Archiv für den Monat: Oktober 2017

Auf den Spuren der Kindheit in Rostock

Olaf Brockmann ist wieder auf Reisen gegangen. Der Wiener mit deutschen Wurzeln fuhr nach Rostock.  Und es war sehr emotional für ihn, weil er im März 1953 dort geboren wurde. „ Ich habe sechs Wochen dort gelebt, wurde im April in der St. Marienkirche getauft und dann gingen meine Eltern mit mir in den Westen. Es ist erst das zweite Mal, daß ich seit 1953 wieder in Rostock bin“.  Und weil es ihm nun dort so gut gefällt, hat er auch viel fotografiert.  Und er war auch vor seinem Geburtshaus  in der Lessingstraße 9.

Rostock zwanzig

Rostock dreiundzwanzig Rostock vierundzwanzig Rostock einundzwanzig Rostock zweiundzwanzig

Viel fotografierte Olaf Brockmann auch in und an der St. Marien- Kirche:

Rostock fünf Rostock sechszehn Rostock neunundzwanzig Rostock dreißig Rostock einunddreißig Rostock zweiunddreißig Rostock sechsundzwanzig Rostock achtundzwanzig Rostock siebenundzwanzig Rostock vierunddreißig Rostock fünfunddreißig Rostock sechsunddreißig Rostock siebenunddreißig Rostock achtunddreißig Rostock einundvierzig Rostock zweiundvierzig Rostock dreiundvierzig Rostock vierundvierzig Rostock fünfundvierzig

 

Buchtip: Sergej Lochthofen: GRAU – Eine Lebensgeschichte aus einem untergegangenen Land

Sergej Lochthofen GRAU

An diesem 3. Oktober wollte ich über etwas schreiben, was mit diesem Tag der Einheit zusammenhängt. Zwar hätte ich mir lieber den 9. November, den Tag des Mauerfalls, als Einheits-Tag gewünscht, aber dem stand entgegen, daß dieser Novembertag  historisch gewissermaßen schon überbesetzt ist. Am 9. November 1918  wurde die erste deutsche Republik ausgerufen, der 9. November  1938 ist durch den Pogrom gegen die jüdische Bevölkerung belastet und nun der Mauerfall am 9. November  1989.   Ein anderes Datum wurde also gesucht.

Der 7. Oktober sollte es auch nicht sein, denn das war ja 40 Jahre lang der Jahrestag der DDR-Gründung gewesen (und natürlich ist er mir noch im Gedächtnis). Es wurde also der  3. Oktober.  Und da fiel mir schnell ein, daß ich vor kurzem ein Buch gelesen hatte, das viel mit der DDR zu tun hatte.

Ich hatte es gekauft, weil mir der Autor Sergej Lochthofen bekannt war, vor allem durch seine häufige Teilnahme an Talkshows.  Vor zwei Wochen sah ich ihn zuletzt und da hörte ich erstmals, daß er als Stimme des Ostens angekündigt wurde. Seinem Buch habe ich angemerkt, welche Sachkenntnis er in den Jahren seines abwechslungsreichen Lebens zwischen dem Arbeitslager in Workuta (als Kind) und dem Chefposten bei der Erfurter Tageszeitung „Thüringer Allgemeine“ gesammelt hat.  Die Erfurter Zeitungsszene habe ich immer verfolgt. Zu DDR-Zeiten hieß diese Zeitung noch „Das Volk“, ich als gebürtiger Erfurter, habe sie zumindest bei Tante und Onkel gelesen, denn meine Mutter und ich hatten die Thüringische Landeszeitung (TLZ) abonniert.

Lang, lang ist es her.

Das Buch „GRAU – Eine Lebensgeschichte aus einem untergegangenen Land“ habe ich nicht nur wegen des Autors gekauft, sondern auch wegen des Titels. Das GRAU lockte mich einfach an. Ein bißchen eitel bin ich ja, und meinen Nachnamen mag ich auch. Gerade auch deshalb, weil diese Farbe grau oft unterschätzt wird, eher negativ belegt ist. Dabei, und das werden viele Künstlern bestätigen, ist grau eine Farbe, auf die Maler nicht verzichten möchten. Ein  bekannter Maler, den ich in DDR-Zeiten durch meine Tätigkeit bei der Zeitschrift „Prisma“, die sich mit den Schokoladenseiten der DDR beschäftigte, kennenlernte, hat mir einmal seine positive Sicht zur Farbe grau geschrieben.

