Treffs mit Leichtathleten

Auf der Pressekonferenz vor dem Leichtathletik-Meeting in Doha

Doha siebenundzwanzig

Pressekonferenzen dienen oft der Einstimmung auf das kommende Ereignis, und selten sind sie spektakulär. Der Veranstalter ist auch oft darauf angewiesen, welche Athleten und Athletinnen schon vor Ort sind und welche gern zur Pressekonferenz gehen. Aber vorteilhaft ist es für die Journalisten, daß sie die Athleten in Ruhe „ablichten“  und in Ruhe Einzelgespräche führen können.

Olaf Brockmann war am 3. Mai 2018, also einen Tag vor dem eigentlichen Meeting am 4. Mai, in Doha zur Pressekonferenz (PK).

Schon der Einblick von der Empore auf die Journalisten ist recht beeindruckend:

Doha achtundzwanzig

Breit gefächert, quer über die Disziplinen, zeigte sich das Aufgebot der Athleten:

Doha zweiunddreißig

 

Und es freut mich, daß Thomas Röhler wieder dabei ist. Das zeigt den Stellenwert den er hat, sicher nicht nur als Olympiasieger von 2012, sondern auch als eloquenter Gesprächspartner:

Doha siebenundvierzig Doha vierunddreißig Doha vierzig

Doch Olaf Brockmann fotographiert nicht nur Thomas Röhler, sondern auch die anderen Athleten. Vornweg den Dreispringer Chris Taylor und seinen Vater Ian Taylor:

Doha fünfunddreißig Doha dreiundvierzig Doha dreißig

 

Der Vater Ian Taylor ist ebenfalls mit der Kamera aktiv:

Doha neunundzwanzig

 

Aber auch die anderen, wie Hochspringer Mutaz Barshim, Stabhochspringerin Katerina Stefanidi-Krier und Sprinterin Dafne Schippers  sind voller Vorfreude:

Doha dreiunddreißig Doha eindundreißig Doha neununddreißig

Und die bunte Mischung der Journalisten reizt auch zu manchem Schnappschuß:

Doha sechsunddreißig Doha achtunddreißig Doha siebenunddreißig Doha zweiundvierzig Doha vierundvierzig Doha fünfundvierzig Doha neunundvierzigDoha achtundvierzig

Peter Grau

(alle Fotos:  Olaf Brockmann)

 

 

Olaf Brockmann: Spaziergang mit Speerwurf-Olympiasieger Thomas Röhler in Doha

Doha zehn

Thomas Röhler in Doha

Manchmal bin ich doch ein wenig neidisch, wenn ich erlebe, wie mein Wiener Kollege Olaf Brockmann herumreist. Und wenn es dann wie jetzt in eine Gegend geht, die mir fremd ist und in die ich sicher nicht hinkommen werde, dann bin ich wiederum dankbar, daß Olaf mich und meine Homepage-Besucher miterleben läßt, was er sieht.

Olaf Brockmann ist von Wien nach Doha (Katar) geflogen, um dort das 1. Meeting der Diamond League Serie zu besuchen. Das ist eine Serie von Meetings, in der sich die weltbesten Leichtathleten treffen.

Schon die ersten Bilder gefallen mir:

Doha eins Doha zwei Doha drei

Und dann berichtet er von einem Spaziergang mit Speerwurf-Olympiasieger Thomas Röhler durch die berühmte Sonq Waqif.

Doha dreiundzwanzig

Olaf Brockmann (links) und Thomas Röhler

 

Geschäftsstraße, Großmarkt, wie will man das bezeichnen?

Die Bilder geben einen Eindruck:

Doha vierzehn Doha neun Doha acht Doha elf Doha zwölf Doha sechszehn Doha siebzehn Doha achtzehn Doha fünfzehn Doha neunzehn Doha zwanzig Doha einundzwanzig Doha zweiundzwanzig

Und nicht nur Olaf Brockmann fotographiert, sondern natürlich auch Thomas Röhler:

Doha dreizehn

Und dabei nimmt der Speerwerfer, der heute am Freitag (4. Mai) seinen Wettkampf hat, auch seinen Wegbegleiter „aufs Korn“:

Doha fünfundzwanzig Olaf

Olaf Brockmann (Foto: Thomas Röhler)

Wer mehr sehen möchte, kann sich auch diesen kurzen Film über Doha ansehen:

https://www.youtube.com/watch?v=ynXbnQ8d_gY

Peter Grau

(fast alle Fotos: Olaf Brockmann)

Zwei Bücherfreunde treffen sich in Berlin

Warum habe ich mich kürzlich mit meinem Wiener Kollegen und Freund Olaf Brockmann gerade im Dussmann-Kulturkaufhaus in der Berliner Friedrichstraße getroffen?

Duss einunddreißig

Es bot sich einfach an. Einerseits wollten wir Ruhe zu einem ausführlichen Gespräch haben. Andererseits bin ich seit eh und je ein Bücherfreund. Schon als Jugendlicher war ich Stammkunde in der Erfurter Stadtbibliothek, und diese Leidenschaft hat sich bis heute erhalten.

Und Olaf sprudelt gleich los: „Bücher sind meine große Liebe. Ich bin von Kind an ein Lesemensch gewesen. Das habe ich auch meinen beiden Töchtern mitgegeben, sie sind mit Büchern aufgewachsen. Wir haben in unserer Wohnung in Wien einen Bestand von circa 8000 Büchern.“

Da haben sich also Brüder gleichen Geistes gefunden.

Einstein eins Duo

Olaf Brockmann (rechts) und Peter Grau

Metro neunundvierzig

Einstein neu Olaf zwei Einstein sechszehn

Olaf Brockmann 2018 im Dussmann-Kaufhaus

 

Ein wenig Symbolik liegt über unserem Treffen. Olaf ist in Rostock geboren, ich in Erfurt. Wir treffen uns also gewissermaßen auf halbem Wege, eben in Berlin. Unsere Wege könnten aber unterschiedlicher nicht ausgefallen sein. Das wird mir bewußt, als ich mir in den nächsten zwei Stunden von Olaf einiges aus seinem Leben erzählen lasse.

Und weil später dem Ganzen auch noch Fotos hinzugefügt werden, ein Tip: Wenn man die Bilder anklickt und sie dann auf dem Computer betrachtet, entfalten sie ihre ganze Pracht!

Von Rostock nach Düsseldorf

„Geboren bin ich am 13. März 1953 in Rostock, wo meine Eltern lebten“, erzählt mir Olaf. „Meine Mutter (Jahrgang 1917) kommt ursprünglich aus Neu Gaarz, einer Gemeinde 80 km südlich von Rostock. Sie stammt aus einer berühmten jüdischen Familie, die auch auf Felix Mendelssohn Bartholdy zurückgeht. Mit diesem Komponisten, Pianisten und Organisten bin ich damit auch entfernt verwandt. In der Weltwirtschaftskrise 1929 ging das Gut, auf dem meine Mutter lebte, verloren. Mein Vater (Jahrgang 1908) kommt ursprünglich aus Wismar. Später sind beide dann nach Rostock gekommen.

Krone zwei

Das Gut Neu Gaarz heute

 

Mein Vater war Kunstmaler

In Rostock lebte ich nur wenige Wochen. Schon im April 1953 sind wir in den Westen geflüchtet. Warum? Mein Vater war Kunstmaler. Er wurde Anfang der 50er Jahre zur Auftragsmalerei gezwungen, mußte Lokomotiven, Busse, Schiffe malen. Das behagte ihm nicht. Doch der eigentliche Grund für die Flucht lag tiefer. Mein Vater war gegen das herrschende System in der SBZ/DDR eingestellt und hat diese seine Meinung auch öffentlich kundgetan. Doch scheinbar ist er über das Ziel hinausgeschossen, hat sich zu weit vorgewagt. Es kamen dann auch eines Tages zwei suspekte Männer zu uns nach Hause in die Lessingstraße.

Krone drei

 Lessingstraße (im Jahr 2018)

Mein Vater wurde aber rechtzeitig gewarnt, sodaß sie ihn nicht antrafen.

Ein zweiter Grund war, daß meine Mutter, die zunächst Sekretärin beim Oberbürgermeister in Rostock und später bei einem Universitätsprofessor war, aufgefordert wurde, Spitzeldienste zu leisten und sie das ablehnte.

Jedenfalls ist unsere Familie zwei Tage nach dem ominösen Besuch der beiden suspekten Männer vom Osten in die Bundesrepublik Deutschland geflohen und kam über Ostberlin und Westberlin nach Sonthofen in ein Flüchtlingslager.

Was sich so in einem Satz daher sagt, war allerdings besonders für meinen Vater sehr schwer, denn er mußte alles zurücklassen, was seine berufliche Tätigkeit ausmachte: alle Mal-Utensilien und alle Gemälde.

Mit 19 Jahren zu den Spielen nach München

Schließlich sind wir also in der Nähe von Düsseldorf gelandet. Ich bin in Erkrath aufgewachsen. Und dort habe ich leidenschaftlich Tischtennis gespielt. Schon recht früh, mit 14, 15 Jahren, kam bei mir der Wunsch auf, Sportjournalist zu werden. Ich bekam dann auch einen Termin bei Alfons Gerz, der im September 1945 den Sport-Informations-Dienst (SID) gegründet hat und ihm danach viele Jahre als Chefredakteur ein Gesicht gab. Gerz gestattete mir, an Wochenenden beim SID zu arbeiten. Ich fing also mit Telefondienst, Ergebnisdienst der Bundesliga und kleinen Meldungen an.

Ein einschneidendes Erlebnis für mich war, daß ich schon mit 19 Jahren im Jahr 1972 nach München zu den Olympischen Sommerspielen fahren durfte. Dort fing ich, der ich ja eigentlich vom Tischtennis kam, für die Leichtathletik Feuer. Ich sagte mir: Das will ich meinen Lebtag sehen und als Journalist machen! Eben die Leichtathletik bei Olympia und alle Großveranstaltungen der Leichtathletik. Aber damals konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, daß es nunmehr (Stand April 2018) schon 11 Olympische Sommerspiele, 16 Freiluft-Weltmeisterschaften und 17 Hallen-Weltmeisterschaften, also alle (!) Weltmeisterschaften Freiluft und Halle, werden sollten.

Krone vier

Am Schreibtisch beim SID 1977 (in der Redaktion in Neuss)

 

Morgendliche Vorlesungen durch Heinz Vogel

In den Anfangsjahren beim SID hatten viele Kollegen einen positiven Einfluß auf mich, aber einen möchte ich besonders hervorheben: Heinz Vogel! Er war gewissermaßen mein Ziehvater, hat mir immer geholfen, zunächst bis zu seinem Weggang im Jahr 1974. Es hatte sich bis dahin ein Vater-Sohn-Verhältnis entwickelt, ich habe ihn sehr gemocht und er mochte mich auch. Auch nach seinem Weggang vom SID durfte ich ihn vier- bis fünfmal in der Woche morgens gegen 9 Uhr anrufen und dann hat er über eine aktuelle Leistung, über einen aktuellen Rekord doziert. Und er schlug oft die Brücke von 1896 bis in die 70er-Jahre. Die Gespräche dauerten dann im Minimum immer eine halbe Stunde. Aber da habe ich unglaublich viel gelernt. Es war auch notwendig, denn beim SID mußte ich die Zahlen wirklich parat haben, mußte immer sofort wissen, wie die Leistungen einzuschätzen sind.

Auch später saß Heinz Vogel auf der Pressetribüne neben mir, half mir, die Ergebnisse einzuordnen. Sei es nun bei den großen Meisterschaften, den Meetings wie in Zürich (wo ich seit 1975 ununterbrochen alle Meetings gesehen habe) oder etwa beim Europacup 1977 in Helsinki, wo sich die bundesdeutschen Männer als Gesamt-Team für den Weltcup in Düsseldorf qualifiziert hatten.

Von 1974 bis 1983 war ich also fix beim SID angestellt, mit den Schwerpunkten Leichtathletik und Tischtennis, damals habe ich schon in diesen beiden Sportarten alle Großveranstaltungen in der ganzen Welt gesehen. Bald war ich auch immer häufiger „Chef vom Dienst“. Vor der SID-Zeit war ich von 1972 bis 1974 bei der Bundeswehr, wo ich in einer Fernmelde-Kompanie Leutnant der Reserve wurde.

Krone fünf

Im Pressezentrum der Tischtennis-WM in Kalkutta 1975

 

Auf dem Weg nach Wien

Und mein Weg nach Wien? Der hat eine Vorgeschichte. Es beginnt im Herbst 1975. Ich war zwar für die Olympischen Spiele 1976 in Montreal akkreditiert. Aber dann meinte der Chef des SID, Alfons Gerz, daß diese Spiele in Übersee noch zu früh für mich kommen. Da war ich natürlich sehr enttäuscht, aber ich sagte mir sofort, daß ich nun aber unbedingt 1980 nach Moskau zu den Olympischen Spielen wolle. Unmittelbar nach dieser Sitzung im Oktober 1975 bin ich zu Herrn Gerz gegangen und habe ihm gesagt: „Ich möchte gern Russisch lernen.“ Alfons Gerz sagte, daß er mir den Privatunterricht bezahlen würde. Er wußte natürlich, warum ich das machen wollte. Dann habe ich insgesamt sieben Jahre lang Privatunterricht in Russisch gehabt. Später sogar noch bei demselben Lehrer, dem ich mein ganzes Leben dankbar bin, Latein, als ich parallel zum Beruf studierte. Das war mein Weg zu den Olympischen Spielen in Moskau.

Nach Moskau habe ich gesagt: Ich will das Russisch nicht aufgeben, sondern studiere nebenher noch in Düsseldorf russische Geschichte. Und dann habe ich bei Lew Kopelew in Wuppertal ein Forschungsseminar absolviert. Lew Kopelew war ein russischer Germanist, Schriftsteller und Humanist, der wegen seiner politischen Haltung als Dissident aus der Sowjetunion ausgewiesen wurde. Bei Kopelew schrieb ich eine Arbeit über den berühmten Reisebericht von Sigismund von Herberstein („Rerum Mocsovoticarum Commentarii“ von 1549) mit dem Titel: Herbersteins Charakteristik des russischen Volkes nach Sitten, Gebräuchen und geistigem Leben“. Kopelew fand die Arbeit „sehr gut“ und sagte zu mir: „Mit diesem Thema müssen Sie unbedingt zum Professor Leitsch nach Wien.“ Da habe ich Hals über Kopf beim SID gekündigt und ging an die Uni nach Wien zu Walter Leitsch, von 1965 bis 1996 ordentlicher Professor für Geschichte am Institut für Osteuropäische Geschichte der Wiener Universität.

Zu Professor Leitsch habe ich gesagt: „Lew Kopelew schickt mich zu Ihnen.“ Worauf Walter Leitsch antwortete: „Dann komm`s rein!“ Daraus wurde ein sehr gutes, freundschaftliches Verhältnis. Er hat mich immer gemocht und mochte vor allem meinen Fleiß. Bei den Seminararbeiten hat Leitsch oft zu mir gesagt: „Typisch deutsch. Sie sind ein deutscher Fleißbold!“

Ich habe also osteuropäische Geschichte mit Schwerpunkt russische Geschichte studiert und im Nebenfach deutsche Geschichte. Angefangen hatte ich damit in Düsseldorf (vier Semester) und abgeschlossen 1988 als Magister in Wien.

