann man sich als Journalist noch recht gut erinnern. Mir geht es so mit einem Interview mit der Diskuswerferin Anna Rüh. Bei einem meiner vielen Besuche der Halleschen Werfertage drängte sich im Mai 2012 die damals 18-Jährige durch ihre Leistung förmlich auf. Zwar war sie anfangs recht zurückhaltend, als ich sie in der Aufwärm-und Ruhehalle um ein Gespräch bat. Kein Wunder, denn ich nehme an, daß das ihr erstes großes, langes Interview wurde.

Anna Rüh Porträt vier

 

Und für mich war es deshalb so reizvoll, weil es meine erste Begegnung mit der langaufgeschossenen Blondine war. Da kann man dann viel fragen, erfragen und so war es dann auch. Es war ein ergiebiges Gespräch und im Ergebnis kam die folgende Geschichte zustande, die am 24. Mai 2012   bei leichtathletik.de   erschien:

Anna Rüh in neuen Dimensionen

Geplant hatte Anna Rüh (SC Neubrandenburg) eigentlich nur mit der U20-WM im Juli in Barcelona (10. bis 15. Juli 2012). Diese Planung wurde bei den Halleschen Werfertagen am Samstag ordentlich durcheinander gewirbelt: Mit einem Wurf auf 63,04 Meter überbot sie die Olympia-Norm und kann nun auch mit einem Olympia-Ticket liebäugeln. Glück brachte der 18-Jährigen in Halle ein ganz besonderes Wurfgerät.

Die schwarze Diskusscheibe, die Anna Rüh mit zu den Werfertagen gebracht hatte, nutzte einst die dreimalige Weltmeisterin Franka Dietzsch, die zu ihrer aktiven Zeit ebenfalls für den SC Neubrandenburg startete. Bei der WM 2007 in Osaka (Japan) schleuderte sie ihn auf die Siegesweite von 66,61 Meter.

An ihren Wurf vom Vormittag konnte Anna Rüh sich schon am Nachmittag nicht mehr so recht erinnern. „Ich war wahrscheinlich so erleichtert, dass ich es geschafft habe, und dann fiel eine Last von mir.“ Auf die Frage, ob sie danach sofort an London gedacht habe, lautete die spontane und ehrliche Antwort: „Ja, denn ich habe einen Meter über der Norm geworfen!“

Ticket nach London umkämpft

Anna Rüh räumte allerdings ein, dass die Reise nach London noch lange nicht gebucht sei. „Ich habe zwar gute Chancen, aber es gibt auch noch andere Werferinnen, die die Norm packen könnten.“

Dazu zählen sicherlich Heike Koderisch (SC Magdeburg) oder die ebenfalls noch der U20-Jugend angehörende Shanice Craft (MTG Mannheim).

Auch Bundestrainer Werner Goldmann bestätigte: „Natürlich haben im Moment Nadine Müller, Julia Fischer und Anna Rüh die besten Karten. Aber ich denke, dass auch andere Athletinnen bei guten Bedingungen noch in den Normbereich kommen können.“

Respekt vor Frauen-Konkurrenz

Nach dem U20-Wettbewerb am Vormittag maß sich Anna Rüh am Nachmittag mit den Frauen und zeigte einigen Respekt: „ Das ist natürlich ein Riesenniveau. Da versucht man sich anzupassen an dieses Niveau. Aber ich war auch viel nervöser“.

Aus nächster Nähe konnte sie beobachten, wie Nadine Müller (Hallesche LA-Freunde) mit 66,68 Metern alle Konkurrentinnen hinter sich ließ und auch Julia Fischer (SCC Berlin) mit 63,37 Metern erneut die Olympianorm übertraf. Sie selbst konnte ihre Leistung vom Vormittag bestätigen und wurde mit 62,32 Metern Sechste.

Trainingsleistung bestätigt

Für die blonde Athletin kam die Leistungssteigerung nicht überraschend. „Ich habe im Training gesehen, dass ich über 60 Meter werfen kann. Und im Wettkampf bin ich noch stärker als im Training, denn da kommt noch das Adrenalin hinzu.“

Trainiert hatte der Schützling von Dieter Kollark in der letzten Zeit nicht nur im heimischen Neubrandenburg, sondern auch viel in Kienbaum bei Berlin. Zwar habe sie sich von den Kraftwerten her nicht viel gesteigert, nur etwas an Körpergewicht zugelegt habe sie, die bei 1,84 Meter Größe jetzt rund 80 Kilogramm wiegt. „Aber wir haben viel Technik trainiert, und das hat sich ausgezahlt.“

Erstmals war sie zudem für eine Woche mit den anderen Spitzenwerfern im Trainingslager in Albufeira (Portugal). „Dort hat sie sehr gut trainiert, sodass die zweimalige Normerfüllung für mich keine Überraschung darstellt“, berichtete Bundestrainer Werner Goldmann.

Kaufmännische Ausbildung

Das Leben der 18-Jährigen besteht allerdings nicht nur aus Sport. In Neubrandenburg hat Anna Rüh im Sportgymnasium den Realabschluss gemacht und dann ein Jahr lang ein Praktikum in der Unternehmensberatung Hannig absolviert.

Da ihr das gefiel, begann sie dort anschließend eine Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation. Und sie hat das Glück, dass ihr Chef sportbegeistert ist und ihr für Training und Wettkämpfe die nötigen Freiräume lässt.

Im Jahr 2011 holte sie sich in Tallinn (Estland) bei der U20-EM mit dem Diskus Silber und bewies mit Bronze im Kugelstoßen ihre Vielseitigkeit. Doch gegenwärtig konzentriert sie sich mehr aufs Diskuswerfen. „Wir haben das Kugelstoßen etwas zurückgestellt, aber ich fange damit bald wieder an“. Vielleicht wird sie bei der U20-WM in Barcelona sogar wieder mit beiden Geräten antreten.

Anna Rüh von Dirk Gartenberg

Anna Rüh als Kugelstoßerin (Foto: Dirk Gantenberg)
Schwarzer Diskus als Glücksbringer

Dass Anna Rüh nicht unbedingt mit der Olympiachance gerechnet hatte, zeigt sich auch darin, dass über die nächsten Wettkämpfe noch keine Klarheit herrscht. „ Ich werde in Leipzig starten und dann natürlich bei den Deutschen Meisterschaften. Mehr weiß ich noch nicht“.

Fest steht, dass sie auch bei den nächsten Wettkämpfen wieder auf die Disken von Franka Dietzsch zurückgreifen wird. Im Moment bringt ihr die schwarze Scheibe von Osaka Glück: „Wenn man weiß, dass der Diskus schon mal so weit geflogen ist, dann vertraut man ihm.“ Und Anna Rüh hätte nichts dagegen, wenn der Diskus auch bei den Olympischen Spielen in London weit fliegen würde.

Soweit meine Geschichte über Anna Rüh aus dem Mai 2012.

 

2012 wurde dann für Anna Rüh das  international bisher erfolgreichstes Jahr. Bei der EM in Helsinki wurde sie Vierte, zwei Wochen danach gewann sie den Titel bei der Junioren-WM und bei den Olympischen Spielen in London erreichte sie einen zehnten Platz.

 

Die Jahre zwischen 2012 und 2016

Natürlich habe ich ihren weiteren Weg mit besonderem Interesse verfolgt, weil solch ein  Premiereninterview  auch im Gedächtnis bleibt.

Seitdem sind immerhin fast fünf Jahre vergangen.  Anna Rüh wirft weiterhin den Diskus, aber es hat sich seit 2012 viel getan.  Sie hat ihren Verein gewechselt, ist von Neubrandenburg nach Magdeburg gezogen. Und auch beruflich und privat hat sich einiges verändert.

 

Doch wie ist die aktuelle Lage zu Beginn des Jahres 2017?  Da hat einer Licht ins Dunkel gebracht, der selbst bis vor kurzem im Hochleistungssport als 400-m-Hürden -Läufer in der deutsche Spitze aktiv war, für den SC Magdeburg startete und deshalb auch Anna Rüh gut kennt: Varg Königsmark.

Königsmark bestes Profilfoto

Varg Königsmark  (Foto: Dirk Gantenberg)

Varg Königsmark hat 2016 die Spikes an den berühmten Nagel gehängt, studiert weiterhin Psychologie an  der Otto-von-Guericke-Universität von Magdeburg. Gegenwärtig absolviert er  im französischen Grenoble ein Forschungspraktikum.

Warum hat aber hat er nun für leichtathletik.de  eine lange Geschichte über die Diskuswerferin Anna Rüh geschrieben?  Varg Königsmark erzählt es mir so: „ Es war, wenn man so will, so etwas wie mein Pilotprojekt. Seit ich Jack Kerouac (US-amerikanischer Schriftsteller mit franko-kanadischen Wurzeln) gelesen habe, war es immer mein Wunsch, es nebenher im Schreiben zu versuchen. Und jetzt, da ich mit der Leichtathletik aus Athletenperspektive aufhören mußte, erschien es mir als ein günstiger Zeitpunkt, dahingehend mal einen kleinen Versuch zu starten.“

Königsmark Hürden mit Georg Fleischhauer

Varg Königsmark (rechts) und Georg Fleischhauer im Hürdenwald (Foto:  Dirk Gantenberg)

 

Vielleicht bleibt das auch keine „Eintagsfliege“, denn Varg Königsmark  erklärte mir auch:

„ Ich könnte mir schon vorstellen, auch gepaart mit der Psychologie, in diesen Bereich etwas weiter vorzudringen (Thema Fachjournalismus z.B.). Die Psychologie ist ja die Lehre menschlichen Verhaltens und Erlebens und daher finde ich es sehr „verlockend“, „ über Menschen“  zu schreiben, mich ausführlich mit den Hintergründen zu befassen. “

Seine aktuelle Geschichte über Anna Rüh jedenfalls ist sehr lesenswert. Unter der Überschrift „Anna Rüh und das verflixte Jahr 2016“ wurde sie bei  leichtathletik.de  am 17. Februar 2017 veröffentlicht.

Lesen Sie bitte unter: https://www.leichtathletik.de/news/news/detail/anna-rueh-in-neuen-dimensionen/

Wer noch mehr über Anna Rüh wissen möchte und wer viele Fotos sehen möchte, kann deren sehr beeindruckende Homepage   www.annarueh.de   besuchen.

Und wer sie in Aktion mit der Diskusscheibe sehen möchte, der muß zu einem der kommenden Wettkämpfe der leichtathletischen Sommersaison kommen.

Ich werde sie wahrscheinlich, wenn wir beide den Weg nach Halle/Saale zum diesjährigen Werfermeeting finden, dort wiedersehen. Nach nunmehr fünf Jahren, seit unserer ersten Begegnung.

 Peter Grau

 

 

Meike Kröger: Hochspringerin und Architektin

Wer bei den Hochspringerinnen die 2 Meter überspringt, der gehört seit langem zu einem illustren Kreis. Zuletzt gelang das bei den Hallen-Europameisterschaften der Leichtathleten in Belgrad der siegenden Litauerin Airine Palsyte mit einem Satz über 2,01 m.

