Archiv für den Tag: 15. November 2016

Der Frankfurt Marathon – ein Tag der Bestzeiten

Im Vorfeld des Frankfurt Marathons hat mir Pressesprecher Alexander Westhoff per Pressemitteilung viele Informationen zukommen lassen. Leider ist der Weg von Neuruppin nach Frankfurt /Main sehr weit und so habe ich mir das Ganze im Fernsehen angeschaut.

Hinterher bekam ich folgende zusammenfassende Meldung zugemailt. Gerade, weil ich eben Geschichten von Franzi Reng und Ramona Richter über diesen Marathon auf meine Homepage (Treffs mit Leichtathleten) gestellt habe, möchte ich die Fakten dieses Marathons nochmals zu Gesicht bringen:

 

Ein Tag der Bestzeiten beim Mainova Frankfurt Marathon

„All das zu sehen, was die Faszination Marathon ausmacht“ / Mehr Spielraum bei der Zusammenstellung des Elitefeldes 2017

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Der Mainova Frankfurt Marathon war zum Saisonende am 30. Oktober 2016 wieder ein Tag der Bestzeiten. Zwar blieben die Siegerzeiten bei den Männern und Frauen etwas hinter den Erwartungen zurück, aber viele persönliche Bestzeiten im Elitebereich wurden „nahezu pulverisiert“, wie der Sportliche Leiter Christoph Kopp sagt. In den Top 10 der Männer erzielten zwei Athleten eine persönliche Bestzeit, bei den Frauen sogar neun der ersten 12 Läuferinnen im Ziel.

Das zweitbeste Meldeergebnis (15.850 Marathonläufer), die zweitbesten Finisherzahlen (11.882), über 27.500 Läufer in allen Wettbewerben am Start sowie die fantastische Stimmung durch rund 500.000 Zuschauer am Streckenrand an einem strahlenden Frankfurt Lauftag lassen Renndirektor Jo Schindler ein positives Fazit ziehen. „Man konnte all das sehen, was den Marathon in all seinen Facetten und seiner Faszination ausmacht“, sagt der Cheforganisator.

Bezeichnend der Zieleinlauf in die Festhalle bei den Frauen. Während die äthiopische Siegerin Mamitu Daska (2:25:27) mit Magenproblemen auf den letzten Kilometern eingebrochen war und bedröppelt dreinschaute, wusste die zweitplatzierte Fate Tola (2:25:42) gar nicht wohin mit ihrer Freude. Die starke Leistung der in Gelnhausen lebenden neuen deutschen Meisterin hat die Zuschauer in der brodelnden Festhalle besonders beeindruckt.

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Fate Tola

Besondere Spannung bot das Männerrennen, als sich in der entscheidenden Rennphase drei Kenianer einen packenden Dreikampf lieferten. Letztlich sicherte sich Mark Korir in 2:06:48 Stunden den Sieg beim ältesten deutschen Stadtmarathon.

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Mit Blick auf 2017 betont der Sportliche Leiter Kopp, dass er dann in der Zusammenstellung eines zugkräftigen Elitefeldes wieder mehr Spielraum haben werde. Im Olympiajahr sei die Konkurrenz zwischen den Herbstmarathonveranstaltern um die besten Athleten groß gewesen. „Im neuen Jahr gilt dann wieder: Neues Spiel, neues Glück“, sagt Kopp schmunzelnd.

Ferdinand Huhle, Leiter der Unternehmenskommunikation bei Mainova, sagt nach der ersten Ausgabe des Laufklassikers am Main mit dem neuen Titelsponsor:  „Wir haben eine tolle Organisation, tolles Wetter und tollen Sport erlebt.“

Tollen Sport hat auch Tinka Uphoff geboten. Die Lokalmatadorin von Spiridon Frankfurt hat trotz eines verletzungsbedingt holprigen Jahres in 2:41:35 Stunden eine neue Bestzeit aufgestellt und ist Vierte der Deutschen Meisterschaften geworden. „Die Stimmung an der Strecke war beeindruckend. Als ich bei Kilometer 28 Oberschenkelprobleme bekam, dachte ich schon, dass ich überzogen habe. Aber dann bin ich meinem Heim-Marathon ins Ziel getragen worden“, sagt Tinka Uphoff, die als Juristin eine Vollzeitstelle bei der Bafin hat.