 

Kahnt:  den Text suche ich noch!

 

Doch allein GRAU hätte nicht zum Kauf des Buches ausgereicht. Vielmehr bin ich an allem interessiert, was die DDR, die ja den Großteil meines Lebens bestimmte, durchleuchtet, ihre vielschichtigen Seiten beleuchtet.

Soviel zum Motiv des Buchkaufes. Nun aber zum Inhalt. Und da bediene ich mich des Klappentextes, der den Autor folgendes sagen läßt:

„ Nichts war, nichts ist selbstverständlich. Daß ich im Gulag auf die Welt kam und doch eine behütete Kindheit hatte, daß ich von dort nach Deutschland kam und nicht irgendwohin in die Steppe, daß es der Osten war und nicht der Westen, Gotha und nicht Berlin, daß ich in eine russische und nicht die deutsche Schule ging, einen sowjetischen Paß und nicht einen Ausweis der DDR besaß. Nicht davon ist selbstverständlich. Vermutlich auch nicht, daß ich keine Heimat habe.“

Der Norden Rußlands: Drei Jungen kämpfen in einem schadhaften Boot mitten im eisigen Fluß um ihr Leben. Es ist die Workuta, die einer ganzen Schreckensregion den Namen gibt. Jahrzehnte später steht einer von ihnen auf den Domstufen in Erfurt und verkündet vor Zehntausenden Demonstranten, daß seine Zeitungsredaktion sich gerade von der allmächtigen Partei unabhängig gemacht hat. Es ist die Geburtsstunde der ersten Reformzeitung in der DDR.

Nun blickt Sergej Lochthofen zurück auf ein Leben als Deutscher unter Russen und als Russe unter Deutschen: erlebte Geschichte, spannend erzählt.“

Soweit ein kleiner Einblick in den Inhalt des Buches des Journalisten Sergej Lochthofen.

Mehr erfährt man, wenn man das im Rowohlt-Verlag erschienene Buch kauft:   ISBN 978 3 499 62863 4.

Peter Grau

Annett Kruppa: Sie spielt mit Formen und Farben

Annett Kruppa gehörte zu den ersten Künstlern, die ich im Februar 2017 auf meiner Homepage unter   http://www.petergrau-leichtathlet.de/?p=5351    vorgestellt habe.  Damals dominierten allerdings ihre Bilder.  Erwähnt habe ich nur, daß sie Innenarchitektin studierte, an einer eigenen Malschule „Art Factory“ unterrichtet und einen eigenen Online-Shop für Kunst, Handarbeiten und Kunsthandwerk  betreibt (www.minnamiez-ideenreich.de).

Kru eins

Heute soll der Text ein wenig mehr über Annett Kruppa sagen.  Und sie hat es mir sehr leicht gemacht, denn auf ihrer Homepage hat sie sich selbst vorgestellt. Authentisch also das Folgende:

„Geboren wurde ich in Gifhorn, einer Kreisstadt im Osten Niedersachsens, die zwischen Hannover, Braunschweig und Wolfsburg. Hier schloß ich auch erfolgreich meine schulische Ausbildung mit dem Abitur ab und – wer hätte es gedacht?! – mein bestes Fach war immer Kunst.
Der Wunsch nach einem Studium, mit dem ich Kreativität und finanzielle Aspekte unter einen Hut bringen konnte, brachte mich 1984 nach Hildesheim, wo ich bis 1987 Innenarchitektur an der Fachhochschule studierte. Verschiedene Lebensstationen führten mich später unter anderem auch nach Süddeutschland, wo ich bei einer Ladenbaufirma arbeitete. Aber trotz all dem Sonnenschein am schönen Rhein… mich zog es zurück in den Norden.
Und hier bin ich geblieben und fühle mich nun seit 25 Jahren in Hildesheim und Umgebung heimisch.
Mein ganzes Leben war geprägt von der Lust an Kreativität. Schon als Kind habe ich meiner Oma und meiner Mutter beim Malen, Nähen und Stricken über die Schulter geschaut und habe es ihnen gleich getan, denn “ wie die Alten sungen, so zwitschern auch die Jungen!“
Und so habe ich in den letzten 45 Jahren nicht nur viele Erfahrungen mit den unterschiedlichsten kreativen Techniken gesammelt – ich möchte dieses Wissen und die Freude auch gerne weitergeben.
Fortbildungen und Wissenserweiterungen sowie die Experimentierfreudigkeit gehören  immer noch dazu… „Denn der Weg ist das Ziel!“