Ursprünglich wollte ich zu Prof. Leitsch, um weiter über Herberstein zu forschen. Schließlich habe ich meine Magisterarbeit aber über einen Gesandten namens Johann Georg Korb geschrieben, der 1698/1699 am Hof von Peter dem Großen lebte. Korb hat einen berühmten Reisebericht über Moskau („Diarium Itineris in Moscoviam“) geschrieben. Diesen Bericht habe ich im Vergleich mit anderen ungedruckten, zeitgenössischen Quellen auf den Wahrheitsgehalt geprüft. Einer der interessanten Aspekte der Arbeit ist der Bericht von Korb, nach dem Peter der Große Strelizen eigenhändig hingerichtet haben soll. Korb ist dafür die einzige Quelle. Mir erscheinen seine Informationen glaubwürdig. Meine Magisterarbeit wurde mit großer Hilfe von Leitsch auch in den Jahrbüchern für Geschichte Osteuropas veröffentlicht:

Olaf Brockmann: Der Bruch Peters des Großen mit Alt-Moskau: Korbs Diarium und Diplomatenberichte aus Moskau zu den Ereignissen der Jahre 1698 und 1699, In: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas, Neue Folge, Bd. 38. H. 4 (1990), Seiten 481 bis 503, Franz Steiner Verlag.

Leitsch fragte mich, ob ich noch promovieren wolle. Doch dies war mit meiner Familie und meiner Tätigkeit bei der „Kronen Zeitung“ zeitlich nicht mehr vereinbar.

Krone sechs

 Verleihung des akademischen Grades des Magisters der Philosophie im Jahr 1988 an der  Uni Wien

 

Ein paar Sekunden bis zum Ja-Wort

Spätestens jetzt ist es auch Zeit, etwas über meine Familie zu sagen.

Meine Frau Zita habe ich im Mai 1985 kennengelernt. Sie war damals als Stewardeß auf dem ungarischen Schiff „Rákóczi“ tätig, das eine Dreiländerfahrt durch Österreich, die Slowakei und Ungarn machte. Wie es der Zufall wollte, war ich als Passagier auf diesem Schiff, lernte dort für eine Philosophieprüfung über die deutsch-amerikanische politische Theoretikerin und Publizistin Hannah Arendt und eines ihrer philosophischen Hauptwerke, die „Vita activa oder Vom tätigen Leben“.

Weil mir die Musik beim Lesen zu laut war, bat ich die Stewardeß, die Musik leiser zu stellen. So kamen wir ins Gespräch. Einen Tag später lud ich sie zum Essen ein, eine Woche später zu „Fidelio“ in die Wiener Staatsoper. Danach fragte ich sie, ob wir nicht heiraten wollten. Zita hat nur ein paar Sekunden überlegt, ehe sie „Ja“ sagte. Nur neun Wochen später haben wir in Ungarn geheiratet, in Bugyi in der Nähe von Budapest:

Krone Hochzeit

Meine Frau hat in Budapest noch den Uni-Abschluß gemacht (Russisch und Deutsch) und ist dann endgültig nach Wien gekommen. Jetzt haben wir zwei große Töchter, Sophie ist 31 Jahre und Evelyn 28 Jahre alt. Sie haben beide in England studiert. Sophie hat in Cambridge in History of Science (Wissenschaftsgeschichte) über Guatemala promoviert. Sie unterrichtet in Leicester, lebt in London. Evelyn hat Kunstgeschichte studiert und war lange Zeit als Museumspädagogin im größten Museum Budapests angestellt. Jetzt arbeitet sie mit großer Leidenschaft bei der UNO-Flüchtlingshilfe in deren Dependance in Budapest. Doch auch die Kunstgeschichte betreibt sie weiter.

Krone sieben

Die MS Rákóczi, auf der ich Zita kennenlernte

 

Ein Leben als Sportjournalist

Mir ist Olaf Brockmann allein als Sportjournalist bekannt geworden. Da verblüfft es mich, als er erzählt: „Einmal wäre ich fast ganz in die Außenpolitik gegangen. Das passierte bei der Zeitung „Die Presse“. Dort war ich, als ich nach Wien gezogen war und nebenher studiert hatte, als Pauschalist in der Sportredaktion tätig. Ich schrieb aber schon gelegentlich auch über historische und aktuell politische Themen. Nach Gesprächen mit dem Herausgeber und dem Chefredakteur wechselte ich in die Außenpolitik, kam aber mit dem Chef der Außenpolitik nicht klar. Deshalb ging ich zum Sport zurück und durfte quasi zur Belohnung gleich einen Riesenbericht über den Dreisprung-Weltrekord von Willie Banks mit 17,97 m (16. Juni 1985) schreiben. Im Februar 1986 aber wechselte ich zur „Kronen Zeitung“, die fortan meine berufliche Heimat wurde. Und dort war ich wieder ausschließlich Sportjournalist. Meine drei Haupt-Sportarten als Journalist waren Leichtathletik, Schwimmen und Tischtennis, also alles Sommersportarten. Daneben berichtete ich auch etwa über Fechten, Judo, Reiten, Rudern, Tennis oder Rhythmische Sportgymnastik.

Vielleicht etwas ungewöhnlich in Österreich, wo der Wintersport solch eine große Rolle spielt. Aber ich war und bin Deutscher, eben kein Österreicher, sondern ein Zugereister. Aber so habe in meiner Karriere als Sportjournalist doch von circa 270 Europa- und Weltmeisterschaften berichten können.“

Krone acht

Auf der Pressetribüne bei der Leichtathletik-WM in Athen 1997

 

Abschied von der „Kronen Zeitung“

Warum aber hat sich Olaf Brockmann nun von der „Kronen Zeitung“ verabschiedet?

In den letzten Jahren hatte er nicht nur als Festangestellter bei der „Krone“ gearbeitet, sondern war auch ehrenamtlich in der Pressekommission des Leichtathletik-Weltverbandes (IAAF) tätig.

„Das wurde mir dann einfach zu viel, von Mai bis September war ich nur unterwegs“, blickt Olaf Brockmann zurück. „Das Pensionsalter liegt in Österreich bei 65 Jahren. Ich habe immer gesagt, daß ich noch bis zu den Olympischen Sommerspielen 2016 in Rio de Janeiro bei der „Krone“ arbeiten werde. Das habe ich dann auch wahrgemacht, bin am 1. April 2017 in die Frühpension gegangen und wurde zuvor schon im Februar in der Redaktion mit einer tollen Überraschungsfeier sehr nett verabschiedet.“

Krone neun

Überraschungsfest zum Abschied in der „Kronen Zeitung“ (Foto: Wolfgang Hänlein)

 

Für die IAAF auf Reisen

„Das bedeutet aber nun für mich beileibe kein ruhiges Leben. 2017 war ich beispielsweise für die IAAF u.a. dreimal in Kenia, einmal in Uganda, in China, in Doha und in vielen europäischen Ländern.

Meine ehrenamtlichen Tätigkeiten in der IAAF sind vor allem zwei Bereiche. Seit 2007 war ich immer Presse-Delegierter bei allen Jugend- und Junioren-Weltmeisterschaften. Die Jugend-WM (jetzt U-18-WM) wurde ja leider nach der sensationellen Auflage 2017 in Nairobi eingestellt.  Dafür bleibt die U-20-WM (früher Junioren-WM) wie in diesem Sommer in Tampere. Weiter bin ich Presse-Delegierter bei den 14 Meetings der Diamond League, überwache und helfe mit, daß die Bedingungen für die Medien dort okay sind, sprich Pressehotel, Pressezentrum, Pressetribüne, Pressekonferenzen oder Internet… Das macht mir mittlerweile fast mehr Spaß, als selbst zu schreiben.“

Impressionen aus einem Sportjournalisten-Leben

Ging es bisher in unserem Gespräch im Berliner Kultur-Kaufhaus Dussmann vorrangig um den Lebensweg von Olaf Brockmann, bekomme ich nun einen Einblick in das, was er bisher erlebt hat.

Buda Olaf und Spitz

Wiedersehen mit dem US-Schwimmer Mark Spitz

Bolt Ostrava 2017 siebzehn Olaf und Usain

Treff mit Usain Bolt

 

Wenn man von 1972 bis jetzt alle Großen des Sports (zumindest in Leichtathletik. Schwimmen und Tischtennis) kennengelernt hat, von Mark Spitz bis Michael Phelps, von Carl Lewis bis Usain Bolt und gar bei Haile Gebrselassie oder Tegla Loroupe zu Hause eingeladen war, dann kann einer wie Olaf Brockmann stundenlang erzählen. Gut, daß wir uns die Zeit für eine weitere Plauderstunde nehmen und noch besser, daß das Ganze nicht eine vorgegebene Länge haben muß, denn: Meine Homepage und damit auch die Rubrik von Olaf Brockmann kann sehr viel fassen! 

Wo aber anfangen, wo aufhören? Es muß bei Episoden bleiben!

Krone zehn

Bei Haile Gebrselassie daheim in Addis Abeba in seiner Villa

Krone elf

 Bei Tegla Loroupe daheim in Kapenguria zum Dinner

 

Als Mao Tse Tung 1976 in China starb

„Ein Jahrhunderterlebnis war für mich 1976 das Tischtennisturnier in Shanghai in China. Gerade zu diesem Zeitpunkt, am 9. September 1976, starb der Staatsführer Mao Tse Tung. Deshalb wurde das Turnier um zehn Tage verschoben. Wir waren insgesamt drei Wochen in China, auch in Peking, was so nicht geplant war. Jedenfalls habe ich all die Trauerfeierlichkeiten für Mao direkt mitbekommen. Und auch als junger Journalist erlebt, wie schwierig es damals war, Berichte aus dem abgeriegelten China in die Heimat zu übermitteln. Die Telefonleitungen im Hotel waren geblockt. Aber am Ende hatte ich großes Glück, daß ich über Telex einen Reuters-Kollegen in Hongkong erreichte und dieser netterweise meine Berichte nach Düsseldorf übermittelte.“

Krone zwölf d

Trauerfeierlichkeiten für Mao Tse Tung in Shanghai 1976 (Brockmann Dritter von rechts)

 

Krone dreizehn

Trauerfeierlichkeiten für Mao Tse Tung auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking 1976

 

Mit der Räuberleiter den Weltrekord gemeldet

„Die wohl spannendsten Geschichten erlebte ich immer in Moskau, in Leningrad, halt in der gesamten UdSSR. Rund 35 Mal weilte ich bis heute in der UdSSR bzw. Rußland, bin ja auch 1978 mit der Transsibirischen Eisenbahn gefahren.

1980 war ich also für vier Monate Olympia-Korrespondent für den SID. Damals bin mit dem Auto über Finnland, Karelien, Leningrad (heute St. Petersburg) und Kalinin (Twer) nach Moskau gefahren. Bei den sowjetischen Meisterschaften, die vor den Olympischen Spielen stattfanden, war der Presseraum für die westlichen Medien gesperrt. Sie hatten nicht damit gerechnet, daß jemand aus dem Westen dabei ist. Ich aber kannte den Presseraum im Lenin-Stadion von der Spartakiade 1979 und wollte natürlich auch aktuell arbeiten, zumal Olga Kuragina einen Fünfkampf-Weltrekord mit 4856 Punkten aufstellte! Diesen Weltrekord wollte ich so schnell wie möglich nach Düsseldorf „verkaufen“. Aber ohne Telefon, ohne Telex? Die Rettung kam durch einen Kollegen der sowjetischen Nachrichtenagentur TASS. So wahr ich hier sitze, hat der mir mit seinen Händen eine Räuberleiter gehalten, hat mich nach oben gehievt. Ich wußte, daß in einem oberen Stockwerk die Telex-Räume waren. Der Raum mit dem Telex mit einer deutschen Tastatur aber war abgesperrt. Ein anderer Raum mit einem Telex mit russischer Tastatur aber nicht, den habe ich dann benutzt. Da ich Russisch konnte, wußte ich: Das russische K ist im deutsche auch das K, das y ist u, p ist das r… dann habe ich auf dem Telex also Düsseldorf angewählt und kurz die wichtigsten Informationen (Name, Punktzahl) hineingeschrieben: Kuragina 4856. Dort in Düsseldorf war Peter Abrahams Chef vom Dienst und der fragte lapidar zurück: Wer ist denn da? Was soll das denn? Ich schrieb: Olaf. Und dazu noch ein „WR“, also die Abkürzung für einen Weltrekord. Er hat mich weiter nach Einzelheiten zum Weltrekord ausgefragt und dann einen tollen Bericht geschrieben. So konnte der SID als erste Nachrichtenagentur diesen Weltrekord in der westlichen Welt vermelden.

Krone vierzehn zwei

Mit dem Auto bis zum Roten Platz in Moskau

 

Staatsbesuch von Helmut Schmidt bei Breschnjew

Viele, viele Erfahrungen habe ich während meiner Zeit als Olympiakorrespondent in Moskau gemacht. Ein Highlight war aber auch abseits des Sports, als ich hautnah dabei war, wie am 30. Juni der deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt zum Staatsbesuch in die Sowjetunion einflog und auf dem Militärflughafen Scheremetjewo von Leonid Breschnjew empfangen wurde. Viele westliche Länder, wie auch die Bundesrepublik Deutschland, hatten die Olympischen Spiele in Moskau wegen des Einmarsches der UdSSR Ende Dezember 1979 in Afghanistan boykottiert. Der Staatsbesuch von Helmut Schmidt in der UdSSR war natürlich eine politische Sensation. Dank der Hilfe des damaligen Korrespondenten der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, Leo Wieland, und des deutschen Press Attaché in Moskau wurde ich für Schmidts Staatsbesuch in der UdSSR akkreditiert und konnte für den SID vom Empfang in Scheremetjewo und von der Schmidt-Pressekonferenz am folgenden Tag im Hotel National berichten, auch wenn der Boykott der westlichen Länder bei den Spielen angesichts der brisanten politischen Weltlage nur eine Randnotiz war.

Krone fünfzehn

Hautnah beim Staatsbesuch von Bundeskanzler Helmut Schmidt bei Leonid Breschnjew dabei

 

Der Geheimdienst hört mit

In Kiew fanden in jenem Sommer 1980, als ich Olympia-Korrespondent war, auch die sowjetischen Schwimm-Meisterschaften statt. Ich verabredete ein Telefon-Interview für den Abschlußtag der Meisterschaften mit dem Cheftrainer der sowjetischen Schwimmer, Sergej Waizechowski, den ich schon gut kannte. Er konnte blendend deutsch, hatte es, wenn ich mich recht erinnere, bei einem Studien-Aufenthalt in Berlin gelernt. Ich erreichte Waizechowski telefonisch in Kiew von meinem Zimmer im Moskauer Hotel Cosmos. Wir haben uns lange unterhalten. Schließlich redete ich, als 27-jähriger, unvernünftiger Bub, irgendwann auch über Afghanistan, das die Sowjets seit Dezember 1979 besetzt hatten. In dem Moment, als ich das Wort „Afghanistan“ fallen ließ, platzte eine Stimme in unser Telefongespräch: Bitte beenden sie sofort das Gespräch. Sogleich wurde die Leitung abgeklemmt. Der Geheimdienst hörte immer mit.

Vier kaputte Telefonklingeln

1981 fand in Leningrad erstmals nach dem Olympia-Boykott von 1980 wieder ein Leichtathletik-Wettkampf UdSSR gegen die Bundesrepublik Deutschland statt und zwar im Mehrkampf Mitte Juni in Leningrad. Über den bereits erwähnten FAZ-Kollegen Leo Wieland habe ich die Telefonnummern vom Pressezentrum aus Leningrad nach Düsseldorf in die SID-Zentrale gegeben. Denen habe ich über Leo Wieland sagen lassen: Ruft mich 18 Uhr nach meiner Zeit an und dann gebe ich euch den Bericht durch. Ich aber wartete nach dem Wettkampf (Sabine Everts und Jürgen Hingsen waren damals die Einzelsieger) vergebens, kein Telefon klingelte. Und dann habe ich wie in einem Reflex einfach mal einen Hörer abgenommen und hatte urplötzlich Düsseldorf am Apparat. Und die Dame von der Telefonzentrale sagte mir: „Wir versuchen seit einer halben Stunde, dich zu erreichen, aber du hast ja nicht abgehoben.“ Kurzum, an allen vier Telefonen war die Klingel kaputt. Deshalb konnte es nicht klingeln.

