Wie ist der Marathon-Weltrekord von Eliud Kipchoge im Vergleich zu anderen Weltrekorden einzuordnen?

Eliud vierundzwanzig

Auf seiner Facebook-Seite konnte man mitempfinden, wie sehr Olaf Brockmann dieses Ereignis genossen hat.

So schrieb er dort am folgenden Tag:

Noch lässt mich der Marathon-Weltrekord nicht los. Mit Manager Jos Hermens diskutierten wir in Berlin im Interconti noch, wie man die Zeit von Eliud Kipchoge (2:01:39) im Vergleich zu anderen Fabel-Weltrekorden der Leichtathletik einordnen kann. Oder was für uns Journalisten die größten Weltrekorde waren, die wir live erlebt haben. Schwer zu sagen. Allein in olympischen Leichtathletik-Disziplinen habe ich seit München 1972 über 160 Freiluft-Weltrekorde gesehen. Da scheint es müßig, ob die Sprintrekorde von Usain Bolt oder die 8,95 m von Weitsprung-Star Mike Powell höher einzuschätzen sind oder nicht. Aber anhand der „IAAF Scoring Tables of Athletics“, der sogenannten „ungarischen Tabelle“, kann man die Leistungen sehr wohl vergleichen. Nach dieser vom ungarischen Statistiker Dr. Bojidar Spiriev erstellten und von Attila Spiriev adaptierten Tabelle rangiert Kipchoges Weltrekord mit 1316 Punkten unter den aktuellen Einzel-Weltrekorden der Männer in den olympischen Disziplinen an siebenter Stelle. Gerade etwas besser als der neue Zehnkampf-Weltrekord von Kevin Mayer (9126), der mit 1302 Punkten berechnet wird.

An der Spitze der aktuellen Weltrekorde steht der Speerwurf-Weltrekord von Jan Zelezny (98,48 m) mit 1365 Punkten, gefolgt von Bolts Weltrekorden über 100 m in 9,58 (1356 Punkte) und über 200 m in 19,19 (1351). Dahinter folgen der Weitsprung-Weltrekord (1346) sowie die Rekorde über 400 m (1321) und im Diskuswurf mit 1320 Punkten (siehe auch die unten stehende Tabelle). Um die 1365 Punkte vom Speerwurf-Rekord zu egalisieren, müsste Kipchoge sogar schon 1:59:06 laufen, die 9,58 über 100 m entsprechen 1:59:34 im Marathonlauf, die 19,19 über 200 m 1:59:49 und die 8,95 m im Weitsprung 2:00:05.

Und dennoch: Die Punkte der „ungarischen Tabelle“ sind zwar ein wichtiger Gradmesser, spielen für meine persönliche Bilanz der live erlebten Weltrekorde keine entscheidende Rolle. Es kommt schließlich darauf an, wie man selbst die Weltrekorde erlebt habe. Da steht Kipchoges Weltrekord natürlich weit vorne an der Spitze, da ich hautnah dabei war, vom frühen Morgen im Interconti, beim Start, im Ziel, bei der Pressekonferenz. Und vor allem durch meinen Besuch im Rahmen des IAAF-Projekts „Day in the Life of Kipchoge“ in Eldoret und Kaptagat habe ich den größten Marathonläufer aller Zeiten, eine Legende, persönlich kennenlernen und lange interviewen können. Wie zuvor etwa auch Haile Gebrselassie in Addis Abeba.

Aber ich wage es nicht, eine Reihenfolge meiner live erlebten Männer-Weltrekorde aufzustellen. Absolute Highlights waren sicher die 8,95 m von Mike Powell, als er in dem denkwürdigen Duell mit Carl Lewis in Tokio 1991 die Bestmarke von Bob Beamon (8,90 m) verbesserte, die ersten 9000 Punkte im Zehnkampf durch Roman Sebrle in Götzis 2001 (9026) oder der erste Hürdensprint unter 13 Sekunden durch Renaldo Nehemiah in Zürich 1981 (12,93). Dann natürlich die Sprint-Weltrekorde von Carl Lewis bis hin zu Usain Bolt.

Aber, wie gesagt, es ist müßig, hier eine Wertung aufzustellen. Zu viel erlebt, zu viele Weltrekorde gesehen. Von Lasse Viren oder John Akii-Bua in München 1972 bis heute. Allein über 160 Rekorde in olympischen Disziplinen. Dazu kommen noch etwa 60 Hallen-Weltrekorde. Da waren unendlich viele Sternstunden dabei. Wie Seb Coes Weltrekorde in Zürich (1500 m 1979 und die Meile 1981), die Rekorde seines Gegenspielers Steve Ovett, oder jene von Said Aouti, Wilson Kipketer, David Rudisha oder Hicham El Guerouj. Oder natürlich die Weltrekorde von Haile Gebrselassie oder Kenenisa Bekele. Bis hin zu Eliud Kipchoge.

Noch ein Wort zur „ungarischer Tabelle“: Diese ist nicht mit der Punktetabelle für die Mehrkämpfe zu verwechseln. Die „IAAF Scoring Tables of Athletics“, die auf der IAAF Homepage unter „Scoring Tables“ zu finden ist, soll es hingegen ermöglichen, Ergebnisse verschiedener Athleten in verschiedenen Disziplinen vergleichbar zu machen, die IAAF nutzt diese Tabelle auch, um das Leistungsniveau von Meetings zu berechnen. (O.B.)

Der Link zur Tabelle: https://www.iaaf.org/about-iaaf/documents/technical

Die Punkte der olympischen Männer-Weltrekorde laut der „IAAF Scoring Tables of Athletics“:

100 m 1356 (Bolt 9,58)
200 m 1351 (Bolt 19,19)
400 m 1321 (Van Niekerk 43,03)
800 m 1301 (Rudisha 1:40,91)
1500 m 1302 (El Guerrouj 3:26,00)
5000 m 1295 (Bekele 12:37,35)
10.000 m 1295 (Bekele 26:17,53)
Marathon 1316 (Kipchoge 2:01:39)
20 km Gehen 1266 (Suzuki 1:16:36)
50 km Gehen 1269 (Diniz 3:32:33)
110 m Hürden 1294 (Merritt 12,80)
400 m Hürden 1296 (Young 46,78)
3000 m Hindernis 1288 (Shaheen 7:53,63)
4 x 100 m 1318 (Jamaika 36,84)
4 x 400 m 1281 (USA 2:54,29)
Hochsprung 1314 (Sotomayor 2,45)
Stabhoch 1311 (Lavillenie 6,16 Halle)
Weitsprung 1346 (Powell 8,95)
Dreisprung 1303 (Edwards 18,29)
Kugelstoßen 1308 (Barnes 23,12)
Diskus 1320 (Schult 74,08)
Hammer 1298 (Sedych 86,74)
Speer 1365 (Zelezny 98,48)
Zehnkampf 1302 (Mayer 9126)

(aufgestellt von Olaf Brockmann)