Erinnerungen

Neues von Diskusolympiasieger Christoph Harting

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Christoph Harting

Mit allen Dreien, mit Christoph Harting, mit seinem Bruder Robert Harting und mit deren gemeinsamen Trainer Torsten Lönnefors  (früher Schmidt) hatte ich früher direkten Kontakt gehabt. Zunächst mit Robert Harting, den ich als Jugendlichen zunächst im Wurfhaus des Sportzentrum in Berlin-Hohenschönhausen traf und einige Jahre später  bei den Berliner Meisterschaften im Stadion Lichterfelde in Berlin-Wilmersdorf , wo er mich in einem längeren Gespräch sehr tief in seine Seele blicken ließ.

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Robert Harting

Seitdem sind wir uns oft über den Weg gelaufen, und er hat, wie es so seine Art ist, immer offen auf meine /unsere Fragen geantwortet.

Etwas anders war es bei seinem Bruder Christoph Harting. Ihn hatte ich einmal bei der Vorstellung des Berlin-Teams in der Berliner Spielbank am Potsdamer Platz gesprochen. Ich erinnere mich, daß es nicht ganz einfach war, von ihm etwas zu erfahren, aber im Laufe unserer Unterhaltung erfuhr ich das, was ich wissen wollte. Danach ergab sich nicht mehr die Gelegenheit, mit ihm zu sprechen, aber das lag allein daran, daß er mit seinen Leistungen zunächst nicht ganz oben ankam und meistens im Schatten seines Bruders stand.

Dann aber, als sich Christoph Harting immer mehr nach vorn schob,  war ich nicht mehr in die aktuelle Berichterstattung eingebunden. So wurde mir auch das Jahr 2016 erspart, als Christoph, aus welchen Gründen auch immer, die Journalisten mit Nichtachtung strafte und keine Interviews mehr gab.

Die Sprache wiedergefunden hatte er dann einige Wochen nach seinem Olympiaerfolg von Rio.  Mein Kollege Jan-Henner Reitze von leichtathletik.de  gelang das erste Interview nach der „Sendepause“.

Trainerwechsel

Zwischen und mit beiden Diskusriesen agierte Trainer  Torsten Lönnfors (früher Schmidt). Ihn hatte ich früher in seiner aktiven Zeit vor allem deshalb in Erinnerung, als er im Winter keine Wettkämpfe für die Diskuswerfer im Freien gab und er sich deshalb an den Kugelstoßwettbewerben in der Halle beteiligte und ich ihn in der Rudolf-Harbig-Halle in Berlin sprechen konnte.

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Torsten Lönnfors (mit Sonnenbrille) bei den Hallenser Werfertagen

Nun, im Jahre 2017, ist alles etwas anders geworden.  Torsten Lönnfors trainiert zwar weiter Christoph Harting, aber Robert Harting und dessen Ehefrau Julia Harting (geb. Fischer) werden nun von Marko Badura betreut, der von Leipzig nach Berlin wechselte.

 

Über den aktuellen Stand hat sich mein Kollege Michael Reinsch von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ)  mit Trainer Torsten Lönnefors unterhalten und am 3. Januar 2017 dazu einen Beitrag in der FAZ veröffentlicht.

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Michael Reinsch (FAZ)

 

Diskuswurf-Olympiasieger Harting plant das nächste verrückte Ding

Die Arbeit sei nicht leichter geworden, sagt Torsten Lönnfors. Vielleicht kann  man sagen, sie ist etwas entspannter geworden. Die Spannung ist raus aus dem täglichen Geschäft“. Der Berliner Diskus-Trainer betreut statt zwei Hartings nur noch einen, statt den einen Olympiasieger den anderen.

Lesen Sie weiter unter

http://www.faz.net/aktuell/sport/mehr-sport/diskuswurf-olympiasieger-will-80-meter-weit-werfen-14592488.html

 

Amsterdamer Impressionen

Die Europameisterschaften der Leichtathleten in Amsterdam sind nun schon seit fast einer Woche Vergangenheit. Aber für die, die dabei waren und für die, die alles am Fernseher verfolgt haben, wirken sie noch nach. Mein Journalisten-Kollege Olaf Brockmann war wie so oft direkt am Ort, und er hat nebenher einiges Sehenswerte aus Amsterdam mit seiner Kamera erfaßt.  Schwelgen wir gemeinsam in den Erinnerungen.  (bitte einmal auf die Fotos klicken).

Amster Stadion

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Als Zuschauer 1928 bei den Olympischen Spielen in Amsterdam

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Vom 6. Juli bis 10. Juli 2016 finden in Amsterdam die Europameisterschaften der Leichtathleten statt, und zwar in dem Stadion, das 1928 als Wettkampfstätte für die Olympischen Spiele diente.

Als gestern mein Wiener Journalistenkollege Olaf Brockmann ein Foto vom Olympiastadion Amsterdam aus dem Jahre 1928 postete, erinnerte ich mich sofort daran, daß mein Vater Walter Grau als Zuschauer auch bei diesen Olympischen Spielen zugegen war. Er hat mir zwar nie davon erzählen können, weil er aus dem 2. Weltkrieg nicht mehr zurückkam, aber ich fand kürzlich einige Fotos, die er damals gemacht hatte. Zwar ist die Qualität der Fotos nicht mit heutigen Maßstäben zu messen, aber sie sind immerhin ein Zeitdokument.

Zunächst bannte er zweimal Langstreckler Paaovo Nurmi auf seinen Film und schrieb dazu, daß dieser im 5000-m-Lauf gerade wieder Konkurrenten überrundet.

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Aber es reichte für den Finnen in 14:40,0 min „nur“ zum zweiten Platz hinter seinem finnischen Landsmann Ville Ritola (14:38,0).  Dafür drehte Nurmi dann über 10.000 m den Spieß um und holte sich in 30:18,8 min Gold.

Nurmi war zu dieser Zeit in aller Munde, und ich erinnere mich, daß wir in der Schule auch „so schnell wie Nurmi“ laufen wollten.  Später begegnete ich Nurmi nochmals, allerdings in Stein, als Denkmal vor dem Stadion in Helsinki.

 

Damals 1994 war ich Berichterstatter bei den Europameisterschaften der Leichtathleten.

Und nochmals kam mir der Name „Nurmi“ unter. Das war allerdings in einem unerfreulichen Zusammenhang. Als vom Staatssicherheitsdienst der DDR über mich eine Akte angelegt wurde, wählte man für meine Person den Namen „Nurmi“, wohl wegen meiner damaligen intensiven Lauf – und  Marathonambitionen.

