Julia Fischer – die Königin der Halleschen Werfertage 2016

 

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Ihren Schrei konnte man überall auf dem weitläufigen Gelände des Sportzentrums Brandberge hören. Es mußte etwas Besonderes im Diskusring geschehen sein und das war es auch: 68,49 m stand auf der Anzeigetafel und das bedeutete den Sieg im Diskuswerfen für die 26-jährige Berlinerin Julia Fischer. „ Ich mußte einfach meine Freude herausschreien, denn solch einen Wurf hatte ich zwar nach dem Trainingswerten erwartet, aber so ganz einfach verlief dieser Wettkampf nicht.“

Wie gut sie in Form ist, hatte sie vor einer Woche beim Saisonauftakt in Wiesbaden mit einem Erfolg mit einer Weite von 66,59 m bewiesen.

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Siegerehrung in Halle /Saale

Nun aber gelang ihr in Halle/Saale im Schlußdurchgang mit 68,49 m nicht nur der bisher weiteste Wurf ihrer Karriere, sondern auch der Sieg gegen starke Konkurrenz wie der Weltmeisterin Denia Caballero (Kuba/66,41), den Chinesinnen Xinyue Su (65,40) und Bin Feng (65,14) und der von einer Erkältung gehandicapten Hallenser Lokalmatadorin Nadine Müller (64,30).

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Entsprechend aufgewühlt und superglücklich stellte sie sich dann den zahlreichen Journalisten. Und es ist eben ein Vorteil bei diesen familiären Hallenser Werfertagen, daß man als Journalist nicht mühsam in einer Mixed-Zone um Stimmen „kämpfen“ muß, sondern leicht und locker direkt nach dem Wettkampf und dicht neben der Wettkampfanlage in ein Gespräch kommt.

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Julia Fischer stand bisher zumindest in den Medien meistens im Schatten ihres Freundes Robert Harting. Der wußte als ein Aushängeschild der deutschen Leichtathletik nicht nur mit Leistungen zu überzeugen, sondern vielmehr auch mit vielen Wortmeldungen, die von den Journalisten in der Regel immer dankbar aufgenommen wurden.

Julia Fischer hat dazu vor drei Jahren in einem Interview mit Sebastian Arlt von der Berliner Morgenpost gesagt, daß es sie, wenn es um ihre eigenen Leistungen gehe, nicht nerve, immer den Zusatz „ die Freundin von Robert Harting“ zu lesen. „ Ich beachte es gar nicht“ . Vielmehr sehe sie es pragmatisch. „ Er ist eben der Superstar der Leichtathletik, da steht jeder dahinter im Schatten. Aber ich habe schließlich genügend Selbstbewußtsein als Frau“.

Drei Jahre sind seit diesem Interview ins Land gegangen. Wie selbstbewußt Julia Fischer nunmehr ist, zeigte sie nun bei den Hallenser Werfertagen bei dieser „kleinen Pressekonferenz“ nach ihrem 68,49-m-Wurf. Und es sprudelte förmlich aus ihr heraus. Eine Freude für die Journalisten.

Notizen aus dem Plausch mit den Medien

„ Im Training ist es in den letzten Wochen sehr gut gelaufen. Ich habe schon mal in diesen Bereich geworfen, wußte also, daß ich es drin habe.“ Aber der Wettkampf begann mit zwei ungültigen Versuchen sehr schlecht. „ Ich kam nur schwer in den Wettkampf und hatte ganz schön Herzklopfen vor dem dritten Versuch.

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Ich wußte, daß ich nun einen heraushauen muß, denn sonst wäre der Wettkampf zuende gewesen. Das hat mir einen Adrenalinstoß gegeben und so sind auch die 64,14 m zu erklären“. Früher hatte sie in solchen Situationen oft Nerven gezeigt. Warum war das nun anders, wurde nachgefragt: „ Ich habe einfach gelernt, mit solchen Situationen fertig zu werden. Es klappt zwar nicht jeden Tag, man ist nicht jeden Tag gleich gut. Aber ich habe , auch durch meinen Mentaltrainer Markus Flemming, gelernt, in schwierigen Situationen mit Druck umzugehen und das eher positiv für mich zu nutzen“. Und die Berlinerin verwies auch darauf, daß manche Wettkämpfe recht einschläfernd beginnen, aber dann plötzlich „ explodieren“. „ Dann wirft einer in den letzten Versuchen weit und dann muß man aufpassen, nicht den Anschluß zu verlieren. Aber mich pusht das immer, ich kann mich dann nochmals richtig aufbauen. Und auch heute dachte ich: Es muß doch nun mal irgendwie klappen. Es war bei jedem Wurf anfangs etwas anderes, was nicht stimmte, und dann im fünften Versuch kam viel Gutes zusammen, es wurden 65,15 m. Der Wurf war solide, aber nicht optimal. Ich dachte, daß ich im sechsten Versuch überall etwas zulegen müßte, um noch weiter zu werfen.