Die „Krone“ sprach mit einem Toten

„Ein Exklusiv-Interview der wirklich außergewöhnlichen Art hatte ich mit dem russischen Hochsprung-Olympiasieger Waleri Brumel. Den hatten 1990 deutschsprachige Agenturen in ihren Meldungen bereits sterben lassen. Wie sich herausstellte, war dies eine klassische Falschmeldung. Damals war ich gerade beim Höhen-Leichtathletik-Meeting in Sestrière. Von dort rief ich aus dem Pressezentrum Brumels Frau in Moskau an. Durch mein Studium konnte ich ja Russisch. Sie hat mir nur verblüfft gesagt, daß Waleri lebt und ob ich Waleri sprechen wollte. Na klar! Dann habe ich ihn, den Totgesagten, ausführlich interviewt. Ein Klassiker für den Boulevard auf der Seite 1: Wir sprachen mit einem „Toten“. Verstorben ist Brumel dann erst im Jahr 2003.“

Krone sechszehn

Seite 1 der „Kronen Zeitung“: Wir sprachen mit einem „Toten“

 

Viele Weltrekorde von Sebastian Coe miterlebt

Als Sebastian Coe als Mittelstreckler aktiv war, habe ich natürlich seine beiden Olympiasiege (Moskau 1980 und Los Angeles 1984) und viele seiner Weltrekorde gesehen. So auch seine beiden Weltrekorde in Zürich 1979 (1500 m) und 1981 (Meile), beide Rekorde an unvergeßlichen Abenden in Zürich. Heute kann ich sagen, daß ich mit Seb Coe befreundet bin, bis heute, wo er IAAF-Präsident ist. Er war ja sogar eine Zeitlang Vorsitzender unserer Pressekommission und unterstützte mich bei meinen Tätigkeiten in der IAAF, auch das ist für mich ein Anreiz, in der Pension weiter für die IAAF ehrenamtlich zu arbeiten. So war ich auch stolz, daß gerade Seb Coe mich im Vorjahr in London dafür ehrte, daß ich bisher von allen Leichtathletik-Weltmeisterschaften als Journalist berichtet habe.

Krone siebzehn

Akkreditierung für den „SID“ in Zürich 1981, wo Sebastian  Coe einen Meilen-Weltrekord lief.

Krone achtzehn zwei

Ehrung für die Berichterstattung von allen Leichtathletik-Weltmeisterschaften durch Sebastian Coe in London 2017

 

Im Clinch mit Alberto Juantorena

„Meine Lieblingsgeschichte aber ist meine erste Begegnung mit dem kubanischen Mittelstreckler Alberto Juantorena. Ich war 1977 beim Weltcup in Düsseldorf im Innenraum für die Flashinterviews eingesetzt. Juantorena hatte den Startschuß zum 400-m-Lauf nicht gehört und ist deshalb hinterhergelaufen. Als er ins Ziel kam, war er unglaublich verärgert. Er hat wohl gedacht, daß ich der Starter gewesen bin, und drohte mir wild mit der Faust, als wollte er mich verprügeln. Dieses Bild ging um die Welt, war selbst in der „Sports Illustrated“. Es war für mich schon ein arges Gefühl, dem großen Juantorena so gegenüberzustehen. Aber ich blieb cool, ich wußte schon, daß er nicht schlagen würde.

Juantorena, der Doppel-Olympiasieger und Weltrekordler, hatte am Vortag beim Weltcup das große 800-m-Rennen gegen Mike Boit gewonnen und hatte am nächsten Tag natürlich auch über 400 m gewinnen wollen. Da das aber zunächst nicht gelang, legte das amerikanische Team (es waren ja Erdteil-Mannschaften beim Weltcup am Start) Protest ein. Die Jury d‘Appell erklärte nach Protest und Gegenprotest, daß ein Flugzeug vom nahegelegenen Flughafen Düsseldorf-Lohausen über das Rheinstadion geflogen sei, just beim Start vom 400-m-Lauf, und so Juantorena irritiert habe. Außerdem habe zu dieser Zeit ein Kamerateam den Hammerwurf-Wettbewerb gefilmt. Beides war für die Jury der Grund, den Lauf wiederholen zu lassen, aber es war offensichtlich eine sportpolitische Entscheidung, ein Kniefall vor Juantorena. Zumindest gewann Juantorena am Schlusstag des Weltcups noch den Wiederholungslauf über 400 m.

Ich bekam noch am Schlußtag ein Foto eines befreundeten Fotografen von dieser für mich doch berühmten Szene mit dem mir drohenden Juantorena und wollte mir beim Bankett ein Autogramm von ihm holen. Aber er war immer noch böse auf mich. Prof. August Kirsch, damals Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), ist zu Juantorena gegangen und hat ihm erklärt, daß ich doch nur ein kleiner Journalist sei. Daraufhin kam Juantorena auf mich zu und gab mir das Autogramm. Seit Düsseldorf 1977 sind wir beste Freunde. Immer, wenn er mich sieht, kommt er auf mich zu, lachend, aber mit der Faust drohend. Das ist schon die Leichtathletik-Geschichte meines journalistischen Lebens.“

Krone neunzehn

Juantorena drohte beim Weltcup in Düsseldorf 1977 im Ernst und mit voller Wut mit der Faust…

Krone zwanzig

 … und heute beste Freunde: 40 Jahre später drohte Juantorena in Nairobi 2017 (aus Spaß) mit der Faust!

Peter Grau

Matthias Schlicht: Sprinter, Gymnasiallehrer, Maler

Schlicht Porträt vier

Für viele Leichtathleten sind Medaillen, Siege und Zeiten das Wichtigste, worauf sie später zurückschauen können. Für den Berliner Ex-Sprinter Matthias Schlicht sind es vor allem die Silbermedaille bei den Hallen-Europameisterschaften 1989 in Den Haag (eigentlich eine Goldmedaille, weil später Andreas Bergers Dopingvergangenheit herauskam) und der Trainingsaufenthalt in Houston /Texas.

Dort in den USA studierte Schlicht 1989/1990 nicht nur Kunst und Sport, sondern trainierte auch in einer Gruppe mit Carl Lewis, Leroy Burrell, Joe DeLoach und anderen. Matthias Schlicht war damit auch sehr dicht am Olympiasieger und Weltmeister Carl Lewis dran. Zwar trennten beide zehn Zentimeter, Schlicht maß 1,78 m, Lewis 1,88 m. Aber um so mehr versuchte der Berliner, mit dem „Großen Carl“ auf der Bahn mitzuhalten.

„ An Carl Lewis hat mir vor allem sein Durchhaltevermögen über die 100 m imponiert. Doch unschlagbar war er nicht. Im März 1990  habe ich ihn in einem Wettkampf über 50 m geschlagen, ihm einen Meter abgenommen. Danach waren alle baff und alle Schwarzen, gleich ob Leichtathleten, Footballer, Baseballer oder Basketballer, haben über mich geredet: Das ist der Weiße, der Carl Lewis geschlagen hat. Der läuft mal unter 10 Sekunden über 100 m.“  Trainer Tom Tellez stimmte in diesen Chor ein, und auch Carl Lewis hatte eine hohe Meinung von Matthias Schlicht. Und der glaubte seitdem selbst ein wenig daran.

Gleichzeitig Sprinter und Reisebürokaufmann

Doch warum war Matthias Schlicht überhaupt in dieser Trainingsgruppe gelandet?

Der gebürtige Berliner (Jg. 1967) hatte 1985 sein Abitur am Werner von Siemens-Gymnasium in Zehlendorf abgelegt. Bald faßte er in der Leichtathletik Fuß, wurde Sprinter. Sein Vater Uwe, als Journalist beim Berliner „Tagesspiegel“ tätig, lenkte seine berufliche Entwicklung. Er meinte:  Erst Ausbildung, dann Studium und auf gar keinen Fall in den Profisport, weil das zu riskant sei. So begann Schlicht zunächst eine Reisebürolehre und  funktionierte fortan zweigleisig, tagsüber im Reisebüro beim „Bayern Express“ in der Otto-Suhr-Allee, abends dann im Stadion Hakenfelde oder in der Harbig-Halle.

Und er fühlte sich nicht überfordert, auch, weil er erste Erfolge auf der Tartanbahn errang.  1986 wurde er bei der ersten Junioren-WM in Athen über 100 m Vierter und drei Tage später – Schlicht als Startläufer -, mit der 4×100-m-Staffel der Bundesrepublik Vizeweltmeister. „Das war ein totes Rennen mit den Briten“, erinnert sich Matthias Schlicht, wie überhaupt sein Gedächtnis phänomenal ist. „Es hat eine halbe Stunde gedauert, um Gold und Silber zu bestimmen. Die Amerikaner wurden übrigens disqualifiziert, weil sie alle Wechsel verpatzten“.

Drei Jahre später, im Februar 1989, folgte bei der Hallen-EM in Den Haag sein bis dahin größter sportlicher Erfolg. Über 60 m lag er lange in Führung und wurde erst kurz vor der Ziellinie vom Österreicher Andreas Berger (6.56 s) abgefangen. „Ich freute mich trotzdem über die unerwartete Silbermedaille.“ Aber drei Jahre später bekam diese Freude einen Dämpfer: „Ich erfuhr, daß Berger im Training des Dopings überführt wurde und dann zugab, auch vorher schon gedopt zu haben. Nie zuvor und auch nie danach war Berger schneller als 6,56 s gelaufen. Deshalb bin ich mir auch sicher, daß er in Den Haag gedopt war.“  Und Schlicht wünscht sich, daß der Europäische Leichtathletikverband (EAA) den Österreicher irgendwann aus den Ergebnislisten streichen möge und sein Sohn Enrique oder kommende Enkel dann stolz auf den Europameister sein können.

Auf den Gedanken, zum Training in die USA zu gehen, hatte ihn sein jüngerer Bruder Christian gebracht, der als Austauschschüler schon dort gewesen war. „Aber für mich kam ein solcher Austausch nicht mehr in Frage, weil ich dafür zu alt war.“ Doch ISTAF-Chef Rudi Thiel hatte telefonischen Kontakt zur Trainerlegende Tom Tellez und erreichte, daß Schlicht ab Januar 1989 in dessen Trainingsgruppe kommen durfte. „Ich habe an der Universität von Houston  als Hauptfach Kunst, daneben noch Leistungssport studiert und in der Trainingsgruppe von Carl Lewis trainiert.“

Matthias Schlicht Werbebroschüre Houston

Eine  Werbebroschüre von der University of Houston von 1988, wo Matthias Schlicht von 1989 bis 1990 studierte.  Unten links der 200-Meter-Olympiasieger von Seoul, Joe DeLoach (19,75 s und 10,03 s) und  Leroy Burrell (zweifacher 100-m-Weltrekordler,  1991 in 9,90 und 1994 in 9,85 s).

Nebenher frönte Matthias Schlicht seinem Hobby, der Malerei. „Damals malte ich vor allem mit Aquarellfarben Stilleben, Landschaften, Häuser“.

Schlicht dreiSchlicht Wohnung sieben

Schlicht achtSchlicht sechszehn

Schlicht vierSchlicht sechs

 

Sein Berliner Trainer Frank Hensel ließ ihn  nur ungern in die USA ziehen. „Ich stimme nur zu, wenn Du mir wöchentlich die Trainingsprotokolle zuschickst. Doch wenn Du verletzt zurückkommst, mußt Du Dir einen anderen Trainer suchen,“  hatte er gewissermaßen ein Ultimatum gesetzt.

Schlicht willigte ein, schickte per Post die handgeschriebenen Protokolle, ohne vorauszusehen, welche Bedeutung sie später mal für den deutschen Sprint erlangen würden.

Und er machte die ganz normale Erfahrung, daß sich eine Sprache  am besten vor Ort  lernen läßt. „Zudem merkte ich, daß ich nicht nur allgemein ein gutes Gedächtnis hatte (und habe), sondern speziell auch für Fremdsprachen. Ich habe dort in den USA das Schreiben von Aufsätzen gelernt“. Später kam ihm das zunutze, als er an der TU Berlin den amerikanischen Professoren im Englischstudium half, die Arbeiten von Studenten zu korrigieren. „Ich hatte das amerikanische Schema drauf, wie überhaupt das schriftliche Englisch meine absolute Stärke ist“.

Inzwischen beherrscht Matthias Schlicht aber nicht nur englisch und amerikanisch, sondern auch portugiesisch ( seit 26 Jahren ist er mit seiner brasilianischen Frau     verheiratet).

Da er also sehr schnell die englische Sprache lernte und sich auch ansonsten gut in die Trainingsgruppe einfügte, faßte man Vertrauen zu ihm. Und er bekam schnell zu hören, was seine Trainingsgefährten Carl Lewis, Leroy Burrell, Joe DeLoach, Mike Marsh, Floyd Hurt, Mark Witherspoon über Doping dachten. Sie alle haßten den Kanadier Ben Johnson (Johnson hatte 1988 in Seoul  bei Olympia das 100-m-Finale gegen Carl Lewis gewonnen, war aber drei Tage später wegen Dopings disqualifiziert worden.

Siehe dazu auch einen Bericht von Michael Reinsch aus dem Jahr 2013: http://www.faz.net/aktuell/sport/sportpolitik/doping/ben-johnson-das-dreckigste-rennen-12585412-p3.html ).

„Wenn ich seinen Namen nur erwähnte, gab es immer die Geste von der Spritze und den Tabletten. Und unser Trainer Tom Tellez holte mich eines Tages ins Büro und meinte: „Mat, wir haben Dich als ersten und einzigen Deutschen aufgenommen,  wollen mit Dir ein Vierjahresprogramm machen. Ich hoffe, Du bist clean, denn wenn Du gedopt hast, dann fliegst Du gleich raus. Wir dopen nicht, wir brauchen das Zeug nicht.“  Schlicht fand nichts besonderes dabei, denn  „ich habe nie gedopt. Mich haben immer nur die natürlichen Grenzen interessiert.“

Die Signale schienen also für ihn auf Grün zu stehen, auch wenn noch nicht alles so gelang, wie er es sich gedacht hatte.

