Am 3. April 2025 habe ich erstmals aktiv an einer Briefmarkenauktion teilgenommen. An sich verwunderlich, dass es solange dauerte, denn schon in meiner Jugend habe ich Marken aus aller Herren Länder gesammelt.
Ein Blick zurück: In Erfurt melde ich mich im Jahr 1954 beim Kulturbund in der AG Philatelie an, bekomme von dort einen speziellen Ausweis, mit dem ich immer dann, wenn neue Sondermarken herauskommen, zum Postamt am Erfurter Anger gehe und die drei Sätze abhole. Wichtig ist, dass in den kompletten Sätzen der sogenannte Sperrwert dabei ist, eine Marke mit geringerer Auflage. Und ebenfalls über den Kulturbund bekomme ich die offizielle Erlaubnis, mit Partnern im westlichen Ausland in Briefkontakt zu treten. Die fertige Sendung mit einer Inhaltsangabe wird ohne Probleme auf den Weg gen Westen geschickt.
Außerdem besuche ich die wöchentlichen Tauschveranstaltungen in der Erfurter Thälmannstraße, später in Berlin im Berolinahochhaus am Alexanderplatz und im Club in der Puschkinallee nahe der S-Bahnstation Treptower Park. So komme ich mit den Jahren zu einer umfangreichen Sammlung. Einige Ausgaben, vor allem aus Westdeutschland und Westberlin, sind so wertvoll, dass es sich lohnt, sie im Westen zu verkaufen, gegen das begehrte Westgeld. Und das ist in den Jahren 1960 und 1961noch einfach. Ich nehme die entsprechenden Marken, stecke sie in ein kleines Album, verstaue dieses in der Innentasche meines Sakkos und fahre los. In der Regel vom S-Bahnhof-Prenzlauer Allee. Nächste Station Schönhauser Allee und dann kommt schon die erste Station in Westberlin, Gesundbrunnen. Wenige Meter vom Bahnhof entfernt gibt es einen Briefmarkenladen, dessen Besitzer mir bereitwillig die Marken abnimmt und mir das Westgeld über den Ladentisch reicht. Für uns beide ein gutes Geschäft. Manchmal habe ich dann das Geld gleich in der nahen großen Straße in Ware umgesetzt. Von dieser Straße ist mir vor allem auch ein Bekleidungsgeschäft in Erinnerung, bei dem als Werbung eine ganze Zeit lang ein Petticoat an einer Stange vor der Ladentür hing.
Zurück den Briefmarken. Einmal war ich bei der Berliner Briefmarkenauktion als passiver Zuschauer dabei, damals noch in den Geschäftsräumen am Ostbahnhof. Doch langsam erlosch die Leidenschaft, Briefmarken zu sammeln. Familie, Beruf und Sport hatten nun Vorrang.
Um so schöner, dass nun, Anfang 2025 das Feuer wieder entfacht wurde. Warum? Weil mein Physiotherapeut Mario mir einige Briefmarkenalben vorbeibrachte, die er zuhause gelagert und für die er keine Verwendung hatte.
Ich kramte mir meine alten Alben heraus, auch die, die ich von meinem Onkel Ernst geerbt hatte. Er hatte sein halbes Leben gesammelt, doch vor allem blieb es bei DDR-Marken. Und die ältesten Jahrgänge zwischen 1949 und 1958 fehlten durchweg, bzw. waren früher von ihm auf Auktionen verkauft worden.
So kam mir der Gedanke, dass ich mir doch einen Wunsch erfüllen und eine komplette DDR-Sammlung ersteigern könnte. Und vielleicht wäre auch eine Westberlin-Sammlung erschwinglich.
Im Internet entdeckte ich, dass die ehemalige Berliner Auktion nun unter dem Namen „ Hadersbeck Auktionen“ firmiert. Wolfgang Hadersbeck, der seit 1975 Chef der Berliner Auktion war, hatte das Zepter bis 2012 in der Hand, ehe sein Mitarbeiter Thomas Wickboldt Geschäftsführer wurde.
Und mit dem führte ich im März 2025 bei meinem erstmaligen Besuch in den neuen Geschäftsräumen in der Wolfener Straße am Rande des Neubauviertels Marzahn ein freundliches Gespräch. Ich durfte mir einige Lose (so bezeichnet man die einzelnen Stücke, die versteigert werden) ansehen, notierte mir die besten Lose und fuhr wieder nach Neuruppin zurück. Am 3. April 2025 sollte meine aktive Premiere bei einer Auktion erfolgen.