Den Sprung der Frankfurterin aufs Podium hat als Dritte Anne Haug verhindert. Die Triathletin – im Sommer noch bei den Olympischen Spielen in Rio am Start – zeigte in 2:36:13 Stunden ein starkes Debüt auf der Marathonstrecke. Nur Mona Stockhecke, die in 2:31:30 Stunden eine satte neue Bestmarke aufstellte, und Fate Tola waren aus deutscher Sicht noch schneller.

Bei den Männern trat ein Überraschungsgast auf dem Podium die Nachfolge des letztjährigen Rekordläufers Arne Gabius an. Marcus Schöfisch (SC DHfK Leipzig) wurde bei seiner Marathonpremiere in 2:20:12 Stunden gleich deutscher Meister.

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Marcus Schöfisch

 

Andere Meister ihres Faches waren bei der 35. Ausgabe des Mainova Frankfurt Marathon in Staffeln unterwegs. Neben Arne Gabius nahmen auch die Teilnehmer am olympischen Marathon Julian Flügel und Philipp Pflieger sowie die Rio-Fahrerin Diana Sujew (1500 Meter) ein Frankfurter Teilstück in Angriff. Gesa Krause, die Olympia-Sechste, kehrte am Sonntag zu ihren Wurzeln zurück. Sie war beim Mini-Marathon, den sie einst selbst in nach wie vor gültiger Streckenrekordzeit gewann, als Ratgeberin und Unterstützerin für die Nachwuchsläufer zugegen.

Emotionen rund um den Frankfurt Marathon – wie der Sport die Menschen verbindet

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Alle wichtigen Marathons des Jahres 2016 liegen hinter uns. Da bleibt  Zeit, zurückzublicken.  Aus deutscher Sicht war der Frankfurt Marathon am 30. Oktober 2016 der letzte bedeutende Marathon. Zwei Geschichten, geschrieben von der Regensburgerin Franzi Reng, habe ich  gerade auf meiner Homepage gebracht.  Und Franzi Reng hat dabei auch mal erwähnt, daß ihre Kollegin Ramona Richter, die auch für larasch.de  schreibt, ebenfalls sowohl als aktive Läuferin dort dabei war, aber auch hinterher sich  ihre Gedanken über das Erlebnis, den Sport in allen seinen Facetten zu erleben, gemacht hat.

Ich mag es, wenn man sich fernab von der normalen Berichterstattung- so wichtig sie auch für den Veranstalter und für die Spitzenathleten  sein mag-,  eigene Gedanken macht . Und da ich auf meiner Homepage gern auch andere zu Wort kommen lassen will, gebe ich nun auch Ramona Richter eine Plattform.

Sie hat auf larasch.de  folgende Geschichte veröffentlicht:

Ich sehe, was Du nicht siehst…

Erst am vergangenen Sonntag bot der Frankfurt Marathon mal wieder Gelegenheit, den Sport in seinen emotionalen Facetten zu erleben. Sich bewusst zu machen, was den Sport eigentlich auszeichnet!

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Das Wochenende in Frankfurt war nicht nur eine laraschische Reunion des Rio-Duos aus der Kamerafrau Steph und der rasenden Reporterin. Es war auch ein Aufeinandertreffen von besonderen Eigenarten, die den Sport einfach ausmacht.

Und das sind eben nicht nur die messbaren Leistungen, die im Mainstream oft stumpf abgelichtet und bewertet werden. Der eigentliche Wert ist doch ein ganz anderer. Leistungen erzählen Geschichten. Nur dass diese irgendwo anfangen, aber am Tag X nicht zwingend enden müssen. Am Tag X macht der rote Faden nur einen merklichen Hüpfer, der den Fortlauf der Geschichte prägt.

Wer gerne Geschichten liest, der weiß, dass sie nicht immer nur eine Aneinanderreihung von Ereignissen sind, sondern diese in einem Kontext stehen. Ein Kontext, der den Inhalt erst nachvollziehbar und nachempfindbar macht.