Die Halle war seine Stärke

Zwei Wochen nach der Hallen-EM 1989 gewann Schlicht bei der  Hallen-WM in Budapest das Halbfinale über 60 m. „Es  war ein superknappes Ding, drei Leute liefen 6,58 s, zwei 6,59 s. Aber nun war ich im Finale Mitfavorit für eine Medaille. Doch leider verpatzte ich den Start  und wurde nur Sechster.“

Aber er hatte bewiesen, daß er mit der Weltelite mithalten konnte. In der Halle lief er lieber als im Freien, weil er dort seine größeren Erfolgsaussichten sah. Doch immerhin war er mit 20 Jahren 1987 über 100 m bereits eine 10,35 s gelaufen. Und auch in seiner amerikanischen Trainingsgruppe bewies er, daß er auch über 100 m schnell war. Und wieder berichtet er in unserem Gespräch so überzeugend, als wolle er von seinem Super-Gedächtnis Zeugnis ablegen:

Das mißglückte Sommermärchen

„Im Mai 1989 sollten wir 120 m laufen, dabei über 80 m von Null auf Hundert steigern und  die letzten 40 m voll durchziehen. Carl Lewis lief zu meiner Rechten. Er war die ganze Zeit einen halben Meter vor mir, auch bei 120 m. An ihm kam ich nicht vorbei, das war für mich unmöglich. Aber ich war vor allen anderen, vor Leroy Burrell, vor Joe deLoach, vor Mark Witherspoon. Ich war Zweiter. Tom Tellez, der Trainer, war sehr beeindruckt von mir.  Er hatte nicht damit gerechnet, daß ich über 120 m so gut mithalten konnte. Doch leider war fünf Minuten später, beim warming down, alles vorbei. Ich merkte, daß ich nicht mehr richtig gehen konnte, weil beide Adduktoren durchgezerrt waren. Der Sommer 1989 war damit im Eimer.“ Matthias Schlicht  mußte tatenlos erleben, wie Wolfgang Haupt in 10,45 s Deutscher Meister über 100 m wurde. „Ohne die Verletzung wäre ich ganz locker Deutscher Meister geworden, mit einer 10,20er oder 10,10er-Zeit.  Ich bin vorher in der Halle allen Deutschen ein bis zwei Meter davongelaufen. Und das hätten sie auch über 100 m nicht aufgeholt. Ich war im amerikanischen Training drin, auch dicht an Carl Lewis dran.“

Sein Körper spielt leider nicht mehr mit

Im September 1989 war er wieder fit, fuhr erneut in die USA. Zwar schlug das Training wieder gut an, aber erneut machten ihm Verletzungsprobleme einen Strich durch die Erfolgs-Rechnung: Ischiasprobleme, viele Zerrungen, auch Muskelfaserrisse. Noch gravierender waren ab 1992 sehr schwere Erkältungen, die teilweise ein halbes Jahr anhielten. „1992 / 1993 wollte ich eigentlich mein Comeback „feiern“,  habe damals bei Wolfgang Huth trainiert. Ich hatte dieselbe Form wie im Winter 1988/89, hätte also wieder unter 6,60 s laufen können. Aber  Weihnachten 1992  machte ich einen Dauerlauf, erkältete mich danach und hatte ein halbes Jahr mit Fieber zu kämpfen.  Danach war ich körperlich ein Wrack, auch wenn ich 1993  nochmals Deutscher Meister geworden bin (eine Woche, nachdem ich 40,7 Grad Fieber hatte und zudem eine Zwischenprüfung in Erdkunde mit 1,3  bestand).  Den internationalen Durchbruch schaffte er aber nun nicht mehr.  Vielmehr blieb die Verletzungs-und Krankheitshexe Dauergast bei ihm.

„Im September 1995 wollte ich mich nochmals für die Hallensaison 1995/96 aufbauen. Da fing es wieder mit einer Nebenhöhlenvereiterung an, es folgten eine Bronchitis und das inzwischen chronische Fieber.“ Weder  Medizin noch der häufige Wechsel der  Ärzte halfen. „ Am 5. November 1995 hatte ich beim Training sogar Atemnot und  Erstickungsanfälle.“ Das war das letzte Zeichen, sich vom Sport zu verabschieden.

Als Lehrer nach Kaiserslautern

Nunmehr konnte sich Matthias Schlicht voll der beruflichen Entwicklung widmen. Er schloß das Lehramt-Studium von Geographie und Englisch mit dem Staatsexamen ab und absolvierte anschließend von  2001 bis 2003 das Referendariat am Hans Gorossa-Gymnasium in Berlin-Spandau. „Und dann kam die Zeit, in der Klaus Böger Schulsenator war und alles drunter und drüber ging,“ erinnert sich Matthias Schlicht. „Es gab keine Stellen, auch nicht für uns vier Leute, die wir mit 1,1 das zweite Staatsexamen abgeschlossen hatten.  Ich las eine Anzeige des Heinrich-Heine-Gymnasiums in Kaiserslautern, die dringend für die Leichtathletik einen Lehrer-Trainer brauchten, zur Hälfte für den normalen Unterricht und zur  Hälfte für die Betreuung der Leichtathleten ab der 6. Stunde sowie deren Betreuung an den Wochenenden ab Pfalzmeisterschaften aufwärts. Da habe ich mich beworben, und weil vom Direktor Dr. Becker ein Trainerschein gefordert wurde, habe ich in Berlin meinen C- und B-Trainerschein gemacht und anschließend in Mainz von 2004 bis 2006 unter Helmar Hommel die A-Trainer-Ausbildung Block-Sprint absolviert.“

Bei der A-Trainer-Ausbildung traf er auf DLV-Trainer wie Rüdiger Harksen, Heinz Hüsselmann, Winfried Vonstein oder Uli Knapp. „Und überall haben sie mich angesprochen und mir erklärt, wie wichtig  meine Trainingsprotokolle aus den USA für sie gewesen sind, ob nun für die Blöcke Sprint, Sprung oder Wurf. Uli Knapp,  der frühere Heimtrainer von Speerwerfer Boris Henry (heute Obergföll), hat mir gesagt: „Auch für die Werfer haben wir vom  Schnellkraftteil, der in Deinen Protokollen stand, enorm profitiert. Und Sprinttrainer erzählten: „ Wir haben seitdem das Training umgestellt.“  Es zog also immer weitere Kreise. „Inzwischen trainieren die deutschen Topsprinter nach dem amerikanischen Schema, was erstmals in meinen Trainingsprotokollen auftauchte“, ist sich Schlicht sicher. „Sie fahren im Februar nach Florida. Und warum: Wegen der Wärme!“

Mit den Trainerscheinen hatte Matthias Schlicht nicht nur die Anforderungen für die Anstellung in Kaiserlautern erfüllt, sondern auch wieder Kontakt zur Leichtathletik aufgenommen. Und in Kaiserlautern konnte er auch noch mal seine US-Protokolle verwenden. „In einer Arbeit mußte ich meine Trainingserfahrungen in den USA  mit dem Training verbinden, mit dem ich meine Schüler für „Jugend trainiert für Olympia“ vorbereitete.“

Eine Revolution im deutschen Sprint 

Matthias Schlicht weiß also aus berufenem Munde, wie wichtig seine Trainingsprotokolle waren. „Ich sage es mal knallhart: Es ist die Revolution im deutschen Sprint gewesen.“  An Bescheidenheit leidet er nicht, aber im Gespräch nimmt man  ihm alles ab, ohne es sofort nachprüfen zu können. Auch wenn er meint, daß „Julian Reus die 10,01 s nicht nach dem deutschen, sondern nach dem amerikanischen Sprint-Schema gelaufen ist.“

„Die Amerikaner sind nicht soviel im Kraftraum, sondern trainieren meistens auf Wettkampfebene,“  doziert er weiter.

An einem Montag in Texas

Und es wäre nicht Matthias Schlicht, wenn er nicht auch dafür ein Beispiel aus seiner amerikanischen Trainingsgruppe parat hätte:

„Der Montag war immer unser härtester Trainingstag. Der Tag hieß: Break down day.

Mitte September fingen wir mit dem Training an, zunächst zweimal 800 m,  immer mit einer halben Stunde Pause, nichts weiter. Aber Carl Lewis lief sie in 1:58,9 min mit Leroy Burell, ich in 2:10 min.

Dann ab Anfang Oktober:  600 m, 20 min Pause, 500 m, 20 min Pause, 400 m, fertig.  Carl Lewis lief wie Leroy Burrell die 600 m in 1:24,9. Joe DeLoach (Olympiasieger von 1988) und ich liefen die 600 m   in 1:31 bis 1:32, wir waren immer die Schlußlichter.

500 m lief Carl Lewis  in 66 sec, Joe und ich in 71 und 72 sec

400 m: Carl  48 sec.

Ab Mitte November: 500 m, 400 m, 300 m. Immer mit 20 min Pause, aber volles Rohr.

Und dann war Carl Lewis ab Mitte November bis Mitte Januar spurlos verschwunden: Keiner wußte, wo er war. Dann tauchte er Ende Januar wieder auf, lief in einer Extra-Gruppe die 400 m (wir waren da schon bei 400 m, 300 m, 200 m). Carl lief 54 sec über 400 m, über 300 m 37 sec, 200 m 22 sec. Alle  dachten: Warum so langsam?

Drei Wochen später, Mitte Februar, rückte Carl Lewis in die Gruppe von Burrell und Mark Witherspoon auf und die liefen die 400 m in 46,7, die 300 m in 32,8 bis 33,0  und die 200 m in 20,5. Und später, von Mitte Mai bis in den Juli hinein, folgten 300 m, 200 m, 100 m,  immer mit 20 min Pause. Dann hat Carl Lewis  beim break down day „die Sau rausgelassen“:  300 m: 31,7 , 200 m:  20,1, 100 m: 10,30.

Dann folgte der Wettkampf, bei dem ich 10,40 lief (wenige Tage nach den 50 m), genau so schnell wie Leroy Burell. Nur war ich danach verletzt.  Leroy wurde später US-Meister in 9,94 s. Da sieht man, was aus einer 10,40 s Mitte März im Juli  mit dem amerikanischen Training erreicht werden kann.“

Bekannte Schüler

Doch nun wieder zurück zum Beruf, zum Lehrer-Dasein in Kaiserslautern. Von 1994 bis 2013 war er dort angestellt, wurde immer im Leistungskurs Englisch eingesetzt. Und er hatte in diesen Jahren auch ab und an Schüler, die später zu sportlichen Ehren gelangten. So etwa die Olympiasiegerin und Weltmeisterin im Bahnradsport, Miriam Welte oder den heutigen Fußball-Torwart von Paris St. Germain, Kevin Trapp, der am 14. November 2017 im Freundschaftspiel gegen Frankreich als Torwart der deutschen Nationalmannschaft so prächtig hielt.

Matthias Schlicht gefiel es in Kaiserlautern, aber familiäre Gründe führten ihn wieder zurück nach Berlin. „2008 kam mein Sohn Enrique auf die Welt. Nach drei Jahren war die Elternzeit  vorbei, und meine Frau wollte  zurück nach Berlin, um dort ihre Arbeit wieder aufzunehmen.“ Es dauerte einige Zeit, ehe Matthias Schlicht in Berlin eine neue  Schule fand und danach die Freigabe vom Land Rheinland –Pfalz erhielt. Im April 2013 konnte er in Berlin beginnen, zunächst in einer Grundschule im Märkischen Viertel. „Doch für mich als Gymnasiallehrer war das noch nicht die passende Schule. Umso glücklicher war ich dann, als ich in eine Sekundärschule, in die Julius-Leber-Schule in Reinickendorf, versetzt wurde. Dort unterrichte ich auch heute noch.“ Wie er sagt, ist er „ Lehrer aus Leidenschaft“.  „Ich mag meine Schüler, mag meine Kollegen, mag meine Schulleitung, mag meine Schule. Ich fühle mich da wohl, auch wenn es eine Brennpunkt-Schule ist, aber ich komme damit zurecht. Ich nehme die Schüler, wie sie sind, und sie mögen mich. Es ist eine gegenseitige Zuneigung“.

Erstmals unterrichtet er kein Englisch, aber mit genauso großer Lust ist er nun Kunstlehrer, gibt Erdkundestunden und andere Wahlpflichtfächer, die etwas mit Kunst zu tun haben. Und er kommt damit an bei den Schülern.

Kunst in der Schule und als Hobby

Die  Kunst ist ein weiteres Stichwort für das abwechslungsreiche Leben des Matthias Schlicht. Irgendwie hatte ich bei unserem Gespräch zuhause bei ihm in Berlin-Lichterfelde immer das Gefühl, daß er sich auf vielen Gebieten „austoben“ muß, einfach keine Grenzen kennt. So beschäftigt er sich auch seit Jahren mit moderner Astronomie, wertet Galaxien aus und ist über das Internet mit Millionen Hobby-Astronomen aus aller Welt verbunden.

Und seit 1984 ist er intensiv in die Malerei eingestiegen, zunächst mit selbstgemalten Aquarellen als auch später mit vielfältigen Ideen für den Kunstunterricht.

Über 30 Jahre  Kunst-Maler und Kunst-Lehrer

In seiner Wohnung in Berlin-Lichterfelde hängen einige seiner Werke:

Schlicht Wohnung eins

Schlicht Wohnung drei  Schlicht Wohnung vier    

schlicht zweiunddreißig

 

Ob in den USA – an einem Bild über Chicago hat er rund ein Jahr gearbeitet-, ob in Berlin, Kaiserslautern und nun wieder in Berlin: immer fand er die Zeit (oder er nahm sie sich einfach), um zu malen.

Dabei stand die Vorbereitung des Kunstunterrichts oft im Vordergrund. „So habe ich, wie ich es von meinem Kunststudium in den USA gewohnt war, über 45 Skizzen selbst gezeichnet. Dabei habe ich immer zwei verschiedene Stilrichtungen kombiniert oder eben zwei verschiedene Künstler in eine Skizze hingezeichnet.

Ich habe beispielsweise Albrecht Dürer mit Claude Monet kombiniert, das Bayerhaus von 1502 von Dürer mit den Seerosen von Monet. Oder Roy Lichtenstein mit Joan Miro, dem abstrakten Maler aus Katalonien. Später fügte ich Albrecht Dürers Drahtziehmühle mit islamischer Kunst zusammen und fand dabei bei meinen Schülern –  70 Prozent sind muslimisch-, großen Anklang. Aber auch die Verbindung  Caspar David Friedrich und Karl-Friedrich Schinkel kam an. In einer anderen Skizze brachte ich  Albrecht-Dürer-Bilder unter wie den jungen Feldhasen, den Hirschkäfer und das große Rasenstück.  Farbspezifisch ist Emil Nolde (1865-1965) einer meiner Lieblingskünstler für den Unterricht.“

Und wenn man Matthias Schlicht nach seinen Vorbildern fragt, läßt er sich nicht lange bitten: „Bei den Skizzen ist für mich Albrecht Dürer die Nr. 1.  Ich meine, daß ich seine Sprache verstehe und seinen Rhythmus, obwohl er vor 500 Jahren lebte. Wenn es um die Ölmalerei geht, habe ich als Vorbilder Albrecht Dürer, Caspar David Friedrich, Carl Blechen, Frederic Edwin Church (USA) und Claude Monet und neuerdings auch den Japaner Katsushika Hokusai  (1760 geboren, 1849 gestorben). Ich kombiniere inzwischen den Japaner mit Caspar David Friedrich.

Sergej Bubkas Lieblingsbild

Der Kunstunterricht steht zwar im Blickpunkt, aber natürlich fühlt sich Matthias Schlicht auch als Maler anerkannt, wenn er seine Werke in Ausstellungen zeigen darf oder aber einzelne Werke verkaufen kann. Gern erinnert er sich an das Jahr 1997, als er in Werder bei Potsdam im Rathaus ausstellen durfte, anschließend den Auftrag für ein Bild zum 120. Baumblütenfest erhielt.

Weitere Ausstellungen im Postgiroamt am Halleschen Tor oder in einem portugiesischen Restaurant in Charlottenburg folgten.

Besonders eindrucksvoll aber war eine Ausstellung im Radisson Plaza in Berlin, initiiert von Rudi Thiel, der damit Werbung für das ISTAF-Springermeeting machen wollte. Mit dabei war auch Sergej Bubka, der damals wie  Matthias Schlicht für den OSC Berlin startete. „Und Sergej Bubka erkor das Bild „Prozession“ zu seinem Lieblingsbild:

Schlicht Wohnung zwei

Die Prozession

Im Rahmen dieser Ausstellung versteigerte Schlicht ein anderes Bild, „Sonnenuntergang an der Ostsee“, für 2000 DM an einen Hamburger, wobei 1000 DM an die Obachlosenzeitschrift „Platte“ überwiesen wurden.

„Malen werde ich immer, solange ich gesund bin und solange ich sehen kann“, schaut Matthias Schlicht in die Zukunft.

Schlicht Porträt fünf

Und damit er fit bleibt, schwimmt er beispielsweise viel. Von Mai bis Oktober spult er Distanzen bis zu 6 km im Sacrower See oder im Schlachtensee ab. Wenn es dort aber zu kalt wird, schwimmt er bis zu 5 km in der Halle. Aber auch Dauerlauf, Radfahren, Tischtennis und Fußball spielen mit seinem Sohn steht auf seinem sportlichen Programm.

