Dick Gnauck kannte ich schon lange, allerdings nur aus den Ergebnislisten von Gehwettbewerben oder Laufveranstaltungen. Persönlich gesprochen hatte ich ihn noch nie. So freute ich mich um so mehr, als ich im Juni am Rande des Neuruppiner Triathlons dieses Gespräch hatte. Auf meiner Homepage habe ich mich unter http://www.petergrau-leichtathlet.de/?p=13226 dazu schon geäußert.
Nachdem er den Triathlon beendet hatte, setzten wir uns dann im Jahnbad auf eine Bank, abseits des turbulenten Geschehens.
Und dann erfahre ich von ihm, was er so in den letzten Jahren und Jahrzehnten getan hat.
Um auszuloten, wie weit er noch am Gehen hängt, frage ich ihn eingangs, wo er in den Tagen der Leichtathletik-WM in Berlin sein werde. „Natürlich an der Strecke, um den Gehern zuzuschauen“.
Hier der Beweis, daß er dieses Versprechen eingehalten hat:
Dick Gnauck (links) an der EM-Strecke in Berlin (Foto: Bernd Hölters)
Einmal Geher, immer Geher, könnte man dazu sagen.
Die Anfangsjahre als Geher in Berlin
Das Gehen bestimmte schon in jungen Jahren sein Leben. Dick Gnauck, Jahrgang 1963, hatte 1977 als Geher bei der BSG Empor HO Berlin angefangen. Sein erster Trainer war Kurt Sakowski, der selbst einmal Spitzengeher war und nun mehr bald seinen 88. Geburtstag feiert.
Kurt Sakowski (rechts) und Peter Selzer am 15. Oktober 1967 über 50 km beim Lugano-Cup in Bad Saarow
Dick Gnauck nahm 1978 mit mäßigem Erfolg an seinem ersten Wettkampf teil. „ Das richtige Talent brachte ich leider nicht mit“, schätzt er heute ein. Aber aufhören wollte er auch nicht. Und seine Mutter gab ihm dann einen Schub, als sie meinte: „Wenn Du mehr willst, dann mußt Du mehr trainieren.“ Gesagt, getan. Er sprach 1981 beim SC Dynamo Berlin vor, fragte an, ob er dort mittrainieren könne und wurde angenommen. Zweieinhalb Jahre gehörte er dem Sportclub an. Allerdings verlief der Anfang auch nicht wunschgemäß. „ In meinem ersten Männerjahr sollte ich die 50 km in Naumburg gehen. Wenn es nach meinem Trainer gegangen wäre, hätte ich aber gar nicht mitmachen sollen, zumal ich im Vorfeld mit Schienbeinproblemen zu tun hatte.“ Aber Gnauck trat an, und der Wettkampf fiel entsprechend schlecht aus. Nach 4:38 Stunden quälte er sich über den Zielstrich.
Und die großen Erfolge blieben auch danach aus. „Ich trainierte zwar 150 km pro Woche, lag aber damit weit unter dem Pensum von 250 bis 300 km, wie es beispielsweise Hartwig Gauder vertrug“.
Zudem wurde die Trainingsgruppe langsam aufgelöst. Der Hauptgrund dafür: Zwei Athleten, Nils Brand und Horst Mattern, flüchteten in den Westen. Zwar wurde das nicht an die große Glocke gehängt, aber die negativen Auswirkungen waren unverkennbar. Letztendlich verließ Dick Gnauck den Sportclub, trainierte aber weiter, weil er doch nicht ganz vom Gehen lassen wollte.
Wichtig wurde nun für ihn, daß er in Chemnitz ein Fachschul-Studium der Ingenieurpädagogik begann, mit dem Ziel, Lehrmeister zu werden und Lehrlinge ausbilden zu können. Doch es wurde für ihn schwierig, neben dem Studium und einem geringeren Trainingspensum als nun „BSGler“ noch Leistungen als Geher zu bringen.