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Glücklich im Ziel

Und damit halten wir die erste Eigenart des Sports fest: Emotionalität. So wie auch eine Geschichte erst von Emotionen lebt. Problem ist allerdings, wir werden oft nur stumpf vor Tatsachen gestellt. Das Buch wird Mittendrin aufgeklappt und eine fremde Stimme, die die Geschichte selbst nicht kennt, liest uns vor.

Es ist keine Neugierde rauszuhören, es wird keine Spannung aufgebaut, die Stimme taktet im langweiligen Modus vor sich hin. Wer hört da gerne zu? Zusammenhangslos steht der Fakt einfach im Raum.

Zumindest gibt es da noch die Bilder, die jene starken Gefühle treffend festhalten. So kann man sich zumindest selbst seine Geschichte drum herum basteln oder die Emotionen teilen.

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Wer sich die Berichterstattung heutzutage aber anschaut, der sieht oftmals nur gescheiterte Rekorde oder geglückte Bestleistungen. Fakten, die offensichtlich herausstechen, bekommen eine Schlagzeile. Dass aber zwischen den Zeilen manchmal eine viel beeindruckende Story zu finden ist, wird überlesen.

Und da kommen wir zur zweiten Eigenart des Sports: Er ist berechnend, aber relativ erfolgreich.

Erfolge werden an Zahlenwerten festgemacht. Zeiten, Weiten und Platzierungen schaffen objektive Vergleichbarkeit, aber der Erfolg an sich bleibt subjektiv. Erfolge sollten wir nämlich an uns selber festmachen und zwei, drei Informationen mehr seitens des Kommentators kann eine scheinbare Niederlage siegreich stimmen. Platz drei ist kein Trostpflaster, sondern bedeutet für den Drittplatzierten vielleicht zum ersten Mal auf dem Treppchen zu stehen, seine persönliche Bestzeit unterboten zu haben oder einen sturen Konkurrenten endlich hinter sich gelassen zu haben.

Zum Glück durfte ich das Jubiläumsevent in Frankfurt live miterleben und es nicht nur über emotionale Bilder Revue passieren lassen. Ich mischte mich wieder rasend unter die Läuferinnen und Läufer und sammelte so Momentaufnahmen anderer Geschichten. Jagte aber auch meine eigene im Schnitt von 4:37min/km voran und löste spätestens im Ziel meinen eigenen Storyboard-Hüpfer aus. Für mich war es mein erster Marathon mit gezielter Vorbereitung. Bei meinem recht spontanen Debüt in Hamburg 2015 war es ein „Hauptsache durchkommen!“ Aber mit jeder gemeisterten Herausforderung steigen natürlich auch die eigenen Ansprüche – im Leistungssport zwangsläufig auch der Druck.

Und da wären wir an der dritten Eigenart angelangt: Hobby oder Beruf(ung). Wobei das eine ins andere übergeht und eigentlich nie getrennt werden sollte. Schließlich ist die Leidenschaft der gesunde Antrieb und sollte nie auf der Strecke bleiben.

Nur herrscht im Leistungssport das Problem, dass die Leidenschaft hart auf die Probe gestellt wird und die Umstände es nicht gerade einfacher machen. Wäre die Wertschätzung eine andere, wäre auch die Unterstützung eine andere. Nur leider ist Leistung in den Köpfen vieler noch immer alles. Es wird gefordert, anstatt zu fördern. Als Athlet musst du selbst sehen, wo du bleibst. Also hat der Sport leider auch eine unschöne Eigenart an sich, die nicht vom Sport selbst ausgeht, sondern zu dem die Sportfunktionäre ihn zwangsläufig führen. Diese bemächtigen sich quasi ignorant des Sportes. Und darunter leiden die Sportler selbst. Das Problem der mangelnden Unabhängigkeit und fehlenden effektiven Mitsprache seitens der Athleten ist nicht nur aktuell ein Thema.