Die ewige deutsche Hallen-Bestenliste wird von Heike Henkel mit 2,07 m angeführt, die sie 1992 sprang. Ihr folgen Ariane Friedrich (2,05), Alina Astafei (2,04), Susanne Beyer (2,02)m Gabriele Günz (2,01) und Daniela Rath (2,00).  Als Letzte sprang  die Berlinerin Meike Kröger mit 2,00 m in diesen Klub.    Über sie habe ich 2009 schon einmal einen Beitrag für  leichtathletik.de  geschrieben, den ich nun für diese Homepage aktualisiert habe:

Meike Kröger Porträtfoto eins

Meike Kröger:  Hochspringerin und Architektin

Meike Kröger gehört zum Eliteklub der Hochspringerinnen, die 2 Meter  übersprungen   haben. Am 28. Februar 2010  gelang ihr dieses Kunststück  in Karlsruhe bei den Deutschen Meisterschaften. Allerdings ging es für die Berlinerin danach nicht mehr reibungslos weiter. Verletzungen und Krankheiten stoppten ihren Aufwärtstrend. Am Ende  verabschiedete sie sich 2012  vom Hochleistungssport und konzentrierte sich voll auf ihren Beruf. Nach dem Abschluß ihres Architekturstudiums zog sie nach Zürich und schloß später in Hamburg ihren Master in Architektur ab. Gegenwärtig arbeitet die 30-Jährige in Kalifornien in den USA.

Doch wie kam sie überhaupt zum Hochsprung?

Flinke Füße in Berlin

In der LG Nord Berlin begann  ihre Leichtathletik-Karriere. Ihr älterer Bruder Jan war bereits im Verein. „Ich fand das toll, wollte es auch.“ Da kam ihr zugute, dass durch die LG Nord das Programm „Flinke Füße“ initiiert wurde, in welchem man direkt zu den Schulen geht, dort eine Lichtschranke aufbaut, die Kinder 30 Meter rennen läßt und wenn es ihnen Spaß gemacht hat, anbietet, zum Schnuppertraining zu kommen. Auch Meike Kröger wurde angesprochen, schlug ein und fing ab der dritten Klasse mit der Leichtathletik an.
Zuerst probierte sie sich an verschiedenen Disziplinen aus, absolvierte auch mal einen Mehrkampf. Als sich der Hochsprung als beste Disziplin herauskristallisierte und sie auch von der Größe her,- heute mißt sie 1,86 m-, dafür geeignet war, wechselte sie dorthin. Mit 15 Jahren, im Jahr 2001, sprang sie bereits 1,77 m hoch. „Das war schon recht gut“, schaut sie zurück.

„Allerdings gab es bald einen Rückschlag, als ich mir beim Hochsprung ein Bein brach, das heißt den Schienbeinkopf. Es wurde geschraubt und genagelt, anschließend war Pause angesagt.“ Ein Jahr lang trieb sie keinen Sport, zwei Jahre lang keinen Hochsprung.
Dreisprung zum Spaß

Dann im ersten A-Jugend-Jahr wagte sie sich wieder an den Hochsprung heran, probte auch daneben ein bißchen Dreisprung, „allerdings mehr, weil das Spaß machte“. Den ersten internationalen Einsatz hatte sie 2005 mit 19 Jahren bei der U20-EM in Kaunas (Litauen), wo sie allerdings noch in der Qualifikation scheiterte. Zweimal, 2007 und 2008, holte sie sich den deutschen Juniorenmeister-Titel.
„Vier Jahre bewegte ich mich auf Höhen zwischen 1,80 und 1,83 m“, erinnert sie sich. „Aber 2007 bin ich im Training genauso hoch wie im Wettkampf gesprungen, was eigentlich nicht so sein soll. Da sah man schon, dass ich höher springen müßte. 2008 platzte  endlich der Knoten, mit der Bestleistung von 1,91 m und dem dritten Platz bei den Deutschen Meisterschaften.“

Die Ursachen dafür liegen nicht so einfach auf der Hand oder auf dem Fuß. „Wir haben mehr Krafttraining gemacht“, bringt sie ihren Trainer Jan-Gerrit Keil ins Gespräch, mit dem sie seit 2002  zusammenarbeitete. Der Trainingsumfang aber wurde nicht erhöht. Und dieser war wahrlich nicht hoch, denn nur viermal in der Woche trainierte sie, nicht eben viel gegenüber anderen Athletinnen. Ein Grund dafür war, daß Meike Kröger nicht nur Sportlerin war, sondern sich auch um ihre berufliche Zukunft kümmerte.
Soziales Jahr in Kirgisistan

Nach dem Abitur absolvierte sie von 2005 bis 2006 ein freiwilliges soziales Jahr in einem Straßenkinderheim in der Hauptstadt von Kirgisistan, Bischkek. „Ich wollte nach der Schule nicht sofort studieren, sondern mich sozial engagieren. Außerdem reizte es mich, Russisch zu lernen. Ich hatte diese Sprache mal in der 11. Klasse bei einem halbjährigen Aufenthalt in Frankreich gehört und sie schön gefunden.“ Nun folgte also gewissermaßen das Sprachpraktikum am Ort.
Meike Kröger Berglandschaft mit Pferden

Dabei hatte sie noch Glück, denn als klar war, daß sie nach Kirgisistan reisen werde, fand DLV-Trainerin Brigitte Kurschilgen heraus, daß eben dort in Bischkek Igor Paklin wohnt, der ehemalige Weltklasse-Hochspringer. Bei ihm trainierte sie, bei dessen Bruder wohnte sie. „Aber die Leistung wurde nicht besser. Zudem hatte ich einiges zugenommen, wog so um die 65 Kilogramm.“

Auf den Pfaden der Architektur

Nach der Rückkehr nach Berlin studierte Meike Kröger an der Humboldt-Uni Volkswirtschaftslehre, aber es wurden nur zwei Semester, „weil es mir nicht so recht Spaß machte.“ Es folgte im Wintersemester 2007 der Wechsel zum Architekturstudium an die Technische Universität Berlin. Warum Architektur? „Ich bin für kreative Sachen, betätige mich gern gestalterisch. Naturwissenschaften liegen mir, besonders auch Mathematik.“

Studium und Sport, das war für Meike Kröger immer ein schwieriger Spagat. In einem Interview mit dem Spikes-Magazin erklärte sie einmal: „Ich studiere und mache nebenher Leichtathletik – nicht umgedreht.“

Und trotzdem ging es auch sportlich weiter bergauf. 2009 wurde sie bei den Deutschen Hallenmeisterschaften mit 1,92 m Zweite hinter Ariane Friedrich und reiste voller Optimismus zu den Hallen-Europameisterschaften nach Turin, wollte dort um eine Medaille mitspringen. Die Qualifikation hatte sie überstanden. Zwar nur mit 1,85 m, aber im Finale sollte es höher gehen. „Aber so hatte ich mir das nicht vorgestellt. Fünf Minuten vor dem Gang in den Call-Room  bin ich beim Aufwärmen bei einem Steigesprung umgeknickt. Zuerst dachte ich, daß ich trotzdem springen kann, denn anfangs tat nichts weh. Aber der Fuß, mein Sprungfuß, schwoll schnell an, und der Physiotherapeut stellte fest, daß ein Springen nicht mehr möglich war.“
Ein Verband wurde angelegt, der Fuß gekühlt und enttäuscht mußte sie die Halle verlassen und ins Hotel zurückfahren. In Berlin wurden dann vom Arzt ein Bänderanriß und eine Stauchung im Knöchel festgestellt. Zehn Tage Gips, danach nochmals vier bis sechs Wochen eine Aircastschiene zur Stabilisierung des Fußes, das waren die ersten Therapie-Schritte. Es folgten Reha-Maßnahmen, hauptsächlich im Wasser, um den Fuß wieder zu mobilisieren.

 

So konnte sie auch bei einer Show-Vorstellung der Hochspringer in Berlin nicht mitspringen, als vier Briefmarken und die Gedenkmünze zu den Weltmeisterschaften 2009 in Berlin vorgestellt wurden.  Aber sie hatte keine Scheu, vor rund 200 Leuten, darunter Finanzminister Peer Steinbrück und Innenminister Wolfgang Schäuble, in der Halle der TSV Guts-Muths 1861 Berlin das Sportprogramm zu moderieren. Und anschließend fand sie noch Zeit und Muße, um mir ein ausführliches Interview für leichtathletik.de zu geben.

Der 2-Meter-Satz von Karlsruhe

Nachdem die Fußverletzung auskuriert war, qualifizierte sich die Berlinerin für ihre Heim-WM im Berliner Olympiastadion, wurde dort beachtliche Elfte (wahrscheinlich Neunte, denn ihren russischen Konkurrentinnen Tschitscherowa und Slesarenko wurde später Doping nachgewiesen / Jan-Gerrit Keil) . Und die gute Form nutzte Meike Kröger dann 2010 zum Paukenschlag, den 2 Metern. Am 28. Februar schwang sie sich bei den Deutschen Hallenmeisterschaften in Karlsruhe erstmals über diese Höhe. Als zehnte Deutsche überhaupt schaffte sie den Sprung über zwei Meter. Mit dieser Spitzenleistung brachte sie sogar die haushohe Favoritin Ariane Friedrich in Bedrängnis. „Die zwei Meter waren für diesen Winter noch gar kein Ziel. Aber ich habe schon bei den Sprüngen und Kraftwerten in dieser Trainingswoche gemerkt, daß ich sehr gut drauf bin“, erzählte sie anschließend meinem Stuttgarter Kollegen Klaus Schlütter, den ich bei der Leichtathletik-EM 1998 in Budapest näher kennengelernt hatte.

„Kröger, damals gerade mal 23 Jahre, „pokerte“ emsig  mit,  steigerte von 1,94 m gleich auf 1,98 m, schaffte diese Höhe im dritten Versuch und setzte sich vorübergehend an die Spitze. Ihr Trainer und Psychologe Jan-Gerrit Keil sagte: „Wir hatten beschlossen, alles auf eine Karte zu setzen. Mit 1,96 m wäre Ariane nicht zu schlagen gewesen.“ Eine kluge Taktik. Als Friedrich die 2,00 m im ersten Versuch riß, Kröger aber sensationell drüber flog, sah sie schon fast wie die Siegerin aus. Doch die Frankfurterin bewies starke Nerven und wehrte den Angriff mit 2,02 m  ab.“

Nun dachte man, daß sich Meike Kröger in der Weltspitze festsetzen werde. Aber dem war nicht so. Sie wurde zwar im Jahre 2010 in der Freiluftsaison nochmals deutsche Vizemeisterin und 2011 Dritte, aber danach nahmen Verletzungen und Krankheiten überhand, sodaß sie keine Höchstleistungen mehr bringen konnte und 2012 ihren Rücktritt vom Sport verkündete.