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Doch zurück ins Jahr 1928. Warum war mein Vater überhaupt nach Amsterdam gefahren? Wie ich aus Briefen und durch Fotos mitbekam, war er schon von Jugend an sehr sportinteressiert. Alles, was irgendwie möglich war, betrieb er. Ob es nun der Skisport war, der Segelsport oder der Hockeysport, er schien alles auszuprobieren. Stolz war er u.a. auf die Besteigung des Großglockners (mein Vater links):

Vater Großglockner

Viel Gefallen fand er auch an Mannschaftssportarten, so vor allem am Hockeysport, der damals noch viel populärer war als heute:

Vater Hockeymannschaften

Die schönsten Erlebnisse hatte er wohl mit dem THC Apolda, dem Thüringer Hockeyclub Apolda. Hier bei einem Gastspiel in München (mein Vater erste Reihe, rechts):

Vater THC Apolda

Und mit dem Apoldaer Hockeyclub machte er sich auch auf die Reise nach Amsterdam:

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Apoldaer Hockeyclub vor der Abreise

Über  manche Fotos kann ich mir noch keinen Reim machen. So vom folgenden Foto, das meinen Vater (links) vor dem Zollamt in Bentheim zeigt:

Zollamt Bad Bentheim

Was wollte er dort? War es auf der Hinfahrt oder der Rückfahrt?  Gemeint ist wohl der Ort Bad Bentheim, der dicht an der niederländischen Grenze liegt.

Zu erkennen ist ein Gemälde, vielleicht ein teuerer „Holländer“? Bei uns zuhause aufgetaucht ist er nie, soweit ich mich erinnern kann.

Zu den anderen Fotos gibt es keinen roten „Erzählfaden“. Deshalb reihe ich sie so einfach aneinander, mit den Beschriftungen aus dem Fotoalbum.

Zunächst ein Foto von Helmut Körnig:

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Helmut Körnig (mein Vater schrieb Hellmuth Körnig) steht hier vor dem Trainingsquartier der Deutschen Olympiamannschaft. Körnig holte sich über 200 m die Bronzemedaille und als Schlußläufer der 4×100-m-Staffel Silber. Mit in dieser Staffel liegen Georg Lammers, Richard Corts und Hubert Houben.

 

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Grandhotel in Zandvoort, Trainings-Quartier der Deutschen Olympiamannschaft (rechts); links das Quartier der USA-Mannschaft und der kanadischen Olympiamannschaft auf einem großen Dampfer.

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Oben links:  Ablösung der Wache vor dem Königlichen Palais; Königliches Palais; Unten links: Die Kalverstraat, die schon damals sehr belebte Geschäftsstraße Amsterdams; daneben Blick auf den Centralbahnhof

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Links Hafengasse, rechts moderne Wohnbauten.

 

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Links Zoo in Amsterdam; rechts Markt.

 

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Am Nordseestrand in Zandvoort, wo man nach den Olympischen Spielen noch einige Tage Urlaub verlebte. Oben links Strandwagen; rechts daneben:  ein Teil der Hockeytruppe (mein Vater Zweiter von rechts); unten biegsame junge Damen.

Amsterdamer Hafen

Amsterdamer Hafen

 

Und dann noch zwei Fotos direkt zur Leichtathletik:

Schwarz-Rot-Gold weht am höchsten Mast. Lina Radke  hat die 800 m der Frauen gewonnen:

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Nochmals Helmut Körnig, u.a. Dritter im 200-m-Lauf,  vor dem Quartier in Zandvoort:

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Und somit haben wir wieder die Brücke (deren es in Amsterdam so viele gibt) zu den Leichtathletik-Europameisterschften, die morgen, am 6. Juli 2016 im Olympiastadion beginnen.

88 Jahre, nachdem mein Vater Walter Grau dort als Zuschauer weilte.

Peter Grau

Amsterdam EM klein Einführungsfoto

 

 

Kugelstoßerin Denise Hinrichs – Abschied und Ausblick

Jeder Abschied ist auch ein Anfang.  Und auch wenn ein Abschied manchmal  plötzlich und unerwartet kommt, kann es Gründe geben, die das Abschiednehmen geradezu herausfordern.

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Denise Hinrichs im Jahr 2015 (Foto:  Dirk Gantenberg)

 

Kugelstoßerin Denise Hinrichs hatte sich für dieses Jahr 2016 viel vorgenommen, wollte zur EM nach Amsterdam. Aber auch die Olympischen Spiele waren ein Ziel. „ Die Rio-Norm von 18,50 Metern ist happig, aber durchaus ein Thema,“  ließ sie im Herbst 2015 verlauten.

Doch es lief 2016 nicht wie gewünscht bei der Wattenscheiderin. Zwar versuchte sie es nochmals bei der Deutschen Meisterschaft in Kassel, aber ohne Erfolg.  Drei ungültige Versuche kamen für sie ins Protokoll.

Und am Montag darauf, dem 27. Juni,  las ich bei Facebook eine Nachricht von Denise Kunze. Ich wunderte mich, denn dieser Name war mir bisher nicht bekannt. Nach wenigen Sätzen und nach dem Wort „ Kugel“ fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Es mußte sich um Denise Hinrichs handeln.

Und das wurde bald noch deutlicher, als das folgende Hochzeitsfoto erschien:

Denise Kunze Hochzeitsfoto

Denise Hinrichs und ihr langjähriger Partner Thomas Kunze haben also geheiratet.

 

Davon, vom Abschied vom Sport, und von dem Hauptgrund des Abschieds informierte Denise also einen Tag nach Kassel in sehr emotionalen Worten Freunde und Bekannte im folgenden Facebook-Eintrag:

Veränderungen gehören zum Leben!

Es wird Zeit die Kugel in die Ecke zu legen und in die Zukunft zu blicken.
Bei den Deutschen Meisterschaften in Kassel habe ich meine Karriere mit xxx beendet. Nicht schön, doch irgendwie auch passend zu mir!

Ich habe eine wirklich tolle Zeit in der Welt des Sports erleben dürfen.1996 startete ich beim Schwaaner SV, 2000 wechselte ich nach Neubrandenburg ehe ich 2007, beim TV Wattenscheid, mein Glück fand.

Ich feierte Erfolge (U20/ U23 Europameisterin, Vizehalleneuropameisterin mit meiner Bestleistung von 19,63 m u.s.w, doch fiel ich oft und lernte was es heißt ‚immer wieder aufzustehen‘! Ich möchte gar nicht lamentieren ‚Was wäre wenn…‘- Nein, ich möchte ‚Danke‘ sagen:

Danke, lieber Miro – für 9 Jahre, in denen du nicht nur Trainer, sondern auch Motivator, Zuhörer und Freund geworden bist! 🙂

Danke, TV Wattenscheid– für 9 Jahre Treue in ‚Guten wie in schlechten Zeiten‘!

