Archiv für den Tag: 10. Juni 2016

Robert Harting: Die Leidenschaft des Wettkämpfers ist wieder da

 

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Diskuswerfer Robert Harting ist auf Pressekonferenzen, die sich um die Leichtathletik drehen, stets ein gern gesehener Gast. Besonders auch in Berlin, seiner Heimatstadt, dort, wo er das Olympiastadion lange Zeit als sein Wohnzimmer bezeichnete. In diesem Jahr soll es das wieder werden, bei der 75. Auflage des Internationalen Stadionfestes (ISTAF). Und wie um das zu beweisen, prangt sein Konterfei auf dem Werbeplakat.

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Im Sommerlook, mit T-Shirt und Shorts, kommt Robert Harting lächelnd die Eingangstreppe des DKB-Gebäudes in der Berliner Taubenstraße empor, als Gast der Eröffnungspressekonferenz für das 75. ISTAF. Er begrüßt jeden freundlich, den er sieht und erkennt, und nimmt sich erstmal am Büffet eine Erfrischung. Er sieht entspannt aus, läßt Sorgen und Ängste nicht erkennen, die ihm nach eigener Aussage gegenwärtig ob seines langen Fernabseins von den Wurfringen wegen seines Kreuzbandrisses plagen.

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Vorn auf dem Podium, neben ISTAF-Direktor Martin Seeber, der Weltmeisterin im Kugelstoßen von 2015, Christina Schwanitz, dem Vorsitzenden des Vorstands der Deutschen Kreditbank (DKB) Stefan Unterlandstättner und dem EM 2018-Chef Frank Kowalski (von links) läßt er sich dann in den Sessel fallen.

Geduldig gibt er Antworten auf die Fragen des neuen Head of Communications, Sven Ibald . ( Früher sagte man mal Pressechef, aber das ist heutzutage zu kurz gefaßt).

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Gern hat Robert Harting zuvor die Mitteilung von ISTAF-Chef Martin Seeber zur Kenntnis genommen, daß nun auf seinen Wunsch hin der Diskusring auf die andere Seite des Stadions verlagert wird, um den eventuellen Gegenwind für gute Weiten besser nutzen zu können. „ Da könnte dann der Stadionrekord von Lars Riedel (70,60 m) wohl ins Wanken geraten.“

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Ob Robert Harting diesen Rekord angreifen kann, läßt er offen. Zwar ist er nunmehr froh, wieder im Ring zu stehen. Den ersten Erfolg konnte er im Frühjahr beim ISTAF-Indoor einfahren, und man sieht ihm beim Einspiel eines kleinen Film von damals an, wie ihn das motiviert.

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Martin Seeber und Robert Harting

 

Seit dem Wettkampf am 5. Juni 2016 in Birmingham hat er nun die Olympianorm in der Tasche. Wohl wissend, daß das kein Freifahrtschein im Rennen nach Rio ist. Er räumt ein, daß es ein ungewohnter Zustand ist, in der gegenwärtigen Bestenliste nur auf Rang 5 zu rangieren. „ Aber jetzt ist die Konkurrenzsituation da, die ich mir immer gewünscht habe. Ich sehe da zwar eine Bedrohung, begreife das aber als Herausforderung. Zwar fehlen mir noch rund 60 bis 70 Prozent an Automatismen, die einfach für weite Würfe notwendig sind. Aber ich spüre wieder die Leidenschaft des Wettkämpfers.“

Diese Leidenschaft will er schon am Samstag (11. Juni) beim Meeting im niederländischen Leiden aufleben lassen. Aber unabhängig davon, bei den Deutschen Meisterschaften in Kassel will er im Finale am 19. Juni möglichst ganz vorn landen, denn „ Meistertitel plus Olympianorm“ garantieren den Flug nach Rio.

Und auf dem Podium der Pressekonferenz hört man ihm wie immer gern zu, wenn er ins Philosophieren kommt, wenn er Einblicke in die Geheimnisse des Diskuswurfs gewährt.

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Die „Journalistenmeute“ aber gibt noch lange keine Ruhe. Ist einer wie Robert Harting da, dann hat er gefälligst auch viel zu erzählen, viel zu antworten. Ein bißchen egoistisch sind wir Journalisten dann alle. Ob er vielleicht jetzt lieber gehen würden, etwas zur Ruhe kommen, bzw. wieder ins nächste Training einsteigen möchte, das interessiert weniger.

Robert Harting ist zu bewundern, wie er so etwas bewältigt. Souverän ist er allemal. Als ihm noch auf dem Podium eine Frage zu Doping und zur russischen Leichtathletik gestellt wird, blockt er das geschickt ab und verweist auf ein mögliches Zwiegespräch nachher. Nicht daß er nichts sagen will, aber er weiß, daß es heute um das ISTAF geht, und das zunächst im Vordergrund steht.   Aber dann holt ihn die große Sportpolitik wieder ein. Ob er gestern den ARD-Film von Hajo Seppelt über die russische Leichtathletik gesehen habe und was er dazu sage, wird er gefragt: „ Nein , habe ich nicht gesehen, was kam denn darin vor?“ Köstlich, diese Gegenfrage. Er darf das. Als endlich, so denkt man als Außenstehender, das Frage – und Antwortspiel vorbei ist, sieht man Robert Harting an, daß zu diesem Zeitpunkt mittags gegen 13 Uhr sein Akku langsam leer wird. Aber „nein“ sagen ist eben nicht sein Ding. Meinem Potsdamer Kollegen Peter Stein gewährt er noch ein Vieraugengespräch.

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Peter Stein im Gespräch mit Robert Harting

 

Dann aber ist es geschafft. Als ich ihn, -es klingt vielleicht etwas altväterlich, aber ich darf das -, rate, in der nächsten Zeit nicht mehr allen Interviewwünschen nachzugeben, denn das würde auch solch eine starke Persönlichkeit wie ihn überfordern, zumal seine Hauptaufgabe gegenwärtig ja im Wurfring und dort im „Weitwerfen“ liege, schaut er mich dankbar an und meint: „ Das ist der richtige Rat. Ich habe es auch schon probiert, habe einfach mein Handy ausgelassen und nicht so oft ins Internet geschaut. Nur so geht es.“

Es möge für Robert Harting die Ruhe vor dem Sturm sein. Wohin „ der Sturm“ seine Diskusscheiben wehen wird, zeigt sich bald. Ob in Kassel, Amsterdam oder Rio, alles ist möglich.

Peter Grau