Zwei tolle Tage mit Paulie in Neuruppin und Berlin

Enkeltochter Paulie ist am Donnerstag (9.10.2025) pünktlich 16 Uhr mit dem Zug aus Köln in Spandau angekommen.  Flugs geht  es  zum Parkplatz. Seit Paulies erstem  Lebensjahr fahren wir diese Strecke, immer vorbei am Haus mit dem Pferdekopf in der Mauer, geradeüber vom Havelpark.  Auf der Autobahn herrscht geringer Verkehr, in Neuruppin decken wir uns bei REWE für drei Tage ein.  Am Freitag (10.10.) folgt der obligatorische Besuch im Tierpark Kunsterspring. Hauptziel für Paulie sind die Bergziegen, die wie immer hungrig sind. Das Füttern klappt, auch wenn die Futterautomaten in die Jahre gekommen sind  und nur widerwillig das Futter hergeben.   Da ist es dann 17 Uhr beim Italiener in der Präsidentenstraße einfacher. Der Chef  Herr Fiore,  empfängt uns persönlich, bittet zu Tisch.  Speis und Trank munden uns köstlich, mir wie üblich  die gegrillten Lachsstücke, Paulie die  Pasta Arrabiata.

Der Haupterlebnistag  wird  der Samstag (Sonnabend).

Paulie hat im Internet ein Parkhaus auf dem Berliner Alexanderplatz ausgekundschaftet, ich bin gespannt, weil ich dort noch nie gewesen bin. Es ist eine Tiefgarage mit zwei Ebenen, direkt neben dem früheren Hotel Berlin, wo Paulie mit ihrer Mutter Petra früher schon mal übernachtet hat. Einfach  die Einfahrt, das Ziehen des Tickets und die Suche nach einem freien Platz. Der Vorteil  eines Parkhauses: Wir müssen nicht einschätzen, wie lange wir unterwegs sind.

Frohen Mutes begeben wir uns auf Entdeckungsreise. Ich spiele den Reiseführer, fühle mich in dieser Gegend sehr wohl, weil ich seit 1961 dort oft langgegangen bin. Vom S-Bahnhof Alexanderplatz führte mich damals der Weg zu meiner Uni.  Diesen Weg zeichne ich heute nach, links vorbei am Fernsehturm (hier habe ich früher in einer kleinen Gaststätte oft mir ein Entenstück vom Grill als Abendmahlzeit gekauft), vorbei an den Rathauspassagen mit der Bowlingbahn, dann aber Richtung Neptunbrunnen, an der Marienkirche vorbei und hinüber in die Spandauer Straße.  Nach 100 m sehe ich auf der linken Seite das prächtige Gebäude der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät. Dort  habe ich von 1961 bis 1965 immer fleißig  studiert. Auch heute wird dort noch Wirtschaftswissenschaft gelehrt. Wir aber müssen weiter, das erste Ziel ist der Touristenpunkt Hackescher Markt. Wir laufen unter der Brücke hindurch, über uns rattert die S-Bahn. Wir aber sind gleich mitten im wuseligen Marktgeschehen, und danach mitten im pulsierenden Leben. Die Gaststätte, in der wir als Studenten oft Karten gespielt haben, existiert noch, wenn auch in anderer Form.  Wir schlendern durch die vielen Passagen mit den zahlreichen Läden, Cafes, Restaurants.  Weil wir Hunger und Durst verspüren, gehen wir in  ein kleines Selbstbedienungsrestaurant, leisten und ein gut schmeckendes Stückchen Quarktorte, dazu einen Matcha-Tee (Paulie) und ich eine Cola. Erstaunlich, wie viele sich in die Warteschlange vor dem Verkaufstresen einreihen.

Wir aber müssen weiter. Auf der anderen Straßenseite lockt ein großer, moderner Saal. Paulie erspäht gleich: Apple. Das lockt. Paulie hat gefühlt seit ihrer seit Geburt  nur Geräte der Firma  Apple, ob  Ipad (Handy), Tablett oder Laptop.

Der Andrang ist gewaltig, rund 120 Leute schauen sich die Geräte an, sprechen mit den Beratern oder hören Vorträgen zu.   Wir beide, Paulie und ich, sind überrascht und begeistert. Schwieriger gestaltet sich die Suche nach einem Berater bzw. Verkäufer. Eigentlich wollte sich Paulie die neueste Kreation des AirPods Pro 3 anschauen und erklären lassen.