Danke, Dr.Carsten Radas– du hast wohl einen Einblick in meine Knie wie kein anderer 😉

Danke, Bundespolizei– mein Arbeitgeber steht seit 10 Jahren hinter mir und gibt/gab mir die nötige Sicherheit , den Leistungssport auszuüben!

Danke, liebe Familie und Freunde– ohne euch ist das Leben nur halb so schön!

Danke, mein lieber Ehemann Thomas -du musstest die letzten 5 Jahre so viel auf mich verzichten! Doch diese Zeit ist vorbei!

Danke an alle, die Teil unserer Hochzeit waren- Ihr habt diesen Tag wirklich unvergesslich werden lassen!
Lindi und Britta, ihr seid ganz tolle Freundinnen :-*

Und ganz zum Schluss freue ich mich über den schönsten und wichtigsten Grund, meine Karriere zu beenden! Mein Mann und ich erwarten im Dezember unseren Nachwuchs!

Wir freuen uns auf diesen Teil des Lebens und blicken freudig der Zukunft entgegen!

Danke an alle, die bis zum Schluss gelesen haben 😉

Denise

 

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Denise Hinrichs bei der Hallen-DM 2015 (Foto: Dirk Gantenberg)

 

Meine Begegnung mit Denise Hinrichs im Jahre 2011

Den sportlichen Weg von Denise Hinrichs habe ich sehr lange als Berichterstatter verfolgt. Und ich habe sie immer als eine  freundliche, auskunftsfreudige Athletin erlebt. Zuletzt, und das sehr ausgiebig, beim einem Mittagessen im Athletenhotel, vor dem Kugelstoßmeeting in Nordhausen. Das war im Jahre 2011 und auch damals erzählte sie einiges über ihre Verletzungssorgen. Da konnte ich noch nicht ahnen, daß dann am Wettkampfabend neue Sorgen hinzukamen. Der erste Kreuzbandriß ereilte sie und ich fühlte mich ein wenig schuldig, weil ich wenige Stunden zuvor mit ihr dieses lange Gespräch geführt habe. Seitdem habe ich es in der Regel unterlassen, mit Athleten vor dem Wettkampf zu plaudern.

Als ich jetzt Denise von meinen Schuldgefühlen berichtete, erteilte sie mir  gewissermaßen Absolution:  „Du musst dir da keine Vorwürfe machen. Mein Körper hat diese Schnellkraftsportart nicht so verkraftet.“

 

Soweit der Blick in die Vergangenheit. Und er wird unterstützt durch den Artikel, den ich damals 2011 nach dem Kugelstoßmeeting in Nordhausen für die Zeitschrift „Leichtathletik“ schrieb:

 

Denise Hinrichs erlitt Kreuzbandriss

Die Hallen-Vizeeuropameisterin Denise Hinrichs zog sich beim Kugelstoßmeeting in Nordhausen einen Riss des vorderen Kreuzbandes im linken Knie zu. Am 17. Februar soll sie operiert werden.

So schnell schlägt das Schicksal manchmal zu. Denise Hinrichs (TV Wattenscheid 01) war voller Optimismus, der Wettkampf begann mit 17,81 Metern auch recht gut. „ Doch beim zweiten Versuch knackte es im Knie. Weil der Schmerz  nachließ, versuchte ich es nochmal, aber da hatte ich überhaupt keine Kontrolle mehr über das Knie und es tat auch sehr weh.“  Zwar ergab die erste Arztkontrolle in der Halle erstmal leichte Entwarnung, doch im Trainingslager in Kienbaum, wo sie anschließend mit ihrem Trainer Miroslaw Jasinski hingefahren war, kam der Schmerz zurück. Bei der Untersuchung im Berliner Unfallkrankenhaus wurde dann erstmals der Verdacht auf einen Kreuzbandriss geäußert und in Sendenhorst durch Dr. Carsten Radas bestätigt.

Zuversicht beim Mittagessen

Fünf Stunden vor dem Wettkampf hatte die Welt für die freundliche Athletin noch rosig ausgesehen.  Entspannt ließ sie sich im Athletenhotel das Mittagessen munden, nur am Eis hatte sie etwas auszusetzen. „Ich mag Schokoladeneis nicht, ebenso wenig wie Schokoladenpudding. Dafür aber  reine Schokolade“. Im Nachhinein eine Randnotiz, unwichtig im Vergleich zu gesundheitlichen Problemen.

Und über die erzählte die gebürtige Rostockerin ausführlich. Ihre sportliche Karriere hatte  2009 mit dem 2. Platz bei der Hallen-EM in Turin, dem 11. Platz bei der WM in Berlin und den beiden Bestleistungen von 19,63 Metern in der Halle und 19,47 Metern im Freien ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. Beruflich konnte sie den Abschluss der Ausbildung bei der Bundespolizei in Cottbus als Erfolg vermelden. Aber danach lief bei der Polizeimeisterin im mittleren Dienst nicht alles rund.

„ Auf die Hallensaison 2010 hatten wir verzichtet, wegen der Ausbildung und auch deshalb, weil in Cottbus die Trainingshalle abgerissen worden war. Wir trainierten dann für die Sommersaison in Kienbaum, aber dort fing ich mir einen Norovirus ein. Bis Anfang Juni hatte mein Körper damit zu tun.“ Aber das war noch nicht alles. „Es traten, wie schon 2009, wieder Probleme zwischen Knie und Wade auf, die mich in der maximalen Belastung behinderten.“ Die Ärzte waren nicht sicher, woher die Probleme rührten, auf den MRT-Bildern war es nicht zu erkennen.  „Die Probleme blieben, meine Technik verschlechterte sich.“  Mit dem 8. Platz bei der EM in Barcelona (18,48 m) musste sie also noch zufrieden sein.

Im September 2010 ließ sich Denise Hinrichs am Knie operieren, stieg danach ins Training ein, doch im Dezember 2010 meldete sich die Wade erneut. Kurz vor dem Nordhausen-Meeting  war sie eine Woche im St. Joseph-Stift in Sendenhorst bei Münster,  dort, wo viele Athleten Linderung ihrer Schmerzen und kompetente Diagnosen suchen. Neue Hoffnung keimte.„ Dr. Radas als Arzt und Peter Müller als Physiotherapeut haben  nun wohl die Ursache für die Schmerzen gefunden, „ berichtete Denise Hinrichs und erläuterte den medizinischen Stand: „Hinter dem Kreuzband hat sich Kapselflüssigkeit gebildet, die sich verhärtet und bei Maximalbelastung in die Muskulatur drückt. Das wurde angespritzt und seit einer Woche bin ich nun schmerzfrei und hoffe, dass es so bleibt.“  Fünf Stunden später aber wusste sie, dass diese Hoffnung trog.