In der Zeitschrift „Leichtathletik“  äußerte sie sich im Februar 2013 im Gespräch mit Philip Häfner zu ihren Krankheiten. Neben einer alten Knieverletzung und einer erblichen chronischen Schilddrüsenunterfunktion litt sie zeitweise unter Depressionen und konnte nicht trainieren. „Ich habe lange überlegt, ob ich das öffentlich machen soll. Aber ich hoffe, daß ich damit das Bewußtsein für psychische Erkrankungen schärfen kann. Denn ich bin sicher nicht die einzige Betroffene im Leistungssport“, erklärte Meike Kröger.

Und in einem Interview mit Michael Reinsch von der FAZ äußerte sie sich nochmals zu diesen Problemen, die sie am Ende zur Aufgabe des Sportes zwangen.

(Auszüge aus einem FAZ-Interview vom 25.2.2013)

Frage: Als Sie in Karlsruhe mit zwei Metern Zweite der deutschen Meisterschaften wurden, sprach Ihr Trainer Jan-Gerrit Keil, ein Psychologe, davon, dass eine solche Leistung auch eine Belastung sein könne. Hat dieser Sprung Ihre Erkrankung verursacht?

Kröger: Ich kann nicht sagen, dass es dieser eine Sprung war. Aber der Druck im Leistungssport, den man sich vor allem selbst macht, begünstigt solche Krankheiten. Ich bin sehr ehrgeizig, sonst wäre ich dort nicht hingekommen. Aber er machte mir eben nur so lange Spaß, wie er nebenher lief. Als ich sah, dass ich oben mitmischen kann, als ich Erwartungen weckte, auch in mir selbst, geriet der Sport immer mehr in den Lebensmittelpunkt. Wenn man viel investiert, erwartet man, dass viel dabei herauskommt. Alles andere ist eine Enttäuschung. Aber so funktioniert Leistungssport nicht: Das Ergebnis wird nicht automatisch besser, je mehr man investiert.

Hat Ihr Architekturstudium Ihren Weg schwerer gemacht?

Kröger: Ich will nicht jammern. Ich habe einfach keinen Weg gesehen, Spitzensport und Studium optimal zu verbinden. Und ich wollte mich nicht erst mit dreißig zu Zwanzigjährigen in den Hörsaal setzen. Man kann ein Architekturstudium nicht strecken, deshalb hatte ich wenig Zeit fürs Training. Das war zum Scheitern verurteilt.

Wann haben Sie die ersten Anzeichen Ihrer Depression erlebt?

Kröger: Das entwickelt sich, ohne dass man es wahrnimmt. Richtig ausgebrochen ist es Ende 2011. Ich hatte zuvor eine lange Phase von Verletzungen und eine Schilddrüsenunterfunktion.

Hat der Sport Sie in der Depression belastet oder geholfen?

Kröger: Er spielte überhaupt keine Rolle. Man kämpft nur darum, überhaupt wieder Lebensqualität herzustellen. Die Frage ist, ob und wann man in den Leistungssport zurückkehren kann, wenn man geheilt ist. Es macht ja nicht klick, und man ist wie vorher. Es braucht eine Weile. Im Leistungssport muss man überzeugt und stark sein, um Erfolg zu haben. Ich spreche nur über meine Krankheit, weil durch einen irreparablen Knorpelschaden mein Ausscheiden aus dem Sport definitiv ist. Wenn ich ein Comeback vorhätte, würde ich mir das sehr gut überlegen. Man macht sich angreifbar. Die Chance, zurückzukommen, ist damit eigentlich gleich null.

Es gehört Mut dazu, darüber zu sprechen. Wie haben Sie den aufgebracht?

Kröger: Ich neige dazu, zu ehrlich zu sein. Ich will niemandem etwas vorgaukeln. Ich will offen umgehen mit dieser Krankheit. Vielleicht hätte es mir geholfen, wenn ich von anderen Leichtathleten gewusst hätte, die eine Depression hatten und wie sie damit umgehen. Es ist ja nicht außerirdisch, dass so etwas passiert im Leistungssport.

Soweit die Auszüge aus dem FAZ-Interview vom 25.2.2013.

Meike Kröger Porträtfoto zwei 2012

Über Zürich in die USA

Zwar erfüllten sich sportlich nicht alle Erwartungen, aber beruflich  konnte Meike Kröger ihren eingeschlagenen Weg erfolgreich fortsetzen.

Sie beendete 2011 ihr Architekturstudium in Berlin und zog dann zunächst in die Schweiz nach Zürich. Ihr Freund hatte dort eine Anstellung bei der Lufthansa bekommen.  „ In Zürich habe ich in einem Architekturbüro gearbeitet und im Letzigrund trainiert. Doch 2012 habe ich dann auf ärztliche Empfehlung  mit dem Leistungssport aufgehört.“  Meike Kröger räumt ein, daß sie sich in der Schweiz nie richtig eingewöhnt habe. Nach der endgültigen Abschied von der Leichtathletik entschied sie sich zunächst für ein Praktikum in den USA. „Das Praktikum bei Montalba Architects in Santa Monica war für mich eine super Erfahrung“, blickt sie zurück. „ Das Klima und die positive Lebenseinstellung und Gelassenheit in Kalifornien haben mir sehr gut getan.“

Im Jahr 2013 zog sie dann für zwei Jahre  nach Hamburg und schloß dort 2015 ihren Master in Architektur ab.  Dabei fertigte sie u.a. das folgende Modell an:

Kröger Foto sieben Modell Master 2015

 

Dann arbeitete sie noch einige Monate in Berlin-Mitte in einem Architekturbüro, „ in einem netten Team“, wie sie betont.

Meike Kröger Landschaft mit bühenden Bäumen

Nun aber meldet sich Meike Kröger wieder aus den USA.  „ Seit Dezember 2016 bin ich in Venice, Kalifornien, wo ich in einem kleinen Büro mit zwei anderen Architekten arbeite. Gleich am ersten Tag habe ich dort mein eigenes Projekt  bekommen. Ich habe viele Freiheiten und gleichzeitig Verantwortung. Dadurch lerne ich viel und werde gefordert.“  Aber nicht nur die Arbeit gefällt ihr. „ Morgens vor der Arbeit geht es immer kurz zum Meer.“ Wer hat schon eine Arbeitsstelle, die so günstig liegt.

Nebenher betätigt sich Meike Kröger auch künstlerisch, wie in den beiden folgenden Bilder zu sehen ist.  “ Ich drucke diese Siebdruckmuster selbst und verarbeite sie“:

Kröger Foto neun Siebdruck

Kröger Foto zehn Siebdrcuk zwei

Meike Kröger nutzt auch die herrliche Umgebung, fühlt sich dort schon  sehr zuhause.

So etwa in den Santa Monica Mountains, wo die folgenden Aufnahmen gemacht worden:

Kröger Foto Santa Monica Mountains

Kröger Foto drei Santa Monica Mountains

Kröger Foto vier Santa Monica Mountains

 

Oder aber auch in der Wüste von New Mexico, die sie auf einem Road Trip durchquerte:

Kröger Foto Roadtrip_WhiteSands_2014

Spektakulär auch das Foto von Pismo Beach nördlich von Los Angeles. Aber das Angeln überließ sie dort anderen:

Kröger Foto acht Pismo Beach

 

Letztendlich wundert es nicht,  daß Meike Kröger ihre Entscheidung, in den USA zu leben und zu arbeiten, nicht bereut hat. „ Es war zwar ein langer Weg, bis ich endlich das Visum in der Hand hatte, aber es hat sich gelohnt“.

Peter Grau

Fotos von einer Porträt-Session Meike Krögers mit dem Fotografen Andreas Reutz aus dem Jahre 2010 sind zu sehen unter    

http://www.gettyimages.ae/photos/meike-kroeger?excludenudity=true&sort=mostpopular&mediatype=photography&phrase=meike%20kroeger&family=editorial#license

 

Olympiasieger Braz da Silva – Stabhochsprung-Champion mit Höhenangst

 

Das Foto über diesem Beitrag  zeigt einen Sprintstart beim ISTAF-Indoor in Berlin und beeindruckt durch die Dynamik der Sprinterinnen.  Deshalb habe ich auch dieses Foto für meine Homepage ausgewählt.

Nachdem ich die ersten 3 Auflagen miterlebt hatte, war ich diesmal  nicht live beim ISTAF-Indoor in der Berliner Mercedes-Benz Arena dabei. Zwar hatte ich den Besuch geplant, aber dann blieb ich doch zuhause. Auch, weil mir im Internet ein Livestream angeboten wurde. Und diese Entscheidung habe ich dann auch nicht bereut, denn Tim Tonder lieferte  im Livestream von RBB Sportplatz  fünf Stunden lang viele Informationen und glänzte mit großem Hintergrundwissen.

Tim Tonder Porträt zwei

Tim Tonder ( NDR / ARD)

Alles rund um das ISTAF-Indoor konnte ich später in aller Ausführlichkeit in Wort und Bild auf der Homepage des  ISTAF-Indoor und bei leichtathletik.de nachempfinden.

Und schon vorher fand ich besonders eine Geschichte meines Kollegen Michael Reinsch sehr lesbar.

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In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) schrieb er am 10. Februar 2017 unter der Überschrift:

Olympiasieger Braz da Silva: Stabhochsprung-Champion mit Höhenangst

“ Sein brisantes Duell mit dem weinenden Franzosen Lavillenie ist noch in frischer Erinnerung. Nun hat der nach Italien übergesiedelte Olympiasieger Thiago Braz da Silva in Berlin Großes vor.

In einem derart vom Fußball geprägten Sport wie dem Brasiliens muss man Thiago Braz da Silva wohl mit einem Torwart oder einem Linksaußen vergleichen: ein bisschen anders, ein bisschen verrückter als alle anderen. Oder? Ja, sagt der 23-Jährige und lacht, das sei wohl so. Im Sommer ist er in Rio de Janeiro Olympiasieger im Stabhochsprung geworden und scheint, ein halbes Jahr später in der Kälte Europas, immer noch das Glück des überwältigenden Moments auszustrahlen.

Schon mit zwölf Jahren sei er auf dem Sprung gewesen, erzählt er, doch da flog er noch horizontal. Dann ging er den Traum vom Fliegen an wie ein, nun ja: Torwart oder Linksaußen. Er stieg aufs Dach des Elternhauses in Marilia, gut vierhundert Kilometer nordwestlich von São Paulo, und sprang aus etwa drei Metern Höhe in den zementierten Hof. Der Junge war begeistert. Sein Onkel, ein Zehnkämpfer, wies ihn in die Geheimnisse von Hoch- und Stabhochsprung ein. Von da an ging’s aufwärts.“

weiter zu lesen auf:

http://www.faz.net/aktuell/sport/mehr-sport/hallen-istaf-berlin-mit-stabhochsprung-olympiasieger-thiago-braz-da-silva-14870225.html#GEPC;s2

 

 

Beim ISTAF-Indoor 2016 gewinnt der Brasilianer mit neuem Landesrekord von 5,93 m:

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(2017 wurde der Brasilianer mit 5,70 m hinter dem Polen Lisek (5,86 m) Zweiter).

