Maleika Mihambo im Weitsprung und Niklas Kaul im Zehnkampf holen für Deutschland Gold bei den Leichtathletik-Weltmeister-schaften in Doha

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Die zehn Tage Leichtathletik im heißen Doha (Katar) sind Geschichte, die Zeit der Bilanzen ist gekommen. Jeder kann sich sein eigenes Bild machen, ob er nun direkt am Ort des Geschehens weilte und unter der Hitze und hohen Luftfeuchtigkeit zeitweise litt, oder ob er sich die meist spektakulären Leistungen der Athleten in einem nicht minder beeindruckenden Stadion am Fernseher ansah.

Mein Fazit fällt insgesamt positiv aus. Zwar war auch ich während der ersten beiden Tage durch die durchweg negative Berichterstattung über die äußeren Bedingungen dieser WM, über mangelnde Zuschauer u.s.w. irritiert, aber dann siegte mein normales Interesse an der Leichtathletik, und ich habe jeden Tag alle Wettkämpfe gesehen. Sogar nachts habe ich dann auch die 20 km der Geher verfolgt und mich über den vierten Platz von Christopher Linke gefreut. Auch früher, als ich seit 1993 über die internationalen Höhepunkte berichtete, durfte ich oft über die Geher schreiben.

Anfangs war ich doch einige Male von den Leistungen der Deutschen enttäuscht, doch wenn ich ehrlich bin, hatte ich auch nicht mehr erwartet. Zu sehr hinkt man in vielen Disziplinen der Weltspitze hinterher und zudem schwächten einige Ausfälle schon im Vorfeld.

Um so mehr war ich dann vom Lauf von Gesa-Felicitas Krause über 3000 m Hindernis hingerissen. Zwischendurch bekam ich zwar leichte Zweifel, aber am Ende durfte ich mit über Bronze jubeln.

Und weil ich von der Natur her und auch von meiner sportlichen Amateur-Vergangenheit immer Läufer war und geblieben bin, fieberte ich genauso dem Finale von Konstanze Klosterhalfen im 5000-m-Lauf entgegen. Konstanze, von vielen Koko genannt, war schon in Jugendzeiten viel besser als viele andere. Von Verletzungen verschont steigerte sie sich kontinuierlich. Keine Überraschung, daß sie nun im Jahr 2019 einige Rekorde brach, u.a. den deutschen Rekord über 5000 m beim ISTAF in Berlin. Schon da wurden von Journalisten Zweifel gesät, daß es vielleicht nicht mit rechten Dingen gehen könne. Noch mehr Nahrung kam dann, als das Nike Oregon-Projekt, bei dem Klosterhalfen seit dem September 2019 trainiert, in Verruf kam, als mitten in der WM der Chef dieses Projektes, der Amerikaner Alberto Salazar, vom US-Leichtathletikverband wegen massiven Dopingvorwürfen für 4 Jahre gesperrt wurde. Zwar trainiert Konstanze Klosterhalfen nicht bei Salazar, sondern bei  Pete Julian, aber von nun an mußte sie sich noch mehr als vorher verteidigen, weil sie in diesem Projekt trainiert. Viele würden vielleicht daran zerbrechen, doch Koko ist trotz ihrer sehr jungen Jahre (sie ist erst 22) anscheinend so gefestigt, daß sie sich nicht aus Ruhe bringen ließ, den Vorlauf souverän überstand und auch im Finale mit einem couragierten Lauf Bronze erkämpfte.

Konstanze Klosterhalfen während des Laufes und auf der Ehrenrunde (Fotos: Olaf Brockmann)

Der Lauf von Konstanze Klosterhalfen im Video:

Soviel zum Sportlichen. Klar ist, daß nun im Nachgang viel über Alberto Salazar, über dessen mutmaßliche Verfehlungen und über das Nike Oregon Projekt geschrieben wird und die negativen Kommentare überwiegen werden. Und eine Zielscheibe ist nun Konstanze Klosterhalfen, die weiter in den USA trainieren will. Und mag sie auch noch so sympathisch herüberkommen und keine positiven Dopingproben abgeben: Gegen die Allmacht der investigativen Journalisten, zu denen ich mich nie gezählt habe, und gegen die Tatsachen (inzwischen wurde, Stand 11.10., das Oregon-Projekt geschlossen) hat sie wenig Chancen. Bedauerlich, aber wahr.

