Ein Lauf im Namen des Friedens im Jahre 1983

In der DDR wurde das Wort „Frieden“ fast inflationär gebraucht. Es hieß oft bei politischen Meinungen oder gar Entscheidungen des Einzelnen: „ Wenn Du das und das nicht machst, dann bist Du nicht für den Frieden.“ Eine sehr vordergründige These.
Aber es gab auch Ereignisse, wo wir gern dabei waren. So beim Friedenslauf im Jahr 1983 in Berlin. Da Frieden an sich ja etwas sehr Schönes, Erstrebenswertes war und ist, hatten wir Läufer keine Skrupel, an einem Friedenslauf teilnehmen. Da war garantiert, daß auch die staatlichen Stellen voll dahinter standen und uns unterstützten.
Meiner Mutter schrieb ich hinterher: „ Es war eine ziemliche Masse, die sich in Bewegung setzte. Ich startete über 20 km (1:25:41), mit mir noch ca. 1500 Läufer, dazu 800 Marathonläufer und ca. 500 Läufer über 10 km. Es ging vom Leninplatz über den Strausberger Platz, den Alex, vorbei am Palast der Republik bis kurz vor die Friedrichstraße. Dort war die erste Wende. Dann zurück bis zum Strausberger Platz, entlang der Karl-Marx-Allee, Frankfurter Allee, Straße der Befreiung, durch den Autotunnel und danach war für uns die Wende. Die Marathonläufer mußten noch nach Marzahn. Das Wetter war gut, rückwärts Rückenwind. Elke und Ulrike sahen mich am Start, dort war ich schön weit vorn, dann nochmals am Strausberger Platz und dann am Ziel. Ich war mit meinem Platz (24. in der Altersklasse, 199. insgesamt ) zufrieden.“

Im „Leichtathleten“ schrieb ich dann etwas „parteiischer“, sprich der Frieden kam da schon mehr vor. Heutzutage liest sich das vielleicht etwas seltsam, aber damals war es ganz normal:
„Rund 35000 Berliner Sportler und Gäste aus allen Teilen der Republik sowie dem Ausland beteiligten sich am 2. Berliner Friedenslauf. Volks- und Spitzensportler, junge und ältere Läufer, Familien und Hausgemeinschaften machten diese Laufveranstaltung zu einer machtvollen Demonstration für die wichtigste Aufgabe unserer Zeit, die Erhaltung und Festigung des Friedens. Eindrucksvoll das Bild auf dem Leninplatz, als sich die Aktiven kurz vor dem Start auf den verschiedenen Stellplätzen einfanden. Zur Eröffnung richtete die Turnolympiasiegerin Dr. Katrin Büttner-Janz, Mitglied des DDR-Friedensrates, mahnende und zugleich aufrüttelnde Worte an die Sportler… „In diesen Tagen, unmittelbar vor dem Weltfriedenstag, vereinen sich unsere Gedanken und Vorschläge stärker denn je mit den Forderungen von aber Millionen Menschen der ganzen Welt an die verantwortlichen Politiker der NATO-Staaten, sich den zahlreichen Friedensangeboten nicht zu verschließen. Wir sagen nein zu den Atomkriegsplänen der USA. Wir sagen ja zu den Friedensinitiativen der Sowjetunion.“… Mit dem Ertönen des Startschusses setzte sich das Riesenfeld in Bewegung. Fast unübersehbar das Gewimmel auf den kürzeren Strecken im Friedrichshain. Für manche war das schon eine beträchtliche Anstrengung. Aber voller Begeisterung wurden die Meile oder die 5 km gemeistert. Nicht anders ging es auf den Wettkampfstrecken zu. Treffend drückte es der Neuruppiner Ludwig Wolter aus: „ Es ist leichter, im Schweiß zu baden, als in Asche zu vergehen“.