Es geht so weit, dass diese Eigenart den besonderen Rest überschattet. Heißt: die Emotionalität (auch wenn sie nicht immer nur Freude widerspiegelt, aber Menschlichkeit), die Möglichkeit, durch den Sport persönlich zu wachsen und an Selbstsicherheit zu gewinnen, Menschen zu verbinden und neuen Mut zu machen, sich nicht selbst aufzugeben oder sich – wie es dem Sport bekanntlich nachgesagt wird – physisch zu wappnen und seiner Gesundheit etwas Gutes zu tun. Sofern man seinem Körper auch die Zeit gibt, aufzubauen und ihn nicht frühzeitig wieder Strapazen aussetzt, kann mit Vernunft, Ehrgeiz und ehrlicher Ambition ein Sportler letztlich nur beeindrucken, zu was ein Mensch in der Lage ist.

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Die deutsche Meisterin Fate Tola  im Ziel

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Marcus Schöfisch wird deutscher Meister

An diesem Wochenende bewiesen unsere Spitzenläufer genau das. Mit den 42,195km stellen sie sich natürlich jedes Mal aufs Neue einer Herausforderung. Diese Unberechenbarkeit macht letztlich aber auch den Reiz aus. Für viele Freizeitrenner bleibt es ein „Hauptsache durchkommen“, für unsere Elite ist es jedoch teils existenziell. Aber gleich welcher Antrieb einen ins Ziel trägt und was von der Zielzeit abhängt oder wie diese letztlich medial auseinander genommen wird – es bleibt eine grandiose Leistung, die jeder, ob nach knapp zwei oder erst sechs Stunden, abliefert.

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Sport verbindet Menschen. Bestes Beispiel ist der Marathon. Profis und Hobbyläufer starten zeitgleich und fahren im gemeinsamen Wettkampf ganz persönliche Erfolge oder Misserfolge ein. Und auch die Misserfolge sind je nach Perspektive relativ.

Wenn ein Kenianer beispielsweise eine 2:06h auf die Straße legt, mag es für uns eine unfassbare Leistung darstellen, für den Läufer selbst aber inakzeptabel sein, sofern damit kein Sieg eingefahren wurde. Und in Kenia gibt es so viele Talente, die die deutsche Spitze Minuten hinter sich lassen würde, aber deren Leistung dennoch nicht langt, um die eigene Familie zu ernähren. Talent, welches man hier auf Händen tragen würde, geht dort einfach unter.

Bei uns mangelt es zwar nicht an der Wertschätzung ihrer Leistung, aber dennoch ist es aus subjektiver Sicht eine ‚Misserfolg‘. Eine vermeintliche Niederlage, die objektiv betrachtet keine ist. Aber relativ wiederum schon.

Dieser letzte Aspekt soll einfach darauf hinweisen, dass Laufen nicht nur Laufen bedeutet, sondern dass so viel mehr damit einhergeht. Wir müssen nur genauer hinschauen, um zu verstehen und erst dann davon berichten.

Ansätze einer Spitzensportreform, die „mehr Geld für Gold“ fordert, konzentriert sich wieder nur auf Leistung. Talent lässt sich nicht immer sofort an Höchstleistungen messen. Potential verlangt Vertrauen und Investment.

Ramona Richter

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(veröffentlicht auf  www.larasch.de;  Fotos: Mainova Frankfurt Marathon)

http://www.larasch.de

Was bleibt zurück? Eine Nachbetrachtung zum Frankfurt Marathon 2016

 

Zum Frankfurter Marathon 2016 habe ich kürzlich unter der Überschrift „Die Regensburger Läuferin Franzi Reng. Als Journalistin beim Frankfurt-Marathon unterwegs“   bereits einen Beitrag veröffentlicht. Weil er mir so gut gefiel, reiche ich nun eine zweite Geschichte nach, die Franzi Reng als Nachbetrachtung schrieb:

Was bleibt zurück?

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Eine riesige Menschentraube bahnt sich ihren Weg durch die Straßen Frankfurts – und hinterlässt ein Bild der Verwüstung. Doch ist das schon alles, was vom Frankfurt Marathon 2016 übrig bleibt?

Nach etwa vier Stunden Arbeit auf Hochtouren ist in der Eschesheimer Landstraße wieder Ruhe eingekehrt. Die Megaphone sind verstummt, die Zuschauer haben den Heimweg angetreten oder ziehen noch weiter in die Festhalle. Die etwa neunzig Helfer des Lauftreffs Bruchköbel sammeln die unzähligen Pappbecher auf, die über hunderte Meter verstreut liegen. Der Transporter mit den leeren Getränkekästen ist schon auf dem Weg zurück ins Lager und es dauert nicht mehr lange, dann ist auch die Straße wieder für den Verkehr freigegeben.