Doch ohne Sport wollte er auch nicht durchs Leben gehen. Deshalb begann der 1986 mit dem Triathlon. „ Damals organisierte Dieter Gummelt in Berlin einen Drei-Tages-Triathlon, mit einem Tag Schwimmen, einem Tag Radfahren und einem Tag Laufen.“
Dieter Gummelt? Mit ihm habe ich (Peter Grau) in diesen Jahren viele Laufveranstaltungen bestritten. So u.a. 1983 den 25-km-Lauf von Berlin-Weißensee:
Dieter Gummelt (Zweiter von rechts), Peter Grau (Dritter von rechts) in Weißensee
Dick Gnauck kann sich erinnern, daß damals beispielsweise auch Achim Waschow und Berthold Rämisch beim Triathlon dabei waren (die ich wiederum als Läufer kannte). Und Gnauck lernte auch Peter Schlotte kennen, der später viele Triathlons organisierte.
Den 3-Tages –Triathlon mußte Dick Gnauck zwar wegen Knieproblemen beim Laufen aufgeben, aber er kam vom „Virus“ Triathlon nicht mehr los. „Ich habe in diesem Jahr 1986 noch andere Triathlons mitgemacht, so den in Waren an der Müritz, den ich gewann und an dem ich über zehnmal mitmachte.“
Damals waren 2 km Schwimmen, 38 km Radfahren und 18 km Laufen gefordert. Der Müritz-Triathlon hat sich bis heute gehalten, bietet nun den Mitteltriathlon mit 2/80/20 an. 2017 gab es mit Ironman Michael Raelert (Rostock) einen prominenten Sieger.
Das Leben als Taxifahrer
Nach dem Abschluß des Studiums arbeitete Dick Gnauck als Lehrmeister Maschinenbau in Berlin, doch nach der Wende 1990 war das nicht mehr möglich. Was nun? „ Ich habe einiges versucht und bin dann irgendwann im Taxigewerbe gelandet. Und nun bin ich schon seit 25 Jahren Taxifahrer, angestellt bei der Berliner Firma Metrocab“. https://www.metrocab-taxi.de/?gclid=EAIaIQobChMI89-h5YOc3QIV4grTCh3y-gG8EAAYASAAEgJravD_BwE
Wie aber kann man sich das Zusammenspiel von Taxifahren und Sporttreiben vorstellen, frage ich. „Das Gute ist, daß bei mir die Interessen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer übereinstimmen. Ich kann mir meine Arbeit einteilen. Wenn ich eine Pause brauche oder mal nach Hawai zum Triathlon fliegen will, dann kann ich das. Zweimal war ich beim Hawai-Marathon dabei, aber das ist nichts, weil ich die Hitze nicht mag.“ Aber wann fährt Dick Gnauck in Berlin umher? „ Ich bin nur Nachtfahrer. Das kommt mir einerseits entgegen, weil ich in meinem Leben nie gern früh aufgestanden bin. Und nachts macht das Fahren in Berlin noch mehr Spaß, weil da weniger Verkehr auf den Straßen ist.“
Wichtig ist für einen Taxifahrer, daß er sich gut orientieren kann. Nicht so einfach für Dick Gnauck, denn früher kannte er nur die Ostberliner Straßen. Aber dieses Problem löste er schnell: „ Ich bin zu einem Westunternehmen, bin dort einfach ins kalte Wasser geworfen worden und fuhr nur in Westberlin. Und jetzt bin ich in Ost und West Experte.“
Taxifahrer sein aber ist mehr, als nur die Kunden an ihr Ziel zu bringen.
„ Man hat Gespräche, die man als „normaler“ Sterblicher nicht haben würde. Man trifft Politiker, Manager, Künstler und viele andere Berufsgruppen und kann seinen Horizont erweitern.“
Auch die Schar der Taxifahrer ist sehr vielfältig zusammengesetzt. „ Ich habe Ärzte, Rechtsanwälte als Kollegen, die aus ihrem „normalen“ Leben ausgestiegen sind. Und gewissermaßen bin ich auch ein Aussteiger, habe zumindest nun einen völlig anderen Lebensrhythmus.“
Schwester Maxi turnte zu olympischem Gold
In den achtziger Jahren war der Name Gnauck für mich als „normalem“ Sportkonsumenten bekannt. Doch nicht den Geher Dick verband ich damit, sondern seine Schwester Maxi Gnauck. Maxi wurde 1980 bei den Olympischen Sommerspielen in Moskau Olympiasiegerin am Stufenbarren. „„Nach ihr wurde ein Element am Stufenbarren benannt, die Gnauck-Kehre,“ erklärt ihr Bruder.“ Außerdem gewann Maxi Gnauck eine Silbermedaille im Einzelmehrkampf und zwei Bronzemedaillen am Boden und im Mannschaftsmehrkampf. Zwischen 1979 und 1985 wurde Maxi Gnauck insgesamt sechsmal Weltmeisterin und fünfmal Europameisterin.