 

 

Neues von Diskusolympiasieger Christoph Harting

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Christoph Harting

Mit allen Dreien, mit Christoph Harting, mit seinem Bruder Robert Harting und mit deren gemeinsamen Trainer Torsten Lönnefors  (früher Schmidt) hatte ich früher direkten Kontakt gehabt. Zunächst mit Robert Harting, den ich als Jugendlichen zunächst im Wurfhaus des Sportzentrum in Berlin-Hohenschönhausen traf und einige Jahre später  bei den Berliner Meisterschaften im Stadion Lichterfelde in Berlin-Wilmersdorf , wo er mich in einem längeren Gespräch sehr tief in seine Seele blicken ließ.

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Robert Harting

Seitdem sind wir uns oft über den Weg gelaufen, und er hat, wie es so seine Art ist, immer offen auf meine /unsere Fragen geantwortet.

Etwas anders war es bei seinem Bruder Christoph Harting. Ihn hatte ich einmal bei der Vorstellung des Berlin-Teams in der Berliner Spielbank am Potsdamer Platz gesprochen. Ich erinnere mich, daß es nicht ganz einfach war, von ihm etwas zu erfahren, aber im Laufe unserer Unterhaltung erfuhr ich das, was ich wissen wollte. Danach ergab sich nicht mehr die Gelegenheit, mit ihm zu sprechen, aber das lag allein daran, daß er mit seinen Leistungen zunächst nicht ganz oben ankam und meistens im Schatten seines Bruders stand.

Dann aber, als sich Christoph Harting immer mehr nach vorn schob,  war ich nicht mehr in die aktuelle Berichterstattung eingebunden. So wurde mir auch das Jahr 2016 erspart, als Christoph, aus welchen Gründen auch immer, die Journalisten mit Nichtachtung strafte und keine Interviews mehr gab.

Die Sprache wiedergefunden hatte er dann einige Wochen nach seinem Olympiaerfolg von Rio.  Mein Kollege Jan-Henner Reitze von leichtathletik.de  gelang das erste Interview nach der „Sendepause“.

Trainerwechsel

Zwischen und mit beiden Diskusriesen agierte Trainer  Torsten Lönnfors (früher Schmidt). Ihn hatte ich früher in seiner aktiven Zeit vor allem deshalb in Erinnerung, als er im Winter keine Wettkämpfe für die Diskuswerfer im Freien gab und er sich deshalb an den Kugelstoßwettbewerben in der Halle beteiligte und ich ihn in der Rudolf-Harbig-Halle in Berlin sprechen konnte.

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Torsten Lönnfors (mit Sonnenbrille) bei den Hallenser Werfertagen

Nun, im Jahre 2017, ist alles etwas anders geworden.  Torsten Lönnfors trainiert zwar weiter Christoph Harting, aber Robert Harting und dessen Ehefrau Julia Harting (geb. Fischer) werden nun von Marko Badura betreut, der von Leipzig nach Berlin wechselte.

 

Über den aktuellen Stand hat sich mein Kollege Michael Reinsch von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ)  mit Trainer Torsten Lönnefors unterhalten und am 3. Januar 2017 dazu einen Beitrag in der FAZ veröffentlicht.

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Michael Reinsch (FAZ)

 

Diskuswurf-Olympiasieger Harting plant das nächste verrückte Ding

Die Arbeit sei nicht leichter geworden, sagt Torsten Lönnfors. Vielleicht kann  man sagen, sie ist etwas entspannter geworden. Die Spannung ist raus aus dem täglichen Geschäft“. Der Berliner Diskus-Trainer betreut statt zwei Hartings nur noch einen, statt den einen Olympiasieger den anderen.

Lesen Sie weiter unter

http://www.faz.net/aktuell/sport/mehr-sport/diskuswurf-olympiasieger-will-80-meter-weit-werfen-14592488.html

 

Kathleen Friedrich: Eine Fotografin mit Leidenschaft

 

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Die Potsdamerin Kathleen Friedrich kenne ich vor allem als Leichtathletin. Das liegt aber schon einige Jahre zurück. Nun ist sie Fotografin, und ich habe mich mit ihr in ihrem Studio in der Innenstadt von Potsdam verabredet.

Die Jägerstraße 43 ist schnell gefunden. Von der anderen Straßenseite aus fotografiere ich das Haus, in dem sie die Ateliersräume gemietet hat.

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Vor dem Eingang fällt mein Blick auf das Firmenschild:

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Nicht nur auf ihre Homepage www.kathleen-friedrich.de macht sie darauf aufmerksam, sondern gibt auch einen kurzen Überblick ihres Angebotes: Portraits, Hochzeiten, Events, Werbung.

Und dann gehe ich hinein in die „heiligen Hallen“, sprich in das Studio.

Im ersten Raum werden die Atelier-Fotos gemacht:

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Von dort gehe ich eine  kleine Treppe hinauf, und sehe Kathleen Friedrich gerade telefonieren.

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Doch dann nimmt sie sich zwei Stunden Zeit, um mit mir über ihr Sportlerleben und ihre berufliche Entwicklung bis hin zur Fotografin zu plaudern.

Zehn Jahre Hochleistungssport

Zehn Jahre als Hochleistungssportlerin liegen hinter ihr. Die Potsdamer Mittelstrecklerin war von 2000 bis 2004 die beste deutsche Läuferin über die 1500 m, gewann in diesen Jahren alle fünf Freilufttitel bei Deutschen Meisterschaften. WM- und EM-Teilnehmerin, Juniorenvizeweltmeisterin und Weltcup-Dritte von 2002, auch international mischte sie gut mit. In ihrem besten Jahr 2001  stellte sie mit 4:04,27 eine Bestzeit auf, die seitdem von keiner deutschen Läuferin mehr erreicht wurde.

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Kathleen Friedrich (Foto: Theo Kiefner)

So ehrgeizig, wie sie sich auf der Laufbahn präsentierte, nahm sie danach auch ihre berufliche Entwicklung in Angriff. Dabei gab ein Besuch bei der Leichtathletik-WM in Paris im Jahr 2003 den entscheidenden Impuls. „ In jenem Jahr war ich verletzt, konnte nicht aktiv teilnehmen. Aber ich fuhr als Touristin hin“, erzählt sie. „ Es ergab sich, daß ich dort einige meiner heutigen Kollegen bei der ARD traf und eingeladen wurde, mich einmal bei ihnen umzuschauen.“  Kathleen fand alles so interessant, daß sie sich anschließend entschied, in Potsdam „Europäische Medienwissenschaften“ zu studieren.  „Ich zog zurück in meine Heimatstadt Potsdam, schrieb mich an der Uni ein und war fortan Studentin. Nebenher fotografierte ich bereits hobbymäßig“.

Schnell fand sie Gefallen an dem gewählten Studiengang. Oft auch philosophisch angelegt, war er nicht nur auf ein spezielles Gebiet  ausgerichtet, sondern bot viel Freiraum, sich in sämtlichen medialen Bereichen auszuprobieren. Dazu gehörten zum Beispiel das Gestalten und Programmieren von Websiten, das Verfassen von journalistischen Texten oder auch das Experimentieren mit Ton und Bild. Kathleen Friedrich hatte am Ende des Studiums zwei Titel in der Tasche: den Bachelor und den Master of Arts.

Noch während des Studiums knüpfte sie feste Bande zum Fernsehen.  „Seit 2005 bin ich durchgängig für die ARD als Kommentar-Assistentin innerhalb der Leichtathletik zuständig, als Assistentin der Kommentatoren Ralf Scholt und Wilfried Hark.“ Immer, wenn die ARD Leichtathletik überträgt, ist die 39-Jährige dabei. „Das Schöne daran ist, daß ich weiterhin die Verbindung zur Leichtathletik behalte, auch wenn ich mich aus dem aktiven Sport 2006 verabschiedet habe.  Meine Liebe zur Leichtathletik ist ja weiterhin ungebrochen. Mittlerweile kann ich meine beiden Berufsfelder auch miteinander verbinden. Zum Beispiel habe ich im Oktober Sprinterin Rebekka Haase porträtiert.“

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Sprinterin Rebekka Haase

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Und da sind wir bei ihrem Hauptberuf. Kathleen Friedrich ist Fotografin, mit Leib und Seele. Nach nunmehr zehn intensiven Jahren sagt sie voller Inbrunst: „Es ist mir eine Herzensangelegenheit“.

Wie in jedem selbständigen Beruf waren die Anfänge nicht leicht. „Ich hatte damals keinen ausgereiften Businessplan und habe sehr viel intuitiv gehandelt.“ Sie ging zum Gewerbeamt, meldete sich dort als Fotografin an und baute fortan ihre Selbständigkeit auf. Schnell fand sie ihre Spezialgebiete: Porträts, Hochzeiten, Werbeaufnahmen und Eventaufnahmen.

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Zunächst arbeitete sie von zuhause aus. Dann mietete sie Studios an, zog später in ein eigenes Studio auf einem Hinterhof und ist nun seit drei Jahren in diesem exzellenten Studio in Potsdams Innenstadt gelandet.

Kamen anfangs die Aufträge vor allem durch Mundpropaganda, ist das jetzt etwas einfacher geworden. „Ich habe mir ein sehr gutes Netzwerk aufgebaut,  mit Grafikern, mit Webdesignern, eben mit anderen kreativen Leuten und Geschäftspartnern.“ Man empfiehlt sich gegenseitig. Und sie betont ihre sehr gute Kundenbindung. „ Für viele bin ich die Haus-und Hoffotografin, sowohl für Firmen als auch für Familien.“

Ihre Referenzenliste ist groß. „ Einer meiner ersten Betriebe war die Mittelbrandenburgische Sparkasse, auch die Ärztekammer Berlin oder die Stadtwerke Potsdam sind dauerhafte Kunden von mir“. Aber auch für größere Unternehmen wie Vattenfall, Amazon oder Kärcher hat sie schon gearbeitet (weitere Referenzen auf der Homepage:  www.kathleen-friedrich.de).

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Eine der vielen Werbeaufnahmen

 

Getan hat sie viel dafür. Neben ihren Abschlüssen im Bereich Medienwissenschaft absolvierte sie ein Fernstudium Fotografie und eignete sie sich vieles im Arbeitsprozeß an. „Mit Blende arbeiten, mit  Belichtungszeiten, Farbtemperaturen, Isowerten, das sind ja nur die Grundvoraussetzungen,“ erzählt sie. „Die Arbeit mit einer Lampe, mit zwei oder drei Lampen, mit Dauerlicht, Blitzlicht, Reflektor, mit sehr unterschiedlichen Objektiven, all das gehört dazu und zeichnen dieses komplexe Handwerk aus.“  Ein Kunsthandwerk, möchte man hinzufügen.