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Die unermüdlichen Helfer des Lauftreffs Bruchköbel sorgen für die Verpflegung bei Kilometer 5 (Foto: Reng)

Hier, im Dornbusch-Viertel unfern des Messe-Geländes haben die Marathon-Starter Kilometer fünf ihres Rennens passiert. Hier standen – beziehungsweise liefen – sie noch fast ganz am Anfang der großen Herausforderung. Nun ist die riesige Menschentraube mit Ausläufern nach vorne, nach hinten, inklusive Besenwagen komplett vorbeigezogen. Überall wo sie in der Stadt aufkreuzt, hinterlässt sie ein Bild der Verwüstung.
Und je weiter sie sich dem Ziel nähert, je höher das Energiedefizit anwächst, desto schlimmer wird es. In der Festhalle angekommen, gibt es nicht nur Pappbecher, sondern auch Bananen, Bier, Riegel, Isodrinks und Plastik-Capes für alle. Dass die Überbleibsel davon nicht immer ihren Weg in einen der großen, eigentlich auch für einen koordinativ geschwächten Finisher unverfehlbaren Container finden, verwundert irgendwie nicht. Kaum sind die Läufer weg, beginnt das große Aufräumen.

Aber ist das das Einzige, was bleibt? Ist Chaos allein das unschöne Ende dieser Veranstaltung, die ja schon lange mehr ist, als nur ein Rennen mit Startschuss und Begrüßung im Ziel?

„Nein, wir zehren doch genauso davon“, beteuert eine Dame aus dem Lauftreff Bruchköbel, „früher bin ich ja noch selber mitgelaufen, aber das schaffe ich in meinem Alter nicht mehr. Also unterstütze ich jetzt diejenigen, die sich anstelle von mir auf den Weg machen.“ Dass sie sich mit ihren über sechzig Jahren nach achtlos hingeworfenen Pappbechern bückt, scheint ihr nichts auszumachen.

Vielleicht muss man ein wenig absehen von den materiellen Dingen, um zu verstehen, dass der Marathon nicht nur für die Teilnehmer, sondern eben auch für Zuschauer und Helfer zu einem unvergesslichen Erlebnis wird.

Es sind die Emotionen, von denen auch meine Kollegin Ramona Richter in ihrem Artikel (für larasch.de) schreibt. Die kleinen und großen Geschichten von Erfolgen oder Misserfolgen ergreifen uns, lassen uns mitfiebern – egal ob wir nun selbst mitlaufen oder nur Zuschauer sind.

Übrig davon bleiben Erinnerungen. Und eben nicht nur materiell in Form einer Finishermedaille, einem Zielfoto oder vielleicht sogar einer lukrativen Siegerprämie. Es sind Erinnerungen an Grenzerfahrungen des eigenen Körpers. Es sind Erinnerungen an das Gemeinschaftsgefühl in einer zufällig entstandenen Gruppe, die sich gegenseitig pusht, sich in der Führungsarbeit abwechselt. Es sind Erinnerungen an die Erleichterung, die Euphorie oder eben die Ernüchterung, die einen durchströmt, sobald man selbst, der beste Kumpel, die Ehefrau, oder einfach irgendein Unbekannter die Ziellinie überquert.

Die einen liegen sich in den Armen, die anderen liegen am Boden. Und wieder andere haben die Festhalle in diesem Jahr gar nicht erst erreicht. Sie mussten aufgeben, weil sie sich verletzt hatten, weil sie Schmerzen hatten, weil ihr Körper ihnen ab einem bestimmten Zeitpunkt ganz einfach das Signal gesendet hat: Bis hier und nicht weiter.

Manche wollten diesen Warnruf vielleicht sogar überhören. Sind noch weiter gegangen und haben sich letzten Endes komplett übernommen. Der Mensch ist keine Maschine und auch kein Superheld und auch kein hundertprozentig berechenbares System. Für einen Sportler endete das Rennen in diesem Jahr nicht nur im Krankenhaus, sondern sogar mit dem Tod.