Dabei hatte die 1,80 m große Athletin, die von 2000 bis 2007 bei Gerald Bergmann in Neubrandenburg trainierte,  seitdem in Bochum –Wattenscheid wohnt und dort von Miroslaw Jasinski betreut wird, schon große sportliche Pläne geschmiedet.

„ Natürlich will ich zur Hallen-EM und zur WM nach Südkorea, und in der Weite will ich einfach noch eine Schippe drauflegen, auch in Richtung Olympia 2012“. Und Trainer Jasinski ergänzte: „Sicher sind auch die 20 m nicht unmöglich.  Und damit kann man jeden Wettkampf vorn mitbestimmen.“

Nun also dieser Rückschlag. „Es wird ein langwieriger Prozess werden. Aber ich werde noch stärker zurückkommen,“ macht sich Denise Hinrichs Mut. Und sicher hilft der Polizeimeisterin  dabei mental auch, dass sie ab Oktober 2010  ein Studium der Politikwissenschaften beginnen wird.

Peter Grau

(veröffentlicht in der Zeitschrift „Leichtathletik“ im Februar 2011)

Bei der Hallen-WM 1995 in Barcelona – Probleme mit Modem und Telefon

Barcelona klein Presseausweis vorn

Barcelona klein Presseausweis hinten

Die diesjährigen Hallen-Weltmeisterschaften der Leichtathleten in Portland (USA) bekam ich nur im Fernsehen und im Internet mit, war also nicht vor Ort. Aber immerhin darf ich meine Erinnerungen schweifen lassen, einige Jahre zurück, als ich selbst noch von solchen Großereignissen berichten durfte.

Ob bei den Hallen-Weltmeisterschaften 1995 in Barcelona und 1997 in Paris, ob bei den Hallen-Europameisterschaften 1994 in Paris und 1996 in Stockholm, immer hat mir die Hallenatmosphäre sehr gefallen. Da brauchte ich keinen Feldstecher, um wie bei manchen Freiluftveranstaltungen die einzelnen Athleten erkennen zu können. Hautnah war das in der Halle für mich, und genauso wichtig, auch für das Publikum.

Schwierig war damals für uns vor allem der Kampf mit der Technik. Und da meine ich nicht die Notebooks, die wir alle bereits besaßen, und die uns auch wenig Probleme beim Schreiben bereiteten. Komplizierter aber war es, das Ganze dann an die Heimatredaktionen zu überspielen. Ich habe diese ersten Zeiten mitgemacht, als das Modem Trumpf war. Es gab weder die kleinen Sticks, mit denen man ins Internet hineinkam, noch das WLAN.
Nicht alle hatten solch ein Modem am Anfang. So erinnere ich mich, daß ich der Einzige war, der ein Modem besaß und deshalb von allen anderen, die für die Zeitschrift „Leichtathletik“ schrieben, die Berichte bekam und sie überspielen sollte. Nur gut, daß damals die Viren noch nicht so verbreitet waren. Aber auch so war es nicht einfach, denn zunächst mußte man sich den Gegebenheiten des Gastgeberlandes anpassen, ob es nun der ganz normale Stecker für die Stromsteckdosen war, denn man erst in der Stadt kaufen mußte, oder aber die Telefonzellen im Pressezentrum, in denen man auf engstem Raum Computer plus Modem ausbreiten mußte.
Und manchmal kam es sogar zu privaten Problemen. In Barcelona war ich an einem der Tage sehr lange mit dem Überspielen beschäftigt, konnte auch meiner Frau, die als Zuschauerin mitgereist war, nicht mitteilen, wann ich fertig sein würde (Handys gab es da noch lange nicht). So saß ich im Streß noch in der leeren Halle, während sich meine Frau, die keinen Zutritt zum Pressezentrum hatte, allein auf den Heimweg machte. Ein wenig hing dann der Haussegen schief, aber Gottseidank nicht lange.

Aber in Erinnerung habe ich auch, daß damals immer sehr viele Journalisten der einzelnen Zeitungen dabei waren, und das wir uns nicht nur im Pressezentrum sahen und sprachen, sondern dann auch in den sogenannten Deutschen Häusern. Das waren die Häuser, in denen wir Journalisten, die Athleten, Trainer und Funktionäre endlich nach den Mühen des Tages Speis und Trank bekamen…

WM 1995 Göteborg

Im Deutschen Haus bei der Freiluft-WM 1995 in Göteborg ( Peter Grau, Eberhard Thonfeld, Klaus Weise v. links)

Wie geht man mit dem Fakt Doping um?

An Dopingmeldungen aus der Leichtathletik hatte man sich fast gewöhnt, doch die Praktiken der IAAF um den Präsidenten Diack sind für viele unfaßbar gewesen. Und irgendwie weiß man kaum mehr, wie man damit umgehen soll, vor allem, wie die aktiven Leichtathleten noch ihren Sport unbeschwert ausüben können. Kritisches dazu hat kürzlich Robert Harting in seinem Interview mit dem „Bonner Generalanzeiger“ geäußert (siehe Treffs mit Leichtathleten: Über Wiederbeginn, Doping-Frust und Machtlosigkeit).

Langsam verliert man auch die Übersicht, wer wann und wie lange wegen Dopings gesperrt war. So ging es mir auch, als ich die Geschichte über die Plätzers in Norwegen schrieb. Hinterher monierte ein Leser, daß ich nicht extra angemerkt habe, daß Erik Tysse schon mal zwei Jahre wegen Dopings gesperrt war. Ich konnte mich daran einfach nicht mehr erinnern, auch weil ich damals nicht mehr über die Geher schrieb. Ich googelte daraufhin und versuchte, mich durch diesen Fall durchzukämpfen, scheiterte allerdings am Ende an der Fülle des Materials. Mir wurde nur klar, daß es kein normaler Fall war (was aber ist da schon normal?). Der monierende Leser bestätigte das auch: „Ja, ich weiß, dass der Fall Tysse kein einfacher war. Trotzdem ist er gesperrt geblieben. Ob zu Recht oder zu Unrecht, können wir beide nicht beurteilen.“

