Beate Gummelt: Von der Geherin zur Lehrerin

Beate Gummelt am Arbeitsplatz im Oberberstufenzentrum

Beate Gummelt war zwischen 1987 und 1999  die beste deutsche Geherin, hält noch immer zahlreiche deutsche Rekorde. Heute arbeitet sie als Lehrerin in Neuruppin.

1989 schaffte Beate Gummelt, damals noch unter ihrem Mädchennamen Anders, den Durchbruch in die Weltspitze. In L’Hospitalet bei Barcelona (Spanien) siegte sie beim Weltcup, der praktisch einer Weltmeisterschaft gleichzusetzen war, über 10 Kilometer.

Beate Gu Hospitalet 1989 1PL Beate-1

Im gleichen Jahr 1989 hatte sie schon Medaillen bei der Hallen-EM in Den Haag (Gold) und bei der Hallen-WM in Budapest (Silber) über jeweils 3000 m geholt:

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1991 wurde sie in Sevilla (Spanien) Hallen-Weltmeisterin über 3.000 Meter:

Beate Gu Sevilla HWM Sevilla 1991 1PL Beate-1
Bei der Heim-WM 1993 in Stuttgart stand Beate Gummelt kurz vor einer weiteren Medaille. „Doch da habe ich einen Fehler gemacht, als ich 1.200 Meter vor dem Ziel als Einzige eines Spitzenquartetts nochmals einen Schwamm zur Erfrischung nahm. Sofort waren die anderen weg, und damit auch die Medaille“, erinnert sie sich.

Heute Lehrerin in Neuruppin

Der Autor erlebte diesen Moment zehn Meter entfernt mit. Seitdem ist viel Zeit vergangen, und heute empfängt Beate Gummelt den Gast in ihrem Büro im Oberstufenzentrum in Neuruppin. Früher waren hier vor den Toren der Stadt die Kasernen der sowjetischen Besatzungsmacht. Als die Truppen 1994 abzogen, wurde in den Kasernen unter anderem ein moderner Schulkomplex aufgebaut.
Hinter dem Namen Oberstufenzentrum verbirgt sich eine berufliche Schule mit rund 1.700 Schülern, an der man die allgemeine Hochschulreife erwerben kann und in vielen verschiedenen dualen Ausbildungsberufen den schulischen Teil der Berufsausbildung absolviert.
Beate Gummelt ist seit dem 1. August 2013 Leiterin der Abteilung Wirtschaft und Verwaltung, gehört mit drei anderen Abteilungsleitern zur Schulleitung. „Die Hälfte der Zeit unterrichte ich Fächer wie Wirtschaftslehre, Rechnungswesen und Informations- beziehungsweise Textverarbeitung. Die andere Zeit benötige ich für Verwaltungsaufgaben, plane den Lehrereinsatz und alles rund um die Klassen und kümmere mich um die rechtlichen Dinge“, erklärt sie.

Duale Karriere kein Fremdwort

Es war ein langer Weg bis hierhin. „Aber Lehrerin wollte ich schon als Kind werden,“ erinnert sich Beate Gummelt. Deshalb studierte sie Sport und Geographie an der Berliner Humboldt-Universität. Nach der Wende sah sie da keine Perspektive mehr und wechselte zu den Sozialwissenschaften. Doch diese Studienrichtung wurde bald eingestellt, sodass Beate ein neues Fach suchte und bei den Wirtschaftswissenschaften landete. Sie fing mit der Volkswirtschaftslehre an und wechselte dann zu BWL. Etwas ironisch meint sie: „Wer nichts wird, wird Wirt. Und wer gar nichts wird, wird Betriebswirt.“
1992 hatte sie ihren langjährigen Trainer Gerhard Heber verlassen, zog von Berlin nach Potsdam und wurde nun von Bernd Gummelt, dem EM-Zweiten von Split (Kroatien) 1990 über 50 Kilometer Gehen, betreut. Und beide wurden, nachdem sie sich 1990 in einem Trainingslager in Mexiko näher kennengelernt hatten, auch privat ein Paar und heirateten am 29. Oktober 1993. Dual war für Beate Gummelt kein Fremdwort. Oft verband sie Sport und Lernen, wenn sie im Potsdamer Wildpark, ihrem Haupttrainingsrevier, mit Kopfhörern und Walkman lernend durch den Wald ging.