Nach ihrer aktiven Karriere arbeitete sie als Trainerin. Von 1993 bis 2004 war sie in Norderstedt als Cheftrainerin des Kunst-und Geräteturnzentrums Harksheide tätig. 2005 wechselte sie in die Schweiz, arbeitet heute dort an einer Sportschule in Utzendorf und wohnt auch dort mit ihrem Freund. „ Unser Kontakt ist recht lose, auch wegen der räumlichen Trennung“, erzählt Dick Gnauck.
Die Rückkehr zu den Gehern
Einmal Geher, immer Geher, schrieb ich vorhin. Und das trifft auch auf Dick Gnauck zu.
Einige Fotos als aktiver Geher (hier in Naumburg):
Dick Gnauck (151), Reinhard Langhammer (156) und Udo Schaeffer (168 / von links)
„ Als ich 2003 vierzig Jahre wurde, bin ich wieder bei den Gehern eingestiegen. Ab dieser Altersgrenze kann man bei den Senioren an Welt-und Europameisterschaften teilnehmen. 2004 habe ich in Neuseeland zwei WM-Titel bei den Gehern geholt und später mehrere Europameistertitel.“
Der Erfolg stellte sich ein und war ein wesentliches Motiv, weiter regelmäßig zu trainieren. „ Aber als ich 50 Jahre wurde, merkte ich, daß es nicht mehr vorwärts ging. Ich stagnierte und damit war auch die Motivation weg.“
Doch ab und an einem Triathlon nimmt er immer noch teil. Irgendwie kommt er von Wettkämpfen nicht los. In diesem Jahr 2018 finden drei internationale Meisterschaften in Spanien statt:
Aktiv bei der Senioren-EM im Früjahr 2018 in Madrid
„Auch zur Senioren-WM im September 2018 werde ich nach Malaga fahren. Da ich ein Liebhaber des spanischen Rotweins bin, kann ich es gleich verbinden: den Geh-Sport mit einem Urlaub und mit Genuß.“
Der Beweis, daß Dick Gnauck bei der WM in Malaga dabei war. Hier im Wettbewerb über 10 km (Fotos: Bernd Hölters)
Zwar räumt Dick Gnauck ein, daß es nun im Alter von 55 Jahren manchmal körperliche Probleme gibt, er auch mal beim Laufen und Gehen eine Pause einlegen muß. „ Man darf es eben nicht übertreiben. Es reicht mir manchmal, nicht mehr jeden Tag zu trainieren, sondern nur jeden zweiten Tag. „ Aber normalerweise trainiere ich jeden Tag. Laufen, gehen, schwimmen, mit dem Mountainbike fahren oder im Winter Eisbaden, die Möglichkeiten sind vielfältig. Das Hauptziel ist aber heute die Gesunderhaltung.“
Peter Grau
Bildergalerie Dick Gnauck:
Bisher habe ich nur wenige Fotos mit Dick Gnauck in meinem Archiv gefunden, obwohl es dort ansonsten sehr viele Fotos aus den Zeiten eines Weigels, Gauders oder Frenkels gibt.
Da kommt mir zu Hilfe, daß Dick Gnauck meint, ich solle mich mal an Udo Schaeffer wenden, der sich sehr viel mit dem Gehsport befaßt ist, als aktiver Geher und als Statistiker für die Geher, aber auch mit einem riesigen Foto-Archiv in der Hinterhand.
Udo Schaeffer (links) gratuliert Dick Gnauck zum 44. Geburtstag
Udo Schaeffer war gern bereit, mir einige Fotos von Dick Gnauck zu schicken. Nicht einfach war es dabei für ihn, aus den insgesamt 468 Fotos einige auszuwählen.
Es folgt eine willkürliche Auswahl von Fotos, die Dick Gnauck als aktiven Geher, bei Siegerehrungen und im Kreise seiner Geherfreunde zeigt. Nähere Angaben zu den einzelnen Fotos sind bei Udo Schaeffer unter
info@racewalking24.com zu erfragen.
Wer weitere Informationen über den Gehsport bekommen möchte, kann das auf folgenden Webseiten:
www.geherpokal.de
www.geher-team.de
www.gehsportnetzwerk.de