Gold im Zehnkampf

Der Zehnkampf der Männer begann am zweiten Tag für die Deutschen unglücklich, als Kai Kaczmirek im 100-m-Hürdenlauf eine Hürde touchierte und ausschied. Zwar absolvierte er noch die folgenden 4 Disziplinen, aber der Traum von einer Medaille war ausgeträumt. Dagegen wurde ein anderer Traum wahr, der vielleicht garnicht geträumt wurde. Der junge Niklas Kaul  steigerte sich am zweiten Tag, sammelte besonders  im Stabhochsprung und mit dem Speer so viele Punkte, um dann als guter Läufer im 1500-m-Lauf alles klar zu machen. Mit dieser Goldmedaille hatte er und viele andere nicht gerechnet.  

Christina Schwanitz Bronze mit der Kugel

Auf eine Medaille hatte Kugelstoßerin Christina Schwanitz gehofft. Zwar war die Vorbereitung nicht reibungslos und auch die Belastungen als junge Mutter von Zwillingen und als Studentin mußten weggesteckt werden. Doch mit ihrer Routine gelang es, die Bronzemedaille zu erkämpfen. Und ich freute mich darüber besonders, denn ich durfte sie über viele Jahre hinweg auf ihrem erfolgreichen Weg begleiten. Sie war immer ein angenehmer Gesprächspartner.

Johannes Vetter Bronze mit dem Speer

Die vier deutschen Speerwerfer waren mit großen Vorschlußlorbeeren angereist, weil sie im Vorfeld mit guten Leistungen glänzten. Doch sie konnten am Ende den hohen Erwartungen nicht gerecht werden. Thomas Röhler und  Andreas Hoffmann schieden bereits im Vorkampf aus. Im Finale konnte sich Johannes Vetter den  Goldtraum nicht erfüllen, ergatterte sich aber wenigstens noch Bronze. Julian Weber, der erst durch den Verzicht von Bernhard Seifert ins WM-Team hineingerutscht war, konnte dagegen mit dem sechsten Platz zufrieden sein.

Die Krönung durch Malaika Mihambo

Malaika Mihambo auf der Ehrenrunde (Foto: Olaf Brockmann)

Weitspringerin Malaika Mihambo war hoch favorisiert, weil sie alle Wettkämpfe der bisherigen Saison mit gehörigem Vorsprung gewonnen hatte. Aber Doha zeigte, daß auch eine Favoritin ins Wackeln kommen kann. Beim ersten Sprung paßte nicht viel, nur 6,52 m wurden vermessen. Im zweiten Versuch segelte sie zwar weit hinaus, aber die rote Fahne wurde gezogen: ungültig. Nun mußte der dritte Versuch alles retten. Und die Rettung gelang mit einem phantastischen Versuch von 7,30 m. „ Da wußte ich, daß die anderen Konkurrentinnen in diesen Bereich nicht hineinspringen können“, erzählte sie hinterher. Und lag damit richtig. Der Jubel über Gold und die Ehrenrunde mit der deutschen Fahne auf den Schultern zeigten eine glückliche Athletin.

Die Siegerehrung der Weitspringerinnen:

https://www.facebook.com/sportschau/videos/393592221549635/

Insgesamt sprangen also sechs Medaillen für den deutschen Leichtathletikverband heraus: 2 x Gold und 4 x Bronze. Nicht übermäßig viel, aber auch kein Desaster. Die nächste Hoffnung liegt nun in Japan, wo 2020 die Olympischen Sommerspiele in der Hauptstadt Tokio stattfinden. Die klimatischen Bedingungen werden dort ähnlich schwierig werden wie diesmal in Doha, aber man hat ja nun schon einmal geübt.

Peter Scheerer

Für leichtathletik.de  zog Silke Bernhart, die live in Doha dabei war, einen Tag vor dem Abschluß der WM  von Doha eine Bilanz, angereichert mit Material der Presseagentur dpa (es fehlt also aus deutscher Sicht die Goldmedaille von Malaika Mihambo und die Bronzemedaille von Johannes  Vetter):

https://www.leichtathletik.de/news/news/detail/72367-Zwischen-Lob-und-Kritik-Der-Weg-nach-Tokio-fuehrt-ueber-eine-WM-der-Extreme