Peter Grau

Einblick in die Vielfalt der Werke, die Matthias Schlicht bisher schuf:

Schlicht Wohnung vier Schlicht Wohnung fünf   Schlicht einsSchlicht Wohnung sechs Schlicht zwei    Schlicht sieben

 Schlicht vierzehn Schlicht fünfzehn  Schlicht siebzehn Schlicht neunzehn

Schlicht dreiundzwanzig Schlicht zweiundzwanzig Schlicht einundzwanzig Schlicht sechsundzwanzig Schlicht fünfundzwanzig Schlicht siebenundzwanzig Schlicht vierundzwanzig Schlicht achtundzwanzig Schlicht neunundzwanzig Schlicht dreiunddreißig

Schlicht dreißig Schlicht einunddreißig

Schlicht fünf Schlicht zehn Schlicht neun Schlicht elf Schlicht zwölf

 

 

 

 

 

 

Ralf Kerkeling: Heute Chefredakteur zweier Zeitschriften – früher Sänger und Gitarrist

Kerkeling Porträt eins

Viel wußte ich bis vor kurzem von und über Ralf Kerkeling nicht. Im Jahr 2015 wechselte die Redaktion für die Zeitschrift “Leichtathletik“ und für die Laufzeitschrift „aktiv Laufen“. Nach den Chefs Christian Ermert und Norbert Hensen folgte nun Ralf Kerkeling. Beide Zeitschriften kommen weiterhin im Kölner Marken Verlag heraus, die Redaktion wurde vom Kölner Redaktionsbüro Wipperfürth übernommen und Ralf Kerkeling wurde der Chefredakteur beider Zeitschriften. Soweit das Formelle.

Aber wer ist Ralf Kerkeling?

Im September 2016 konnte ich mit ihm am Rande einer Pressekonferenz beim Berlin-Marathon sprechen. Das Gespräch war zwar kurz, aber die „Chemie“ zwischen uns stimmte sofort. Doch ich wollte mehr über ihn erfahren, und so nutzte ich unsere zweite Begegnung am 24. September 2017. Wieder war der Berlin-Marathon der Anlaß. aber diesmal nahmen wir uns beide viel Zeit zum Gespräch.

Zunächst aber verfolgten wir gemeinsam die Pressekonferenz (PK).  Ralf Kerkeling führte am Rande der PK viele Gespräche, u.a. mit  Thomas Dold, dem Manager der Hahner-Zwillinge,  mit Wilfried Raatz von German Road Races (GRR) und mit  dem enttäuschten Marathonläufer Philipp Pflieger, der bei 38 km den Lauf aufgeben mußte:

Kerkeling PK Marathon Berlin

Kerkeling PK Raatz

?

Nach der Abschlußpressekonferenz des Marathons plauderten wir in der Lobby des Berliner Hotels „Interconti“ miteinander. Dort, wo ich mich früher mit Teilnehmern des ISTAF getroffen hatte. Berlin – das bringt eben immer viele Erinnerungen an früher hervor.

?

Ralf Kerkeling spricht, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Er kann dabei nicht verleugnen, daß er, wie er sagt, „ein echter Kölscher Junge“ ist. Er will es aber auch nicht verleugnen. Und wahrscheinlich sieht er es nur als kleines Manko, daß er 1970 auf der „falschen“ Rheinseite geboren wurde. Die falsche Seite, so klärt er mich auf, ist die rechte Rheinseite, die sogenannte Schäl Sick (falsche Seite). Sie heißt so, weil dort früher die Pferde, die die Lastkähne zogen, wegen der Sonne blinzeln mussten.

Kerkeling Rhein zwei Kerkeling Rhein eins

Blick auf den Kölner Dom von der Schäl Sick aus  (Fotos:  Petra Grau)

Das aber ist lange her. Und verfeindet sind beide Rheinseiten heute auch nicht, anders, als vielleicht Köln und Düsseldorf. Für Außenstehende ist solche „Feindschaft“ sowieso oft nicht zu verstehen. Ich kann mich daran erinnern, daß ich mal in Düsseldorf ein „Kölsch“ bestellt habe und dort schäl angesehen wurde, da man normalerweise „Alt“ bestellt. (Tünnes und Schäl, an diese Kölsche Originale kann ich mich auch noch erinnern).

Ralf Kerkeling besucht jedenfalls ganz normal die Schule in Köln. An die Leichtathletik wird er zunächst durch seinen Vater herangeführt. „Der war seit ewigen Zeiten Leichtathletik-Fan,“ erzählt der Sohn. „Er war 1960 schon mit 16 Jahren als Zuschauer bei den Olympischen Spielen in Rom. Aktiv war er als Läufer unterwegs, seine Bestzeit über 10 km war mit 35 Minuten nicht so schlecht. Er war ein Waldläufer im klassischen Sinne. Ich kann mich noch gut daran erinnern, daß mein Vater nach der Arbeit immer in den Wald gegangen ist, um zu laufen. Und ich bin damals auch öfter mitgelaufen.“

Sportlich war Ralf Kerkeling jedenfalls, und so wählte er auch als Studienfach Sport und Deutsch auf Lehramt. (auch so eine Redewendung, an die ich mich mit meiner DDR-Vergangenheit erst gewöhnen mußte. Übersetzt heißt das: er wollte Lehrer für Sport und Deutsch werden). Genauer strebt er das Lehramt für Sonderschulen an. „Ich fand das interessanter, als „nur“ ein normaler Lehrer zu sein. Ich habe meine 18 Monate Zivildienst an einer Sonderschule für Körperbehinderte absolviert und da reifte der Berufswunsch Sonderschullehrer“. „Genau“, sagt er, um es zu bekräftigen.

Doch manchmal läuft das Leben anders als geplant. Zwar ist er recht eifrig, um seinen Sportteil an der Kölner Sporthochschule und die Deutschlektionen an der Uni in Köln zu schaffen. Aber in seinem Hinterkopf spukt noch etwas anderes: die Musik!

Kerkeling Porträt drei

„Mein Wunsch, Musiker zu werden, war zu dieser Zeit sehr, sehr groß. Musik war schon vorher ein sehr großer Bestandteil meines Lebens, aber irgendwann muß man auch mal etwas riskieren.“ Deshalb singt er bei einer damals regional bekannten Kölner Band, den „All Wayz Ultra“ (später hieß sie „China Lopez“), vor und bekommt auch den Zuschlag.“ Fortan gehört Ralf zur Band, die bei den damals in der Musikszene dominierenden Fernsehsendern MTV und Viva gezeigt und immer bekannter wird. „Unsere Musik groovte gut, d.h. man konnte gut danach tanzen.“

Nicht ganz überraschend, dass Ralf Kerkeling sein Studium Sport und Deutsch abbricht und zu Musikwissenschaften und Geschichte wechselt. Da ahnt er noch nicht, daß er später nach vielen Jahren wieder zu Sport und Deutsch (als Journalist) zurückkehren würde.

In der Band fühlt er sich schnell wohl. „Unsere Musikrichtung in den End-90ern hieß Crossover, eine Mischung aus Hip Hop und alternativer Rockmusik. Ich bin sehr viel durch ganz Deutschland getourt. Auf Festivals spielten wir schon mal vor 12.000 Zuschauern, aber auch vor 10 Leuten. So lief es finanziell nicht super, auch wenn wir ein Management hatten. Aber es war auch die Zeit, in der es der Musikbranche immer schlechter ging.“

Kerkeling China Lopez zwei

Kerkeling CHINA LOPEZ_2001

Ralf Kerkeling bei einem Festivalauftritt der Band „China Lopez“, der Nachfolgegruppe der Band „All Wayz Ultra“ (Foto: privat).

 

Und auch bei einer anderen Band, den Sickboys, spielte und sang Ralf Kerkeling:

Kerkeling Band vierKerkeling Band allein

Ralf Kerkeling (links) und die anderen drei Mitglieder der Band „Sickboy“.

( zu hören auf: https://youtu.be/o–AgH8Wrls)

 

Es wurden fünf sehr intensive Jahre.1997 habe ich angefangen, die Musik professionell zu betreiben und habe das bis 2002, also bis zu meinem 32. Lebensjahr, durchgezogen. Professionell bedeutet bei den meisten Bands auch, daß man viel unterwegs ist, viel konzentrierter sein muß, als man vielleicht denkt. Das heißt in der Regel aber auch, daß man noch einen Nebenjob haben muß, der einem das Musikmachen finanziert. Aber ich war damals sehr, sehr glücklich, und darum geht es ja auch. Ich habe dieses Künstler-Dasein sehr geschätzt, es aber auch als Luxus begriffen. Man muß dabei auch bereit sein, zu opfern. Ich bin beispielsweise in den fünf Jahren nicht in Urlaub gefahren, weil ich dafür kein Geld hatte. Ich war dafür viel In Deutschland unterwegs. Es war innerhalb der Band ein gutes Miteinander, es war sehr, sehr lustig. Wir haben uns schließlich aufgelöst, ab einem gewissen Punkt haben wir nicht mehr gemeinsam an einem Strang gezogen. Das Ding war irgendwann einfach durch. Aber: auch heute haben wir teilweise noch Kontakt, auch wenn es die Band nicht mehr gibt.“

Einen gewissen Nutzen sollten die gesammelten Kontakte der Band später dennoch bringen. Teile der Band  gründeten die kleine Firma „mindtone(heute: www.2bild.de) und Ralf Kerkeling macht sich in diesem Zusammenhang erstmals selbständig. „Wir bauten ein kleines Studio auf und produzierten dort Videos mit und für Bands. Auch schrieben wir zahlreiche Konzepte für Musik-TV-Formate“.

Es war damals aber noch nicht klar, ob aus der kleinen Firma wirklich etwas werden würde. „Heute weiß ich, daß daraus ein gutflorierendes Unternehmen geworden ist. Die alten Kollegen machen immer noch das, was wir damals angefangen haben, nur bin ich eben nicht mehr dabei.“

Denn 2001 wurde sein Sohn Can Noah geboren (später gesellte sich noch die Tochter Lucie hinzu). „Ein positiver Einschnitt im Leben, an dem es sich lohnte, über die Zukunft nachzudenken. Ich mußte mich verändern, schneller Geld verdienen. Der Aufbau der Firma dauerte zu lange. Die Alternative:  Mich Vollzeit um das Kind kümmern, es betreuen.“ So kam es dann auch: „Ich verließ die Firma und wurde für drei Jahre Hausmann. Eine Entscheidung, die ich bis heute nicht bereue. Eine sehr intensive Zeit, die mich und meinen Sohn extrem zusammengeschweißt hat.“

Die Musik ließ ihn aber weiterhin nicht los. „Ich fing nach diesen drei Jahren an, für unseren ehemaligen Live-Ton-Mann Markus Maschke zu arbeiten. Der hatte in der Zwischenzeit ein Aufnahme-Studio aufgebaut, und ich habe mich nun um die Bands gekümmert, habe die Bands produziert und …. mich in die Technik hineingearbeitet.

„Markus Maschke hat dann für den TV-Bereich für die Tonmischung einen Ü-Wagen aufgebaut und ich bin als Projektleiter mit in die Firma Recordlab eingestiegen. Wir kamen dadurch in engen Kontakt zu Künstlern und Gruppen wie: Xavier Naidoo, die Scorpions, Söhne Mannheims, Sascha, Peter Maffay, und, und und … Wir sind mit denen getourt und haben deren Musik aufgenommen. Zu dieser Zeit gab es die Firma Concert Online in Köln, die ein zuschauerfreundliches Konzept entwickelt hatte, was den Leuten ermöglichte, direkt nach dem Konzert einen USB-Stick ihres gerade gesehenen Konzertes zu kaufen, praktisch mit ihrem Live-Erlebnis. Wir waren quasi als Dienstleister mit dem rollenden Studio dabei.“ Und somit war Ralf Kerkeling wieder bei der Musik gelandet, allerdings nun auf der anderen Seite. „Das habe ich sieben Jahre lang gemacht. Neben den Kontakten zu vielen bekannten Leuten aus der Musikszene waren auch besondere Sachen dabei. Beispielsweise haben wir gemeinsam mit einem internationalen Team, – ich war dort Produktionsleiter-, ein armenisches Orchester aufgenommen und sind dazu nach Syrien gereist, noch vor dem Krieg. Wir haben das Orchester begleitet und sind mit ihm auch in den Libanon gereist, waren damals für die gesamte technische Seite inklusive des Personals der Produktion verantwortlich, jobtechnisch eine tolle Sache.

Ich bin also damals ganz schön herumgekommen …“.

Aber wie das so ist im Leben, kommt es manchmal anders als man denkt und hofft. „Es war eine spannende Zeit, aber leider ging der Firma das Geld aus, Personal mußte gespart werden, und es betraf leider auch mich. Nun mußte ich neu nachdenken, denn in der Arbeitslosigkeit wollte ich auch nicht landen.“

Und da zahlte es sich doch aus, daß er lange Zeit nicht nur der Musik gehuldigt hatte, sondern auch seine Vorlieben für das Schreiben nicht vergessen hatte. „Das Schreiben ist immer auch ein Teil meiner Arbeit in der Musik gewesen, denn wenn man Musiker ist, schreibt man oft auch die Texte. Allerdings ist das komplett etwas anderes, als eine Reportage, einen Erlebnisbericht oder ein Porträt zu schreiben.“

Die Suche nach einer neuen Arbeit begann und da half der Zufall. Ralf Kerkeling war seit längerem mit Norbert Hensen befreundet, war mit ihm und dessen Familie auch öfters im gemeinsamen Urlaub. Und Norbert Hensen war zu dieser Zeit Redakteur der Leichtathletik und Chefredakteur von aktiv Laufen. Der zweite Zufall: Zu dieser Zeit war dort für ein Jahr eine Vertretungsstelle frei, weil eine Redakteurin ins Mütterjahr ging. „Ich habe also ein Jahr für aktiv Laufen und für die Leichtathletik gearbeitet, und bin so in den Sportjournalismus hineingerutscht“, beschreibt Ralf Kerkeling die Situation.

„ Zeitgleich habe ich mit einem Freund die Hotel-Tageszeitung „news to go“ (http://www.newstogo.info) gegründet. Auf einer DINA4-Seite, die wir digital im PDF-Format verschickten, wurden dort aktuelle Nachrichten des Tages aus Politik, internationalen Themen, Sport und Wetter komprimiert. Sechs Jahre bis zum Februar 2017 habe ich jeden Abend eine Tageszeitung für meine Kunden geschrieben.“

Sein Hauptaugenmerk aber gilt seitdem aktivLaufen und der Leichtathletik. Aber nicht nur für die Leichtathletik und für aktivLaufen schrieb er, sondern auch Pressemitteilungen für den Silvesterlauf in Trier. Berthold Mertes, selbst früher Marathonläufer, dann als Journalist bei SID tätig und über die Zwischenstation der Nationalen Dopingagentur nun im Sport beim Bonner Generalanzeiger gelandet, mischt seit langem in Trier mit. Aber da er nicht alles selbst machen konnte, bat er Ralf Kerkeling, einen Teil der Pressearbeit zu übernehmen. „Berthold hat mir wertvolle Tips gegeben, bei ihm habe ich sehr viel gelernt. Wenn wir uns heute sehen, tauschen wir uns immer noch gerne aus.“

Anders wurde es für ihn, als 2015 der Herausgeber, der Kölner Marken-Verlag, für beide Zeitungen, die Leichtathletik und aktiv Laufen, mit dem Kölner Büro Wipperfürth ein neues Redaktionsbüro wählte. „Nach einem Moment kurzer Unsicherheit und der Frage, ob ich weiterhin für die Magazine schreiben kann, habe ich dann die Zusage erhalten und konnte mitwechseln. Dort bekam ich dann die  Chance, die Magazine als Chefredakteur inhaltlich zu gestalten und dennoch als Freiberufler weiter arbeiten zu können.“

Kerkeling Zeitschrift Leichtathletik Kerkeling aktiv Laufen

 

Die Tücken des sportlichen Anfangs

Sport getrieben hat Ralf Kerkeling auch früher sehr viel. Ob es Skifahren, Basketball, Tennis oder Fußball war, er war breit aufgestellt. Mit der Leichtathletik hatte er seit seiner Jugend Berührungspunkte. Seit 2011 wurde diese Beziehung noch intensiver.

