Die Plätzers aus Norwegen

klein Kjersti und Stephan

Stephan Plätzer und Kjersti Tysse Plätzer

Stephan Plätzer war ein guter deutscher Mittelstreckler und gehörte in den 90er-Jahren zu den erfolgreichen Athleten des TV Wattenscheid. Er war mehrfacher Deutscher Meister in den Staffeln und machte vor allem als Tempomacher bei Deutschen Rekorden, Europarekorden – und Weltrekorden von sich reden. Später trainierte er die norwegische Geherin Kjersti Plätzer (geb. Tysse), die 2000 in Sydney und 2008 in Peking olympisches Silber über 20 km gewann.

Doch wie kam ich nach vielen Jahren in Kontakt mit ihnen?

Weckruf um Mitternacht

Kürzlich lag ich um Mitternacht im Bett, konnte nicht einschlafen und schaute auf mein Smartphone. Da sah ich auf Facebook die Eingabe: Stephan Plätzer stellt eine Freundschaftsanfrage. Nicht immer liegt mir jeder Name auf der Zunge, denn zu viele sind es in den Jahrzehnten geworden. Aber da machte es sofort Klick: Plätzer, da gab es doch die norwegische Geherin Kjersti.

Fast die Begegnung in Eisenhüttenstadt

Sofort schlug ich in meinem Archiv nach und entdeckte, dass ich sie zuletzt im Jahr 2000 beim Europacup der Geher in Eisenhüttenstadt gesehen hatte. Dort, auf der „Insel“, war ich viele Jahre zu den jährlichen Geherwettkämpfe gewesen. Dieser Europacup war in dieser Kette der Höhepunkt.
Kjersti Plätzer belegte über 20 km den dritten Platz, aber gesprochen habe ich nicht mit ihr. Da hatte ich wohl zuviel mit den deutschen Athleten zu tun. Vor allem mit Andreas Erm, der hinter dem Polen Korzeniowski Zweiter geworden war und mit den deutschen Frauen, die allerdings hinter den hohen Erwartungen zurückblieben. Über sie hatte ich in der „Leichtathletik“ vom 20. Juni 2000 geschrieben:
„Viel Trost brauchte diesmal das „schwache“ Geschlecht. Nach den guten Leistungen von Naumburg vor sechs Wochen hatten sie selbst von sich mehr erwartet. Kathrin Boyde und Beate Gummelt, die bereits für Sydney qualifiziert sind, und Melanie Seeger, die sich auf der „Insel“ qualifizieren wollte. Am Ende standen sie mit leeren Händen da, sprich mit für sie selbst enttäuschenden Zeiten. „Ich weiß nicht, woran es liegt, denn mein Training deutete klar auf eine 1:30er Zeit hin“, erklärte Beate Gummelt. „Und ich weiß, dass andere auch nicht anders trainieren, habe in Flagstaff mit der Norwegerin Kjersti Plätzer trainiert, die hier Dritte wurde“.
In Eisenhüttenstadt kam ich also mit der Norwegerin nicht ins Gespräch. Und auch ihrem Trainer Stephan Plätzer begegnete ich dort nicht.

Der Zufall ist das Salz des Lebens

Nach über 15 Jahren nun der erste richtige Kontakt, diesmal über das Internet. Stephan Plätzer hatte meinen Namen zufällig bei Facebook gesehen und erinnerte sich daran, dass ich früher viel über die Geherinnen und Geher geschrieben habe. „ Ja, Facebook bringt die Menschen zusammen“, schrieb er mir später. „ Auf diesem Weg habe ich viel Kontakt zu vielen Leuten, die Kjersti und mir zu unserer aktiven Zeit begegnet sind.“
Ein wenig Zufall also, und noch etwas mehr Zufall kam hinzu: Gerade an diesem Tag hatte ich mir erstmals einen silbernen Ring mit der Inschrift „ Norge 1940“ aufgesteckt, den mein Onkel in den Kriegstagen in Norwegen erstanden und später mit nach Deutschland zurückgebracht hatte. Zudem war ich vor wenigen Monaten erstmals in Norwegen gewesen, auf einer kleinen Kreuzfahrt mit der Color Line von Kiel nach Oslo und zurück.
„ Es gibt immer wieder Zufälle“, bestätigt auch Stephan Plätzer. „ Auch wir erleben immer wieder mal einige Überraschungen. Die Welt ist schon klein. 1989 hatte ich bei der Universiade in Duisburg den Norweger Ove Talsnes in meinem 1500-m-Vorlauf. Er ist jetzt Arzt der Norwegischen Leichtathleten, und wir reisen nun seit mehreren Jahren gemeinsam zu den Internationalen Meisterschaften. Ove in seiner Funktion als Nationalmannschaftsarzt und ich als Trainer für die beiden norwegischen Geher Erik Tysse (den Bruder von Kjersti; 20 km und 50 km) und Håvard Haukenes (50 km).