Ganz allein aber ist sie nicht in ihrem Studio. „ Ich habe derzeit zwei junge, freie Mitarbeiterinnen, die mich bei der Bildverarbeitung unterstützen. Und neben mir sitzt mit Kathi Nicolaus eine Kollegin, die Web- und Grafikdesign macht, aber selbständig ist und ein eigenes Betätigungsfeld hat. Weil wir sehr spezialisiert sind, können wir uns, was unsere Produkte angeht, auch wirklich voneinander abheben. Ich halte nichts davon, wenn einer alles kann. So gut kann er es nie können.“

Kathleen Friedrich charakterisiert sich selbst so: „Ich will mich einfach immer verbessern, liebe es, näher an die Perfektion heranzukommen. Und das bedeutet keinen Druck für mich, sondern es ist einfach ein tolles Ziel.“

Und sie fügt auch hinzu, daß es Unterschiede zwischen dem Sport und dem Fotografen-Beruf gibt. „ Beim Sport ist die Verbesserung schon allein durch das Alter eingeschränkt. Irgendwann erreicht man körperlich den Zenit. Das ist beim Fotografieren einfach noch anders. Das Ende ist viel offener. Es kann sein, daß ich mein bestes Foto mit 90 Jahren machen werde. Es ist eben das Schöne, daß ich jetzt ein Feld gefunden habe, wo ich mich noch mehr austoben kann als im Sport.“

Laufbestzeit beim ISTAF 2001

 Zum Sport war sie durch ihre Eltern gekommen. Die Mutter war Sportlehrerin und der Vater ein guter 400-m-Läufer. „ Es kristallisierte sich sehr schnell heraus, daß ich Läuferin werden würde. Da war ich einfach am besten.“ So landete sie schnell bei den Mittelstrecken, bald auch bei Trainer Bernd Dießner. Doch ihre Entwicklung vollzog sich danach nicht reibungslos.

„Wenn die Wende nicht gekommen wäre, hätte ich nicht weiter Sport betrieben,“ erinnert sie sich. „ Vom DDR-System wurde ich 1988 aussortiert, hatte die Aufnahmeprüfung für die Kinder-und Jugendsportschule in Berlin nicht bestanden.“ Ein Jahr später kam die Wende. Ihr Trainer Bernd Dießner wechselte nach Chemnitz zum LAC Erdgas Chemnitz und sie ging mit. Von dann führte ihr sportlicher Weg nach oben.

Kathleen Friedrich holte sich in der Folgezeit fünf Deutsche Meistertitel über 1500 m, lief 2001 beim ISTAF in Berlin mit 4:04,27 min ihre Bestzeit. Seitdem ist keine deutsche Läuferin schneller gelaufen. Nur Corinna Harrer kam ihr 2012 mit 4:04,30 min recht nahe und jetzt schickt sich Constanze Klosterhalfen an, in diese Region hineinzulaufen. „ Sie halte ich gegenwärtig auch am ehesten in der Lage, mal ein 4:03 zu laufen“, meint Kathleen Friedrich.

Konnte mit der Weltspitze mithalten

2001 war jedenfalls ihr bestes Jahr. Doch die Krönung bei der Weltmeisterschaft im kanadischen Edmonton blieb aus. Im Halbfinale kam sie 150 m vor Schluß durch eine Konkurrentin zu Fall und stieg aus. „Das war ein Fehler, denn ich hätte nur ins Ziel kommen und dann Protest einlegen müssen. Das war mir zu dem Zeitpunkt leider nicht klar.“  Daß sie mit der Weltspitze mithalten konnte, wies sie 2001 mit vierten Plätzen eben beim ISTAF und in Zürich nach.

„ Auch wenn es neben der Silbermedaille bei der Juniorenweltmeisterschaft und dem dritten Platz beim Weltcup 2003 zu keiner weiteren internationalen Medaille gereicht hat, habe ich mit meiner Laufkarriere absolut Frieden geschlossen“.

Duale Laufbahn wäre besser gewesen

Rückblickend meint Kathleen Friedrich, daß es für sie besser gewesen wäre, wenn sie die duale Laufbahn eingeschlagen hätte. „Ich hätte etwas für den Kopf tun, mein Studium eher beginnen sollen. Ich bin einfach ein Denker und kann nicht aufhören zu denken. Deshalb muß ich meinem Kopf ständig „Futter“ geben. Ansonsten zerpflückt er Dinge, wo es nicht erforderlich ist.“ Doch sie räumt auch ein, daß das jeder für sich entscheiden muß. Um auch international ganz vorn zu landen, so mutmaßt sie im Nachhinein, wäre auch ein Mentaltrainer gut gewesen. „Doch damals war die Zeit dafür noch nicht reif oder erst in den Startlöchern. Es war eher ein bißchen verpönt“. Kathleen Friedrich betont, dass Bernd Dießner ein hervorragender Trainer gewesen ist. „Vielleicht hätten wir an ein bis zwei Stellschrauben drehen können, aber große Fehler haben wir nicht gemacht.“

Auf die Frage, ob vielleicht auch Doping der Konkurrenz ihr geschadet habe, antwortet sie vorsichtig. „Ich möchte dieses Thema nicht extra hervorheben, auf keinen Fall pauschal verdächtigen. Aber einiges gab mir doch zu denken“. Und sie führt den Fall der Türkin Süreyya Ayhan  an, die 2001 in Edmonton  als Achte hinter sieben Europäerinnen 4:08,17  min gelaufen war und ein Jahr später in München in 3:58,79 min  Europameisterin wurde. Zwei Jahre später wurde die Türkin des Dopings überführt.

Gelernt, über ihre Grenzen zu gehen

Aber weil sie mit ihrer aktiven sportlichen Karriere vor zehn Jahren abgeschlossen hat, schaut sie nicht mehr allzu sehr zurück und wenn, hebt sie das Positive von damals hervor: „ Ich habe vom Sport gelernt, über meine Grenzen zu gehen. Manche Aufgaben sind heute sehr anstrengend und ich kann dann auch durchziehen. Von mir wird ein Kunde nie hören, dass ich k.o. bin.“

Aber dafür muss sie sich auch fit halten. „Zehn Stunden lang eine Hochzeit fotografieren, mit einer Kamera plus schwerem Objektiv auf der Schulter bzw. in der Hand, ist auch körperlich anstrengend.“ Sie gibt mir eine solche Kamera in die Hand und ich kann es gut nachfühlen. Deshalb geht sie regelmäßig ins Fitneßstudio, joggt durch die Gegend und macht etwas ganz besonderes: einmal pro Woche geht sie mit ihrem Freund Ingo Opitz in die Tanzschule. „Da ist dann alles im Programm: Standard, Latein, Walzer , Foxtrott, Jive, Rumba, Chachacha. Und es gefällt mir, weil ich hier mit meinem Partner das Künstlerisch-Ästhetische in Kombination mit Bewegung ausleben kann.“

Vieles in ihrem Leben spielt sich aber rund um die Fotografie ab. „ Es ist ähnlich wie vorher beim Sport, es ist sehr ausfüllend. Ich arbeite viel und das sehe ich auch nicht als Belastung“. Aber trotzdem oder gerade deswegen genießt sie auch andere Momente. „ Wir gehen sehr gern zusammen esse. Ich bin auch ein Genußmensch. Ich würde auch in eine Stadt fahren, die eigentlich nichtssagend ist, wenn dort ein gutes Restaurant ist. Das Genießen hat sich bei mir durch den Sport verstärkt.“

Fotografie ist Miteinander

Zum Abschluß unseres zweistündigen Gespräches weist Kathleen Friedrich noch auf einen wesentlichen Unterschied hin: „ Der Leistungssport war eindeutig ein Gegeneinander. Die Fotografie aber ist ein Miteinander. Nur wenn ich meinem Gegenüber ein gutes Gefühl gebe, wird es auch ein gutes Foto.“

Und so glaubt man auch ihrer Philosophie, die sie auf ihrer Homepage kundtut: „Ich liebe es, das Schöne zu entdecken und es mit Gefühl und Einfühlungsvermögen zum Strahlen zu bringen. Die Begegnung auf Augenhöhe, das Gestalten mit Licht, Farbe und Form sowie das Einfangen von besonderen Momenten stehen im Fokus meiner Arbeit.“

Peter Grau

 

Man redet am Tag 50.000 Mal mit sich

 

Viele Jahre habe  ich mich intensiv mit dem Gehsport befaßt. Viele Veranstaltungen besuchte ich, in Naumburg war ich Stammgast. Und mit Wehmut sah ich seit einiger Zeit, daß dieser Sport, der soviel Trainingsfleiß benötigt und der auch attraktiv ist, wenn man ihn begreift, immer mehr den Weg nach unten ging. So war es für mich eine große Freude,  als ich bei den Olympischen Sommerspielen 2016 in Rio de Janeiro aus der Ferne den Fast-Triumph des Potsdamer Gehers Christopher Linke miterleben durfte.  Ihn hatte ich zuletzt beim Training in Kienbaum beobachtet, und ich wußte um seine gute Form.

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Christopher Linke in Rio

 

Nur knapp verpaßte er eine Medaille, seinen fünften Platz über 20 km Gehen hatte ich im Internet verfolgt.  Später kommunizierte ich mit ihm über Facebook, und nun kam er kürzlich per Foto mit dem Zeitungsboten in mein Haus.

Am 27. September 2016 brachte die Märkische Allgemeine Zeitung ein Foto von ihm aus dem olympischen Finale und ergänzte damit ein Interview, das Stephan Henke mit Katja Seyffardt geführt hatte, einer Mentaltrainerin, die in Wustermark westlich von Berlin lebt und die u.a. auch Christopher Linke psychologisch  im Vorfeld der Olympischen Spiele betreut hat.

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Katja Seyffardt

Lesen Sie  das Interview, in welchem Katja Seyffardt nicht nur über ihre Zusammenarbeit mit den Gehern Christopher Linke und Hagen Pohle sowie dem Speerwerfer Bernhard Seifert  spricht, sondern auch über Motivation, eine richtige Zielsetzung und Konzentrationsübungen über Kopfhörer:

Frage: Der Fußballtrainer Christoph Daum hat einmal etwas verquer behauptet: „ Wenn der Kopf richtig funktioniert, dann ist er das dritte Bein“. Wie würden Sie die Bedeutung des Mentalen für den Sport beschreiben?

Katja Seyffardt: Der Kopf ist entscheidend. Ich würde sagen, er macht 50 Prozent der Leistung aus. Wenn die physischen Grundlagen da sind, dann ist der mentale Aspekt sehr wichtig. Leistungssportler stehen immens unter Druck. Sie müssen zu bestimmten Zeiten maximale Leistung abrufen – und das über viele Jahre.

Wie helfen Sie als Mentaltrainerin?

Seyffardt:  Es ist immens wichtig, dass Sportler mentale Techniken als Werkzeug an die Hand bekommen, damit sie lernen, wie sie sich besser fokussieren können. Wenn im Stadion beispielsweise 80.000 Menschen brüllen, macht das ja etwas mit einem. Die Frage ist, wie der Sportler in solchen Fällen bei sich bleiben und  sich auf seine Aufgabe konzentrieren kann und nicht etwa auf den Sound des Stadions hört und sich von der Masse ablenken lässt.

