Archiv für den Tag: 23. Mai 2017

Wer seine Ruhe will, schweigt

Mein Facebook-Freund Manfred Dechert meldet sich fast jeden Tag mit wortgewaltigen Beiträgen. Am 17. Mai 2017 schrieb er etwas zu einem Thema, das ich sehr gut nachfühlen konnte. Zu DDR-Zeiten praktizierte ich es ähnlich wie er:  Nur nicht auffallen, mit dem Strom mitschwimmen. Ich gehörte nicht zu den Widerstandskämpfern,  äußerte meine Bedenken zu den gesellschaftlichen Zuständen  nur moderat in Diskussionen  am Arbeitsplatz .  Die meisten Wort-Freiheiten nahm ich mir im privaten Kreis. Dort wurde ich dann auch – nie rechnete ich damit – von der Stasi überwacht, aber ich wurde nicht von meiner Arbeitsstelle entlassen, weil ich sie rechtzeitig wechselte und den Weg zum Sportjournalismus einschlug (mehr dazu in der Rubrik „Über mich“).

Im Nachhinein meine ich zwar, daß ich mir mehr hätte zutrauen können, aber hinterher ist man manchmal klüger.

Manfred Dechert Porträt zwei

Welche Gedanken hat nun Manfred Dechert zum Thema:

Wer seine Ruhe will, schweigt

Als sie in der Grundschule einen Mitschüler gequält haben, habe ich geschwiegen – ich war froh, daß ein Anderer der Sündenbock war. Ich habe sogar mitgelacht,  auch, als ein zweiter dran war. Dadurch, daß ich so gut dabei war, ist mir nichts passiert. In der Lehre habe ich mitgelacht, als Kollegen über einen Mit-Lehrling herzogen – es tat mir im Inneren weh, doch, wer sich gegen die Mehrheit stellt, hat immer verloren.

So sagte schon mein Vater, so sagte der Pfarrer, in der Konfirmandenstunde, ein aufrechter Christ betet, und riskiert nicht sein Leben, auch wenn Unrecht um ihn rum passiert. Er muß an sich und seine Familie denken. Bei der Bundeswehr schlugen sie einen Kriegsdienstverweigerer zusammen, weil der Vorgesetzte das so angeordnet hatte. Ich machte mit, auch, wenn ich es nicht gut fand.
Sollte ich zum Märtyrer werden – ich wollte aufsteigen, also machte ich mit.
Immer in der Mitte, unauffällig, nicht nach Außen, da drängen sie Dich ab.

Wer nach oben will, lernt, funktioniert, strengt sich an. Ich war gut, im Sportverein, ich leitete ihn mit, spürte rechtzeitig, woher der Wind kam, und wenn es an der Zeit war, einen neuen Trainer zu fordern. Schwache Spieler waren abzudrängen, auch unbequeme Mitarbeiter in der Firma – als Abteilungsleiter lernte ich in der Schulung, wie man solche Problem-Fälle wegkriegt.

Ich bin kein gleichgültiger Mensch, ich bete ab und zu, in der Kirche mache ich mit, habe sogar für das Presbyterium kandidiert. Ich bin in der Mitte, ich protestiere, aber kaum vernehmlich, kaum hörbar, weiß, wann ich zu schweigen habe. Wenn wir in der Kirche beten, laut und im Chor, fühle ich mich immer mal als Guter. Neulich war ich sogar mal bei einer Veranstaltung gegen Ausländerfeindlichkeit, ich kam mehr zufällig dazu, für eine bunte Stadt, ja, dafür bin ich, aber nicht zu bunt, ich habe mitgeklatscht.

Wer seine Ruhe will, schweigt. Mein Sohn denkt schon fast so wie ich. Kommt er manchmal mit komischen Ideen heim, die er im Internet oder bei einzelnen Klassenkameraden gehört hat, von wegen neuer Gesellschaft oder so, sage ich: Junge, wir haben eine neue Gesellschaft. Sorge dafür, daß die bleibt, und mache Dich nicht unbeliebt, orientiere Dich an den Leistungsträgern, den Starken, nicht an irgendwelchen Wirrköpfen, oder Verlierertypen, sonst hast Du verloren!

Man muß nicht alles herausschreien, die, die das tun, werden zusammengeschlagen, auch, wenn sie im Recht sind, oder fotografiert, oder in ihrer beruflichen Laufbahn behindert. So ist es heute noch, auch ohne „Radikalenerlaß“, wie in den siebziger Jahren.

Schweig, und mach mit, aber mit entschlossenem, glaubensstarkem Demokratenblick – ich weiß die schweigende Mehrheit hinter mir…

Manfred  Dechert

(meine Gedanken zum folgenden Bild – gesehen bei Fred G. Schütz)

Manfred Dechert Brecht und Spruch