Die Potsdamerin Kathleen Friedrich kenne ich vor allem als Leichtathletin. Das liegt aber schon einige Jahre zurück. Nun ist sie Fotografin, und ich habe mich mit ihr in ihrem Studio in der Innenstadt von Potsdam verabredet.
Die Jägerstraße 43 ist schnell gefunden. Von der anderen Straßenseite aus fotografiere ich das Haus, in dem sie die Ateliersräume gemietet hat.
Vor dem Eingang fällt mein Blick auf das Firmenschild:
Nicht nur auf ihre Homepage www.kathleen-friedrich.de macht sie darauf aufmerksam, sondern gibt auch einen kurzen Überblick ihres Angebotes: Portraits, Hochzeiten, Events, Werbung.
Und dann gehe ich hinein in die „heiligen Hallen“, sprich in das Studio.
Im ersten Raum werden die Atelier-Fotos gemacht:
Von dort gehe ich eine kleine Treppe hinauf, und sehe Kathleen Friedrich gerade telefonieren.
Doch dann nimmt sie sich zwei Stunden Zeit, um mit mir über ihr Sportlerleben und ihre berufliche Entwicklung bis hin zur Fotografin zu plaudern.
Zehn Jahre Hochleistungssport
Zehn Jahre als Hochleistungssportlerin liegen hinter ihr. Die Potsdamer Mittelstrecklerin war von 2000 bis 2004 die beste deutsche Läuferin über die 1500 m, gewann in diesen Jahren alle fünf Freilufttitel bei Deutschen Meisterschaften. WM- und EM-Teilnehmerin, Juniorenvizeweltmeisterin und Weltcup-Dritte von 2002, auch international mischte sie gut mit. In ihrem besten Jahr 2001 stellte sie mit 4:04,27 eine Bestzeit auf, die seitdem von keiner deutschen Läuferin mehr erreicht wurde.
Kathleen Friedrich (Foto: Theo Kiefner)
So ehrgeizig, wie sie sich auf der Laufbahn präsentierte, nahm sie danach auch ihre berufliche Entwicklung in Angriff. Dabei gab ein Besuch bei der Leichtathletik-WM in Paris im Jahr 2003 den entscheidenden Impuls. „ In jenem Jahr war ich verletzt, konnte nicht aktiv teilnehmen. Aber ich fuhr als Touristin hin“, erzählt sie. „ Es ergab sich, daß ich dort einige meiner heutigen Kollegen bei der ARD traf und eingeladen wurde, mich einmal bei ihnen umzuschauen.“ Kathleen fand alles so interessant, daß sie sich anschließend entschied, in Potsdam „Europäische Medienwissenschaften“ zu studieren. „Ich zog zurück in meine Heimatstadt Potsdam, schrieb mich an der Uni ein und war fortan Studentin. Nebenher fotografierte ich bereits hobbymäßig“.
Schnell fand sie Gefallen an dem gewählten Studiengang. Oft auch philosophisch angelegt, war er nicht nur auf ein spezielles Gebiet ausgerichtet, sondern bot viel Freiraum, sich in sämtlichen medialen Bereichen auszuprobieren. Dazu gehörten zum Beispiel das Gestalten und Programmieren von Websiten, das Verfassen von journalistischen Texten oder auch das Experimentieren mit Ton und Bild. Kathleen Friedrich hatte am Ende des Studiums zwei Titel in der Tasche: den Bachelor und den Master of Arts.
Noch während des Studiums knüpfte sie feste Bande zum Fernsehen. „Seit 2005 bin ich durchgängig für die ARD als Kommentar-Assistentin innerhalb der Leichtathletik zuständig, als Assistentin der Kommentatoren Ralf Scholt und Wilfried Hark.“ Immer, wenn die ARD Leichtathletik überträgt, ist die 39-Jährige dabei. „Das Schöne daran ist, daß ich weiterhin die Verbindung zur Leichtathletik behalte, auch wenn ich mich aus dem aktiven Sport 2006 verabschiedet habe. Meine Liebe zur Leichtathletik ist ja weiterhin ungebrochen. Mittlerweile kann ich meine beiden Berufsfelder auch miteinander verbinden. Zum Beispiel habe ich im Oktober Sprinterin Rebekka Haase porträtiert.“
Sprinterin Rebekka Haase
Und da sind wir bei ihrem Hauptberuf. Kathleen Friedrich ist Fotografin, mit Leib und Seele. Nach nunmehr zehn intensiven Jahren sagt sie voller Inbrunst: „Es ist mir eine Herzensangelegenheit“.
Wie in jedem selbständigen Beruf waren die Anfänge nicht leicht. „Ich hatte damals keinen ausgereiften Businessplan und habe sehr viel intuitiv gehandelt.“ Sie ging zum Gewerbeamt, meldete sich dort als Fotografin an und baute fortan ihre Selbständigkeit auf. Schnell fand sie ihre Spezialgebiete: Porträts, Hochzeiten, Werbeaufnahmen und Eventaufnahmen.