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Ich habe dann mit meinem Coach Torsten Schmidt (links, mit seinen 2,07 m alle überragend) nochmals geredet und beraten, wie ich das mit dem Wind machen soll und dann habe ich es einfach probiert. Es war fifty-fifty, aber es klappte, und ich freue mich unfaßbar.“

Doch mitten in der Euphorie trat sie auch gleich auf die Bremse. „ Es wäre ein Fehler, sich nun zurückzulehnen und zu denken, daß ich sicher in Rio dabei bin. In Kassel bei den Deutschen Meisterschaften wird sich entscheiden, welche drei Diskuswerferinnen für die Olympischen Spiele nominiert werden.“ Daß sie dabei sein will, darf man aber voraussetzen, besonders auch nach diesem Superwurf von Halle.

„Ich will in Rio auf alle Fälle eine Medaille gewinnen. Das war schon immer mein Traum, als ich mit dem Leistungssport angefangen habe. Und diesen Traum möchte ich mir erfüllen.“

Peter Grau

 (alle Fotos: Peter Grau)

 

Ein Interview zur rechten Zeit!

Schon vor einigen Tagen gab Julia Fischer meinem Journalistenkollegen Philip Häfner für die Berliner Morgenpost ein Interview, in dem sie über ihre olympischen Träume sprach, aber auch zur  allgegenwärtigen Dopingproblematik Stellung nahm.

Lesen Sie im folgenden einige Auszüge aus diesem Interview.

Julia Fischer will mit ihrem Freund Robert Harting nach Rio

Berlin.  Julia Fischer (26) wurde 2015 erstmals Deutsche Meisterin im Diskuswerfen, bei der WM in Peking erreichte die Freundin und Trainingsgruppenkollegin von Olympiasieger Robert Harting dann Platz fünf. In dieser Saison will die Sportlerin des SCC Berlin bei den Olympischen Spielen in Rio eine Medaille gewinnen.

Berliner Morgenpost:  Im vergangenen halben Jahr waren Sie zweimal in Südafrika im Trainingslager, danach in der Türkei, in Florida und zuletzt in Portugal. Haben Sie mal darüber nachgedacht, Ihre Wohnung unterzuvermieten?

Julia Fischer: Nein, auch wenn wir in letzter Zeit wirklich viel unterwegs waren (lacht). Zum Glück haben wir eine gute Freundin, die Blumen gießt und Post rausholt. Sonst würde der Briefkasten überlaufen. Wir kriegen viel Post, Robert ist sehr geschäftstätig.

Sie sind gerade von der portugiesischen Algarve zurückgekehrt. Wie war’s?

Fischer: Toll. Die Bedingungen dort unten sind hervorragend. Das Stadion liegt an der Küste direkt an den Klippen – sehr malerisch. Kurz vor dem Saisonstart haben wir noch einmal sehr viel geworfen, um die Belastung zu simulieren. An die 500 Würfe werden das in den zwei Wochen schon gewesen sein. Jetzt freue ich mich auf die Wettkämpfe. Meine Werte sind besser als im Vorjahr. Ich habe das Gefühl, dass die Zusammenarbeit mit Trainer Torsten Schmidt, bei dem ich seit 2013 bin, endlich so richtig fruchtet.

Woran machen Sie das fest?

Fischer: Körperlich war ich schon immer gut gewesen, aber Kraft allein ist eben nicht alles. Ich will das Diskuswerfen beherrschen. Unter meinem neuen Coach habe ich mich auch technisch deutlich verbessert. Ich kenne keine Werferin, die mir so ähnlich ist, dass ich mich an Ihrer Technik orientieren könnte. Daher ist es viel Eigenarbeit.