Mein Einsatz mit Nr. 232
Inmitten von Hochhäusern in der Mehrower Allee finde ich einen Parkplatz, laufe die rund 500 m bis in den Econopark, einer Ansammlung von Gewerbeunternehmen. Den Weg zum Auktionsbüro kenne ich vom ersten Besuch, fahre mit dem Fahrstuhl in den 4. Stock. Freundlich werde ich am Tresen begrüßt, die Anmeldung erfolgt reibungslos und ich bekomme ein Schild mit der Nr. 232. Das soll mir dann den Weg zum gewünschten Los freischaufeln. Die Auktion läuft bereits, ich höre die Stimme des Auktionators Thomas Wickboldt. Der kleine Auktionssaal liegt im ersten Stock, rund 10 Interessenten verfolgen dort die Auktion, der Hauptteil der Interessenten sitzt zu Hause und bietet per Internet mit.
Ich habe noch Zeit, mich einzugewöhnen. Es ist 11.10 Uhr. Gerade wird das Los 4740 aufgerufen. Mein erstes Wunschlos , eine Berlin-Sammlung, kommt erst mit Nr. 4969 an die Reihe.. Also bleibt noch rund eine Stunde Zeit.. Ich merke, dass die Berlin–Sammlungen ab Los 4946 nur schlecht gehen, d.h. das Interesse im Saal und im Internet relativ gering ist. So steigt meine Hoffnung, erfolgreich zu sein. Bei 4966 steigt mein Puls, volle Konzentration ist nötig. Als 4969 (Berlin1948-90, komplette Sammlung im Vordruckalbum) mit 180 Euro aufgerufen wird, recke ich mutig mein Schild hoch, nehme Blickkontakt mit Thomas Wickboldt auf, der erfreut ist, dass endlich mal wieder jemand zuschlägt. Ich bekomme den Zuschlag, bin glücklich.
Nun habe ich wieder Zeit, mich zu beruhigen. Ab 12.40 Uhr winkt die zweite Chance des Tages für mich. Es werden DDR-Sammlungen aufgerufen. Drei Lose habe ich favorisiert: 5122, 5123 und 5127. Eigentlich gefällt mir 5127 am besten. Ich hatte mir dieses Los (DDR-Sammlung, 1949 -1973 komplette postfrische Sammlung im Schaubeckalbum, sehr gute Erhaltung.) vorher angesehen und mit „sehr gut“ bewertet. Also setze ich voll darauf. Wieder steigt der Puls, aber ich bleibe bei mir, recke beim Aufruf der 5127 für 170 Euro wieder mein Schild hoch und, ich bin mutig, rufe dem Auktionator ein Untergebot zu: 150 Euro. Thomas Wickboldt lächelt mir zu, sagt 153 Euro, denn er hat schon ein Angebot von 150 vorzuliegen. Ich nicke und es klingt aus dem Mikrofon: 153 Euro für 232, hier im Saal. Ich bin glücklich. Erstmals in meinem Leben darf ich eine komplette DDR-Sammlung 1949-73 (die Jahre 1974 bis 1989 habe ich ja überkomplett zuhause) und eine komplette Berlin-Sammlung mein eigen nennen. Mein Ziel ist erreicht, ich verlasse den Auktionsraum, spaziere die Treppe hinunter zum Tresen, erkläre der freundlichen Dame, dass ich erfolgreich war. Sie schaut in den Computer, vergleicht die Ergebnisse mit meiner Schilder-Nummer 232, fertigt eine Rechnung aus (es kommt noch eine Gebühr für das Auktionsbüro hinzu) und bittet um Zahlung mit meiner Girokarte. Trotz meiner Aufregung tippe ich die richtige Pin-Nummer ein, bekomme die Rechnung und trabe damit die wenigen Schritte zur Ausgabe. Je ein Album bekomme ich überreicht, schaue nochmals nach, ob es auch die richtigen Lose sind und dann schiebt mir die Ausgabe-Frau die Alben in meine beiden mitgebrachten Taschen. Dankbar nehme ich Abschied. Draußen scheint die Sonne, die sich mit mir freut