Archiv für den Tag: 12. Juni 2016

Vor dem ISTAF 2016: Auftaktpressekonferenz in der Berliner Taubenstraße

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Zu Pressekonferenzen nach Berlin fahre ich sehr gern. Zwar liegen 80 km Anfahrtsweg dazwischen, Neuruppin liegt eben leider nicht so dicht an der Metropole. Aber, in Berlin habe ich 45 Jahre verbracht, 30 in Ostberlin und 15 im vereinigten Berlin. Da bleibt viel Erinnerung, und es macht Spaß, diese aufzufrischen.

Zur ISTAF-Auftaktpressekonferenz  am 9. Juni wählten die Veranstalter wieder den Sitz eines ihrer Hauptsponsoren, der Deutschen Kreditbank (DKB), aus. Sie residieren in der Taubenstraße, einer Nebenstraße der Friedrichstraße. Zu DDR-Zeiten hieß diese Straße Johannes-Dieckmann-Straße, und unweit davon, in der Mohrenstraße, arbeitete ich ab 1960 ein Jahr lang im Außenhandelsunternehmen WMW-Export.

Viel Trubel herrscht heute wie damals in diesem Viertel, und die Parkplätze sind rar. Aber es ist vorteilhaft, wenn man sich in dieser Gegend noch auskennt, auch wenn sich vieles verändert hat. Meine Anfahrt über Kaiserdamm, Ernst-Reuter-Platz, Bahnhof-Zoo, Potsdamer Platz gestaltet sich einfach. In der Leipziger Straße biege ich dort nach rechts ab, wo früher ein Delikat- Laden war, indem es Köstlichkeiten zu sehr hohen Preisen zu kaufen gab. Je mehr man nachdenkt, desto mehr kommen die Erinnerungen.

Doch es soll ja heute um das ISTAF gehen. Also das Auto geparkt und stehenden Fußes (was für eine Floskel, aber sie bedeutet: sofort, umgehend) hinüber zum Gendarmenmarkt gelaufen. Manche sprechen vom schönsten Platz Europas und die Fotos zeigen das ein wenig:

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Von dort sind es nur noch wenige Schritte zum Ort der Pressekonferenz (PK).

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Hinein ins das moderne Gebäude führt eine Freitreppe. Nur der rote Teppich fehlt noch zum ganz großen Auftritt. Doch wir backen heute kleinere Brötchen. Sprich, der Wagen von „lekka berlin“ mit Brötchen, Pommes Frites und Currywürsten wartet schon vor der Tür auf uns.

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Mit Hilfe eines Armbandes haben wir dort später nach der PK freien Zugriff zu Eßbarem. Zunächst aber locken im Innern des Gebäudes  Erfrischungen in Form von Getränken, und auch die beiden sportlichen Gäste dieser PK, Diskuswerfer Robert Harting und Kugelstoßerin Christina Schwanitz, langen erstmal zu.

Auffällig ist die fast familiäre Atmosphäre dieser PK. Und wenn mich Meetingdirektor Martin Seeber und Pressechef Sven Ibald gleich am Eingang freundlich begrüßen, fühle ich mich sofort heimisch. Da denke ich dann einen Moment nicht an all das, was die Leichtathletik gegenwärtig negativ umtreibt.

 

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Und wie geht es Michael Reinsch (links), meinem geschätzten Kollegen von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ)? Im Gespräch mit dem Potsdamer Cheffotografen Eberhard Thonfeld scheint er Verbindung zu den Allmächtigen da „Oben“ aufzunehmen. Was bringt der 17. Juni? Wie urteilt die IAAF an diesem Tag über die russische Leichtathletik? Wird für alle russischen Leichtathleten das Tor nach Rio abgeschlossen?

Doch das ist heute nicht das Hauptthema. Heute dreht sich alles um das ISTAF 2016, das in diesem Jahr mit der 75. Auflage ein Jubiläum feiert, erstmals seit 1970 an einem Samstag stattfindet und einige Neuerungen bringt   (mehr dazu auch unter www.istaf.de).