Kru einundzwanzig

Mein Motto

Die Art Factory soll ein offenes Haus als Begegnungsstätte für Kunst, Kunsthandwerk und Kultur sein.  Ein Treffpunkt, in dem die Menschlichkeit groß geschrieben wird.
Fröhlichkeit, Lachen, Spaß am Leben… wer den ernsthaften, verbissenen Kampf mit Formen und Farben sucht – wird ihn hier nicht finden!!!
Malen soll vor allem eins: Spaß machen! „

(mehr dazu auf der Homepage www.art-factory-nordstemmen.de)

Wie gewohnt folgt nun eine Auswahl ihrer Werke:

Kru zwei Kru drei Kru vier Kru fünf Kru sechs Kru sieben

Kru acht Kru neun Kru zwölf Kru elf Kru dreizehn Kru sechszehn Kru vierzehn Kru fünfzehn

Kru neunzehn Kru achtzehn Kru siebzehn Kru zwanzig

 

 

 

Horst Prill: Er war ein liebenswerter Freund

Horst einunddreißig

Manche Freundschaften sind oberflächlich, nur in eine Richtung angelegt. Im Nachhinein denke ich, daß es auf meine Beziehung zu meinem  Freund Horst zutrifft, mit dem ich zwar seit 1975 bis ca. 2005 oft zusammen war, allerdings vor allem bei Laufveranstaltungen und im Lauftraining, und außerdem bei Geburtstags- und Silvestertreffen. Horst war handwerklich vorgebildet, konnte fest zupacken und weil er sehr hilfsbereit war, mußten mir nur anrufen und schon kam er vorbei. Vor allem auch in der Zeit, als wir uns in der  Lincolnstraße in Berlin-Lichtenberg auch näherkamen, weil ich eine Wohnung zwei Häuser neben seiner Wohnung (Nr. 57) bezog.  Meine Frau und ich erinnern uns noch gut,  wie er beispielsweise  eine Badewanne für mich auftrieb, die gewissermaßen als Sperrmüll in einem Container auf der Straße abgestellt war, aber noch fast neu war.  Auch gegen meinen Widerstand setzte er durch, daß die Badewanne sichergestellt wurde und mit unseren gemeinsamen Lauffreunden Jürgen, Bernd und Siggi per Hand ca. 150 m getragen wurden und dann ins erste Stockwerk hinausgetragen wurde.

Horst zweiunddreißig Horst dreiunddreißig

Horst Prill ist seit einer Woche im Himmel (siehe auch mein Bericht  unter  http://www.petergrau-leichtathlet.de/?p=9667). Ich bin sicher, daß er im Himmel und nicht in der Hölle ist. Dazu hatte er zu viele positive Eigenschaften, war menschlich einfach eine Perle.

So werden es die meisten gesehen haben, die ihn kannten. Und es war kein Zufall, daß vor einer Woche, als wir Horst auf seiner letzten Reise begleiteten, diese menschlichen Charakterzüge auch in der anrührenden, aber sehr informativen Abschiedsrede in der kleinen Kapelle auf dem Evangelischen Friedhof in Berlin-Lichtenberg in der Marzahner Straße 20 hervorgehoben worden.

Die Zeremonie auf dem Friedhof würde Horst gefallen haben. Angefangen von besinnlicher Musik, die uns und die 40 Trauergäste einstimmen sollten, über die Rede, die Horst würdigen sollte bis hin zum letzten Weg, als die Urne in die Erde gesenkt wurde, ein Trompeter aus der Ferne letzte Grüße sandte und wir uns dann von Horst verabschiedeten. Da wurde uns bewußt, daß es auf ewig sein würde. Oder sehen wir uns alle im Himmel wieder?

Wenn, dann würden wir sicherlich genug Zeit haben, unser Leben nochmals voreinander ausbreiten.