…Im 20-km-Lauf hatten sich nach der Hälfte der Distanz Michael Heilmann (TSC Berlin) und Roland Günther aus einer Fünfergruppe gelöst, der TSC-Sportler behauptete sich dann im Zielspurt knapp. Dramatisch auch das Geschehen im Marathonlauf. Hier konnten der Berliner Manfred Vetter und der Bulgare Vesselin Wassilew nach 30 km eine Vierergruppe sprengen. 9 km vor dem Ziel setzte sich dann Vetter ab und sah schon wie der Sieger aus. Doch dann bekam er krampfartige Beschwerden und mußte einige kurze Gehpausen einlegen. So konnte im Ziel am Leninplatz der Bulgare als Sieger gefeiert werden…

Hinterher gab mir der damals 33-jährige Diplomsportlehrer Stefan Senkel, im DTSB-Bezirksvorstand Berlin für den Freizeit-und Erholungssport verantwortlich, und einer der Hauptorganisatoren des Friedenslaufes, ein Interview.

Frage: Für die wettkampferfahrenen Läufer waren die 20 km und der Marathon gedacht. Sie sind selbst Marathonläufer. Wie ist Ihre Meinung zu solchen Stadtmarathons?
S. Senkel: Diese Läufe sind sowohl für Aktive als auch für Zuschauer reizvoll. Die Laufstrecken sind abwechslungsreich und stimulieren die Sportler. Der Werbeeffekt für das Laufen ist sicher auch nicht zu unterschätzen. Dadurch kann die sich immer stärker entwickelnde Laufbewegung doch mehr in das Bewußtsein der Öffentlichkeit eindringen, als wenn die Läufe auf abgeschiedenen Waldwegen stattfinden…
Frage: Wie wurde die Versorgung und Betreuung gesichert?
S. Senkel: Die Umkleideräume, Wasch-und Duschgelegenheiten reichten aus, von vielen wurde nach dem Lauf das Schwimmbad an der Friedensstraße genutzt. An den sieben Verpflegungspunkten wurden ausreichend Tee, Haferschleim, Keks, Salz, Regusal, Zucker und Zitronenscheiben bereitgestellt. Natürlich war auch die medizinische Hilfe einsatzbereit, aber dank der guten Vorbereitung der Teilnehmer gab es keine nennenswerten Zwischenfälle.
Soweit das Interview.

Interessant auch, zumindest für diejenigen, die dabei waren, ein Einblick in die Ergebnisliste:
(Berlin, 28.8.1983): 20 km: Männer, AK 18-32: Heilmann (TSC) 1:03:03, Günther 1:03:04, Tronnier ( bd. SC Magdeburg) 1:04:13; AK 37-42: Krebs (Lok Potsdam) 1:12:14, AK 43-50: Kastanowicz (TSG Oberschöneweide) 1:13:15; AK über 60: Witte 1:25:45, Selby 1:30:48. Frauen, AK 18-28: Riethmüller 1:17:11, Schmidt 1:19:12, Weinhold 1:20,00, Ute Goldammer (Einheit Pankow) 1:22:53; AK 29-32; Bianchin (Freiberg) 1:29:53, Nemitz 1:28:13; AK 37-42: Oehler 1:32:10.
Marathon, Männer: AK 18-32: Wassilew 2:26:01; AK 33-36: Vetter (HfÖ Berlin) 2:26:08; AK 37-42: Lachmann (EBT Berlin) 2:27:21, Stolz 2:33:28, Deparade 2:35:41; AK 43-50: Lorenz (EBB) 2:32:07, Oppermann 2:32:49, Kahms 2:35:59. Frauen: Gudrun Strohbach (Humboldt-Uni) 3:12:23, Pöplow 3:13:15, Naumann (Motor Weißensee) 3:14:17, Pikhart (Ruhla) 3:32:58.
(Quelle: Der Leichtathlet Nr. 36/83 vom 8. September 1983)

Schreibe einen Kommentar