Doch zunächst sind die Fotografen gefragt. Robert Harting und Christina Schwanitz müssen in allen Lagen posieren und tun dies mit einem Lächeln.

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Dann aber wird Platz genommen, sowohl auf den „billigen“ Plätzen:

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als auch im Podium:

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Meetingdirektor Martin Seeber, Robert Harting, Christina Schwanitz, Vorstandsvorsitzender der DKB Stefan Unterlandstätter, Geschäftsführer der EM 2018 Frank Kowalski (von links).

Und neu in der Runde ist Sven Ibald, seines Zeichens nun Head of Communications des ISTAF und der TOP Sportevents Gmbh, kürzer gefaßt Pressesprecher. Seine Premiere gelingt bestens, Nervosität ist ihm nicht anzumerken.

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Sven Ibald

Konkrete Fragen werden an alle fünf Persönlichkeiten, die im Podium Platz genommen habe, gestellt, untermalt mit kurzweiligen Filmen rund um das ISTAF. Es ist ein stimmiges Konzept einer Pressekonferenz.

Meetingdirektor Martin Seeber gibt das Ziel des Veranstalters vor, sowohl Topathleten als möglichst alle deutschen Medaillengewinner von Rio einzuladen. Neue Zuschauer sollen gewonnen werden, und dazu wird der günstige Sonnabend-Termin ebenso beitragen wie die Flutlichtatmosphäre und das Abschlußfeuerwerk. Und mit Blick auf seinen Nachbarn Robert Harting teilt er mit, daß dessen langjähriger Wunsch nun erfüllt wird. Der Diskusring wird vor die Ostkurve gelegt, dort wo sonst die Hertha-Fans Stimmung machen. „ Von dort haben die Athleten Gegenwind, der Diskus fliegt weiter (wenn denn Wind da ist, das kann er natürlich nicht garantieren). „ Robert Harting freut sich und fügt später im Gespräch mit Ulrike Krieger (BZ) hinzu: „ Ein weiterer Vorteil ist, daß wir nicht mehr diagonal aus einer Ecke, sondern parallel zu den Tribünen werfen. Die Zuschauer bekommen dadurch ein anderes Weitengefühl, der Genußfaktor ist viel höher“.   Jeder Genuß aber hat auch seinen Preis. Die Veranstalter mußten einiges Geld in die Hand nehmen. So kostet der neue Wurfboden, der dort stehen wird, wo sonst das Fußballtor ist, rund 15.000 Euro. Dazu muß der Rasen im Fünf-Meter – Raum ausgehoben und ein neuer Betonring eingelassen werden.

Neu an der Veranstaltung wird auch sein, daß die Kugelstoßerinnen und Kugelstoßer erstmals ihre Wettbewerbe gemeinsam austragen. Der Doppelpack rückt außerdem ins Hauptprogramm. Die Männer und Frauen bekommen auch eine gemeinsame Sitzbank im Stadion, sind dann eine ISTAF-Familie.“ Und träumen darf man auch: David Storl und Christina Schwanitz mit olympischen Medaillen im Gepäck im Berliner Olympiastadion, das wäre doch ein schönes Bild.

Einen anderen Traum träumt Frank Kowalski, Geschäftsführer der EM 2018, in eben diesem Berliner Olympiastadion. Er schaut schon zwei Jahre voraus und sieht, daß bei den Europameisterschaften jeder Abend wie ein Meeting ablaufen wird, daß zwischen 18.15 Uhr und 21.45 Uhr nur Finals geboten werden. Und er verschweigt auch nicht, daß Martin Seeber und er gewissermaßen „ Brüder im gleichen Geiste“ sind, was die Gestaltung einer Leichtathletikveranstaltung angeht und daß er Neuerungen des ISTAFs nach Möglichkeit auch auf die EM übertragen will.