Umzug nach Norwegen

klein Trainingsstrecke der Geher

Trainingsstrecke für die norwegischen Geher

Nachdem Stephan Plätzer 1995 Kjersti geheiratet hatte, siedelte er 1998 nach Norwegen um. Seitdem lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern, Tochter Kiara Lea und Sohn Sebastian, in Syfteland, einem kleinen Ort südlich von Bergen.
Stephan arbeitete bis Ende 2012 für das norwegische Olympische Komitee im Ausdauerbereich. „ Meine Aufgabe war es, die deutschsprachige Literatur für das Ausdauertraining und das Höhentraining zu verfolgen und an Höhentrainingsseminaren im In-und Ausland teilzunehmen,“ erzählt er. „ Und ich habe auch im Kreise der norwegischen Skilangläufer Vorträge gehalten und bin mit Kjersti im Trainingslager der norwegischen Biathleten gewesen. Die norwegischen Spitzenbiathleten Liv Grete Poiree und Raphael Poiree sind unsere Freunde“.
Inzwischen ist Stephan Plätzer in der Nähe seines Wohnortes als Lehrer tätig, unterrichtet die Schüler der 8. bis 10. Klassen in den Fächern Deutsch, Englisch, Sport und im „Wahlfach“ Aktivität und Gesundheit. Dort hat er einen sportfreudigen Arbeitgeber, der seine Tätigkeit im Leistungssport, sprich die Betreuung der Geher-Athleten Erik Tysse und Håvard Haukenes sowie der portugiesischen Geherin Susana Feitor, voll unterstützt und ihn zu wichtigen Anlässen wie Meisterschaften und Trainingslagern freistellt. Und es war Stephan 2014 auch möglich, bei den Leichtathletik-Europameisterschaften in Zürich für das schweizerische Fernsehen die Wettbewerbe der Geher als Co-Kommentator zu begleiten. Dafür hatte er sich schon früher die Grundlagen erarbeitet. „ Ich habe an der Deutschen Sporthochschule in Köln Sportpublizistik studiert und war anschließend bei Sat 1 in Hamburg.“

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Stephan Plätzer (rechts) als Co-Kommentator des Schweizer Fernsehens SRF bei der EM 2014 in Zürich; links Jann Billeter vom SRF

Zusätzlich arbeitet Stephan auch als Persönlicher Trainer, hat dafür von 2011 bis 2012 gemeinsam mit seiner Frau ein Studium an der Norwegischen Sporthochschule absolviert.
Seine Frau Kjersti beendete ihre Karriere nach der WM 2009 in Berlin. Sie bestreitet jetzt ein fünfjähriges Teilzeitstudium, das in der nahen Gemeinde Os angeboten wird. Kjersti will später Schüler von der 1. bis zur 7. Klasse unterrichten. Neben der umfassenden Pädagogik hat sie bereits Mathematik und Norwegisch abgeschlossen. Gegenwärtig studiert sie die Fächer Religion und Sport. Im nächsten Jahr wird sie das Studium mit einem Bachelor abschließen. Neben ihrem Studium ist Kjersti auch als Persönliche Trainerin aktiv.
Langeweile gibt es also nicht im Hause Plätzer. Und für Stephan ist der Kontakt nach Deutschland nach wie vor sehr wichtig. „ Ich bin häufig mit meinen Athleten in Wattenscheid, wo sie hervorragende Trainingsbedingungen vorfinden und Freundschaften pflegen können.“
Und darüber hinaus hält er den Kontakt zur Welt über das Internet. So ist das ferne Norwegen dann doch nicht so fern.

Peter Grau

kleinSoefteland Sommer Küchenfensterklein

Blick im Sommer aus dem Küchenfenster

klein Winter aus dem Küchenfenster

Blick im Winter aus dem Küchenfenster

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