Es begann in Jarmen an der Peene

Ein wenig konnte ich mich erinnern und einiges erfuhr ich durch die Abschiedsrede, die vor allem durch seine Schwester Evi gespeist worden war. Geboren wurde Horst am 26. Februar 1938 in Jarmen, einer Gemeinde am Fluß Peene. 19 km nördlich von Jarmen liegt Greifwald, 43 km südlich liegt Neubrandenburg. Ich habe Jarmen immer bemerkt, als ich auf dem Weg an die Ostsee, zur Insel Rügen oder nach Usedom, fuhr und dabei durch den Ort kam.

Gemeinsam mit seiner Schwester Evi und seinem Bruder wuchs Horst in Jarmen auf, hatte eine behütete Kindheit. Beruflich tendierte er zum Technischen, und deshalb absolvierte er auch eine Lehre als Elektromaschinenbauer (kam mir bekannt vor, weil man Onkel in Erfurt auch Elektromaschinenbaumeister war). Und 1961, mit 23 Jahren, begann er dann ein Studium für Ingenieur-Elektromaschinenbau und schloß es erfolgreich ab. Dann arbeitete er viele Jahre im Kombinat Robotron (   http://www.robotrontechnik.de/   ), hatte dort mit Computern zu tun (die damals langsam ihren Weg auch in die DDR fanden) und wurde wegen seiner Zuverlässigkeit viel in Ungarn eingesetzt. Deshalb begann er auch, die ungarische Sprache zu lehren.

Wie sehr er an diesem Land hing, habe ich erfahren, als wir als Zuschauer zur Leichtathletik-Europameisterschaft nach Budapest fuhren. Zwei Ereignisse habe ich von damals noch im Gedächtnis.

Zum einen wurden wir, als wir eines Tages dort durch die Straßen spazierten, von Eurosport-Kommentator Dirk Thiele angesprochen und eingeladen, als Gäste an einem Festessen teilzunehmen. Wir ließen uns überreden, obwohl wir mit unseren kurzen Hosen nicht gerade richtig angezogen waren. Ein wenig litten wir, weil im Hotel die Klimaanlage so eingestellt war, daß wir froren. Das wurde aber durch die Speisen und die alkoholischen Getränke ausgeglichen.

Zweitens erinnere ich mich, daß wir eines späten Abends mit meinem Trabant durch die Budapester Straßen fuhren und dabei auf ein haltendes Taxi und einen gestikulierenden Fahrgast aufmerksam wurden. Wir hielten an und ich sah meinen Journalistenkollegen Olaf Brockmann im Disput. „Der Taxifahrer will mich betrügen, die mitlaufende Kilometeruhr war viel zu schnell eingestellt. Doch Olaf konnte sich auch dank seiner ungarischen Sprachkenntnisse wehren und die letzte Hilfe leisteten wir, indem wir ihn praktisch „befreiten“. Das hat mir Olaf nie vergessen. Wir haben uns noch oft bei internationalen Veranstaltungen getroffen und nun habe ich ihm auf meiner Homepage eine eigene Rubrik eingerichtet.

Horst war seit langem ein Fan der Leichtathletik. Beim ASK Vorwärts Potsdam war er als Mittelstreckler vor allem auf den 800 m unterwegs. Zwar schaffte er  es nicht bis in die DDR-Spitze, aber zumindest legte er die Grundlage, um später als Ausdauerläufer auf den längeren Distanzen bis zum Marathon gut zurecht zu kommen.

Kennengelernt haben wir uns als Läufer. Ich hatte 1974 mit dem Laufen auf dem Zachertsportplatz in Berlin-Lichtenberg angefangen, zunächst in der Laufgruppe von Bernd Rost.  Nach und nach steigerte ich meine Trainingskilometer und bestritt dann 1978  meinen ersten Wettkampf.

Horst gehörte 1981 mit zu den Gründungsmitgliedern der Laufgruppe von Borussia Friedrichsfelde.  Ich trat zwar diesem Verein nie bei, weil ich schon vorher Mitglied der BSG Empor Brandenburger Tor (EBT) war.