Der Hausherr Stefan Unterlandstättner von der DKB betont seine Nähe zum ISTAF und sein großes Interesse an dieser Veranstaltung.

Robert Harting erzählt, daß er nun wieder die Leidenschaft des Wettkämpfers entdeckt hat (siehe mehr über ihn im „Treffs für Leichtathleten“ auf dieser Homepage).

Bei Christina Schwanitz wird noch einmal ihr grandioses Jahr 2015 mit dem Weltmeistertitel in Peking hervorgehoben. Und um sich die Dimension ihrer Bestweite von 20,77 m zu verdeutlichen, haben die Veranstalter im Raum der PK dicht vor dem Podium einen hölzernen Kugelstoßring aufgebaut, und ganz weit entfernt, kurz vor der nach außen führenden Treppe, auf der Erde die 20,77 m markiert.

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Manchmal braucht es solche einfachen Mittel, um sich Dimensionen deutlich zu machen. Ähnlich ist es ja, wenn man sich beim Hochsprung die 2,30 m an der Wohnungstür markiert oder in seinem Wohnraum die 8,00 m eines Weitspringers abschreitet (wenn das Zimmer das überhaupt zuläßt).

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Christina Schwanitz, die wie immer mit ihrer fröhlichen Präsenz überzeugt, verweist darauf, daß dieses Jahr 2016 nicht gerade reibungslos für sie verlief. Kurz nach dem Jahreswechsel verletzte sie sich, mußte dann 14 Wochen mit dem Training aussetzen und Wettkämpfe waren nicht möglich. Nun aber trainiert sie seit sieben Wochen wieder und es geht aufwärts. „ Aber Geduld ist nicht meine Stärke.“ Doch, und das äußert sie später mir gegenüber: „ Es ist positiv, daß ich dank 2015 weiß, wie es geht. Und Kugelstoßen ist wie Fahrrad fahren. Man verlernt es nicht.“ Und daß sie es nicht verlernt hat, bewies sie zwei Tage später beim Saisonauftakt in Gotha mit einer Weite von 19,05 m.

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Zwischendurch und zum Abschluß dieses Teils der Pressekonferenz wird eifrig fotografiert.

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Eberhard Thonfeld (Potsdam).

 

Es folgen die schon erwähnten Einzelgespräche.

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Und dann verabschiedet man sich langsam, darf vor dem Haus noch eine der Berliner Köstlichkeiten, die Currywurst mit Pommes Frites oder mit Brötchen genießen. Ich lasse in der Schlange (wie in früheren DDR-Zeiten, wir sind ja auch auf ehemaligem DDR-Gebiet) meinen Journalistenkollegen Ralf Jarkowski vor, weil er im Zeitstreß ist. Fünf Minuten gewinnt er vielleicht, aber das hilft ihm, denn 14.59 Uhr geht seine dpa-Meldung über die PK in die Welt hinaus.

Ich  nehme mir noch die Zeit, mich am Stehtisch mit einer Professorin aus München zu unterhalten, und darüber zu sinieren, wie normal es heute ist, wegen des Berufes die Wohnorte zu wechseln (sie hat das schon einige Male praktiziert). Sie, die im Bereich Bildung tätig ist, hebt hervor, daß heutzutage Jugendliche in der 11. oder 12. Klasse schon Praktikumswochen oder Monate im Ausland verbringen. Für Erwachsene ist es selbstverständlich, wegen des Berufes oder aus privaten Gründen rund um den Erdball reisen.

Ich aber, der ich 1980 oder 1985 oft in dieser Straße weilte, hatte damals nicht im Traum an ein solches „Wunder“ geglaubt. Zu unüberwindlich schien damals die Mauer.

Und da kann ich auch wieder den Bogen zum 75. ISTAF am 3. September schlagen. Denn dann ist es völlig normal, daß die Athleten aus aller Welt, aus Ost und West, aus Süd und Nord, nach Berlin einfliegen werden.

Peter Grau