Wie soll man nun damit in Zukunft umgehen? Wenn ich von einer Dopingsperre weiß, werde ich bei Interviews immer danach fragen, zumindestens aber den Fakt anmerken. Schwieriger wird es, wenn der Interviewpartner nie positiv getestet wurde. Eigentlich gilt dann die Unschuldsvermutung, doch das ist beispielsweise bei DDR-Athleten anders, weil sie unter Generalverdacht stehen. Aus eigenem journalistischem Erleben habe ich keine Erfahrungen damit, weil ich damals nur selten über den Hochleistungssport schreiben durfte und auch nur einmal hellhörig wurde. Das war bei einem Abschlußsportfest vor einem internationalen Großereignis im Berliner Dynamo-Sportforum, als Diskuswerferin Ilke Wyludda sehr weit warf und wir hinterher angehalten wurden, nicht darüber zu berichten. Ein wenig machten wir uns Gedanken, doch diskutiert wurde später nicht mehr darüber.
Das aber ist in der heutigen Zeit ganz anders. Heute darf jeder seine Meinung sagen, und das ist auch gut so. Leichter wird es aber auf keinen Fall, sich eine Meinung zu bilden, denn man ist leider nur auf Informationen von außen angewiesen. Und leichter wird es auch nicht für die Leichtathletik.

Tegla Lourupe: Laufschuhe statt Kalaschnikows


FAZ-Korrespondent Michael Reinsch hat mir auf meinen Beitrag über Manager Volker Wagner eine recht kritische Wertung sowohl des Films „ The Long Distance“ als auch vor allem des Agierens des Mana
gers geschrieben. Er hat sich 2012 mit Tegla Loroupe, einem der Schützlinge von Volker Wagner, beschäftigt und dabei große Sympathie zu der Kenianerin entwickelt.
Lesen Sie Auszüge aus seinem FAZ-Artikel vom 2. 4.2012:

Kenias Laufstar Tegla Loroupe hat ihre Sportkarriere genutzt, die Fesseln einer archaischen Gesellschaft zu sprengen und Hoffnung zu stiften. Doch ein Kampf überfordert auch sie – der mit dem deutschen Fiskus.
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KAPENGURIA. Mit Räubern und Kriegstreibern nimmt es diese zierliche Frau von 1,55 Meter Größe auf, auch mit rückwärtsgewandter Politik und menschenverachtender Tradition, mit Korruption und Dummheit. Die drei Weltmeisterschaften im Halbmarathon, die sie gewann, die zwei Weltrekorde im Marathon, die sie aufstellte, ihre Siege in New York und London, in Berlin und Boston, in Rotterdam, Rom und Hongkong erscheinen nur als Aufwärmübungen in Kraft und Zähigkeit, wenn man sieht, was diese Frau, gegen viele Widerstände, so alles stemmt.
Am 3. Januar 2012 hat Tegla Loroupe in ihrem Heimatort Kapenguria in der kenianischen Provinz West Pokot, vierzig Kilometer von der Grenze zu Uganda entfernt, eine Schule eröffnet. Das allein wäre schon so etwas wie ein Wunder, doch die „Peace and Leadership School“ soll nicht nur den üblichen Bildungskanon vermitteln. Sie soll Mädchen auch Schutz bieten vor Missbrauch, Zwangsheirat und Genitalverstümmelung, was im ländlichen Afrika noch immer üblich ist. Sie soll Kinder und Jugendliche auffangen, denen bewaffneter Viehdiebstahl, Stammesfehden, Krieg, Hunger und Aids die Eltern genommen haben. Und sie soll Sprungbrett sein für eine sportliche Karriere, wie sie Tegla Loroupe selbst nutzen konnte, um sich frei zu machen von den Fesseln einer archaischen Gesellschaft. Leider hat ihr deutscher Manager (Volker Wagner, d.R.) sie im Laufe dieser Karriere ins Dickicht des deutschen Steuerrechts geführt – das Finanzamt ist ihr deshalb bis heute auf den Fersen.

Das riesige Gebäude in ihrem Heimatort Kapenguria an einem malerischen Berghang in 2700 Meter Höhe beherbergt knapp dreihundert Schul- und Vorschulkinder. Schlafhäuser und Stadion sind geplant, Speisesaal und Sporthalle für mehr als tausend Kinder sowie Felder und Viehweiden für deren Versorgung. Das Projekt belegt die Kraft des Sports; sein Fundament sind die Läufe von Tegla Loroupe.

Vor 39 Jahren geboren in die Familie eines Patriarchen, der mit fünf Frauen 26 Kinder zeugte, warf Tegla Loroupe im Laufschritt die Fesseln der Stammesgesellschaft ab. „Durch Sport habe ich meinen Kopf freibekommen“, sagt sie. „Durch Sport bin ich hier rausgekommen und konnte viel Geld zurückbringen und meiner Familie helfen. Durch Sport habe ich Freunde gefunden auf der ganzen Welt.“ Sie deutet auf das Gebäude. „Ohne Sport gäbe es dies alles hier nicht.“

Die Tegla Loroupe Friedensstiftung veranstaltet Läufe im Norden Kenias und am Horn von Afrika. Diebesbanden und Krieger, Söldner und Kindersoldaten sollen erleben, dass Laufschuhe eine bessere Lebensgrundlage sind als Kalaschnikows. Der kenianische Präsident Mwai Kibaki hat Tegla Loroupe dafür den Ehrendoktortitel verliehen. Die Vereinten Nationen haben sie zu ihrer Botschafterin gemacht. Das Internationale Olympische Komitee hat sie ebenfalls ausgezeichnet. Im Wohnzimmer des Hauses, das sie mit ihrer Mutter, den Waisen ihrer verstorbenen Schwester und weiteren Adoptivkindern teilt, stehen Fotos, die sie mit dem amerikanischen Präsidenten Barack Obama zeigen sowie mit dem Schauspieler und Afrika-Aktivisten George Clooney.