 

Zach 387

Der Zachertsportplatz im Jahr 2017

Aber ich trainierte viel gemeinsam mit den Borussen. Und Ausgangspunkt war in der Regel immer der Zachertsportplatz. Horst wohnte ganz dicht am Sportplatz, und ich hatte nur etwa 10 Minuten Anrenn-Weg. Gemeinsam ging es hinaus, durch die Gartenanlagen in Richtung des Pionierparkes und des Waldgebietes Wuhlheide.

Ich habe einen Teil unserer Trainingsstrecke auf meiner Homepage unter dem Titel „ Auf den Laufspuren“ unter http://www.petergrau-leichtathlet.de/?p=2474   vorgestellt.

Zu den Borussen gehörten damals vor allem: Jürgen Stark, Horst Prill, Bernd Dehnke, Siggi Büttner, Gunther Hildebrandt, Klaus Hennig, Werner Pohl, Günther Peschel,  Manfred und Gabi Naumann, Michael Kujath. Später hinzu kamen dann Klaus Hopf und seine Frau Birgit. Auch aus dem fernen Köln kam nach dem Mauerfall mit Michael Täuber ein Läufer hinzu, der bald ein enges Verhältnis zu uns Ostlern aufbaute und uns viele neue Impulse brachte, auf läuferischem und auf gesellschaftlichem Gebiet.

Ebenfalls auf diesem Trainingskurs liefen Udo Bauermeister und Rainer Lehmann, aber sie liefen separat, weil sie zu schnell für uns waren.

Udo Bauermeister (vorn) und Peter Grau beim Halbstundenlauf auf dem Zachertsportplatz:

Horst Peter Udo

Gudrun Strohbach wohnte direkt am Zachertsportplatz, schaute von ihrem Balkon direkt auf die Läuferschar. Sie war schon in jungen Jahren Langstrecklerin und im Marathonlauf an der DDR-Spitze. Sie war sicherlich viel zu schnell für unsere „langsame“ Trainingsgruppe, aber zumindest auf dem Sportplatz sind wir oft gemeinsam mit ihr gelaufen.

Gudrun Porträt

Und auch heute läuft Gudrun, seit langem mit Gerhard Brettschneider verheiratet, regelmäßig und nimmt an Wettkämpfen im Orientierungslauf teil.

Zurück zu meinen gemeinsamen Läufen mit und gegen Horst. Wir liefen gern zusammen, aber es war auch immer Ernst in unserem Bemühen, Erster zu sein.  Manchmal gelang mir das, weil ich eben in der Regel größere Umfänge trainierte und damit die größere Grundschnelligkeit von Horst übertrumpfen konnte.

Ein Erlebnis ist mir noch in Erinnerung geblieben. Bei einem Wettkampf, entweder beim Hubertuslauf in Neuruppin oder aber beim Baaseelauf in Bad Freienwalde, lief Horst vor mir, d.h. er ging und machte mit den Armen Lockerungsübungen gen Himmel. Ob ich dadurch noch an ihm vorbeigezogen bin, weiß ich nicht mehr. Wir haben danach oft darüber gesprochen und uns amüsiert.

Horst konnte also auch über sich selbst lachen, Späße machen. Aber andererseits vermittelte er immer den Eindruck, alles genau zu wissen. Manchmal habe ich ihn damit aufgezogen, bin aber nicht sicher, ob er das überhaupt gemerkt hat. Wie ich überhaupt meine, daß man noch mehr über alles hätte sprechen müssen. Doch vieles wurde überlagert durch das Laufen. Es war unsere Nische, in der wir uns so wohl fühlten. Es machte Spaß und füllte uns aus.

Wenige Fotos wurden zu dieser Zeit bei den Laufveranstaltungen gemacht. Deshalb sind auch Fotos rar, auf denen wir beide im Wettkampf zu sehen sind. Ziemlich am Anfang nahmen wir an einem 5000- oder 10.000-m-Lauf auf den Willi-Sänger-Sportanlagen in Berlin-Schöneweide teil.

Auf dem Foto liege ich dabei vorn, Horst „hechelt“ hinterher. Sicher hatte er nicht genug trainiert:

Horst 10.000 m 1981

Einen ganzen Marathon bestritten wir 1988 gemeinsam. Beim EBT-Team Marathon im Berliner Plänterwald, – organisiert von Roland Winkler-, mußten die Dreierteams die gesamten 42,195 km gemeinsam zurücklegen.