Wie sehen solche Techniken aus?

Seyffardt: Jeder ist da individuell, jeder spricht auf unterschiedliche Dinge an. Der eine ist mehr visuell, der andere auditiv, der andere fühlt lieber. Da gibt es unterschiedlichste Entspannungs-und Konzentrationstechniken, bei denen man sich auf das Ein-oder Ausatmen konzentriert. Das kann man auch mit aufgenommenen Mp3s machen und diese dann über Kopfhörer abspielen.  Oder es gibt die Progressive Muskelrelaxation. Dabei spannt man bestimmte Muskelgruppen an, angefangen vom Kopf über den Bauch bis zu den Füßen. Dadurch erreicht man eine Tiefenentspannung. Klar ist aber: Es bringt nichts, drei Wochen vor einem großen Wettkampf damit anzufangen, das wäre unprofessionell. Es ist wie mit dem physischen Training, es muss regelmäßig angewendet und trainiert werden.

Wie unterscheidet sich das in den verschiedenen Sportarten?

Seyffardt: Geher wie Christopher Linke oder Hagen Pohle haben über eine Strecke von 50 Kilometern ganz andere Herausforderungen als beispielsweise der Speerwerfer Bernhard Seifert, der nach einem Wurf eine Konzentrationsübung macht. Die Geher müssen einen Fokus setzen, gerade wenn es hart wird. Sie würden ihre brennenden Beine wahrnehmen und sagen, ich kann nicht mehr. Professionelle Sportler müssen die Fähigkeit besitzen, über Schmerzen hinwegzusehen und den Fokus auf etwas anderes zu legen, sich beispielsweise auf das klopfende Herz zu konzentrieren oder eine Visualisierung abspielen oder sich innerlich mit Worten zu motivieren.

 

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Christopher Linke in Rio

 

(Interviews, die Katja Seyffardt mit Christopher Linke, Hagen Pohle und Bernhard Seifert führte, sind auf You Tube zu finden. Mehr über die Mentaltrainerin auch auf ihrer Homepage www.seyffardt.de)

 Wie hört sich eine innere Ansprache an?

Seyffardt: Man redet am Tag 50.000 Mal mit sich selbst. Das ist wissenschaftlich erwiesen. Dessen muß man sich erstmal bewusst werden. Da ist es wichtig, wie der Sportler mit sich selbst redet und motiviert. Ist er streng und gebieterisch, weil er gerade eine Sequenz schlecht bewältigt hat? Oder kann er das Negative sofort ablegen, umdrehen, den Fokus auf die nächste Sequenz legen und sich innerlich durch Worte motivieren? Diese Routinen sind unglaublich wichtig, sie geben dem Sportler Sicherheit, gerade wenn man Versagensängste hat.

2004 holte Jürgen Klinsmann einen Sportpsychologen für die Fußball-Nationalmannschaft, die Skepsis war groß. Hat sich das inzwischen geändert?

Seyffardt: In Amerika und England ist die Sportpsychologie ein supergroßes Thema. Die haben dort auch ein ganz anderes Feeling für den Sport. Das fängt dort ja schon viel früher und unglaublich professionell in der Highschool an. Seit aber die Nationalelf einen Sportpsychologen hat, haben auch andere Clubs ein Ohr dafür und ziehen nach. Leider gibt es aber sehr viele Randsportarten, die finanziell nicht so gut ausgestattet sind  und die sich eine Betreuung nicht leisten können.

Sie arbeiten auch mit den Brandenburger Fußball-Schiedsrichtern. Welche Tipps geben Sie ihnen?

Seyffardt: Schiedsrichter sind oft Beleidigungen, Anfeindungen oder sogar körperlicher Gewalt ausgesetzt, gerade im Amateursport. Da muss man als Person gefestigt und selbstbewusst sein und auch nicht über eine Entscheidung nachdenken, wenn sie gefällt ist und nicht einknicken. Eine Arbeit an den persönlichen Stärken kann hier sehr hilfreich sein, das Selbstbewusstsein stärken.

Ist ein Motivationstraining auch für Hobbysportler sinnvoll?

Seyffardt: Sobald man eine Leistung für sich erzielen will, ist das ein Thema, egal ob man beispielsweise einen Marathon gewinnen  oder einfach nur ankommen will. Außerdem gibt es immer mehr hochambitionierte Hobbysportler, die viel in ihren Sport und ihr Weiterkommen investieren. Auch in diesem Bereich habe ich schon Klienten betreut. Sobald es über den Freizeitgedanken hinausgeht, ist Mentaltraining auf jeden Fall sinnvoll. Außerdem unterstützt das Mentaltraining auch bei Verletzungen sehr stark die Heilung.

Interview:  Stephan Henke

(erschienen am 27. September 2016 in der „Märkischen Allgemeinen Zeitung)

Die Europameisterin von 2016 und Olympia-Sechste über 3000 m Hindernis Gesa Felicitas Krause wechselt von Frankfurt/Main nach Trier

 

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Mit Gesa Felicitas Krause sprach der Mitarbeiter der Tageszeitung „Trierischer Volksfreund“, Holger Teusch,  über die Hintergründe des Vereinswechsels von Frankfurt nach Trier, die anfängliche Enttäuschung nach den Olympischen Spielen und ihre Ziele für das nächste Jahr.
Als Europameisterin gehen Sie vom großen Frankfurt in die Provinzstadt Trier. Was  hat den Ausschlag für den Wechsel zum Silvesterlauf-Verein gegeben?

Gesa Krause: Ich habe mich im Laufe der Saison immer schon mal umgehört, was ich für Optionen habe. In Frankfurt war es eine tolle Zeit. Ich bin glücklich über die letzten Jahre und dankbar für alles. Aber es war jetzt Zeit für etwas Neues. Ich glaube, dass es wichtig ist, sich  immer mal wieder zu orientieren,  was es noch für Möglichkeiten gibt. Eigentlich wollte ich nicht aus Hessen weg, weil ich ja von dort komme. Ich habe aber von Trier ein Angebot bekommen, bei dem es nicht nur primär ums Finanzielle geht, sondern um mich als Person. Wo ich Teil einer Laufbewegung, Teil des Silvesterlauf-Vereins bin, in dem ich mich mittlerweile auch heimisch fühle, nachdem ich hier fast jedes Jahr meinen Jahresabschluss und Saisonauftakt gefeiert habe. Es ist ein Gesamtpaket, von dem ich überzeugt bin, dass ich damit als Sportler wachsen kann. Aber auch etwas an eine Region zurückgegeben kann, wo nicht so viel an geballtem Sport stattfindet. In Frankfurt war ich Teil einer großen Menge. Ich hoffe und denke, dass ich hier als Sportlerin und Läuferin wahrgenommen werde. Ich glaube, dass die Anerkennung hier sehr, sehr groß ist und das ist etwas, was mir sehr viel Motivation gibt…

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Gesa Krause (2. v.r.) bei der Trikotübergabe durch den neuen geschäftsführenden Vorstand des Trierer Silvesterlauf-Vereins mit Egbert Ries, Pia Bösen und Christian Brand (v.l.).  Foto: Holger Teusch

 
Was ändert sich durch den Wechsel für Sie?

Gesa Krause: Prinzipiell erst einmal gar nicht so viel. Ich bleibe in Frankfurt wohnen. Ich habe dort eine schöne Wohnung gemeinsam mit meinem Freund. Meine Eltern wohnen in Mittelhessen, mein Trainer im Odenwald. Das ist ein Gefüge, das gut funktioniert. Ich bin froh, dass ich vom DLV weiterhin die Unterstützung für die Trainingslager erhalte. Ich muss mir aber drumherum ein Netzwerk aufbauen, in dem ich mich wohlfühle und gut arbeiten kann. Ich glaube, dass es mir nur so möglich ist, eine optimale Leistung zu erbringen. Dazu gehört auch der Verein, der mich stärkt. Es nicht so wichtig, ob das in der Stadt ist, in der ich wohne. Es ist viel, viel wichtiger, wie groß der Kontakt ist. Wenn die Harmonie stimmt, sind räumliche Distanzen klein.
Kommende Saison werde ich von Januar bis Mai ganz normal in meine Trainingslager fahren. Dann fangen die Wettkämpfe an. In der Zeit bin ich kaum zu Hause. Ich habe zwar meinen Wohnsitz in Frankfurt, bin aber eigentlich ständig auf Achse. Aber wenn ich zurückkomme, ist es wichtig, dass ich weiß: Ich habe mein Umfeld, in dem ich gut arbeiten kann.

Wolfgang Heinig ist nicht mehr Bundestrainer, bleibt aber Ihr Trainer. Welche Bedeutung hat er für Sie?
Gesa Krause: Er ist neben meinem Freund und meiner Familie die wichtigste Bezugsperson für mich. Der Sport nimmt sehr viele Stunden am Tag ein. Das sind einmal die Trainingsstunden, aber auch viele Gedanken drehen sich um den Sport. Ernährung, Lebensweise, alles dreht sich um meinen Trainingsalltag. Da ist Wolfgang Heinig mein Ansprechpartner Nummer eins. Er steht auf dem Platz, wenn ich Tempoläufe mache, ob es regnet oder schneit, ob es Minusgrade sind oder ob wir in Kenia in der Hitze schwitzen. Wenn ich ein offenes Ohr brauche, ist er da. Neben dem Trainerjob ist er zu einem Freund geworden, mit dem ich auch über etwas anderes reden kann. Ich bin sehr, sehr froh, dass er mir zur Seite steht. Er macht das aus Leidenschaft für den Sport. Ich möchte ihm natürlich auch etwas zurückgeben. Das ist primär die Leistung, aber auch ein harmonisches Verhältnis zwischen Trainer und Athlet.

2017 sind die Weltmeisterschaften in London. Was sind Ihre Ziele für die kommende Saison?

Gesa Krause: Ich habe mich bisher gar nicht so mit der WM beschäftigt. Dieses Jahr ging alles um Olympia und die EM – und dann sprechen alle schon von den Europameisterschaften 2018 in Berlin. Deswegen war London für mich immer ein bisschen aus den Augen, aus dem Sinn. Ich habe immer gesagt: 2017 mache ich viele Wettkämpfe. Da will ich tolle Zeiten laufen. Da will ich präsent sein, sodass die Leute sagen: Oh, die Gesa ist im Rennen! Dass ich eine große Breite an guten Wettkämpfen habe, das ist mir persönlich sehr, sehr wichtig. Aber am Ende wird natürlich auf den Höhepunkt geschaut. Das heißt, ich darf eine WM nicht außer Acht lassen. Die Wettkämpfe drumherum werde ich benutzen, um mir persönliche Stärke zu holen und hoffentlich meine Bestzeit (Anmerkung: 9:18,41 Minuten, gleichzeitig deutscher Rekord) zu verbessern. In London werde ich alles aus mir herausholen.
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Gesa Krause bei der DM 2016 in Kassel (Foto: Dirk Gantenberg)

Das gesamte Interview können Sie unter  volksfreund.de  am 30.11. 2016 unter dem Titel:  „Ich will in Trier als Sportlerin wachsen“ nachlesen.