Ich höre zum ersten Mal das Wort Air-Pod, frage mich, was das ist.  Das Internet gibt Auskunft: 

„Ein Air Pod ist ein kabelloser In-Ear-Bluetooth-Kopfhörer von Apple. Er wird in verschiedenen Modellvarianten angeboten, wie den Standard-AirPods, den Pro-Versionen mit aktiver Geräuschunterdrückung und den Over-Ear-Kopfhörern AirPods Max. Die Kopfhörer sind mit den meisten Bluetooth-fähigen Geräten kompatibel, funktionieren aber am besten mit Apple-Geräten.“ Doch was kann man mit diesen Stöpseln im Ohr tun? Petra erklärt: Man kann Musik hören, kann  Filme sehen (sprich die Stimmen hören), Podcasts hören (habe ich noch nie). Vor allem ist es wichtig für lange Reisen, mit der Bahn, mit dem Flugzeug (im Auto ist es dem Fahrer nicht gestattet, aber die Beifahrerin darf sich natürlich damit entspannen).

 Ich rede Petra ein, dass ich ihr die Stöpsel doch zu Weihnachten  schenken könnte,  sie  aber schon jetzt benutzen dürfe. Diesen Vorschlag findet sie gut.

 Der erste Berater meint, der eigentliche Verkäufer sei nicht da, also sollten wir das kleine Gerät online bestellen.  Das aber ist uns erstmal zu aufwändig. Also die nächste Beraterin abgepaßt, die aber eine ähnliche Auskunft gibt.  Wir schauen uns dann nochmals das Angebot der 3 Varianten des Airpods an.  Variante 1 hat sich Paulie vor 6 Jahren gekauft, ist also  jetzt  ziemlich veraltet.  Wie aber ist die Variante 3? Da kommt der Zufall in Gestalt eines freundlichen Ehepaares zu Hilfe,, das  sich gerade die Airpods anschaut . Ich frage den Mann , ob er ein solches Gerät habe. Er bejaht es , preist das Air Pod 3 in hohen Tönen an. Es ist überzeugend.  Also heraus aus dem Verkaufssaal, vor die Tür und Paulie versucht,  das Gerät online zu bestellen. Erst wird die Kreditkarte gefordert, die ich aber nicht mithabe. Dann der Gedanke, das Geld zu überweisen, aber das klappt auch nicht.

Letzter Versuch:  Paulie überweist  per Pay Pal,  und das nimmt das System freudi g an. „Das Gerät wird  im Verkaufsraum bereitgestellt,“ können wir lesen. Hoffentlich klappt das, bis 20 Uhr ist geöffnet.

Inzwischen ist es  16.30 Uhr, unser Hunger wächst, die  Zeit fürs  Mittagessen naht. Paulie hat schon vorher vorgeschlagen, beim Inder essen zu gehen. Sie schwärmt davon, daß sie vor zwei Jahren bei einem Berlin-Besuch ihrer Schulklasse bei einem Inder gespeist habe und es so köstlich geschmeckt habe.  Irgendwo in der Nähe des Friedrichstadtpalastes, erinnert sie sich.

Vom Hackeschen Markt spazieren wir zur die Oranienburger Straße, vorbei am Restaurant, in dem Tochter Petra mal gearbeitet hat und wo heutzutage ein mexikanisches Restaurant die Kunden empfängt. Die jüdische Synagoge und das benachbarte Verwaltungsgebäude  sind wie immer schwer bewacht, das kenne ich schon von früher her. Und Israel, das gerade für Schlagzeilen sorgt,  sollte uns heute nochmals begegnen.  Wir laufen durch ein neues Gebäude, was in den letzten Jahren an Stelle des ehemaligen Kulturzentrums „Tacheles“ entstanden ist.  Gleich sind wir am Friedrichstadtpalast, daneben ist das indische Restaurant „Bombay“. Ich wähne mich am Ziel, aber Paulie meint enttäuscht: „Das war es nicht“. Also im Internet schnell  nachgeschaut und dort kommt der Tipp für einen Inder ganz in der Nähe.  Zurück durch das „neue“ Tacheles, und auf der Oranienburger Straße sehen wir gleich geradeüber ein größeres Restaurant.“ Das ist es“, ruft Paulie erfreut aus und sie wird noch sicherer, als wir in die riesigen Räume „eintauchen“. Rund 500 Gäste finden hier Platz, einfach umwerfend. Und umwerfend ist auch die Freundlichkeit  der Kellner. Der Oberkellner bittet uns zu einem freien Tisch, direkt mit Aussicht auf die Straße. Perfekt! Und perfekt ist auch das Essen:  Hähnchenstückchen , einmal vegan, einmal normal, dazu Reis und eine köstliche Tomatensoße. Einziges Problem: es ist zuviel! Aber die Lösung ist einfach, wir bekommen das, was wir nicht schaffen , in einer Plastikschale samt Papiertüte mit auf den Heimweg.  Aber noch geht es nicht zurück nach Neuruppin. 