Hier kurz nach dem Start können alle noch lächeln (Horst Zweiter von rechts, mit Stirnband):

Horst Plänterwald

 

Eher eine Ausnahme war lange Zeit vor dem Mauerfall,  daß sich auch westdeutsche oder Westberliner Läufer an unseren Läufen beteiligten.  Aber manche wie Jürgen Roscher oder Horst Preisler wagten es trotzdem.

Auf dem Foto ist sogar ein Ost-West-Trio zu sehen. In der vorderen Reihe laufen  Jürgen Roscher (Westberlin), Peter Grau und Horst Prill (beide Ostberlin, v. links):

Horst Teammarathon Plänterwald

Der 5-km-Kurs im Berliner Plänterwald war oft Treffpunkt der Berliner Läufer und der Läufer von außerhalb. Anfangs wurden dort die Wettkämpfe von Bernd Steinberg  ausgerichtet, später vor allem vom leider viel zu früh verstorbenen Folker Lorenz und eben, wie gesagt, der Teammarathon von Roland Winkler.

Aber es gab auch anderswo Wettkämpfe, so im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark an der Cantianstraße, in Weißensee (Cross), in der Lichtenberger  Parkaue, in den Müggelbergen und anderswo

Sportplätze sehen manchmal gleich aus, aber ich glaube, daß das folgende Foto aus dem Stadion an der Weißensee Buschallee stammt. Werner Zock hat das Foto am 9. April 1988 gemacht:

Horst Weißensee zwei

Oft war Horst auch außerhalb Berlins bei Wettkämpfen dabei. Er mochte vor allem auch den Rennsteiglauf, sicher auch, weil dort vor allem das Gemeinschaftsgefühl zum Tragen kam.

Start des Rennsteiglaufes (45 km) im Jahr 1984:

Horst 1984 Rennsteiglauf

Vier Jahre später Gruppenbild vor dem Rennsteiglauf:

Horst zehn 1988

 

Horst fühlte sich immer wohl, wenn er sich mit anderen treffen, austauschen, einfach nur reden konnte.

Denn es gab ja auch noch einen anderen Horst, einen mit einem Beruf und einem Privatleben. Doch das wird mir erst jetzt, wo er nicht mehr da ist, so richtig bewußt.

Glücklich in der Familie

1964 hatte er Erika geheiratet, bald kam auch seine Tochter Karin zur Welt. Mit Erika war er sehr glücklich, sicher auch stolz, weil sie eine solch attraktive Frau war. Horst mußte in diesen Jahren immer den Spagat zwischen privat und Sport schaffen. Manchmal trainierte er weniger, eben um seiner Familie nahe zu sein.  23 Jahre war er verheiratet, aber dann brach seine Ehe auseinander.  Ich habe zwar gemerkt, was das für ein herber Verlust für ihn war, aber  es selbst hat er sich mir gegenüber und wohl auch den anderen Läufern gegenüber nie völlig geöffnet, nie durchblicken lassen, wie schwer ihn das damals getroffen hat. Meine Frau Ruth aber öffnete er sich mehr, ließ durchblicken, wie sehr er noch an Erika hing. Und das hinderte ihn sicher auch später daran, neue feste Verbindungen zur holden Weiblichkeit zu knüpfen. Er brachte zwar immer mal wieder neue Freundinnen zu unseren Veranstaltungen mit, doch irgendwie war das alles nicht von Dauer. Dabei hätte er es so nötig gehabt, denn Einsamkeit ist für viele nur schwer zu ertragen. Und auch räumliche Trennungen sind oft schwer zu überbrücken. Seine Tochter Karin war zwar beruflich sehr erfolgreich,  doch nach der Wende zog sie, wie manche Ostler, der Arbeit nach, landete in Leverkusen.  Dort bzw. in der nahen Umgebung blieb sie bis heute. Einige Male fuhr Horst nach Leverkusen, doch das war zu wenig, um eng aneinanderzurücken.

So blieb ihm weiterhin als Lebenselixier das Laufen und seine Laufkameraden in Berlin-Lichtenberg.  Und er fuhr auch weiter zu Veranstaltungen, auch ins Ausland. Zunächst nur ins sozialistische Ausland, denn noch stand die Mauer.