Vom Geld der Läuferin hat die Stiftung Grundstücke erworben und einen Großteil der Baukosten von mehr als 200 000 Euro getragen. „Dies ist keine normale Schule“, sagt Tegla Loroupe. „Die Kinder kommen aus verschiedenen kriegführenden Gemeinschaften. Sie lernen zusammen, sie treiben gemeinsam Sport. Dadurch verstehen sie, dass sie alle gleich sind. Das lehren sie dann auch ihre Eltern.“
Eigentlich sollte es Tegla Loroupe leichtfallen, zu erzählen, wie aus sportlicher Konkurrenz internationale Solidarität, wie aus einem Funken Hoffnung eine Perspektive entstanden ist. Doch plötzlich stockt die Kämpferin. „Es ist schlimm, dass die deutsche Regierung mir so viel Geld weggenommen hat“, klagt sie. „289 000 Euro.“ Als Kinder jüngst an einer Detmolder Schule Geld für Kapenguria sammelten, erzählt sie, „kam ein Mann und verlangte das Geld für die deutsche Steuer. Vor allen Kindern. Ich habe mich so geschämt.“
Forderungen von einer Million Euro bestünden gegen Tegla Loroupe, sagt ihr Manager Volker Wagner am Telefon; durch Verzugszinsen dürften sie sich auf zwei Millionen verdoppelt haben. Zwar schimpft er am Telefon, „Neid und Missgunst“ bestimmten das Verhalten des Finanzamtes, der deutsche Staat habe die Läuferin bestohlen. Doch offenbar war er mit den Grundlagen von Buchhaltung und Steuererklärung überfordert. Seiner Klientin konnte nachgewiesen werden, dass sie ihren ständigen Wohnsitz bei ihm in Detmold und deshalb ihr gesamtes, weltweit erzieltes Einkommen dort zu versteuern habe. Prämien und Preisgelder des Berlin-Marathon 2001 sowie weiterer Läufe in Köln und in Leipzig wurden gepfändet. Einen Prozess vor dem Finanzgericht Münster verlor Tegla Loroupe 2007. „Als Laie, der im Grunde keine Ahnung hat, hat man da ein Manko“, sagt der ehemalige Lehrer Wagner über seine Auseinandersetzung mit dem Fiskus. Als er Tegla Loroupe nicht mehr allein vertreten konnte, verpflichtete er, wie er sich erinnert, „einen Spitzenanwalt“. Der aber hatte keine Zeit, als die Läuferin zur Gerichtsverhandlung aus Kenia einflog…

Wagner macht kein Geheimnis daraus, dass er auch mit den eigenen Finanzen gescheitert ist und Privatinsolvenz angemeldet hat. Das hindert ihn allerdings nicht, weiterhin kenianische Athleten zu vertreten…
Michael Reinsch
(Quelle: Frankfurter Allgemeiner Zeitung, 2.4.2012, Sport, Seite 10, Ausgabe R 1)

Volker Wagner: Das Auf und Ab eines Laufmanagers

Beim Zappen am Fernsehapparat hatte ich vor einigen Tagen einen Volltreffer. Eine halbe Stunde vor Mitternacht landete ich bei ZDF Kultur und erblickte einen alten Bekannten: Volker Wagner, den Laufmanager. Vor vielen Jahren war ich oft als Berichterstatter bei Straßenläufen dabei. Dort traf ich auch Volker Wagner, entweder am Straßenrand oder auch im Begleitfahrzeug mitten im Läuferfeld. Immer war er auskunftsbereit, obwohl er eigentlich mit seinen Schützlingen beschäftigt war. Sachkundig erzählte er mir vieles über die afrikanischen Läufer, so auch über Tegla Loroupe oder Joice Chepchumba.
Er schien ganz oben, doch dieser Film zeigte eher einen nachdenklichen, manchmal zweifelnden Manager. Und auch seine russische Ehefrau schien nicht die wünschenswerte Stütze, sondern wurde als zwar sachkundige, aber eher kritisierende Gefährtin vorgestellt. Manchmal kamen mir da Zweifel, ob das überhaupt ein Dokumentarfilm sei. Aber er war es. Regisseur Daniel Andreas Sager war mit seinem Team dicht am Geschehen, dicht an den Wagners und auch an den Läufern. Und er brachte die Zuschauer mit diesem Film garantiert zum Nachdenken.

Lesen Sie den Text, mit dem dieser Dokumentarfilm unter dem Titel „ The Long Distance“ vorgestellt wurde:

Um der Armut zu entfliehen, trainieren Felix und Eunice in den Bergen Kenias Marathonläufe. Sportmanager Volker Wagner holt sie für die Jagd nach Siegen und Geld eine Saison lang nach Europa. Die Reise ins vermeintliche Glück führt die beiden an die Grenzen ihrer menschlichen Leistungsfähigkeit. Wie lange bleibt ihre Hoffnung stärker als die Schmerzen im Kampf gegen den eigenen Körper? Wann wird die Distanz – auch zu ihrem Manager – doch zu groß für sie? Langstreckenläufe gehören zu den härtesten Disziplinen der Welt. Bei professionellen Marathonläufen geht es nach über 40 Kilometern Distanz um Sekunden. Sekunden, die über viel Geld entscheiden. Der Laufsport ist ein Geschäft geworden, dem lotterieähnliche Züge anhaften. Die Preisgelder der großen Läufe liegen im fünfstelligen Bereich. Um an diese Beträge zu gelangen, muss man Weltklasse sein. Oder erfolgreicher Athletenmanager. Der 63-jährige Volker Wagner ist Athletenmanager. Er bringt Menschen aus Afrika nach Deutschland und lässt sie auf Läufen antreten. Wenn sie gewinnen, bekommt er seinen Teil ab. Wagner hat den Handel mit afrikanischen Athleten im deutschen Laufsport erfunden. Er hat kenianische und äthiopische Läufer von der Straße nach ganz oben gebracht. Mit ihnen hat er alle großen Marathonläufe gewonnen: New York, Tokio, London, Berlin. Seine Athleten waren auf den Olympischen Spielen vertreten und haben 13 Weltrekorde aufgestellt. Läuferinnen wie Tegla Loroupe oder Joyce Chepchumba hat er zu Weltstars und Millionären gemacht. Volker Wagner war selbst ganz oben, bis konkurrierende Manager sein System erkannten und es perfektionierten. Sie betraten die Welt des Laufsports mit mehr Geld, größeren Sponsoren und Skrupellosigkeit. Seit zehn Jahren sind große Erfolge für Wagner ausgeblieben. Immer wieder werden seine besten Läufer von anderen Managern abgeworben. Aber aufhören will er nicht. Sein neues kenianisches Laufteam soll wieder einen Weltstar hervorbringen. Zum Team gehören auch die 28-jährige Eunice Chelagat Lelay und der 25-jährige Felix Kiprotich. Sie leben im kenianischen Rift Valley in kleinen Lehmhütten. In einer Höhe von über 3000 Metern führen sie mit ihren Familien ein Leben in Armut. Mit Wagner verbindet sie nicht nur ein Athletenvertrag, sondern auch das Ziel viel Geld zu verdienen und damit ihr Leben völlig zu verändern. Eunice und Felix laufen um ein lebenswertes Leben. Mit dieser Saison – so hoffen sie alle – wird es gelingen.
(Quelle: The Long Distance ZDF Kultur)

Volker Wagner  Film
Volker Wagner bei einem Sichtungstraining in Kenia (Fotoquelle: ZDF/Julia Höhnemann; mehr Fotos unter The Long Distance-TV.de)

Nicole Best- ein Leben zwischen Triathlon und Gehen

Mehr als zehn Ironman-Starts, unzählige weitere Triathlon-Wettkämpfe, flotte Zeiten im Laufen und den Weltmeistertitel im Bahngehen zählt Nicole Best zu ihren Erfolgen. Auf ihrer Homepage (www.nicolebest.com) sind die Ergebnisse fein säuberlich aufgezählt. Und in ihrer Vita kann man dort nachlesen, wie sie zum Sport, zum Gehen und zum Triathlon gekommen ist.