Der Schritt Richtung Chefredaktion war dann für Ralf Kerkeling ein mutiger Schritt, zumal ihm vor allem bei der Leichtathletik die Wissensfülle, die man haben muß, zumindest anfänglich Kopfzerbrechen bereitete.

„Mir war die Verantwortung völlig bewußt, aber ich habe ja auch schon früher, als es um den Einstieg in die Musikszene ging, einiges gewagt. Natürlich habe ich, haben wir, am Anfang auch Fehler gemacht. Wir als Redaktion und ich in meiner neuen Rolle sind dafür auch teilweise zu Recht kritisiert worden. Wir mußten unsere Erfahrungen sammeln. Wir haben aber auch Dinge bewußt verändert, versucht, gerade der Zeitschrift Leichtathletik neues Leben einzuhauchen. Das war nicht einfach. Aber wir haben es mittlerweile gut im Griff, und es hat sich gelohnt.“

Kerkeling London 2017

Ralf Kerkeling bei der Leichtathletik-WM 2017 in London auf der Pressetribüne

Ralf Kerkeling, der früher am liebsten 5 km oder 10 km gelaufen ist, ist dem aktiven Laufen treu geblieben. „Ich laufe bei mir zuhause in Rösrath bei Köln. Dort im Bergischen Land findet man wunderschöne Laufstrecken. Leider muß ich im Moment eine Laufpause einlegen, weil ich mich am Oberschenkel verletzt habe und es noch nicht geklärt ist, was es wirklich ist. Jetzt merke ich, daß mir etwas fehlt. Ich habe geradezu Entzugserscheinungen.“

„Früher, während meines Studiums und in der Zeit davor, bin ich nur kürzere Strecken gelaufen. Längere Strecken laufe ich erst, seitdem ich bei aktiv Laufen angefangen habe zu arbeiten. Ich kann mich gut daran erinnern, daß ich anfangs 2011 über einen Marathon in Genf (Schweiz) schreiben sollte. Da habe ich mir gedacht: Wenn ich darüber schreibe, dann würde ich auch gern mitlaufen. In der kurzen Zeit konnte ich mich zwar nicht mehr auf einen Marathon vorbereiten, aber mit meinem bisherigen Training reichte es immerhin zum Halbmarathon. Den absolvierte ich nach vier Wochen Training  in 2:24 h. Keine brillante Zeit, aber für mich zählte es angekommen zu sein. Es folgten in den Jahren danach mehrere Halbmarathons, eine Distanz, die ich mag, Hindernisläufe, wie der StrongmanRun und ein Marathon in Nizza.

Die Medaille von Nizza:

Ralf Kerkeling Medaille Nizza

Mein Traum wäre ein Ultramarathon, mal sehen. Mein bisher letzter Lauf war Jahr 2017 der Halbmarathon in Tel Aviv.

DCIM101GOPROG0332008.JPG

Ralf Kerkeling laufenderweise vor dem Tempelberg in Jerusalem. Vorher war er für aktiv Laufen beim Marathon in Tel Aviv (Israel).   (Foto: Privat)

Ralf Kerkeling betont, daß er kein Wettkampfläufer ist. „ Dafür bin ich zu langsam. Und ich bin in diesem Sport nicht ehrgeizig genug. Für mich ist Laufen: Abschalten und genießen. Ich liebe das Laufen an sich und im Speziellen die langen Läufe in einem gemütlichen Tempo. Zwei Stunden am Rhein entlang laufen oder durch den Wald entspannt mich. Ich kann dort nachdenken oder einfach komplett den Kopf ausschalten. Am liebsten laufe ich Trails in den nahen Wäldern und nicht in den Städten. Allerdings nutze ich bei meinen Reisen immer die Möglichkeit, eine Stadt oder eine Gegend laufend zu erkunden. Und ich reise gerne.“

Premiere beim Strong Run am Nürburgring

Kerkeling StrongmanRun_Nu¦êrburgring_2016

Ralf Kerkeling (links) mit seinem besten Kumpel Frank am Nürburgring vor dem StrongmanRun (Foto: privat)

„Ich schreibe gern über Sachen, die ich selbst erlebt habe, wo ich vor Ort dabei war. Und ich versuche zu verstehen, wohin das Laufen gehen wird. Eine Tendenz beim Laufen ist, daß es für viele nicht unbedingt der Wettkampf sein muß, sondern vor allem, daß es Spaß macht. Zu den Spaßläufen kommen viele Teilnehmer, und eine Form dieser Spaßläufe ist der Hindernislauf. Nicht im klassischen Sinne auf der Bahn, sondern über andere Hindernisse im Gelände. Ich habe 2016 bei meiner Premiere beim StrongmanRun am Nürburgring besonders das Gemeinschaftsgefühl genossen. Wir waren vier Kollegen, haben zusammen im Vorfeld oft in der Mittagspause trainiert und uns dann bei den Hindernissen gegenseitig geholfen.“ (mehr zum StrongmanRun unter: https://www.strongmanrun.de/runs/nuerburgring/

Seine sportlichen Voraussetzungen kann Ralf Kerkeling sicher am besten einschätzen: „Ich entspreche nicht dem normalen Läufertypus, bin nicht ganz so drahtig und schlank, wie der austrainierte Marathonläufer. Früher entsprach ich eher dem idealen Läuferbild. Aber das „wilde Leben“ als Musiker und einige Lebensumstände danach haben leider dazu geführt, daß ich weniger zum Sporttreiben kam. Sagen wir es so: Iich arbeite an meinem Idealgewicht (grinst).“

Vielseitige journalistische Aktivitäten

Besucht man seine Homepage http://www.ralf-kerkeling.de  erfährt man, was und für wenn er gegenwärtig außer für die beiden Magazinen noch arbeitet und gearbeitet hat. „Ich bin Freiberufler und muß mich darum kümmern, mehrere Auftraggeber zu haben“, nennt er den Grund. „Gern bin ich zudem auf mehreren „Baustellen“ tätig, um neue Eindrücke zu bekommen und nicht einseitig zu bleiben, Neues zu lernen. Das treibt mich auch an.“

Und auf dieser Homepage hat er seinen Weg von der Musik in den Journalismus nochmals kurz und knapp so zusammengefaßt:

„Über die Untiefen der Musik- und TV-Branche landete ich 2011 bei der „Schreiberei“. Die Gitarre wurde gegen den Stift, der Reiseschreibtisch beim TV gegen einen Laptop mit festem Tisch zu Hause getauscht. Erzeugte bei mir lange Zeit das Schreiben eines Songs tiefe Befriedigung, gelingt mir dies heute durch das Aneinanderfügen von Worten. Das Schreiben und Konzipieren von guten Inhalten ist zum Beruf geworden.“

Zwei Bücher als Co-Autor mitgeschrieben

Im Gespräch fügt er noch hinzu: „Ich bin in der Schreiberei total angekommen fühle mich dem sehr verbunden. Auch das Thema Laufen ist bei mir sehr groß und sehr wichtig. Deswegen habe ich ja auch die beiden Bücher mit Rafael Fuchsgruber mit sehr viel Herzblut konzipiert und als Co-Autor mit geschrieben. Die Bücher heißen „Running wild“ und „Passion Laufen“.

Kerkeling Running Wild Kerkeling Passion Laufen

Running wild“ ist eine Biografie, „Passion Laufen“ ist ein besonderes Trainings- und Motivationsbuch, an dem sich auch Sportler wie Jan Fitschen  beteiligt und ihre Sicht der Dinge beigesteuert haben.

https://www.delius-klasing.de/running-wild-10152?number=DK-10152

https://www.delius-klasing.de/passion-laufen-11050

Nach  zwei Stunden war unser Gespräch in der Lobby des Berliner Hotels „Interconti“ beendet. Es wird bestimmt nicht das letzte Gespräch gewesen sein. Ob in Köln, wo eine meiner beiden Töchter wohnt,  oder aber wieder in Berlin am Rande des Marathons oder anderer Laufveranstaltungen oder zur Europameisterschaft der Leichtathleten im August 2018 im Berliner Olympiastadion, die Gelegenheiten werden kommen. Und ich bin gespannt, was mir Ralf dann Neues erzählen kann.

Peter Grau

 

 

Ronny Ostwald: Schneller Sprinter und wachsamer Polizist

Ronny Ostwald Porträt sieben

Ronny Ostwald gehörte vor rund 15 Jahren zu den schnellsten deutschen Sprintern. Das Kraftpaket aus Berlin war zwar erst mit 24 Jahren in die Leichtathletik eingestiegen, steigerte sich aber dann schnell bis zu einer Bestzeit von 10,22 s.  2004 und 2006 holte er sich die deutschen Meistertitel über 100 m, 2004 und 2008 schaffte er die Nominierung für die Staffel bei den Olympischen Spielen. Schon zuvor, im Jahr 2002, hatte er bei der EM in München mit der Staffel den vierten Rang belegt. Weil später der Brite Dwain Chambers wegen Dopings disqualifizierte wurde, rückte die deutsche Staffel auf den Bronzerang vor. 2009 riß er sich die Achillessehne und  mußte seine sportliche Laufbahn beenden. Seitdem ist er als Polizeiobermeister tätig, zunächst mit dem Standort  in Berlin und nun in Stendal.

Ronny Ostwald mag die ländliche Idylle

Ronny Ostwald Porträt fünf

Beim Besuch in Gollenberg, einer kleinen Gemeinde 40 km westlich von Neuruppin in Brandenburg,  empfangen mich Ronny Ostwald und seine Frau Korinna im großen Zimmer ihres Hauses, das mit dem Kamin eine anheimelnde  Atmosphäre verströmt. Der Clou aber ist der Ausblick. Direkt vor dem Fenster  tummeln sich drei Pferde (ein Friese, ein Tinker und eine braune Warmblutstute) auf  der kleinen privaten Koppel.  Und gleich am Eingang haben mich die beiden Hunde der Familie, ein Bernersennen und ein ganz junger Leonberger-Mix begrüßt.

Hier ist Ronny Ostwald praktisch zurück zu seinen Wurzeln gekehrt. Zwar hat er sich während seiner aktiven Leichtathlet-Zeit in Berlin und seit 2002  in Wattenscheid zum Stadtmenschen entwickelt, aber er spricht auch immer gern über seine Herkunft.

Geboren wurde er am 7. April 1974 in der kleinen Gemeinde  Beeskow,  80 km südöstlich von Berlin und etwa 30 km südwestlich von Frankfurt (Oder). In Görzig, einen Angerdorf mit landwirtschaftlichem Charakter, ging er bis zur 10. Klasse auf die Schule (bis 1990) und anschließend durchlief er in Beeskow eine dreijährige Maurerlehre (bis 1993).

Danach absolvierte er als Fallschirmjäger bei der Bundeswehr seinen einjährigen Grundwehrdienst. „ Zehn Sprünge stehen auf meinem Konto“. Auf die Frage, ob er mutig gewesen sei, antwortet er: „Ja. Ich hatte schon immer gern einen Adrenalinkick“. Doch damals war an den „Kick“, den ein 100-m-Lauf auf der Tartanbahn mit sich bringt, noch nicht zu denken. Vielmehr bewarb er sich zunächst beim Bundesgrenzschutz (heute Bundespolizei). „ Ich wollte nochmal etwas Neues ausprobieren, hatte keine Lust, mein Leben lang auf dem Bau als Maurer zu arbeiten, auch wenn mir die Arbeit Spaß gemacht hat“. Deshalb also ging er 1995 zur Polizei und durchlief dort dann die normale Ausbildung. 1998 war er fertig, durfte sich Polizeimeister nennen und verrichtete nun den normalen Polizeidienst in einer Einsatzhundertschaft. „ Wir begleiteten Demonstrationen, Fußballfans – es war aufregend und abwechslungsreich und machte Spaß. Ich war viel mit jungen Leuten zusammen, und wir haben gemeinsam bestimmte Situationen gemeistert, die oft nicht ungefährlich waren.“  Ob ihm seine Statur (1,80 m Größe und ca. 85 kg Gewicht) dabei geholfen habe, möchte ich wissen.  „Sicherlich und auch mein Selbstbewußtsein, das ich schon immer hatte“, lautet die Antwort.

Vom Fußball-Libero zum schnellen 100-m-Sprinter

Und sportlich? Bis zum Herbst 1998 jagte Ronny Ostwald beim Sportverein Eiche Groß Rietz, einem Ort zwischen Fürstenwalde und Beeskow, dem runden Leder als Libero hinterher. Irgendwie war das so ähnlich wie beim Erfurter Nils Schumann, der auch einst ein befähigter Amateur-Fußballer war, ehe er zur Leichtathletik wechselte und 800-m-Olympiasieger wurde.

Der Hauptunterschied zwischen beiden war, daß Ronny Ostwald erst viel später als Schumann den Weg auf die Laufbahn fand. Ostwald nahm an den internen Polizeimeisterschaften teil und lief ohne Training auf Anhieb 11,31s über 100 m. Und weil seine Chefs am Standort Blumberg meinten, daß er mit regelmäßigem Training  wesentlich schneller werden könnte, durfte er sich einen Verein suchen.  Er fand ihn im Herbst 1998 im Sportforum Hohenschönhausen mit dem SC Berlin. Sein erster Trainer Bernd Scheermesser war zwar anfangs skeptisch wegen seines „hohen“ Alters von 24 Jahren, aber versuchen wollte er es trotzdem mit ihm. Und Ronny Ostwald dankte es ihm mit Leistungen.  1999 holte er sich bei den Berliner Landesmeisterschaften seinen ersten „kleinen“ Titel. Zwar war die Zeit von 10,52 s noch nicht berauschend, aber der Einstieg war geschafft. „Neun Monate später war ich schon bei 10,44 s angekommen, bei nur zweimal Training pro Woche“, erinnert sich Ronny Ostwald.

Es folgte der Wechsel  in die Trainingsgruppe von Uwe Hakus. „Dort war ich der einzige „normale“ Sprinter unter vielen Hürdensprintern, wie etwa Mike Fenner und Florian Schwarthoff. Aber ich brauchte diese Konkurrenz, das spornte mich an“. Und das nun regelmäßige Training trug schnell Früchte. Im Jahr 2000 war Ronny Ostwald schon bei 10,30 s angekommen, die Teilnahme an den Olympischen Spielen von Sydney schien möglich. Doch dann schlug die Verletzungshexe zu, mußte er die Saison beenden. Dieses Verletzungspech begleitete den kräftigen Sprinter leider die nächsten Jahre. „ Ein Grund dafür war, daß ich einen hohen Muskeltonus hatte, sprich, eine sehr feste Muskulatur. Ich war ziemlich unbeweglich und steif. Besonders an der Rückseite der Oberschenkel verletzte ich mich oft.“

Als sich der SC Berlin mit der LG Nike Berlin zusammenschloß, gab es für Ronny Ostwald Probleme: „ Ich bekam die bereits ausgehandelten Gelder nicht und nutzte deshalb die Chance, nach Wattenscheid zu wechseln. Dort blieb ich dann – abgesehen von  einem einjährigen Abstecher beim ASV Köln -, ehe ich meine sportliche Laufbahn wegen einer Verletzung beenden mußte.“

Verletzt war er also oft, aber trotzdem konnte sich immer wieder in der  deutschen Sprintspitze etablieren. „In meinen 10 Jahren Leistungssport hatte ich über 20 Einsätze für die deutsche Nationalmannschaft, dabei zweimal bei Olympia. Dabei ging es mir wie den anderen Sprintern vor allem immer darum, mich für die Sprintstaffeln zu qualifizieren, denn im Einzelrennen war die internationale Konkurrenz doch fast übermächtig“.