Ein Höhepunkt unserer Wettkämpfe war  im Jahr 1987 der Start bei den Europameisterschaften der Senioren in Karlovy Vary (von links Horst Prill, Peter Grau, Jürgen Stark):

Horst sieben

Nach dem Mauerfall aber öffnete sich für Horst, wie für viele andere Läufer und für alle Bürger der DDR die Tür zum Westen.

Horst nutzte es weidlich, erfüllte sich mit dem Start beim New York-Marathon einen Traum.  Aber auch die Teilnahme am Medoc-Marathon in Frankreich war für ihn eindrucksvoll, genauso wie Läufe auf Zypern.

Horst elf 1994

Jedes Jahr fuhr eine Gruppe von Borussenläufern samt ihren Anhörigen nach Holland, wo viel gelaufen wurde, aber man  auch Land und Leute entdeckte.  Horst war oft dabei, genauso wie Jürgen Stark und dessen Marlis, die auch die folgenden Fotos machten:

In Holland:

Horst vierundzwanzig Holland

Oft war Horst auch bei den Sylvesterfahrten dabei, die vor allem von Günther Peschel und von Jürgen Stark geplant worden waren:

Horst eins Sylvester Horst Barbarossahöhle

Wieck am Darß:

Horst fünfzehn 2005

 

Vor allem machte es Horst Spaß, wenn es sportlich zuging. Sei es nun bei Radausflügen oder aber bei ganz normalen Urlaubsreisen.

Pec (Tschechien):

Horst neununddreißig Horst sechsunddreißig

Horst fünfunddreißig Horst dreiunddreißig

Horst sechszehn Schnee Horst siebzehn 2004 Horst achtzehn 2004 Horst siebenundzwanzig Pec Horst achtundzwanzig Pec

 

Zypern:

Horst neun

 

Solche Fahrten waren für Horst immer Höhepunkte, von denen er lange zehren konnte.

Und ähnlich war es auch, wenn er sich an der Organisation von Läufen in Berlin beteiligen konnte, wie dem Veteranen-Marathon im Pionierparl oder dem Gartenlauf in Berlin-Friedrichsfelde:

Horst dreizehn 2001

 

Aber auch ganz normale Kaffee-Runden in Berlin mochte er:

Horst sechs 1 2013 Bei Horst -Kaffee Horst acht Horst vierzig Garten

 

Aber leider gab es für ihn auch gesundheitliche Rückschläge.  Der erste größere Rückschlag kam, als er einen Schlaganfall?   erlitt. Dank seiner guten körperlichen Verfassung konnte er das aber gut bewältigen. Als wir ihn bei der Reha in Wandlitz besuchten, was er zumindestens äußerlich wieder fit.  Vielleicht taten ihm auch die Gespräche mit anderen Patienten dort gut.

Unterhalten war ihm wichtig. Sicher fühlte er sich oft einsam, und das verstärkte sich, als die ehemalige Laufgruppe der Borussen langsam auseinanderfiel. Einige Läufer zogen aus Berlin weg  ( Michael Kujath, Michael Täuber, Peter Grau), andere zogen aus Lichtenberg in andere Stadtteile um (Gunther Hildebrandt, Udo Bauermeister, Gudrun Brettschneider). Es kamen zwar junge Läuferinnen und Läufer nach, doch da taten sich dann bald Generationenkonflikte auf.  Jedenfalls waren die Zeiten des gemeinsamen Erlebens und des Zusammengehörigkeitsgefühls leider vorbei bzw. sie bauten sich ab.

Ein aktuelles Foto der Laufgruppe Borussia -Friedrichsfelde zeigt, wie sich der Generationenwechsel vollzogen hat:

Horst dreiundzwanzig Laufgruppe

 

Horst versuchte alles, um in den Jahren nach dem Mauerfall auch beruflich noch mithalten zu können. Zwar packte er es nicht mehr, tiefer in die Computerbranche einzudringen und die Geheimnisse des Internets zu entziffern.  Einige Zeit lang arbeitete er in einer Firma mit, die Registrierkassen reparierte. Da fühlte er sich wieder in seinem Metier, bewies, daß er präzise arbeiten konnte.  Präzision, Genauigkeit, das war immer eines seiner Markenzeichen. Und auch wenn es dann manchmal etwas länger dauerte, fand es doch letztendlich Anerkennung.