Zunächst arbeitete sie von zuhause aus. Dann mietete sie Studios an, zog später in ein eigenes Studio auf einem Hinterhof und ist nun seit drei Jahren in diesem exzellenten Studio in Potsdams Innenstadt gelandet.
Kamen anfangs die Aufträge vor allem durch Mundpropaganda, ist das jetzt etwas einfacher geworden. „Ich habe mir ein sehr gutes Netzwerk aufgebaut, mit Grafikern, mit Webdesignern, eben mit anderen kreativen Leuten und Geschäftspartnern.“ Man empfiehlt sich gegenseitig. Und sie betont ihre sehr gute Kundenbindung. „ Für viele bin ich die Haus-und Hoffotografin, sowohl für Firmen als auch für Familien.“
Ihre Referenzenliste ist groß. „ Einer meiner ersten Betriebe war die Mittelbrandenburgische Sparkasse, auch die Ärztekammer Berlin oder die Stadtwerke Potsdam sind dauerhafte Kunden von mir“. Aber auch für größere Unternehmen wie Vattenfall, Amazon oder Kärcher hat sie schon gearbeitet (weitere Referenzen auf der Homepage: www.kathleen-friedrich.de).
Eine der vielen Werbeaufnahmen
Getan hat sie viel dafür. Neben ihren Abschlüssen im Bereich Medienwissenschaft absolvierte sie ein Fernstudium Fotografie und eignete sie sich vieles im Arbeitsprozeß an. „Mit Blende arbeiten, mit Belichtungszeiten, Farbtemperaturen, Isowerten, das sind ja nur die Grundvoraussetzungen,“ erzählt sie. „Die Arbeit mit einer Lampe, mit zwei oder drei Lampen, mit Dauerlicht, Blitzlicht, Reflektor, mit sehr unterschiedlichen Objektiven, all das gehört dazu und zeichnen dieses komplexe Handwerk aus.“ Ein Kunsthandwerk, möchte man hinzufügen.
Ganz allein aber ist sie nicht in ihrem Studio. „ Ich habe derzeit zwei junge, freie Mitarbeiterinnen, die mich bei der Bildverarbeitung unterstützen. Und neben mir sitzt mit Kathi Nicolaus eine Kollegin, die Web- und Grafikdesign macht, aber selbständig ist und ein eigenes Betätigungsfeld hat. Weil wir sehr spezialisiert sind, können wir uns, was unsere Produkte angeht, auch wirklich voneinander abheben. Ich halte nichts davon, wenn einer alles kann. So gut kann er es nie können.“
Kathleen Friedrich charakterisiert sich selbst so: „Ich will mich einfach immer verbessern, liebe es, näher an die Perfektion heranzukommen. Und das bedeutet keinen Druck für mich, sondern es ist einfach ein tolles Ziel.“
Und sie fügt auch hinzu, daß es Unterschiede zwischen dem Sport und dem Fotografen-Beruf gibt. „ Beim Sport ist die Verbesserung schon allein durch das Alter eingeschränkt. Irgendwann erreicht man körperlich den Zenit. Das ist beim Fotografieren einfach noch anders. Das Ende ist viel offener. Es kann sein, daß ich mein bestes Foto mit 90 Jahren machen werde. Es ist eben das Schöne, daß ich jetzt ein Feld gefunden habe, wo ich mich noch mehr austoben kann als im Sport.“
Laufbestzeit beim ISTAF 2001
Zum Sport war sie durch ihre Eltern gekommen. Die Mutter war Sportlehrerin und der Vater ein guter 400-m-Läufer. „ Es kristallisierte sich sehr schnell heraus, daß ich Läuferin werden würde. Da war ich einfach am besten.“ So landete sie schnell bei den Mittelstrecken, bald auch bei Trainer Bernd Dießner. Doch ihre Entwicklung vollzog sich danach nicht reibungslos.
„Wenn die Wende nicht gekommen wäre, hätte ich nicht weiter Sport betrieben,“ erinnert sie sich. „ Vom DDR-System wurde ich 1988 aussortiert, hatte die Aufnahmeprüfung für die Kinder-und Jugendsportschule in Berlin nicht bestanden.“ Ein Jahr später kam die Wende. Ihr Trainer Bernd Dießner wechselte nach Chemnitz zum LAC Erdgas Chemnitz und sie ging mit. Von dann führte ihr sportlicher Weg nach oben.
Kathleen Friedrich holte sich in der Folgezeit fünf Deutsche Meistertitel über 1500 m, lief 2001 beim ISTAF in Berlin mit 4:04,27 min ihre Bestzeit. Seitdem ist keine deutsche Läuferin schneller gelaufen. Nur Corinna Harrer kam ihr 2012 mit 4:04,30 min recht nahe und jetzt schickt sich Constanze Klosterhalfen an, in diese Region hineinzulaufen. „ Sie halte ich gegenwärtig auch am ehesten in der Lage, mal ein 4:03 zu laufen“, meint Kathleen Friedrich.