Ihre ersten beiden Wettkämpfe absolvieren Sie am Sonntag in Wiesbaden und eine Woche darauf in Halle. Mit welchen Erwartungen reisen Sie dort hin?

Fischer: Wiesbaden und Halle sind immer wie nach Hause zu kommen. Seit ich 14 bin, starte ich dort, es ist wie ein großes Familientreffen der Werfer. Auch in diesem Jahr ist wieder die gesamte deutsche Spitze am Start, da möchte ich natürlich gleich ein Ausrufezeichen setzen. Ich bin gut drauf. Ich glaube, es kann in Richtung Bestleistung gehen.

Diese steht bei 66,46 Meter. Um sich gegen die nationale Konkurrenz durchzusetzen, sind solche Weiten auch nötig, denn fast in keiner anderen Disziplin sind die Olympiatickets so hart umkämpft. Im Vorjahr schafften sechs Werferinnen die WM-Norm. Nur drei können nach Rio.

Fischer: Ich möchte nicht in der Haut des Bundestrainers stecken. Es tut mir schon jetzt leid für diejenigen, die am Ende zu Hause bleiben müssen. Aber mein Ziel ist eine Medaille in Rio. Dann muss ich in der Lage sein, mich national durchzusetzen.

Haben Sie sich eine bestimmte Medaillenfarbe vorgenommen?

Fischer: Ich bin nicht so vermessen zu sagen, dass Gold mein Ziel ist. Die Kubanerin Denia Caballero und die Kroatin Sandra Perkovic (die Olympiasiegerin von 2012 warf gestern in Shanghai mit 70,88 Metern Weltjahresbestleistung, d.Red.) sind zurzeit einfach besser, sie haben ein Leistungsvermögen von 70 Metern und mehr. Ich traue mir 67 oder 68 Meter zu. Damit hätte man im Kampf um die Medaillen gute Chancen. Aber letztendlich entscheidet in einem Olympiafinale auch immer der Kopf.

Gerade in diesem Bereich wirkten Sie 2015 deutlich gefestigter als in den Vorjahren. Wie groß ist der Anteil Ihres Mentaltrainers Markus Flemming am Erfolg?

Fischer: Er ist ein ganz wichtiger Pfeiler und ich möchte ihn nicht mehr missen. Ich hatte zeitweise ein wenig das Selbstvertrauen verloren, weil ich bei den Erwachsenen nicht mehr so erfolgreich war wie in der Jugend. In dieser schwierigen Phase ist ein Stück von mir verloren gegangen. Markus half mir, meine Leichtigkeit zurückzugewinnen, mein altes Ich wiederzufinden.

Ziel ist eine Olympiamedaille. Aber könnten Sie sich angesichts ständig neuer Enthüllungen über Dopingskandale in Russland überhaupt noch darüber freuen?

Fischer: Ich bin Idealistin und ich liebe meinen Sport. Es war hart zu begreifen, wie verkommen Teile dieser Sportart sind, die ich so liebe. Aber wenn wir Sportler uns nicht mehr über unsere ehrlich erkämpften Erfolge freuen können, dann haben wir den Kampf verloren. Das dürfen wir uns nicht nehmen lassen. Wenn ich das nicht mehr könnte, hätte ich schon längst aufgehört.

Deutsche Athleten fordern nach Berichten über Dopingmanipulationen in Sotschi Russlands Ausschluss in Rio – Sie auch?

Fischer: Wenn der im US-Exil lebende Laborchef nicht nur finanzielle Beweggründe hat und es tatsächlich Beweise gibt, muss es einen Ausschluss geben. Sonst verstehen die Russen das nicht, wie sehr sie den Sport zerstören.

Sie setzen trotz allem voll auf den Sport. Ihr Jurastudium liegt derzeit auf Eis.

Fischer: Ich bin jemand, der viel trainieren muss, sonst funktioniert es nicht. Ich brauche zwei Einheiten am Tag. Man kann sich vorstellen, dass Jura da vielleicht nicht das Richtige ist. Nach den Spielen werde ich stattdessen ein Fernstudium beginnen, wahrscheinlich der Politikwissenschaften. Das kommt meinem Alltag mehr entgegen.

Philip Häfner

Halle Fischer Philip Häfner Foto

( Auszüge aus einem Interview, erschienen am 15. Mai 2016 in der „ Berliner Morgenpost“).

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