Archiv für den Tag: 3. September 2017

Thyra Holst: Wenn Filz spricht … und Landschaft tanzt

Diese Überschrift kommt ein wenig geheimnisvoll daher. Thyra Holst ist eine Künstlerin aus Overath bei Köln, die ich über Facebook kennenlernte. Aber Filz?  Ich kenne aus der Politik, daß man da von Filz spricht…

Und mit dem Material Filz kam ich in Berührung, als unsere Tochter einige Zeit lang sich mit Filzarbeiten beschäftigte.  Außerdem gab es hier in Neuruppin ab und an Verkaufsausstellungen von Filzarbeiten.

Über eine solche Ausstellung habe ich auch auf der Homepage  von Thyra Holst (www.thyraholst.de) gelesen. Im Burgenmuseum Nideggen fand eine solche Ausstellung vom 29. Mai bis zum 31. Dezember 2016 unter dem Thema „ Alles Filz oder was?“ statt.  Vom Filz-Handwerk des 13. Jahrhunderts bis zur heutigen Filzkunst wurden dort Hüte, Hausschuhe, Wandbehänge, Teppiche und auch Kuriositäten ausgestellt.  „. Der handgefertigte Filz hat seit Jahrhunderten für das Überleben und die Produktivität des Menschen gesorgt. Archäologische Funde verdeutlichen, dass die bis heute gepflegten Traditionen des Filzens von einer sehr alten und künstlerisch bedeutsamen Filzkultur abstammen.“ Soweit der Text zur Vorstellung dieser Ausstellung. Thyra Holst hat dort mit einer Sonderschau agiert.

Und ganz aktuell hat sie mir auch noch etwas über das Alleinstellungsmerkmal von Filz geschrieben: „Strickpullover kann man aufrebbeln; Gewebe fallen auseinander, wenn man die Schnittkanten nicht schützt; gesponnenes Garn kann man wieder aufdrehen, aber Filz kann man nie wieder in seine Bestandteile (die Wollfasern) zerlegen: Filz bleibt Filz!

Doch es soll hier ja nicht nur der Filz untersucht werden. Ich will mich ja der Künstlerin Thyra Holst nähern…  Wie so oft versuche ich das über ihre Homepage www.thyraholst.de  und werde schnell fündig.

Thyra Porträt zwei gut

Die Künstlerin äußert sich dort über ihre

Motivation und Inspiration

Mein Werk ist leise. Es flüstert den Betrachtenden etwas zu. Die Betrachtenden haben, wenn sie es möchten, die Chance, eingefahrene Denkweisen ein kleines bisschen zu verändern. Mein Werk besteht aus Farbklängen und klaren Linien, die ich mittels überlieferter textiler Handwerkstechniken entstehen lasse. Ich vergegenständliche den Ausdruck meiner tiefsten Seele durch den Werkstoff Filz. Er saugt im Herstellungsprozess meine ganze Kraft in sich auf.

Es ist mein Ziel, die Betrachtenden in ihrem Inneren anzurühren. Ich arbeite konzeptionell und mich bewegt der Gedanke, dass jeder Mensch und jede Situation viele Seiten hat. Die Unkenntnis über den Kern einer Sache und die Vielfalt eines Menschen bringt mich immer wieder von Neuem in ein Spannungsfeld. Der Themenkomplex Vielfalt, Toleranz, Empathie ist mein Motor.

Ich habe als Kind schon getanzt und wurde nach dem Abitur von Else Lang und Karl Foltz tanzpädagogisch ausgebildet. Nach 10 Jahren Unterrichtstätigkeit habe ich mich beruflich neu orientiert. Aber meine tänzerische Erfahrung hilft mir noch heute, Linien und Formen zu finden.

Und die Künstlerin erklärt

Material und Technik

Es begeistert mich handwerklich, lose Wollfasern von zahlreichen Schafrassen oder Alpakas durch Wärme, Seife und Bewegung vorsichtig reibend miteinander zu verbinden und anschließend kraftvoll zu Nassfilz zu walken. Die Technik des Nassfilzens von Tierhaaren ist einige Jahrtausende alt, die japanische Technik des Nunofilz, die gewebte pflanzliche und tierische Stoffe mit dem Nassfilz verbindet, ist hingegen etwa zwanzig Jahre jung. Etwas jünger als die Nassfilztechnik ist das Spinnen. Ich arbeite seit 15 Jahren mit textilen Materialien.  Und ich verwende nichttextile Materialien, z.B. filze ich Stahlwolle ein, ich webe mit Super-8-Film oder bringe Nassfilz auf Porenbeton auf. Einigen Textilerinnen mögen meine Experimente für ungebührlich halten, aber ich bin der Ansicht, dass sich im Querdenken und im Brechen von Regeln die wahre Kreativität verbirgt.“

Soweit die Künstlerin Thyra Holst und nun können wir uns schon viel mehr vorstellen,  was sie treibt und was sie antreibt.