Das löste nicht nur bei Angehörigen und Freunden, sondern auch bei allen Marathonbegeisterten, bei Veranstaltern und Organisatoren tiefste Betroffenheit aus. Wie klein und unbedeutend erscheinen da plötzlich die „normalen“ Wehwehchen, die ein Marathon eben mit sich bringt.
Wie erträglich erscheint da plötzlich der Wehmut, wenn man aufgrund gesundheitlicher Probleme gar nicht erst an den Start gehen konnte.

Karl Steiner ging es in diesem Jahr beispielsweise so. Vieles hatte er sich vorgenommen: Seinen 66 Marathon laufen, seinen insgesamt zehnten Frankfurt-Marathon finishen, den deutschen Mannschafts-Meistertitel in seiner Altersklasse gewinnen. Letztendlich machte ihm die Gesundheit einen Strich durch die Rechnung und er fand sich ungewollt neben der Strecke als Zuschauer wieder. Natürlich ist da zunächst nichts als Frust.

Umso überraschender war daher seine Begeisterung am Ende des Tages: „Das war heute großartig! Meine Vereinskameraden haben eine klasse Leistung gezeigt und den Titel auch ohne mich gewonnen! Das Anfeuern hat dank der vielen Straßenfeste und der tollen Stimmung in der Festhalle mindestens genau so viel Spaß gemacht!“

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Auch neben der Strecke wird der Marathon zum Erlebnis (Foto: Mainova Frankfurt Marathon)

Nächstes Jahr will er dann endlich wieder selbst von der Partie sein. Denn auch das bleibt uns vom Marathon: Träume.

Wir wollen es nächstes Jahr besser machen. Wir stecken uns neue Ziele. Sportlicher Ehrgeiz, der Wunsch, höher zu streben, Bestzeiten zu jagen und uns das alles schon jetzt auszumalen, obwohl uns noch ein gutes Jahr davon trennt – das gehört einfach dazu.

Und diejenigen, die noch nie an der Startlinie standen, träumen vielleicht davon, es selbst einmal zu versuchen. Sich der Herausforderung zu stellen. Das Marathonerlebnis der anderen inspiriert uns. Ganz egal, wie sportlich, wie alt oder jung wir sind.

Die 14-jährige Larissa Löb hat in diesem Jahr schon den immerhin 4,2km-langen Minimarathon gewonnen. Aber später einmal, wenn sie dann „wirklich eine echte Langstreckenläuferin“ ist, möchte sie natürlich auch mal über die volle Distanz starten. Ihre Vorbilder sind Arne Gabius, Sabrina Mockenhaupt, die Hahner-Twins und in diesem Jahr hat sie sogar noch ein paar andere Stars der Szene kennengelernt, die sie jetzt weiter verfolgen will.

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Nach dem Sieg beim 4,2km-langen Minimarathon werden schnell Träume von der vollen Distanz gehegt (Foto: Mainova Frankfurt Marathon)

 

Es geht nämlich immer weiter. Der Frankfurt Marathon feierte in diesem Jahr seine 35. Ausgabe, irgendwann wird es eben die 50. sein. Und so wie der Veranstalter fest damit rechnet, gibt es ebenso vermutlich kaum jemanden, der nach vollendetem Marathon-Finish sagt: Das wars jetzt.

Selbst Patrick Raguse, der aufgrund mehrerer Herzstillstände bei diesem Rennen mit dem Laufsport abschließen wollte, revidiert seine Entscheidung schon kurz nach dem Zieleinlauf wieder: „Vielleicht finde ich ja doch irgendeine Möglichkeit, nochmal zurückzukommen.“ Der Marathon lässt ihn hoffen. Träumen.

Und manche Träume werden wahr, so wie manche eben unerfüllt bleiben müssen. Wir wissen nicht, wie es weitergeht mit unserer eigenen Laufstory. Aber das ist ja gerade das Schöne daran: Sie geht ja doch immer irgendwie weiter. Selbst wenn nach einigen Stunden Pappbecher, leere Getränkekästen und Straßensperrungen verschwunden sind – unsere Geschichten sind noch lange nicht vorbei.

Franzi Reng

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(geschrieben für  www.larasch.de)

 

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