Ich traf sie zuletzt 2009 am Rande der Leichtathletik-Hallenmeisterschaften in der Leipziger Arena, dort, wo auch in diesem Jahr 2016 wieder die deutschen Hallenmeisterschaften stattfinden. Diesmal aber ohne Nicole Best, denn das Gehen steht nicht auf dem Programm.

Über ihren Auftritt bei den Hallenmeisterschaften 2009 habe ich in der „Leichtathletik“ Nr. 11 vom 18. März 2009 den folgenden Artikel geschrieben:

Unterwegs in zwei Welten

Triathleten gelten allgemein als ziemlich modern – neudeutsch darf sogar das Wort cool verwendet werden. Da kommt die „alte Tante“ Leichtathletik meistens nicht mit. Es gibt aber eine Athletin, die beides auf höchstem Niveau verbindet: Die Geherin Nicole Best wandelt zwischen Deutschen Hallen-Meisterschaften und dem Ironman auf Hawaii.
Sie war mit 41 Jahren die älteste Medaillengewinnerin bei den Deutschen Hallenmeisterschaften Ende Februar in Leipzig… Natürlich konnte Best der siegenden Olympiafünfzehnten von Peking, Sabine Krantz /TV Wattenscheid/12:15,70) über 3000 Meter nicht Paroli bieten, aber 13:37,89 Minuten und die Silbermedaille waren trotzdem ein riesiger Erfolg. Im „Schlussspurt“ hatte sie Christin Elß (SC Potsdam) auf den dritten Rang verwiesen. Auch hier galt der Spruch von Danny Ecker: Nicht das Alter, sondern die Höhe, sprich Leistung entscheidet. Christina Elß ist knapp halb so alt wie Nicole Best.

Training auf der Rolle

Dabei frönt die Hessin nur selten ihrer „alten Liebe“, dem Gehen. Im Winter hatte sie anfangs überhaupt nicht spezifisch trainiert, „nur Laufen sowie für den Triathlon Rollentraining und Schwimmen.“ Triathlon? Richtig, Nicole Best ist seit vielen Jahren eine erfolgreiche Triathletin. Seit 1992 bestreitet sie Triathlons. „ Ich mag vor allem die lange Distanz. Einmal im Jahr bin ich bei einem Ironman dabei.“ Oder auch zweimal, denn 2008 mußte sie erst in Klagenfurt antreten, um sich dort als Achte hinter sieben Profis und als klare W40-Siegerin für den Gipfel des Triathlons, die Weltmeisterschaft auf Hawaii (3,86 km Schwimmen, 180,2 km Radfahren und ein Marathonlauf) zu qualifizieren. In sehr guten 9:32:02 Stunden gelang ihr das. Den Marathon absolvierte sie dabei in beachtlichen 3:22:11 Stunden. Im Oktober startete dann das große Abenteuer Hawaii. „ Nach 10:33 Stunden war ich im Ziel, eine Stunde langsamer also. Aber die Witterungsbedingungen waren dort auch besonders schwierig. Es war heiß, heißer ging es nicht“.

Da hat es Nicole Best einfacher, wenn sie über die kürzere Olympische Distanz (1,5 km Schwimmen, 40 km Radfahren , 10 km Laufen) Wettkämpfe in der Hessenliga für ihren Darmstädter Triathlonverein bestreitet. Aber auch in diesem Jahr soll es ein Ironman sein, im Sommer ist Roth an der Reihe.
Anfang 2009 galt die volle Konzentration der 41-Jährigen jedoch den ganz kurzen Strecken. Im Januar stieg Best ins Gehtraining für die 3000 Meter en. „ Ich dachte, dass ich genug Kondition durch den Triathlon, durch das Ausdauertraining habe und nun nur etwas Technik trainieren müßte. Aber da habe ich es gleich übertrieben und mir eine Muskelverletzung zugezogen. Doch zwei Tage Pause wirkten Wunder, die Schmerzen gingen weg.“ Im DM-Finale habe sie zwar noch etwas gemerkt, aber stets gedacht: „ Da muß ich jetzt durch“. Und ihre Endzeit lag dann mit 13:37,89 Minuten nur knapp 20 Sekunden über ihrer Bestzeit aus dem Jahre 2000.

Elegante Technik

Nach wie vor macht es Freude, der zierlichen Nicole Best beim Gehen zuzuschauen. Sie hat diese nicht einfache Fortbewegungsart im Blut, könnte man denken. Aber schon 1999, nachdem sie in Erfurt über 10.000 Meter Deutsche Meisterin geworden war, hatte sie mir im Gespräch von ihrer neuen Liebe, dem Triathlon, vorgeschwärmt….

Soweit Auszüge aus dem Artikel in der „Leichtathletik“.
Und wie kam ich nun wieder in Kontakt zu Nicole Best. Ganz einfach: über Facebook.
(Fotos sind auf ihrer Homepage zu sehen)

2012 – als es noch das Kugelstoßmeeting in Nordhausen gab

Seit vielen Jahren hatte ich im Januar immer ein festes Ziel: Nordhausen. Dort fand ein Kugelstoßmeeting statt, das die Weltelite und die deutsche Elite anzog. Ich als gebürtiger Thüringer fuhr gern ins thüringische Nordhausen, auch wenn manchmal Schnee und Eis auf den Straßen lagen und die Anreise nicht immer einfach war. Aber wohl fühlte ich mich dort immer. Um so mehr vermisse ich nun dieses Meeting.
Es bleibt mir wie vielen anderen nur die Erinnerung. Doch die ist auch gerade dann etwas wert, wenn anderswo dunkle Wolken über der Leichtathletik hängen.