Ronny Ostwald Staffel Unger

In den Staffeln fühlte sich Ronny Ostwald in seinem Element. Hier bei der Stabübergabe an Tobias Unger (Foto: gettyimages; Javier Sopiano / 51226908; aus Leichtatletik Nr. 40/2017)

 

Bei den Europameisterschaften 2002 in München stand er kurz vor dem ersten Medaillengewinn. Als Startläufer verfehlte er gemeinsam mit Marc Blume, Alexander Kosenkow und Christian Schacht in 38,88 s als Vierter Bronze nur knapp. Um so ärgerlicher, daß später der Brite Dwain Chambers wegen Dopings disqualifiziert wurde, seine Staffel damit ebenfalls und die Deutschen auf den Bronzerang vorrückten. „Leider habe ich die Medaille dafür bis heute noch nicht erhalten. Ich würde sie mir sehr gern an die Wand hängen“.

2004 war sein bestes Jahr

Bei den Weltmeisterschaften 2003 in Paris kam Ostwald mit der deutschen Staffel (Tobias Unger, Marc Blume, Alexander Kosenkow, Ronny Ostwald) bis ins Halbfinale. Auch das Finale war möglich. „ Aber wir mußten etwas riskieren. Und als Kosenkow anrauschte, um mir den Stab zu übergeben, war ich zu schnell weg und trotz abbremsens außerhalb der Wechselzone.“

Ronny Ostwald hatte sich 2004 an die Spitze der deutschen Sprinter gekämpft und auch mit seiner Bestzeit von 10,22 s den deutschen Meistertitel errungen. So war es keine Überraschung, daß er für die 4×100-Staffel für die Olympischen Spiele in Athen nominiert wurde. Diese Staffel verfehlte in der Besetzung Ronny Ostwald, Tobias Unger, Alexander Kosenkow  und Till Helmke als Neunter  den Einzug ins Finale nur knapp.

2004 war überhaupt Dein bestes Jahr,“ mischt sich  Ehefrau Korinna in diesem Moment in das Gespräch ein. Warum? Nicht nur wegen der sportlichen Entwicklung, sondern auch, weil sich beide in diesem Jahr kennenlernten. Schon ein Jahr später heirateten sie. Das familiäre Glück stärkte Ronny Ostwald, auch wenn die vielen Tage und Wochen der Trennung wegen Trainingslagern und Wettkämpfen das Glück beeinträchtigten. Aber die wachsende Familie – heute dürfen die Ostwalds ihr Glück mit drei Söhnen teilen – entschädigte für vieles.

Sportlich ging es auf und ab. Während 2005 verletzungsgeprägt war, brachte 2006 wieder ein Hoch. Zunächst gewann er wieder den deutschen Meistertitel über 100 m und anschließend erfüllte er sich einen lange gehegten Wunsch: „Ich wollte in einem Einzelrennen über 100 m in einem internationalen Finale stehen. 2006 bei den Europameisterschaften in Göteborg schaffte er das, auch wenn am Ende nur ein achter Rang blieb.

Ronny Ostwald Göteborg 2006

Ronny Ostwald über 100 m im Jahr 2006 in Göteborg

(Foto: gettyimages: Jeff Haynes / 71598324)

Da konnte er es auch verschmerzen, daß es in der Staffel wieder nicht zu einer Medaille reichte. Mit Alexander Kosenkow, Marius Bröning und Sebastian Ernst führte er die Staffel als Schlußläufer auf einen fünften Rang.

Und an ein weiteres Ereignis erinnert sich Ronny Ostwald gern. Zwar war es sportlich vielleicht nicht ganz so hoch anzusiedeln, aber er ist trotzdem Stolz darauf, 2006 Europameister über 100 m bei den internationalen Polizeimeisterschaften in Prag geworden zu sein: „Schnellster Polizist Europas, das hört sich doch nicht schlecht an“, meint er lächelnd.

Während seiner gesamten Leistungssportzeit war Ronny Ostwald Polizeiangestellter. Er  mußte zwar jährlich einige Wochen Polizeidienst leisten, war aber ansonsten vom Dienst freigestellt. „ Für meine berufliche Weiterentwicklung in der Polizei brachten mir diese Jahre allerdings nichts. Als ich 2009 mir die Achillessehne riß und mit dem Sport aufhören mußte, war ich praktisch auf dem Stand von 1998. Nun saß ich zudem als 35jähriger gemeinsam mit 20jährigen in den Ausbildungsräumen oder bei Einsätzen. Das war eine schwierige Zeit für mich.“

Zwischen Knüppeltruppe und Familienidylle

Weiterhin in Blumberg am Rande von Berlin stationiert, verrichtete er seinen Dienst in einer normalen Einsatzhundertschaft. „ Am Wochenende haben wir die Fußballfans im Zug begleitet, an anderen Tagen waren wir bei Demonstrationen oder etwa 2013 beim Wahlkampf mit Angela Merkel unterwegs. Wir haben alles bewacht und beschützt und mußten manchmal auch zum Gummiknüppel greifen. Es war eine schwierige Zeit“, blickt Ronny Ostwald zurück. Und sie war noch schwieriger, weil zuhause in Gollenberg Frau und drei Kinder warteten und sich oft allein durchschlagen mußten. Schon zu dieser Zeit hatte seine Frau Korinna eine Hypnosepraxis aufgemacht, und es war für sie schwer,  alles unter einen Hut zu bekommen.

Ronny Ostwald litt so unter dieser Situation, daß er psychisch krank wurde, sich mit Magenbeschwerden herumplagte und einfach unzufrieden war. Deshalb  bemühte man sich einige Zeit um eine Versetzung an einen anderen Standort. Letztendlich wurde dem Gesuch stattgegeben und Ronny Ostwald bekam mit dem Bundespolizeirevier Stendal einen neuen Standort zugewiesen.  Nur 60 km von Gollenberg entfernt, ist damit das Familienleben endlich in geregelte Bahnen gelenkt worden. „Ich habe meinen normalen Polizeidienst, bin teils auf Streife, teils am Schreibtisch.  Vor allem muß ich nicht mehr soviel herumfahren, alles ist einfach geregelter. Wir haben unser festes Einsatzgebiet, überwachen beispielsweise die Bahnhöfe. Und ich kann endlich mal hautnah miterleben, wie sich unsere drei Söhne entwickeln.  Maxim ist inzwischen 16 Jahre, Tjark 9 Jahre und Matti 3 Jahre.

Ronny Ostwald Titelfoto Die Fünf

 

Zwischen Familie, Tieren und dem Fußball

Wenn Ronny Ostwald zuhause ist, steht natürlich an erster Stelle die Familie. Seine Frau Korinna Ostwald betreibt  in Gollenberg eine Hypnosepraxis.

Ronny Ostwald vier Hypnosepraxis

Sie bietet dort alles an, was denkbar ist:

* Gewichtsreduzierung * Rauchentwöhnung * Schmerzen * Migräne * Allergien/ Ekzeme

* Persönlichkeitscoaching * Blockadenlösung * Ängste/ Phobien * Reinkarnation/ Rückführung * Tiefenentspannung * Verspannungen * Phantasiereisen * Sportcoaching

* Leistungssteigerung * Trauerbewältigung * Prüfungsangst * Superlearning/ leichter Lernen * Zwänge * Farbtherapie * Schlafverbesserung * Wundheilung * Tinnitus

* Schmerzfreie Geburt * Schwangerschaftsübelkeit * Schnarchen * Prüfungsangst

* unerfüllter Kinderwunsch * Liebeskummer * Konzentrationsverbesserung * Burnout

* zahnärztliche Hypnose * Entscheidungshilfe * Partnerschaftsprobleme

* Veränderung unerwünschter Verhaltensmuster * Stärkung des Immunsystems *

Am häufigsten suchen Leute meine Praxis auf, die mit dem Rauchen aufhören oder Gewicht verlieren möchten“, erzählt Korinna Ostwald. „Die Praxis ist gut besucht, alles läuft ohne Werbung, also nur durch Mundpropaganda.“

(Näheres ist unter http://www.hypnosehavelland.de/     nachzulesen.)

 

Ronny Ostwald Pferde vier

Zur Familie Ostwald gehören aber natürlich auch die Tiere. Ich mag Pferde, und deshalb bin ich auch von diesen schönen, klugen Tieren angetan. Und wenn man sie so nah wie dort sieht, anfassen kann, ihnen in die Augen schauen kann, ist man noch mehr begeistert.

Ronny Ostwald zwei Pferde

Die Hauptarbeit mit den Pferden hat wie auch früher, als Ronny Ostwald wenig zuhause war, die Frau des Hauses. Sie betreut die Tiere rund um die Uhr, sorgt für den Auslauf auf der Koppel und für Ruhe im Stall.  Und sie genießt es, selbst auf den Pferden zu sitzen. „Das Dressurreiten hat mich seit langem begeistert, und wenn ich auf dem Pferd sitze, vergesse ich die kleinen Sorgen des Alltags.“

Korinna Ostwald eins

Ronny Ostwald hat sich auch schon einige Male aufs Pferd gewagt:

Ronny Ostwald auf dem Pferd

Ronny Ostwald Pferd neu

„So richtig wird das Reiten aber  wohl nie meine Passion werden. Aber ich mache mich in der Betreuung der Pferde soweit nützlich, wie ich es kann. Beim Ausmisten des Stalles kommt mir meine immer noch vorhandene Kraft zugute.“  Vor kurzem hat er eine Pferdekutsche auf ihr Grundstück geholt. „ Ich will mich bald mit dem Kutschfahren anfreunden, es lernen“.

Klappt es nicht so mit dem Reiten, funktioniert es schon eher mit den Hunden: „ Auch wenn sie groß und kräftig sind, habe ich sie gut im Griff. Nur den jungen Hund muß ich noch erziehen, er ist zwar lieb, aber noch sehr verspielt.“

 

Spielen, das ist das Stichwort für ein Hobby, das ihn irgendwie nicht losläßt. Seit langem spielt er beim Fußballverein SV Rhinow/Großdersch, anfangs noch im Sturm.

Ronny Ostwald Fußballmannschaft

Heute hält er mit seiner Spielübersicht die Abwehr zusammen.  „Wir spielen in der Kreisliga, und es ist für uns schwer, denn unsere Spieler haben natürlich einen Vollzeitjob, kommen nur wenig zum Training und auch bei den Punktspielen fällt der eine oder andere immer mal aus“. Aber Spaß macht es Ronny Ostwald nach wie vor, auch im Amateursport.

Ronny Oswald und das Meer zwei 

 Peter Grau

 

(Mehr Fotos und Texte sind auf der Homepage http://www.gratis-webserver.de/Tucase/2.html   anzuschauen und nachzulesen;

Mehr Fotos aus seiner aktiven Zeit als Sprinter sind auch unter google zu sehen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Eine sehr sportliche Mentaltrainerin für die Leichtathleten

Seyffardt Porträt drei

Sie liebt das Außergewöhnliche. Katja Seyffardt, ihres Zeichens Mentaltrainerin, zeigt Hochleistungssportlern, wie man gegen Ängste und Barrikaden angeht, wie man den Wettkampfstress mindert.  Aber nicht nur reden kann sie. Sie beweist auch als ambitionierte Sportlerin in einer nicht alltäglichen Sportart wie Fallschirmspringen sowohl körperliche als auch geistige Fitness.

 

katja-zwei

Von ihr ist Deutschlands bester Geher, Christopher Linke aus Potsdam,  vor den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro elf Monate lang  betreut worden. Messbarer Erfolg: der 5. Platz im 20-km-Gehen von Olympia und  nur knapp an einer Medaille vorbeigeschrammt. Und aktuell am 21. Mai 2017 der Erfolg beim Europacup der Geher in Podebrady.

Nicht alle  wollen in der Öffentlichkeit darüber reden. Christopher Linke aber nimmt kein Blatt vor den Mund: „   Katja hat mir in unserer elfmonatigen Zusammenarbeit in Vorbereitung auf Olympia Rio 2016 einen Weg gezeigt, meine Konzentration zu fokussieren. Statt mich an anderen Wettkampfteilnehmern zu orientieren, kann ich nun den Fokus bei mir und meiner Leistung halten. Sie hat es geschafft, mich immer wieder neu zu motivieren, indem wir an vielen kleinen Zielen auf dem Weg zum großen Ziel  gearbeitet haben. Es hat mir gerade am Anfang sehr geholfen, dass ich mit Katja über meine Probleme und Ängste sprechen konnte. Sie hat mir deutlich gemacht, dass nur ich selbst Dinge ändern kann. Ich habe mehr Verständnis für gewisse Situationen gefunden, mein Blickwinkel hat sich geändert und so auch mein Verhalten. Ich bin ruhiger geworden und kann jetzt durch eine konkrete Zielsetzung den Fokus auf die für mich wichtigen Dinge halten. Mein Ergebnis bei Olympia in Rio hat meine anfänglichen eigenen Erwartungen mehr als übertroffen. Danke Katja!“

Soweit die Worte von Christopher Linke.

Wenn man ihn, wie ich, dann im Livestream von Podebrady gesehen hat, war man überrascht von seiner  Dominanz. Er sprühte förmlich vor Selbstbewußtsein. Und Katja Seyffardt, die mit Hagen Pohle und Nils Brembach weitere Geher betreute, meint dazu: „ Die Geher haben bei ihrem langen Kampf  Phasen, in denen es hart wird. Dann müssen sie über die Schmerzen hinwegsehen, und sich auf anderes konzentrieren, beispielsweise sich mit Worten motivieren.“ Wissenschaftliche Studien haben bewiesen, dass man 50.000 Mal am Tag mit sich selbst redet. Dessen muss man sich bewusst werden und zu seinem Vorteil ausnutzen.

Nicht immer klappt es allerdings so wie bei Christopher Linke.

Katja Seyffardt betreute auch ihren Fast-Namensvetter, den Potsdamer Speerwerfer Bernhard Seifert, der zwar den Sprung nach Olympia nicht schaffte, aber sich  trotzdem über die elfmonatige Zusammenarbeit positiv  äußerte:  „ Katja konnte  mir viel beibringen und das zeigen, was ich in meinem Beruf als Spitzensportler super anwenden kann. Wir arbeiteten an Motivation, Konzentration, Stressbewältigung und Umgang mit Verletzungen. In erster Linie konnte ich mit ihr meine ganzen Probleme und Ängste besprechen.  Weiterhin haben wir an Teilzielen gearbeitet, die es mir ermöglichten,  stets motiviert zu bleiben und nicht das Hauptziel aus den Augen zu verlieren. Sie zeigte mir, wie man mit schwierigen Situationen klarkommt und wie man diese bewältigt. Ich konnte durch die Übungen meinen Fokus sowohl im Training als auch im Wettkampf super halten und habe mich nicht durch andere Einflussfaktoren aus der Bahn bringen lassen. Wenn es mal nicht klappte,  analysierte sie mit mir gemeinsam  das Problem und zeigte mir stets einen neuen Weg. Ich bedanke mich für die super Zusammenarbeit. Danke Katja!“

Wann aber kommen die Sportler zur Mentaltrainerin?  Viele Leute denken, dass sie zu einem Mentaltrainer gehen, wenn sie Probleme haben. Aber man könnte schon viel früher mentale Techniken anwenden, um es nicht soweit kommen zu lassen, dass man in der Blockade hängt oder aber die Angst-Dimension sehr groß ist“. Und Katja Seyffardt erläutert das an einem Beispiel: „ Der Körper ist gewissermaßen die Hardware vom Computer, und der mentale Aspekt ist die Software. Beides muss kompatibel sein. Wenn die mentale Einstellung nicht abgestimmt ist, dann kann der Körper noch so gut ausgebildet sein, aber man kann seine Leistung nicht abrufen. Es entsteht eine Blockade, die sich beispielsweise in Wettkampfangst äußert. Die Kunst ist nun, durch bestimmte Techniken den Kopf im Jetzt zu behalten.“  Wie aber sehen solche Techniken aus? „ Es gibt Entspannungs- und Konzentrationstechniken, bei denen man sich auf das Ein-oder Ausatmen konzentriert. Ein anderes Mittel ist, bestimmte Muskelgruppen anzuspannen, angefangen vom Kopf über den Bauch bis zu den Füßen“. Jeder reagiert darauf anders. Der eine schaut lieber, der andere hört lieber und wieder ein anderer fühlt lieber.