Konnte mit der Weltspitze mithalten
2001 war jedenfalls ihr bestes Jahr. Doch die Krönung bei der Weltmeisterschaft im kanadischen Edmonton blieb aus. Im Halbfinale kam sie 150 m vor Schluß durch eine Konkurrentin zu Fall und stieg aus. „Das war ein Fehler, denn ich hätte nur ins Ziel kommen und dann Protest einlegen müssen. Das war mir zu dem Zeitpunkt leider nicht klar.“ Daß sie mit der Weltspitze mithalten konnte, wies sie 2001 mit vierten Plätzen eben beim ISTAF und in Zürich nach.
„ Auch wenn es neben der Silbermedaille bei der Juniorenweltmeisterschaft und dem dritten Platz beim Weltcup 2003 zu keiner weiteren internationalen Medaille gereicht hat, habe ich mit meiner Laufkarriere absolut Frieden geschlossen“.
Duale Laufbahn wäre besser gewesen
Rückblickend meint Kathleen Friedrich, daß es für sie besser gewesen wäre, wenn sie die duale Laufbahn eingeschlagen hätte. „Ich hätte etwas für den Kopf tun, mein Studium eher beginnen sollen. Ich bin einfach ein Denker und kann nicht aufhören zu denken. Deshalb muß ich meinem Kopf ständig „Futter“ geben. Ansonsten zerpflückt er Dinge, wo es nicht erforderlich ist.“ Doch sie räumt auch ein, daß das jeder für sich entscheiden muß. Um auch international ganz vorn zu landen, so mutmaßt sie im Nachhinein, wäre auch ein Mentaltrainer gut gewesen. „Doch damals war die Zeit dafür noch nicht reif oder erst in den Startlöchern. Es war eher ein bißchen verpönt“. Kathleen Friedrich betont, dass Bernd Dießner ein hervorragender Trainer gewesen ist. „Vielleicht hätten wir an ein bis zwei Stellschrauben drehen können, aber große Fehler haben wir nicht gemacht.“
Auf die Frage, ob vielleicht auch Doping der Konkurrenz ihr geschadet habe, antwortet sie vorsichtig. „Ich möchte dieses Thema nicht extra hervorheben, auf keinen Fall pauschal verdächtigen. Aber einiges gab mir doch zu denken“. Und sie führt den Fall der Türkin Süreyya Ayhan an, die 2001 in Edmonton als Achte hinter sieben Europäerinnen 4:08,17 min gelaufen war und ein Jahr später in München in 3:58,79 min Europameisterin wurde. Zwei Jahre später wurde die Türkin des Dopings überführt.
Gelernt, über ihre Grenzen zu gehen
Aber weil sie mit ihrer aktiven sportlichen Karriere vor zehn Jahren abgeschlossen hat, schaut sie nicht mehr allzu sehr zurück und wenn, hebt sie das Positive von damals hervor: „ Ich habe vom Sport gelernt, über meine Grenzen zu gehen. Manche Aufgaben sind heute sehr anstrengend und ich kann dann auch durchziehen. Von mir wird ein Kunde nie hören, dass ich k.o. bin.“
Aber dafür muss sie sich auch fit halten. „Zehn Stunden lang eine Hochzeit fotografieren, mit einer Kamera plus schwerem Objektiv auf der Schulter bzw. in der Hand, ist auch körperlich anstrengend.“ Sie gibt mir eine solche Kamera in die Hand und ich kann es gut nachfühlen. Deshalb geht sie regelmäßig ins Fitneßstudio, joggt durch die Gegend und macht etwas ganz besonderes: einmal pro Woche geht sie mit ihrem Freund Ingo Opitz in die Tanzschule. „Da ist dann alles im Programm: Standard, Latein, Walzer , Foxtrott, Jive, Rumba, Chachacha. Und es gefällt mir, weil ich hier mit meinem Partner das Künstlerisch-Ästhetische in Kombination mit Bewegung ausleben kann.“
Vieles in ihrem Leben spielt sich aber rund um die Fotografie ab. „ Es ist ähnlich wie vorher beim Sport, es ist sehr ausfüllend. Ich arbeite viel und das sehe ich auch nicht als Belastung“. Aber trotzdem oder gerade deswegen genießt sie auch andere Momente. „ Wir gehen sehr gern zusammen esse. Ich bin auch ein Genußmensch. Ich würde auch in eine Stadt fahren, die eigentlich nichtssagend ist, wenn dort ein gutes Restaurant ist. Das Genießen hat sich bei mir durch den Sport verstärkt.“
Fotografie ist Miteinander
Zum Abschluß unseres zweistündigen Gespräches weist Kathleen Friedrich noch auf einen wesentlichen Unterschied hin: „ Der Leistungssport war eindeutig ein Gegeneinander. Die Fotografie aber ist ein Miteinander. Nur wenn ich meinem Gegenüber ein gutes Gefühl gebe, wird es auch ein gutes Foto.“
Und so glaubt man auch ihrer Philosophie, die sie auf ihrer Homepage kundtut: „Ich liebe es, das Schöne zu entdecken und es mit Gefühl und Einfühlungsvermögen zum Strahlen zu bringen. Die Begegnung auf Augenhöhe, das Gestalten mit Licht, Farbe und Form sowie das Einfangen von besonderen Momenten stehen im Fokus meiner Arbeit.“
Peter Grau