In der Zeitschrift „Leichtathletik“ vom 25. Januar 2012 schrieb ich folgende Reportage über das Meeting:

Einmal dabei, immer dabei

Warum nehmen Drei-Zentner-Männer eine lange Anreise für nur einen einzigen Meeting-Start in Europa in Kauf? Ganz einfach: Weil es nach Nordhausen geht. Die thüringische Kleinstadt hat sich zum Mekka der Kugelstoßer gemausert.
Jedes Jahr im Januar kommen sie auch aus den USA. „Gemeinsam mit Reese Hoffa bin ich nur für diesen einen Wettkampf nach Europa geflogen“, erzählt der US-Hüne Christian Cantwell und ergänzt: „ Es ist toll, in solch einer Atmosphäre zu agieren, und ich habe den Eindruck, dass es immer besser wird, das Publikum noch mehr mitgeht“.
Da kann er mitreden, denn er ist schon zum fünften Mal dabei. Landsmann Adam Nelson, der eine 16 Stunden lange Anreise von Athens (Bundestaat Georgia) in den Knochen hat, beschreibt es so: „Dies ist eine unglaublich dichte Atmosphäre, um die Saison zu beginnen. 2000 Leute, und sie alle lieben Kugelstoßen. Die Intensität in der Halle hebt uns auf ein besseres Niveau. Was wir hier an Leistungen sehen, dürfte mehr mit der Stimmung zu tun haben, als mit der Form der Athleten.“

Vier Stunden Unterhaltung

Was aber zieht die Massen in die vor zehn Jahren erbaute Wiedigsburghalle, in der auch viele Konzerte stattfinden? Es ist zu allererst der Sport. Die Leute wollen Leistungen sehen und fühlen sich zudem vier Stunden bestens unterhalten. Schon der Beginn ist spektakulär, wenn das Hallenlicht gedämpft wird und die Scheinwerfer auf die Athleten gerichtet werden. Jeder Einzelne läuft, begleitet von einem Nachwuchssportler, eine kleine Runde auf der Riesenmatte. Dann nehmen sie in Reih und Glied Aufstellung, lauschen den Kurzfassungen der Nationalhymnen. Alles stilgerecht und emotional.
Die Emotionen dürfen dann im Ring ausgelebt werden. David Storl übertrifft alle Erwartungen, ist wie schon bei der WM der Größte. Dreimal stößt er weit, dreimal reißt er sofort die Arme hoch. Das ist ein ganz anderer Storl als noch vier Jahren, als er erstmals als Jugendlicher in Nordhausen startete und etwas unterkühlt nach dem U20-Sieg auftrat. (übrigens durfte ich damals erstmals ein Interview mit ihm führen und habe seitdem seine Entwicklung hautnah verfolgen können. P.Gr.).
Mit 21,24 Metern gewinnt er die zwölfte Auflage des Meetings. „ So habe ich mir den Einstieg in die Olympiasaison vorgestellt. Ich habe schon beim Einstoßen gemerkt, dass es hier gut geht“, freute sich Storl. Trainer Sven Lang meinte: „ Das war die Bestätigung, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Schön, dass er sich seine Lockerheit bewahrt und nervenstark wie eigentlich immer agiert hat. Der Sieg gegen die Amerikaner war gut für sein Selbstbewusstsein“.
Das Publikum ist jedenfalls begeistert, die „La-Ola“ schwappt durch die Wiedigsburghalle, die an sich nur einen spröden Charme versprüht. Man sitzt auf schmalen Holzbänken, ohne Rückenlehne, und Hunderte stehen auf der Empore. Aber Luxus will man nicht, man will Sport sehen.
Und den sieht man doppelt, einmal live im Ring und gleichzeitig auf einer riesigen Videowand. Zusätzlich sorgt das Sprecher-Gespann Hardy Gnewuch und Andreas Möckel für Informationen, bindet das Publikum immer wieder ins Geschehen ein.

Kugelstoßen mit Musik

Die Hände bleiben nicht ruhig, und zudem wird noch durch flotte Musik die Stimmung hochgehalten. Man könnte die Veranstaltung auch“ Kugelstoßen mit Musik“ nennen, in Anspielung auf das Hochsprung-Meeting im nicht weit entfernten Arnstadt.
Noch mehr Adrenalin wird so in die Körper der Sportler gepumpt, und für manche ist das fast zuviel. Christian Cantwell beschreibt das so: „ Es ist echt hart hier. Ich hatte vorher gute Trainingsleistungen. Nun komme ich her und erlebe diese Atmosphäre. Die Aufregung hat mir den Wettkampf verdorben“. Aber immerhin wurden es noch 21,01 Meter, was Platz drei bedeutete.
Die Zuschauer bejubeln alle Athleten, aber manche eben noch ein wenig mehr. Natürlich thront David Storl über allen, aber auch Reese Hoffa ist ein Publikumsliebling. Nicht nur, weil er, der im Dezember noch mit Kniebeschwerden zu tun hatte, mit 21,14 Metern Zweiter wird, sondern auch wegen einer Sondereinlage. Der Drehstoßer trifft im dritten Versuch gegen das die 21 Meter markierende Hütchen am linken Rand des Sektors, das in tausend Teile zersplittert. Hoffa freut sich unbändig darüber, auch wenn der Stoß ungültig ist. Die Zuschauer lieben ihn dafür noch ein bisschen mehr.

Und sie begeistern sich diesmal auch am Wettstreit der Frauen. Lange Zeit sieht die Magdeburgerin Nadine Kleinert mit ihrem Anfangsstoß von 18,96 Metern wie die Siegerin aus. Doch der erhoffte Stoß über die 19 Meter bleibt für sie aus.
Christina Schwanitz (LV 90 Erzgebirge) rückt ihr immer näher und begeistert sich und das Publikum im fünften Versuch mit dem Siegesstoß von 19,06 Metern. „Das war noch nicht alles, was ich kann. Aber der beste Saisoneinstieg meiner Karriere“.
Mit dem persönlichen Hallenrekord von 18,29 Metern überzeugt die Bronzemedaillengewinnerin der Hallen-EM von Paris 2011, Josephine Terletzki (SC Magdeburg).
Das Publikum geht jedenfalls zufrieden nach Hause. Meetingdirektor Werner Hütcher strahlt ob des leistungsmäßig bisher besten Nordhäuser Meetings und ist sich sicher: „ Wer einmal hier war, kommt immer wieder“.

Da ahnte er wohl noch nicht, dass 2013 das letzte Kugelstoßmeeting in Nordhausen stattfinden würde.
Es bleiben nur die Erinnerungen.
(Videoaufnahmen u.a. von den Meetings 2004 bis 2006, 2009 und 2010 sind auf You Tube zu sehen)