18 Uhr verabschieden wir uns vom Inder und spazieren zurück zum Apple-Verkaufssaal.  Ich fühle mich hier in der Gegendl recht heimisch, habe eine gute räumliche Orientierung. Die ist auch nötig, denn wir nehmen einen anderen Rückweg. Es geht durch die Auguststraße, dort, wo früher mal ein Tanztreff  der Humboldt-Universität  war.  Irgendwann stoßen wir auf die Sophienstraße. Da wollte ich hin. Denn sie führt  vorbei an der Sophienkirche zurück ins Viertel am Hackeschen Markt. Und zurück zum Apple-Saal. Die Spannung steigt. Ob unser „Unternehmen“  geklappt hat, ob  das Airpod unserer, Paulies Begierde schon geliefert wurde, fragen wir uns. Die Antwort kommt gleich und sie ist positiv.

Die erste freundliche Dame weist uns an den Ausgabetisch, dort, wo vor zwei Stunden  noch eine lange Warteschlange stand. Die hat sich aber abgebaut.   Ein freundlicher Verkäufer empfängt uns, scannt die Daten von Paulies Handy, das System funktioniert , alles ist in Ordnung. Aus einem Regal hinter der Verkaufstheke entnimmt er  ein kleines weißes Kästchen,  in welchem die Air Pods weich gelagert sind.  Es folgt eine kurze  Erklärung  und dann bekommt Paulie das Kästchen. Wir sind glücklich.

Noch aber ist das  Tagesprogramm  nicht abgearbeitet. 

Unser nächstes Ziel: Das Berliner Lichterfest.  Seit drei Tagen werden jeden Abend  ab 19 Uhr einige ausgewählte Gebäude, vor allem in der Innenstadt, angeleuchtet. Und nicht nur so einfach angeleuchtet, sondern mit phantasievollen, wechselnden Motiven bestrahlt.  Auf mir bekannten Wegen geht es bis zur Brücke, zwischen dem ehemaligen Palasthotel und meinem Uni-Gebäude auf der einen Seite und dem Museumsviertel und dem Berliner Dom auf der anderen Seite. Auf der Brücke stehen schon die Schaulustigen, aber von hier aus wird man wenig sehen.  So gehen wir weiter, vorbei  am Maxim-Gorki-Theater und einem neugebauten Eingang zum Deutschen Historischen Museum. Doch dafür haben wir heute keine Zeit.  Wir wollen zunächst zum Gebäude der Humboldt-Uni. Dort sehen wir die ersten Lichteffekte, aber geradeüber  wird noch mehr geboten. Auf dem August-Bebel-Platz hat sich ein Menschenmeer versammelt, man staunt und fotographiert.  Wie schön, daß es Handys und Ipads  gibt. Die Staatsoper, die St. Hedwigskathedrale, das Hotel de Rome (hier war bis 1945 die Dresdner Bank, später in der DDR eine Bankfiliale des Berliner Stadtkontors und so ganz nebenbei auch einige Zeit Sitz unserer Mittagskantine; ich arbeitete nebenan in der Staatsbank)  und die Kommode, alles wird in Farbe getaucht.  Wir sehen uns satt und schlagen dann den Weg zum Parkhaus ein. Aber so einfach ist das nicht.  Auf der breiten Karl-Liebknecht-Straße  kommen uns aus Richtung Alexanderplatz/Marienkirche Menschenmassen entgegen. Die Straße ist für den Autoverkehr gesperrt. Wir haben Mühe, uns gegen den Menschenstrom zu  behaupten. Und mir fällt ein, daß ich am 4. November 1989  auf dieser Straße an  einem Protestmarsch (gegen die Zustände  in der DDR, für freie Wahlen, Pressefreiheit) teilnahm, der bis zum Palast der Republik führte. Der allerdings existiert nun nicht mehr, wurde abgerissen und nun steht dort das Humboldt-Forum.  Aber er steht noch: der Fernsehturm.  In diese Richtung müssen wir. Ganz einfach ist das heute am Abend nicht. Plötzlich ist die ganze Straße mit Polizeiautos abgesperrt. Es  bleibt noch ein kleiner Durchschlupf. Vorbei an der Marienkirche, dann rechts Richtung S-Bahnhof-Alexanderplatz, durch den Bahnhof  hindurch, auf den Alexanderplatz und dann machen wir einen  kleinen Fehler, gehen nicht  durch das Hotel Berlin (es heißt jetzt anders, Radisson In ), sondern um den Gebäudekomplex einschließlich des neben dem Hotel neu entstehenden Hochhauses. Schwierig, weil dieser Bau den Gehweg verschwinden läßt, aber irgendwie schlagen wir uns durch, finden auch dann die Treppe hinunter in das Parkhaus. Auf der 2. Ebene steht unser grüner Opel-Mokka und freut sich, endlich wieder bewegt zu werden.  Vorher müssen wir noch zahlen, für 7 Stunden und  7 Minuten wird die Höchsttagesgebühr von 24 Euro gefordert. Aber das ist uns das Tagesvergnügen wert.

