Christoph Harting – ein Olympiasieg ohne Worte

 

Wie beschreibt man einen Olympiasieg im Diskuswurf Mit Worten. Und normal ist dann, wenn der Sieger auch etwas sagt. Bei den Hartings ist das total unterschiedlich. Robert, der Ältere, der Extrovertierte, spielt mit den Worten.  Christoph, der sechs Jahre  Jüngere, der Introvertierte, läßt allein seine Wurfkunst reden.

Bisher wartete Diskuswerfer Christoph Harting geduldig auf den großen Wurf. Bei der WM 2013 in Moskau verpaßte er nur um 17 Zentimeter das Finale, bei der EM 2016 in Amsterdam fehlten 14 Zentimeter zu Bronze. Zuletzt, so hört man, fand er eine professionellere Einstellung zu seinem Sport, nachdem er  früher alles etwas lockerer nahm. Und er stellte auch seine Wurftechnik um, wirft nun nicht mehr aus dem Stützabwurf wie sein Bruder, sondern springt am Ende mit den Füßen um.  Nun hat all das bei den Olympischen Sommerspielen in  Rio Früchte getragen. Und das in einem spektakulären Wettkampf. Ohne Robert Harting, der die Quali nicht überstanden hatte, schien der Pole Piotr Malachowski der Topfavorit zu sein. Er wurde dieser Rolle auch lange gerecht, hielt das Gold nach fünf Durchgängen mit einer Weite von 67,55 m  schon fast in den Händen. Wäre da nicht ein Harting gewesen. Christoph Harting, der 2,07-m-Riese vom SCC Berlin, zelebrierte den Super-Wurf seiner bisherigen Karriere im letzten Durchgang. Die Zwei-Kilo-Scheibe flog auf die neue persönliche Bestweite von 68,37 m.  Es war der Goldwurf. Der Pole konnte nicht mehr kontern und der Wattenscheider Daniel Jasinski, genannt Jasse, war mit dem Bronze-Wurf von 67,05 m  sowieso im siebenten Himmel.

Christoph Harting hat lange auf diesen Erfolg gewartet. Wie Robert Harting von Torsten Lönnfors trainiert, war er sich diesmal seiner Sache sicher. „ Vor dem letzten Versuch dachte ich:  Das ist meine Bühne, das ist mein Stadion. Den Sieg nimmt mir keiner weg“. Entsprechend zelebrierte er den Sieg, kostete seinen Sieg aus.  Und sorgte anschließend für reichlich Verwirrung, ja Unverständnis wegen seines Verhaltens bei der Siegerehrung.

 

Christoph Harting

Diskuswurf  I  Männer

Alter: 25 Jahre

Land: Deutschland

Bestleistung: 68,37 m

Erfolge:  Olympiasieger 2016, Vierter EM 2016, Achter WM 2015, Zweiter DM 2016, Deutscher Meister 2015

 

Auf der offiziellen Pressekonferenz legte Christoph Harting dar, daß er nicht die Öffentlichkeit suche, und daß es ihm vollkommen egal sei, was die Journalisten von ihm denken. „Ich muß vor keinem von Ihnen versuchen, besonders gut dazustehen. Was Sie über mich denken, ist mir vollkommen egal“.  Mit diesen Worten und vorher mit seiner präzise durchgezogenen Haltung, keine Interviews zu geben, löste er natürlich bei den Journalisten kein Wohlgefallen aus. Es war abzusehen, daß er dafür bald die Quittung bekommen würde. Und die kam sowohl im Netz als auch in den Medien, in Funk, Fernsehen und Presse. Vor allem sein Verhalten bei der Nationalhymne stieß bei fast allen auf Unverständnis.

Ein wenig war Christoph Harting dann doch überrascht von der Negativreaktion der Öffentlichkeit und versuchte, sein Verhalten zu erklären:

Olympiasieger Harting: „Stillstehen war nicht so meins“

Christoph Harting (25) hat seinen viel diskutierten Auftritt bei der Siegerehrung nach seinem Diskus-Olympiasieg in Rio erklärt. „Wie bereitet man sich darauf vor, Olympiasieger zu werden? Ich meine, selbst bei aller Tagträumerei, die man irgendwie vollziehen kann – sowas kannst du dir nicht vorstellen, sowas kannst du dir nicht ausmalen“, sagte der Berliner in einem Interview der ARD. „Ich meine, die haben die Hymne nur für mich gespielt. Es war unfassbar“, sagte Christoph Harting. „Stillstehen war nicht so meins, deswegen ist das vielleicht falsch angekommen.“ Er hatte geschunkelt und gefeixt, als die Nationalhymne gespielt worden war. Sein befremdliches Verhalten löste große Kritik aus. „Du bist auch noch halb im Wettkampfmodus, du bist im Kopf eigentlich völlig woanders, du bist hormon-technisch völlig übersteuert. Damit umzugehen ist natürlich eine Kunst für sich“, so Harting.

Mein Schlußfazit:

Es war für den wohlwollenden Betrachter ein Wechselbad der Gefühle. Zuerst der Jubel über einen grandiosen sportlichen Erfolg eines Athleten, der einen großen Namen trägt, und dann die Enttäuschung darüber, wie er sich danach verhielt. Schade, daß es so endete, aber Christoph Harting hat es anscheinend so gewollt.

Peter Grau