Auf ihrer Homepage merkt man dann auch schnell, daß sie nicht nur mit Filz arbeitet, sondern sich auch viele Gedanken zu ihrer Arbeit macht.

So gibt es eine Rubrik „Abstrakte Landschaftscollagen“ und dort sind nicht nur einige Werke von ihr zu sehen, sondern zugleich auch Erklärungen über ihre Motivation und Inspiration sowie darüber, was sie damit gesellschaftlich aussagen will:

 

Thyra dreizehn Thyra vierzehn Thyra fünfzehn Thyra siebzehn Thyra achtzehn Thyra neunzehn

Thyra zwanzig

Motivation und Inspiration

Thyra Holst ist begeistert von der schottischen Landschaft auf den Äußeren Hebrideninseln, denn sie ist abwechslungsreich, von großer Kraft und rauer Schönheit. Dass dort Gneis, das älteste Gestein der Erde, von anderem Gestein durchdrungen wurde, kann sie fühlen und sie muss diesem tiefen Eindruck Ausdruck verleihen. Die nassen Gras- und Moosflächen, die bei jedem Schritt federn und die Schichtung des Bodenaufbaus fühlen lassen, führten zu der Entscheidung, diese Schichtung als Merkmal für ihr eigenes und ganz neues Interpretationsformat aufzunehmen und so entwickelte sie ihr Collagenformat. Die Ergebnisse sind so vielfältig wie die Landschaft. Die als Malgrund verwendete Pappe erlaubt es, die Ebenen miteinander zu verweben um Vorder- und Hintergrund zu vertauschen und beim Betrachtenden für einen Moment der Überraschung zu sorgen. Und auch das Einarbeiten von Pflanzenteilen, Wolle oder Mineralien lässt den Betrachter genauer hinschauen, ist die Technik bisher doch nur mit Sand, Gips oder Marmormehl bekannt. Die erzeugte reliefartige Oberfläche bewirkt, dass beim nächsten Farbauftrag die Pigmente von den erhabenen Stellen abfließen und sich in den benachbarten Vertiefungen sammeln. So wird die Struktur deutlich sichtbar und zeigt durch die innovativ verwendeten Zutaten eine neue Wirkung. Um die Schichtung der Formen und ihre scharf geschnittenen Kanten zu konterkarieren, werden die Collagen statt in Rahmen auf großen Bögen Büttenpapier mit gerissenen Rändern präsentiert.

Gesellschaftliche Aussage

Thyra Holst beobachtet bei jeder Werkschaffung eine Metapher zwischen ihren Collagen und der Gesellschaft, die heute, gestern und morgen große Aktualität besitzt: Um Harmonie zu erreichen ist es wichtig, Kompromisse zu schließen und um nicht alles aneinander anzugleichen ist es unerlässlich, gleichzeitig Achtung vor der Identität aller Beteiligten – der Formen, Farben und Strukturen zu wahren.

 

Eine weitere Rubrik auf ihrer Homepage läßt uns in die Textilkunst hineinblicken:

Die dort aufgeschriebenen Texte habe ich weiter oben schon abgedruckt. So bleibt mir, einen Querschnitt durch die aufgeführten Werke zu bringen:

Thyra fünf  Thyra sieben Thyra acht Thyra zehn Thyra elf

Thyra einundzwanzig Thyra zweiundzwanzig

Mehr dazu auf der Homepage der Künstlerin unter der Rubrik Textilkunst.

Und mehr von Thyra Holst kann man  sehen, wenn man ihre nächste Ausstellung besucht. Sie findet von Mitte November 2017 bis Ende Januar 2018 in der Bildungswerkstatt von Schloß Eulenbroich in Rösrath statt. Dort stellt Thyra Holst gemeinsam mit der Kölner Künstlerin Renée Politzer aus und wird ca. 20 ihrer Filzarbeiten und abstrakten Landschaftscollagen vorstellen.

Peter Grau