Doch noch ist das Abenteuer Berlin nicht beendet. Wir haben vorhin bei der Suche nach dem Zugang zum Parkhaus schon in der Ferne Lärm gehört und eine Demonstration beobachtet. Viel Polizei ist im Einsatz, der Demonstrationszug wird nicht weiter Richtung  Straße Unter den Linden und Brandenburger Tor gelassen, denn dort sind ja die Schaulustigen des Lichterfestes unterwegs  Die Palästina-Demonstration mit 14.000 Teilnehmer wird an der Kreuzung Karl-Liebknecht-Straße / Memhard-Straße  angehalten, dort am früheren Pressecafe, neben dem Gebäude des Berliner Verlages.

Ich hoffe, dass wir  vom Parkhaus nicht in Richtung Demonstration , sondern in  Richtung Karl-Marx-Allee, also Richtung Osten fahren können. Das sieht auch anfangs so aus, aber  nur anfangs.  Eine Absperrung auf der Straße verwehrt uns die Weiterfahrt.  Also müssen wir uns wohl oder übel  nach links bewegen, in Richtung Westen, in Richtung  Demonstration.  Ich fahre zunächst langsam, halte nochmals an. Ich muß nach rechts Richtung Prenzlauer Allee fahren, aber da sehe ich mindesten 10 Polizeiautos  in der Karl-Liebknecht-Straße  in der rechten Fahrspur parken.  Ob sie wohl die ganze Straße sperren? Dann sind wir in der Mausefalle, denn geradeaus können wir nicht, weil da ja die Demonstranten laufen (zur Orientierung: es gibt in der Karl-Liebknechtstraße  in beiden Richtungen je 3 Fahrspuren, das wird uns bald helfen).

Als ich sehe, daß ein Polizeiauto in die von mir gewünschte Richtung fährt, fasse ich Mut, fahre dem Polizeiauto nach. Es klappt, die Fahrbahn ist frei, die rechts stehenden Polizeiautos stören nicht.  Ich fühle mich, uns , gerettet. Mein Orientierungssinn in dieser Gegend macht mich sicher, die Freiheit naht. Rechts liegt der Friedhof, links das Gebäude der ehemaligen Brotfabrik, dann die Tankstelle (etwas weiter hatte Tochter Petra früher mal eine Wohnung), dann links die Metzer Straße, wo ich  seit 1961 lange Zeit wohnte. Wir fahren auf der Prenzlauer Allee entlang, wie so oft. Nun ist es für mich und das Navi kein Problem mehr.  Bald sind wird auf der Autobahn, und der Rest ist ein Kinderspiel.  21.20 Uhr sind wir zuhause in der Friedrich-Ebert-Straße.

Paulie probiert bald ihre Air Pods aus, auch an mir. Erstmals habe ich so etwas im Ohr, und darf Musik lauschen. Es klingt sehr gut, vielleicht kaufe ich mir irgendwann auch mal solch ein Zaubergerät.  Paulie ist glücklich, hat sie  nun Unterhaltung für 8 Stunden (so lange hält der Akku, bevor neu geladen werde muß) Bahnfahrt, die sie  am Sonntag (12.10.) wieder zurück nach Köln führen wird.