Das Mentaltraining ist natürlich eine sehr persönliche Sache. „ Das 1 zu 1 – Coaching ist sicherlich besser als etwa ein allgemeiner Workshop mit mehreren Leuten. Nur im Einzelgespräch  öffnet sich der Athlet vollkommen“, erklärt Katja. Und ich kann es nachfühlen, denn sie hat eine bestimmte Gabe, auf Leute zuzugehen und mit ihnen zu reden.  Wir kannten uns vor unserem Treffen in einem Kaffee im Outletcenter in Wustermark bei Berlin nicht persönlich, sondern nur durch das Internet. Doch der Draht zwischen uns war sofort geknüpft, auch wenn ich ja nicht mit einem persönlichen Problem zu ihr gekommen war.

Warum aber hat sie diese Ausstrahlungkraft? Ein wenig wurde es mir klar, als sie mir einiges über ihren bisherigen Lebensweg erzählte.

 Tauchsport  – Fallschirmspringen – Mentaltrainerin

Die gebürtige Hamburgerin absolvierte zunächst eine Tauchausbildung.  Schon mit 20 Jahren suchte sie ihre berufliche Erfüllung im Ausland, zunächst in  Südamerika, danach in der Karibik und in Mittelamerika. Dort arbeitete sie vor allem als Tauchlehrerassistentin. Wieder zurück in Deutschland flog sie einige Jahre als Stewardess durch die Lüfte, wandte sich dann der Psychologie zu.

Gleichzeitig arbeitete sie bereits intensiv im Tauchsport als Tauchlehrerassistentin. „Ich war bei Tauchevents als Sicherungstaucherin in Cypern dabei, habe für zwei Tauchschulen in Ägypten gearbeitet und Taucher mit ausgebildet.“ Sie lernte es dabei, sich und anderen die Angst zu nehmen. Und ihren nächsten, nun wieder längeren Auslandseinsatz hatte sie dann in Russland,  wo sie zunächst in Sibirien für ein Jagd- und Abenteuerunternehmen arbeitete.

Anschließend folgten vier Jahre Moskau, wo sie Leute im Fitnessbereich und im Mentalbereich trainierte. Das hätte sie sicherlich noch länger getan, doch da machte ihr 2008 die weltweite Finanzkrise einen Strich durch die Rechnung. Bis 2010 kämpfte sie sich noch durch, aber dann kehrte sie zurück nach Deutschland, zunächst nach Hamburg und arbeitet seitdem als Mentaltrainerin.

Der Reiz der Lüfte

Seyffardt eins

Doch Stillstand ist Rückschritt. Das scheint ihr Motto zu sein. War eines ihrer Lebenswelten bisher beim Tauchsport das Wasser,   wiederentdeckte sie nunmehr den Reiz der Lüfte. „ Mit dem Fallschirm springen wollte ich auch früher schon, aber beides, Tauchen und Springen, war zeitlich nicht zu packen.“

Seyffardt Porträt zwei

Seit 2010  widmet sie sich wieder mehr dem Fallschirmspringen, den Fallschirmschein hatte sie ja schon gemacht. Sie arbeitet nun auf den Flugplätzen von Fehrbellin und Gransee, zwei Gemeinden rund 100 km nördlich von Berlin entfernt. „ Ich bilde Leute theoretisch im Fallschirmspringen aus und gebe 1 zu 1- Coaching für diejenigen, die schon springen können, sich aber noch verbessern wollen.“

Frei wie ein Vogel fliegen

 

Katja Seyffardt ist auch  BASE-Springerin geworden.  Was verbirgt sich dahinter?  Einfach gesagt: Mit einem Flügelanzug springt sie vom Berg herab,  fliegt und landet später mit dem Fallschirm. „ Es ist eine Extremsportart, und man braucht zuvor eine gehörige Anzahl von Fallschirmsprüngen aus dem Flugzeug, ehe man sich da heranwagen kann.“

Katja S dreizehn

Seyffardt dreizehn

Seyffardt drei

Auf den Fotos kann man sehen, wie spektakulär das Ganze ist. Zunächst wird eine entsprechende Kleidung angelegt, die später das Fliegen möglich macht. Und so spannend, wie es von außen aussieht, beschreibt es Katja Seyffardt  auch: „ Man steht oben am Berg, an der Kante.  Dann gibt es eine ganz bestimmte Absprungtechnik, um gut vom Berg abzuspringen und in den Flug zu kommen.“ Und wie ist der Flug? „Natürlich toll. Man fühlt sich wie ein Vogel. Man lenkt mit Gewichtsverschiebungen, kennt die Landezone. Und man zieht rechtzeitig den Fallschirm und landet dann. Alles geschieht auf Sicht, und nicht wie beim Sprung aus dem Flugzeug, wo wir einen Höhenmesser und einen Höhenwarner dabei haben und genau wissen, wann wir den Fallschirm ziehen müssen. Beim BASE-Springen muss man das Gefühl entwickeln, wie tief man gehen kann und wann man den Fallschirm zieht. Natürlich sind da auch immer Ängste dabei, aber man lernt, damit umzugehen, sie zu beherrschen. Man lernt,  sie gut einzuschätzen und man wächst auch über sich hinaus, entwickelt sich weiter.“

Seyffardt zehn

Seyffardt neun

Seyffardt elf

Seyffardt sieben

Vom Berg fliegen ist ein aufregender Ausgleich für ihre Tätigkeit als Mentaltrainerin. Es ist auch ein wenig ein Selbstversuch, wie man mentale Stärke beweisen und trainieren kann. „ Wenn ich meinen Sportlern davon erzähle, erkennen sie schnell, dass ich nicht nur die Theorie beherrsche, sondern sie auch selbst anwende.

Warum arbeitet Katja Seyffarth überhaupt mit den Athleten?  „ Ich finde es  sehr interessant, weil ich mich in die Thematik einfühlen kann. Ich kenne selbst Ängste, arbeite seit vielen Jahren im Sport. Zwar nicht als Profisportlerin, sondern in der Vergangenheit als Tauchlehrerassistentin  und seit vielen Jahren als Fallschirmsprung-Lehrerin.  Ich weiß, wie es ist, wenn man einem gewissen Druck ausgesetzt ist, wenn man dann eine bestimmte Leistung zu einem Zeitpunkt X abliefern muss.“

Peter Grau

BASE-Springen in der Schweiz und in Italien:

Katja S sechs

Katja S drei

Katja S fünf

 

 

 

 

 

 

 

Thomas Röhlers Speerwurfrekord und das Marathon-Spektakel mit Eliud Kipchoge

Thomas Röhler mit Olympiagoldmedaille

Speerwurf-Olympiasieger Thomas Röhler (Foto: Olaf Brockmann)

 

In den vergangenen Tagen ist in der Leichtathletik einiges passiert. Diesmal aber mit positiven Schlagzeilen. Zunächst warf  Speerwurf-Olympiasieger Thomas Röhler beim Diamond-League-Meeting in Doha (Katar) mit 93,90 m  neuen deutschen Rekord. Er übertraf damit den alten Rekord, den der Magdeburger Raymond Hecht 1995 mit 92,60 m aufgestellt hatte, um über einen Meter.

Später gab Thomas Röhler dem Berliner Journalisten Jan-Henner Reitze für leichtathletik.de  ein langes, inhaltsreiches Interview:

http://www.leichtathletik.de/news/news/detail/thomas-roehler-bei-100-metern-ist-der-kameramann-sicher-eine-zeit-lang/

Thomas Röhler 2 Scheinwerfer

Thomas Röhler 1 Schatten

Thomas Röhler 3 mit Trainer DSC09330-2

Thomas Röhler beim Training in Jena

 

Thomas Röhler kommt aus Jena, einem Ort in Thüringen, den ich schon seit meiner Jugend kenne. Dorthin führten uns oft unsere Klassenfahrten, ob nun ins Zeiss-Planetarium oder auf den „Jenzig“, einen kleinen Berg mit Rundumsicht.  Später war ich in Jena oft zu Leichtathletik-Sportfesten.

Jena spielt auch in der Speerwurfgeschichte eine gewichtige Rolle.  1996 warf dort der Tscheche Jan Zelezny mit 98,48 m den noch heute gültigen Weltrekord. Damals war ich live dabei, sah den Speer im Ernst-Abbe-Sportfeld segeln. Dieser Flug ist auch heute noch auf You-Tube zu sehen:

https://r.search.yahoo.com/_ylt=A9mSs28CcBBZV5MA6FYzCQx.;_ylu=X3oDMTBybDA1bGNhBGNvbG8DaXIyBHBvcwMyBHZ0aWQDBHNlYwNzYw–/RV=2/RE=1494278275/RO=10/RU=https%3a%2f%2fwww.youtube.com%2fwatch%3fv%3dV6P9WbTPeLA/RK=0/RS=vh6D863h3IO6P7AnX1_QFft8Mqs-

Für mich eine Duplizität der Ereignisse, denn 12 Jahr zuvor, 1984, saß ich in Berlin im Friedrich-Ludwig-Jahnsportpark unter den Zuschauern und sah ebenfalls einen Weltrekord. Damals warf der Potsdamer Uwe Hohn das alte Speer-Modell auf die sagenhafte Weite von 104,80 m. Ich kann mich noch erinnern, wie der Speer auf mich zuflog. Doch ich war  auf den Zuschauerrängen sicher. Aber damit nicht später andere Zuschauer durch zu weit fliegende Speere gefährdet würden, veränderte man den Speer, gab ihm einen anderen Schwerpunkt, und anschließend flog der Speer nicht mehr so weit.

Diesmal saß ich in Doha nicht im Stadion, aber ich habe für solche Fälle ja meinen Wiener Journalistenkollegen Olaf Brockmann, der wie gewohnt die Spitzenleichtathleten ablichtete:

Thomas Röhler Doha Rekord Brockmann

Thomas Röhler nach seinem Rekordwurf in Doha (Foto: Olaf Brockmann)

 

Der 2-Stunden-Marathon in Monza

Das Meeting in Doha fand am Freitag, dem 5. Mai 2017  statt. Nur wenige Stunden später, am 6. Mai früh um 5:45 Uhr, wurde ein anderes „Unternehmen“ gestartet. Unter dem Namen  „ Breaking 2“    sollten auf dem Formel-1-Kurs im italienischen Monza der erste Marathon (42,195 km) unter der Zwei-Stunden-Marke gelaufen werden.  Auserkoren dafür war vor allem der Olympiasieger von Rio 2016,  Eliud Kipchoge (Kenia). Auf einer 2,4 –km-Runde rannte man, unterstützt von 18 Tempomachern, einem Führungsfahrzeug, welches Windschutz bot und nach einer monatelangen Vorbereitung, in der alles ausgereizt wurde.  Den Anfang des Rennens in der morgendlichen Dämmerung sah ich mir im Livestream im Internet noch an, schlief dann erstmal weiter. Pünktlich zum Zieleinlauf wurde ich wieder wach, sah Eliud Kipchoge nach 2:00:25 Stunden die Ziellinie überqueren. Es wurde also nichts mit der Unterbietung der 2 Stunden, aber daß es möglich ist, wurde bewiesen. Auch wenn dem Ganzen so etwas wie ein Laborversuch anhaftete. Doch vor allem denjenigen, die es live mit in Monza erlebten, hat es gefallen.

In Monza direkt dabei war für laufen.de   Christian Ermert, der seine Eindrücke später so beschrieb: https://www.laufen.de/marathon-eliud-kipchoge-verpasst-2-stunden-nur-knapp

und dann noch einen Kommentar hinzusetzte: https://www.laufen.de/breaking2-der-kommentar-zum-rennen-von-monza

Kritisches zum Marathon- Spektakel merkte  FAZ-Sportredakteur Michael Reinsch an:

http://www.faz.net/aktuell/sport/mehr-sport/eliud-kipchoge-schafft-marathon-unter-2-stunden-nicht-15004278.html

Begegnung mit Eliud Kipchoge in Kenia

Olaf Brockmann konnte natürlich nicht dabei sein, er war ja noch in Doha. Aber er hatte es geahnt, daß Eliud Kipchoge etwas Großes erreichen wollte (deshalb hatte der auch auf die lukrativen Frühjahrsmarathons, u.a. in London und Boston, verzichtet und sich voll auf diesen 2-Stunden –Versuch vorbereitet). Olaf Brockmann  hatte am 22. März 2017 in Eldoret in Kenia mit Eliud  Kipchoge gesprochen und ihn dort fotografiert:

Eliud Kipchoge mit Olaf Kenia

Eliud Kiochoge in Kenia

Eliud Kipchoge drei

Eliud Kipchoge vier

Eliud Kipchoge  im Training und im Gespräch

 

 

Diskuswerfer Robert Harting feilt am Comeback

Harting klein ISTAF 044

Diskuswerfer Robert Harting (2016 / Foto: Grau)

Robert Harting hat sich wieder einmal zu Wort gemeldet. Zu Ostern, schreibt er bei Facebook, gab er ein Interview.  Zu Ostern und nicht an Ostern, das gefällt mir.

Und es gefällt mir auch, was er Dieter Wenck im Gespräch für die Berliner Morgenpost zu erzählen hatte.  Lesen Sie den Text   unter  http://m.morgenpost.de/sport/article210267765/Robert-Harting-feilt-in-der-Folterkammer-am-Comeback.html

Robert Harting über Fitneß, Freizeit und Makel

Harting klein ISTAF 044

Robert Harting

 

Um Diskuswerfer Robert Harting ist es seit einiger Zeit ruhiger geworden. Tauchte er früher oft mit Wortmeldungen zu vielen Problemen in der Öffentlichkeit auf,  hört man jetzt weniger von ihm.

Dagegen  hat sein Bruder, Olympiasieger Christoph Harting, eine komplette Kehrtwendung vollzogen. Verscherzte er sich durch sein Verhalten nach seinem Olympiasieg in Rio de Janeiro viele Sympathien, versucht er jetzt, verlorene Zuneigung zurückzugewinnen.

p1020206

Christoph Harting

 

Und das mit Erfolg. Im Fernsehen ist Christoph Harting ein willkommener Gast, ob bei Talk-Shows oder bei der ARD-Sendung „Klein gegen groß“.  Er beweist, daß er es ganz anders kann, daß er eine besondere Seite hat, die ankommt.

Warum nicht gleich so, möchte man ihm zurufen. Doch das weiß er sicher selbst. Und handelt danach.

Robert Harting aber arbeitet intensiv im Training mit seinem neuen Trainer Marko Badura, um dann in der Sommersaison wieder mit dem Diskus brillieren zu können.

Aber wenn er gefragt wird, dann gibt er natürlich noch immer gern Antworten.

So kürzlich  Franziska Manske von der Redaktion Mediaplanet.   Mediaplanet ist ein internationales Unternehmen, das nach eigener Erklärung  „crossmediale Kampagnen zu aktuellen und spannenden Themen in Gesundheit, Business, Technologie, Lifestyle, Bildung und CSR ( Unternehmerische Gesellschaftsverantwortung)“  verbreitet.

Mehr zur Arbeitsweise von Mediaplanet unter   www.mediaplanet.com

Harting klein  68

Robert Harting

 

Robert Harting äußerte sich im Gespräch mit Franziska Manske vor allem über Fitness und Freizeit.

Zum Anfang wurde er gefragt,  wie er fit und gesund bleibe und in Form.

Lesen Sie seine Antwort dazu und das gesamte Interview mit Robert Harting unter

http://www.fuer-ihn.info/…/fit-bleiben-den-kopf-aufraeumen-