Je älter er wurde, desto schwerer aber wurde es, noch die richtige Arbeit zu finden. Vielleicht kamen dann auch Selbstzweifel auf.  So war es kein Zufall, daß er immer förmlich auflebte, wenn  wir zu zweit aus Neuruppin „einflogen“, in meine neue Wohnung in  der Lincolstraße gingen und das Mittagsbrot vorbereiteten. Ein Anruf genügte und Horst kam voller Freude zu uns. Und wir konnten  ein klein wenig zurückgeben, was er mir /uns in all den Jahren gegeben hatte. Ob es nun der Aufbau der Küche, das Anbringen der Gardinenstangen, der Zusammenbau der Schrankwand, der Anschluß der Badewanne war, Horst konnte alles. Manchmal dachte ich schon, ihn zu sehr „auszubeuten“. So war ich froh, wenn ich ab und zu etwas zurückgeben konnte.

Aber 2004 zog ich ganz nach Neuruppin um, gab meine letzte Wohnung in Berlin, an der Treskowallee gegenüber der Trabrennbahn auf. Auch dort hatte Horst bei der Vorbereitung der Wohnung und beim Umzug von der Lincolnstraße in die Treskowallee mitgeholfen.

Horst war inzwischen auch umgezogen, blieb aber in der Lincolnstraße.  Aber immer weniger konnte er sich zum Laufen überwinden. Das war vielleicht noch zu verkraften. Doch seine Gesundheit macht ihm mehr und mehr Probleme.

Letztendlich sahen er und seine Schwester Evi, zu der er nach wie vor ein sehr enges Verhältnis hatte, die Lösung darin, in ein Seniorenheim umzuziehen. Es lag an der Volkradstraße, also nur wenige Schritte vom Zachertsportplatz entfernt. Doch die Welt im Heim war eine andere. Umgeben von kranken Leuten wurde er langsam immer schwächer.  Jürgen Stark und seine Frau Marlis besuchten ihn jedenfalls noch sehr lange regelmäßig dort. Sie brachten ihn auch nochmals im Rollstuhl zum Gartenlauf in der Märkischen Aue, einem Lauf, den er sowohl als aktiver Läufer als auch als Mitorganisator immer mochte.  Alle freuten sich, aber alle waren auch traurig.

Man hätte gewünscht, daß ihm die letzten Jahren im Heim erspart worden wären. Zuletzt konnte er die Signale der Umwelt nicht mehr aufnehmen, lebte nur noch vor sich hin. So war es fast eine Erlösung für alle, die ihm wohlwollten, als sie die Nachricht bekamen, daß er am 26. August 2017 endlich seine Augen für immer geschlossen hat.

Nun ist Horst im Himmel und findet dort immer mehr Gefährten, die er im Leben auf der Erde kannte. Gefährten, die ihn mochten, schätzten, die gern mit ihm zusammen waren.

Das wurde in der Abschiedsrede zu seinem Ableben nochmals bekräftigt. Und ein Satz ist mir im Ohr geblieben:

Vielleicht war Horst Prill ein wenig zu gut für diese Welt.

Peter Grau

(Die meisten Fotos dieses Artikels stammen von Jürgen Stark)

 

Impressionen aus Südtirol

Heute, am 2. Oktober 2017, braucht man starke Nerven, um das traurige Geschehen dieses Tages zu verkraften. In Las Vegas (USA)  hat ein Einzelner mindestens 58 Besucher eines Country-   Konzertes aus einem Hotelzimmer heraus erschossen. Zudem gab es über 500 Verletzte.

Ich kann mich und meine Leser nur etwas beruhigen, indem ich zeige, daß es trotzdem noch eine heile Welt gibt.  Andreas Wiesinger kennt sie. Zum wiederholten Male war er in der Umgebung von Sexten unterwegs, einer Gemeinde im östlichen Teil von Südtirol (Italien). Dort befinden sich die bedeutendsten Dolomitengipfel. Und Ausblicke, an denen man sich nicht sattsehen kann:

Sexten eins Sexten zwei Sexten drei Sexten vier Sexten sechs Sexten fünf Sexten sieben Sexten acht Sexten neun Sexten zehn