Lesen Sie außerdem, warum es zum Wechsel von Gesa Felicitas Krause kam,  unter http://www.volksfreund.de/nachrichten/sport/laufen/berichte/Berichte-Gesa-kommt-Weltklasse-Laeuferin-Krause-wechselt-nach-Trier;art165506,4563872

 

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Pressekonferenz in Trier:  Berthold Mertes, Sportchef des Bonner General-Anzeigers, Gesa Krause, Christian Brand, Trierer Silvesterlauf  (von links). Foto:  Holger Teusch

1500-m-Mann Homiyu Tesfaye – Endstation St. Moritz?

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Jahrelang war der Ex-Äthiopier Homiyu Tesfaye  die Medaillenhoffnung für den DLV über 1500 m. Auch wenn ich ihn nie persönlich gesprochen habe, mochte ich ihn doch. Er kam freundlich daher  und der große Erfolg schien nur eine Frage der Zeit zu sein. Doch nun hat sich vieles in seinem Leben geändert.

In der FAZ vom 18.11.2016 wird ausführlich darüber berichtet. Lesen Sie dort die Geschichte des Homiyu Tesfaye:

Leichtathlet Tesfaye: Sankt Moritz – der Liebe wegen

Von Katja Sturm und Michael Reinsch

Homiyu Tesfaye galt als kommender Weltklasseläufer mit Medaillenchancen. Jetzt scheint seine Laufbahn zu Ende zu sein: Nicht steuerbar, heißt es. Einfluss hat nur eine – seine Verlobte.

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Homiyu Tesfaye und Maryam Jamal

Es war, als sei ein Weltklasseläufer vom Himmel gefallen: 2010 stand plötzlich ein junger Mann auf dem Sportplatz von Eintracht Frankfurt, sagte, er heiße Homiyu Tesfaye, stamme aus Äthiopien und habe politisches Asyl beantragt. Er wollte ein bisschen mittrainieren. Ein Jahr später wechselte er in die Gruppe von Bundestrainer Wolfgang Heinig, drei Jahre später war er Deutscher, auch weil er als Medaillenkandidat bei den Olympischen Spielen von Rio erschien.

Inzwischen scheint die Karriere des Homiyu Tesfaye im Deutschen Leichtathletik-Verband zu Ende zu sein. „Ich bin maßlos enttäuscht“, sagt Heinig, „Er ist nicht steuerbar und deshalb nicht förderwürdig.“ Seit fast einem Jahr wollte Tesfaye von Heinig nur noch Trainingspläne, aber keine Zusammenarbeit mehr. Er verpasste Trainingslager, meldete sich zu längeren Aufenthalten in Äthiopien zwar bei der Bundeswehr ab, deren Sportförderung er genoss, nicht aber beim Bundestrainer, er verpasste Doping-Kontrollen…

 weiter lesen auf:
http://www.faz.net/-gtl-8nhgh
(Fotos von seiner Facebook-Seite)

Emotionen rund um den Frankfurt Marathon – wie der Sport die Menschen verbindet

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Alle wichtigen Marathons des Jahres 2016 liegen hinter uns. Da bleibt  Zeit, zurückzublicken.  Aus deutscher Sicht war der Frankfurt Marathon am 30. Oktober 2016 der letzte bedeutende Marathon. Zwei Geschichten, geschrieben von der Regensburgerin Franzi Reng, habe ich  gerade auf meiner Homepage gebracht.  Und Franzi Reng hat dabei auch mal erwähnt, daß ihre Kollegin Ramona Richter, die auch für larasch.de  schreibt, ebenfalls sowohl als aktive Läuferin dort dabei war, aber auch hinterher sich  ihre Gedanken über das Erlebnis, den Sport in allen seinen Facetten zu erleben, gemacht hat.

Ich mag es, wenn man sich fernab von der normalen Berichterstattung- so wichtig sie auch für den Veranstalter und für die Spitzenathleten  sein mag-,  eigene Gedanken macht . Und da ich auf meiner Homepage gern auch andere zu Wort kommen lassen will, gebe ich nun auch Ramona Richter eine Plattform.

Sie hat auf larasch.de  folgende Geschichte veröffentlicht:

Ich sehe, was Du nicht siehst…

Erst am vergangenen Sonntag bot der Frankfurt Marathon mal wieder Gelegenheit, den Sport in seinen emotionalen Facetten zu erleben. Sich bewusst zu machen, was den Sport eigentlich auszeichnet!

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Das Wochenende in Frankfurt war nicht nur eine laraschische Reunion des Rio-Duos aus der Kamerafrau Steph und der rasenden Reporterin. Es war auch ein Aufeinandertreffen von besonderen Eigenarten, die den Sport einfach ausmacht.

Und das sind eben nicht nur die messbaren Leistungen, die im Mainstream oft stumpf abgelichtet und bewertet werden. Der eigentliche Wert ist doch ein ganz anderer. Leistungen erzählen Geschichten. Nur dass diese irgendwo anfangen, aber am Tag X nicht zwingend enden müssen. Am Tag X macht der rote Faden nur einen merklichen Hüpfer, der den Fortlauf der Geschichte prägt.

Wer gerne Geschichten liest, der weiß, dass sie nicht immer nur eine Aneinanderreihung von Ereignissen sind, sondern diese in einem Kontext stehen. Ein Kontext, der den Inhalt erst nachvollziehbar und nachempfindbar macht.

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Glücklich im Ziel

Und damit halten wir die erste Eigenart des Sports fest: Emotionalität. So wie auch eine Geschichte erst von Emotionen lebt. Problem ist allerdings, wir werden oft nur stumpf vor Tatsachen gestellt. Das Buch wird Mittendrin aufgeklappt und eine fremde Stimme, die die Geschichte selbst nicht kennt, liest uns vor.

Es ist keine Neugierde rauszuhören, es wird keine Spannung aufgebaut, die Stimme taktet im langweiligen Modus vor sich hin. Wer hört da gerne zu? Zusammenhangslos steht der Fakt einfach im Raum.

Zumindest gibt es da noch die Bilder, die jene starken Gefühle treffend festhalten. So kann man sich zumindest selbst seine Geschichte drum herum basteln oder die Emotionen teilen.

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Wer sich die Berichterstattung heutzutage aber anschaut, der sieht oftmals nur gescheiterte Rekorde oder geglückte Bestleistungen. Fakten, die offensichtlich herausstechen, bekommen eine Schlagzeile. Dass aber zwischen den Zeilen manchmal eine viel beeindruckende Story zu finden ist, wird überlesen.

Und da kommen wir zur zweiten Eigenart des Sports: Er ist berechnend, aber relativ erfolgreich.

Erfolge werden an Zahlenwerten festgemacht. Zeiten, Weiten und Platzierungen schaffen objektive Vergleichbarkeit, aber der Erfolg an sich bleibt subjektiv. Erfolge sollten wir nämlich an uns selber festmachen und zwei, drei Informationen mehr seitens des Kommentators kann eine scheinbare Niederlage siegreich stimmen. Platz drei ist kein Trostpflaster, sondern bedeutet für den Drittplatzierten vielleicht zum ersten Mal auf dem Treppchen zu stehen, seine persönliche Bestzeit unterboten zu haben oder einen sturen Konkurrenten endlich hinter sich gelassen zu haben.

Zum Glück durfte ich das Jubiläumsevent in Frankfurt live miterleben und es nicht nur über emotionale Bilder Revue passieren lassen. Ich mischte mich wieder rasend unter die Läuferinnen und Läufer und sammelte so Momentaufnahmen anderer Geschichten. Jagte aber auch meine eigene im Schnitt von 4:37min/km voran und löste spätestens im Ziel meinen eigenen Storyboard-Hüpfer aus. Für mich war es mein erster Marathon mit gezielter Vorbereitung. Bei meinem recht spontanen Debüt in Hamburg 2015 war es ein „Hauptsache durchkommen!“ Aber mit jeder gemeisterten Herausforderung steigen natürlich auch die eigenen Ansprüche – im Leistungssport zwangsläufig auch der Druck.

Und da wären wir an der dritten Eigenart angelangt: Hobby oder Beruf(ung). Wobei das eine ins andere übergeht und eigentlich nie getrennt werden sollte. Schließlich ist die Leidenschaft der gesunde Antrieb und sollte nie auf der Strecke bleiben.

Nur herrscht im Leistungssport das Problem, dass die Leidenschaft hart auf die Probe gestellt wird und die Umstände es nicht gerade einfacher machen. Wäre die Wertschätzung eine andere, wäre auch die Unterstützung eine andere. Nur leider ist Leistung in den Köpfen vieler noch immer alles. Es wird gefordert, anstatt zu fördern. Als Athlet musst du selbst sehen, wo du bleibst. Also hat der Sport leider auch eine unschöne Eigenart an sich, die nicht vom Sport selbst ausgeht, sondern zu dem die Sportfunktionäre ihn zwangsläufig führen. Diese bemächtigen sich quasi ignorant des Sportes. Und darunter leiden die Sportler selbst. Das Problem der mangelnden Unabhängigkeit und fehlenden effektiven Mitsprache seitens der Athleten ist nicht nur aktuell ein Thema.

Es geht so weit, dass diese Eigenart den besonderen Rest überschattet. Heißt: die Emotionalität (auch wenn sie nicht immer nur Freude widerspiegelt, aber Menschlichkeit), die Möglichkeit, durch den Sport persönlich zu wachsen und an Selbstsicherheit zu gewinnen, Menschen zu verbinden und neuen Mut zu machen, sich nicht selbst aufzugeben oder sich – wie es dem Sport bekanntlich nachgesagt wird – physisch zu wappnen und seiner Gesundheit etwas Gutes zu tun. Sofern man seinem Körper auch die Zeit gibt, aufzubauen und ihn nicht frühzeitig wieder Strapazen aussetzt, kann mit Vernunft, Ehrgeiz und ehrlicher Ambition ein Sportler letztlich nur beeindrucken, zu was ein Mensch in der Lage ist.

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Die deutsche Meisterin Fate Tola  im Ziel

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Marcus Schöfisch wird deutscher Meister

An diesem Wochenende bewiesen unsere Spitzenläufer genau das. Mit den 42,195km stellen sie sich natürlich jedes Mal aufs Neue einer Herausforderung. Diese Unberechenbarkeit macht letztlich aber auch den Reiz aus. Für viele Freizeitrenner bleibt es ein „Hauptsache durchkommen“, für unsere Elite ist es jedoch teils existenziell. Aber gleich welcher Antrieb einen ins Ziel trägt und was von der Zielzeit abhängt oder wie diese letztlich medial auseinander genommen wird – es bleibt eine grandiose Leistung, die jeder, ob nach knapp zwei oder erst sechs Stunden, abliefert.