Schwanger im WM-Finale

Sportlichen Ehrgeiz besaß sie immer noch. Bei der WM 1997 im heißen Athen (Griechenland) wollte sie es im 10.000-Meter-Bahnwettbewerb nochmals wissen. Den Vorkampf überstand sie, doch im Finale war bald Schluss. Aber eine erfreuliche Entschuldigung hatte sie dafür: Sie war schwanger. Wir Journalisten wussten davon nichts, aber ihren Mannschaftsarzt hatte sie informiert und von ihm grünes Licht für einen Start bekommen.
1998 kam ihre Tochter Sarah zur Welt. In dieser Zeit war die Wettkampfdistanz bei den Frauen von 10 auf 20 Kilometer verdoppelt worden. „Das war nicht mehr mein Ding, auch wenn ich nochmals deutschen Rekord ging.“ Im Jahr 2000 beendete Beate Gummelt in Sydney (Australien) ihre Karriere mit der dritten Olympia-Teilnahme.

Über Umwege zum Traumberuf

Die Familie Gummelt war inzwischen nach Neuruppin gezogen. Beate hatte ihren Abschluss als Diplom-Kauffrau in der Tasche. Sie fing in einem Steuerbüro an, wühlte sich durch Jahresabschlüsse und Steuererklärungen. Aber diese Arbeit sagte ihr bald nicht mehr zu.
Als beim Joggen ihre Mitläuferin Martina Ahlhausen davon erzählte, dass am Oberstufen-Zentrum eine Lehrerstelle frei sei, bewarb sie sich und wurde angenommen. „ Ich hatte vorher noch nie eine Stunde Unterricht gegeben, aber es klappte.“ Beate Gummelt erklärt das so: „Man ist Lehrer oder ist keiner. Das Handwerkszeug kann man lernen, aber entweder man kann den Stoff vermitteln oder nicht.“
Neben ihren Unterrichtstunden absolvierte sie 2005 bis 2007 ein Referendariat, um auch auf dem Papier eine vollgültige Berufschullehrerin zu werden. Und in einem Fernstudium an der TU Kaiserslautern erwarb sie einen weiteren Abschluss, den Master im Schulmanagement.

Positives Resümee der Sportkarriere

Die Gummelt‘sche Familie ist weiter gewachsen, 2007 wurde Sohn Sebastian geboren. Beate ist seit drei Jahren Vereinsvorsitzende beim Leichtathletikclub Ruppin und dort auch Übungsleiterin einer Trainingsgruppe. „Das hat aber nichts mit Leistungssport zu tun. Die Kinder wollen vor allem ihre Schulnoten verbessern.“
Sie selbst hält sich dreimal in der Woche mit Laufen fit, aber Wettkämpfe locken sie nicht mehr. Ein wenig traurig wird sie, wenn sie das deutsche Frauengehen betrachtet. „Schade darum, aber sicherlich ist Gehen heute nicht mehr so attraktiv, und finanziell kann man sich damit auch nicht über Wasser halten.“
Für Beate Gummelt aber fällt das Resümee ihrer eigenen Karriere positiv aus. „Ich hatte beim Gehen eine schöne Zeit, habe viel von der Welt gesehen, viele tolle Leute kennengelernt und möchte diese Zeit nicht missen. Ich denke, dass mir das auch sehr viel in meiner Persönlichkeitsentwicklung gebracht hat. Vor allem die Zielstrebigkeit habe ich hundertprozentig vom Leistungssport mitbekommen.“

Peter Grau
(auch veröffentlicht in leichtathletik.de am 3.4.2015)