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Sport verbindet Menschen. Bestes Beispiel ist der Marathon. Profis und Hobbyläufer starten zeitgleich und fahren im gemeinsamen Wettkampf ganz persönliche Erfolge oder Misserfolge ein. Und auch die Misserfolge sind je nach Perspektive relativ.

Wenn ein Kenianer beispielsweise eine 2:06h auf die Straße legt, mag es für uns eine unfassbare Leistung darstellen, für den Läufer selbst aber inakzeptabel sein, sofern damit kein Sieg eingefahren wurde. Und in Kenia gibt es so viele Talente, die die deutsche Spitze Minuten hinter sich lassen würde, aber deren Leistung dennoch nicht langt, um die eigene Familie zu ernähren. Talent, welches man hier auf Händen tragen würde, geht dort einfach unter.

Bei uns mangelt es zwar nicht an der Wertschätzung ihrer Leistung, aber dennoch ist es aus subjektiver Sicht eine ‚Misserfolg‘. Eine vermeintliche Niederlage, die objektiv betrachtet keine ist. Aber relativ wiederum schon.

Dieser letzte Aspekt soll einfach darauf hinweisen, dass Laufen nicht nur Laufen bedeutet, sondern dass so viel mehr damit einhergeht. Wir müssen nur genauer hinschauen, um zu verstehen und erst dann davon berichten.

Ansätze einer Spitzensportreform, die „mehr Geld für Gold“ fordert, konzentriert sich wieder nur auf Leistung. Talent lässt sich nicht immer sofort an Höchstleistungen messen. Potential verlangt Vertrauen und Investment.

Ramona Richter

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(veröffentlicht auf  www.larasch.de;  Fotos: Mainova Frankfurt Marathon)

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Was bleibt zurück? Eine Nachbetrachtung zum Frankfurt Marathon 2016

 

Zum Frankfurter Marathon 2016 habe ich kürzlich unter der Überschrift „Die Regensburger Läuferin Franzi Reng. Als Journalistin beim Frankfurt-Marathon unterwegs“   bereits einen Beitrag veröffentlicht. Weil er mir so gut gefiel, reiche ich nun eine zweite Geschichte nach, die Franzi Reng als Nachbetrachtung schrieb:

Was bleibt zurück?

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Eine riesige Menschentraube bahnt sich ihren Weg durch die Straßen Frankfurts – und hinterlässt ein Bild der Verwüstung. Doch ist das schon alles, was vom Frankfurt Marathon 2016 übrig bleibt?

Nach etwa vier Stunden Arbeit auf Hochtouren ist in der Eschesheimer Landstraße wieder Ruhe eingekehrt. Die Megaphone sind verstummt, die Zuschauer haben den Heimweg angetreten oder ziehen noch weiter in die Festhalle. Die etwa neunzig Helfer des Lauftreffs Bruchköbel sammeln die unzähligen Pappbecher auf, die über hunderte Meter verstreut liegen. Der Transporter mit den leeren Getränkekästen ist schon auf dem Weg zurück ins Lager und es dauert nicht mehr lange, dann ist auch die Straße wieder für den Verkehr freigegeben.

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Die unermüdlichen Helfer des Lauftreffs Bruchköbel sorgen für die Verpflegung bei Kilometer 5 (Foto: Reng)

Hier, im Dornbusch-Viertel unfern des Messe-Geländes haben die Marathon-Starter Kilometer fünf ihres Rennens passiert. Hier standen – beziehungsweise liefen – sie noch fast ganz am Anfang der großen Herausforderung. Nun ist die riesige Menschentraube mit Ausläufern nach vorne, nach hinten, inklusive Besenwagen komplett vorbeigezogen. Überall wo sie in der Stadt aufkreuzt, hinterlässt sie ein Bild der Verwüstung.
Und je weiter sie sich dem Ziel nähert, je höher das Energiedefizit anwächst, desto schlimmer wird es. In der Festhalle angekommen, gibt es nicht nur Pappbecher, sondern auch Bananen, Bier, Riegel, Isodrinks und Plastik-Capes für alle. Dass die Überbleibsel davon nicht immer ihren Weg in einen der großen, eigentlich auch für einen koordinativ geschwächten Finisher unverfehlbaren Container finden, verwundert irgendwie nicht. Kaum sind die Läufer weg, beginnt das große Aufräumen.

Aber ist das das Einzige, was bleibt? Ist Chaos allein das unschöne Ende dieser Veranstaltung, die ja schon lange mehr ist, als nur ein Rennen mit Startschuss und Begrüßung im Ziel?

„Nein, wir zehren doch genauso davon“, beteuert eine Dame aus dem Lauftreff Bruchköbel, „früher bin ich ja noch selber mitgelaufen, aber das schaffe ich in meinem Alter nicht mehr. Also unterstütze ich jetzt diejenigen, die sich anstelle von mir auf den Weg machen.“ Dass sie sich mit ihren über sechzig Jahren nach achtlos hingeworfenen Pappbechern bückt, scheint ihr nichts auszumachen.

Vielleicht muss man ein wenig absehen von den materiellen Dingen, um zu verstehen, dass der Marathon nicht nur für die Teilnehmer, sondern eben auch für Zuschauer und Helfer zu einem unvergesslichen Erlebnis wird.

Es sind die Emotionen, von denen auch meine Kollegin Ramona Richter in ihrem Artikel (für larasch.de) schreibt. Die kleinen und großen Geschichten von Erfolgen oder Misserfolgen ergreifen uns, lassen uns mitfiebern – egal ob wir nun selbst mitlaufen oder nur Zuschauer sind.

Übrig davon bleiben Erinnerungen. Und eben nicht nur materiell in Form einer Finishermedaille, einem Zielfoto oder vielleicht sogar einer lukrativen Siegerprämie. Es sind Erinnerungen an Grenzerfahrungen des eigenen Körpers. Es sind Erinnerungen an das Gemeinschaftsgefühl in einer zufällig entstandenen Gruppe, die sich gegenseitig pusht, sich in der Führungsarbeit abwechselt. Es sind Erinnerungen an die Erleichterung, die Euphorie oder eben die Ernüchterung, die einen durchströmt, sobald man selbst, der beste Kumpel, die Ehefrau, oder einfach irgendein Unbekannter die Ziellinie überquert.

Die einen liegen sich in den Armen, die anderen liegen am Boden. Und wieder andere haben die Festhalle in diesem Jahr gar nicht erst erreicht. Sie mussten aufgeben, weil sie sich verletzt hatten, weil sie Schmerzen hatten, weil ihr Körper ihnen ab einem bestimmten Zeitpunkt ganz einfach das Signal gesendet hat: Bis hier und nicht weiter.

Manche wollten diesen Warnruf vielleicht sogar überhören. Sind noch weiter gegangen und haben sich letzten Endes komplett übernommen. Der Mensch ist keine Maschine und auch kein Superheld und auch kein hundertprozentig berechenbares System. Für einen Sportler endete das Rennen in diesem Jahr nicht nur im Krankenhaus, sondern sogar mit dem Tod.

Das löste nicht nur bei Angehörigen und Freunden, sondern auch bei allen Marathonbegeisterten, bei Veranstaltern und Organisatoren tiefste Betroffenheit aus. Wie klein und unbedeutend erscheinen da plötzlich die „normalen“ Wehwehchen, die ein Marathon eben mit sich bringt.
Wie erträglich erscheint da plötzlich der Wehmut, wenn man aufgrund gesundheitlicher Probleme gar nicht erst an den Start gehen konnte.

Karl Steiner ging es in diesem Jahr beispielsweise so. Vieles hatte er sich vorgenommen: Seinen 66 Marathon laufen, seinen insgesamt zehnten Frankfurt-Marathon finishen, den deutschen Mannschafts-Meistertitel in seiner Altersklasse gewinnen. Letztendlich machte ihm die Gesundheit einen Strich durch die Rechnung und er fand sich ungewollt neben der Strecke als Zuschauer wieder. Natürlich ist da zunächst nichts als Frust.

Umso überraschender war daher seine Begeisterung am Ende des Tages: „Das war heute großartig! Meine Vereinskameraden haben eine klasse Leistung gezeigt und den Titel auch ohne mich gewonnen! Das Anfeuern hat dank der vielen Straßenfeste und der tollen Stimmung in der Festhalle mindestens genau so viel Spaß gemacht!“

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Auch neben der Strecke wird der Marathon zum Erlebnis (Foto: Mainova Frankfurt Marathon)

Nächstes Jahr will er dann endlich wieder selbst von der Partie sein. Denn auch das bleibt uns vom Marathon: Träume.

Wir wollen es nächstes Jahr besser machen. Wir stecken uns neue Ziele. Sportlicher Ehrgeiz, der Wunsch, höher zu streben, Bestzeiten zu jagen und uns das alles schon jetzt auszumalen, obwohl uns noch ein gutes Jahr davon trennt – das gehört einfach dazu.

Und diejenigen, die noch nie an der Startlinie standen, träumen vielleicht davon, es selbst einmal zu versuchen. Sich der Herausforderung zu stellen. Das Marathonerlebnis der anderen inspiriert uns. Ganz egal, wie sportlich, wie alt oder jung wir sind.

Die 14-jährige Larissa Löb hat in diesem Jahr schon den immerhin 4,2km-langen Minimarathon gewonnen. Aber später einmal, wenn sie dann „wirklich eine echte Langstreckenläuferin“ ist, möchte sie natürlich auch mal über die volle Distanz starten. Ihre Vorbilder sind Arne Gabius, Sabrina Mockenhaupt, die Hahner-Twins und in diesem Jahr hat sie sogar noch ein paar andere Stars der Szene kennengelernt, die sie jetzt weiter verfolgen will.

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Nach dem Sieg beim 4,2km-langen Minimarathon werden schnell Träume von der vollen Distanz gehegt (Foto: Mainova Frankfurt Marathon)

 

Es geht nämlich immer weiter. Der Frankfurt Marathon feierte in diesem Jahr seine 35. Ausgabe, irgendwann wird es eben die 50. sein. Und so wie der Veranstalter fest damit rechnet, gibt es ebenso vermutlich kaum jemanden, der nach vollendetem Marathon-Finish sagt: Das wars jetzt.

Selbst Patrick Raguse, der aufgrund mehrerer Herzstillstände bei diesem Rennen mit dem Laufsport abschließen wollte, revidiert seine Entscheidung schon kurz nach dem Zieleinlauf wieder: „Vielleicht finde ich ja doch irgendeine Möglichkeit, nochmal zurückzukommen.“ Der Marathon lässt ihn hoffen. Träumen.

Und manche Träume werden wahr, so wie manche eben unerfüllt bleiben müssen. Wir wissen nicht, wie es weitergeht mit unserer eigenen Laufstory. Aber das ist ja gerade das Schöne daran: Sie geht ja doch immer irgendwie weiter. Selbst wenn nach einigen Stunden Pappbecher, leere Getränkekästen und Straßensperrungen verschwunden sind – unsere Geschichten sind noch lange nicht vorbei.

Franzi Reng

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(geschrieben für  www.larasch.de)

 

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