Sie liebt das Außergewöhnliche. Katja Seyffardt, ihres Zeichens Mentaltrainerin, zeigt Hochleistungssportlern, wie man gegen Ängste und Barrikaden angeht, wie man den Wettkampfstress mindert. Aber nicht nur reden kann sie. Sie beweist auch als ambitionierte Sportlerin in einer nicht alltäglichen Sportart wie Fallschirmspringen sowohl körperliche als auch geistige Fitness.
Von ihr ist Deutschlands bester Geher, Christopher Linke aus Potsdam, vor den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro elf Monate lang betreut worden. Messbarer Erfolg: der 5. Platz im 20-km-Gehen von Olympia und nur knapp an einer Medaille vorbeigeschrammt. Und aktuell am 21. Mai 2017 der Erfolg beim Europacup der Geher in Podebrady.
Nicht alle wollen in der Öffentlichkeit darüber reden. Christopher Linke aber nimmt kein Blatt vor den Mund: „ Katja hat mir in unserer elfmonatigen Zusammenarbeit in Vorbereitung auf Olympia Rio 2016 einen Weg gezeigt, meine Konzentration zu fokussieren. Statt mich an anderen Wettkampfteilnehmern zu orientieren, kann ich nun den Fokus bei mir und meiner Leistung halten. Sie hat es geschafft, mich immer wieder neu zu motivieren, indem wir an vielen kleinen Zielen auf dem Weg zum großen Ziel gearbeitet haben. Es hat mir gerade am Anfang sehr geholfen, dass ich mit Katja über meine Probleme und Ängste sprechen konnte. Sie hat mir deutlich gemacht, dass nur ich selbst Dinge ändern kann. Ich habe mehr Verständnis für gewisse Situationen gefunden, mein Blickwinkel hat sich geändert und so auch mein Verhalten. Ich bin ruhiger geworden und kann jetzt durch eine konkrete Zielsetzung den Fokus auf die für mich wichtigen Dinge halten. Mein Ergebnis bei Olympia in Rio hat meine anfänglichen eigenen Erwartungen mehr als übertroffen. Danke Katja!“
Soweit die Worte von Christopher Linke.
Wenn man ihn, wie ich, dann im Livestream von Podebrady gesehen hat, war man überrascht von seiner Dominanz. Er sprühte förmlich vor Selbstbewußtsein. Und Katja Seyffardt, die mit Hagen Pohle und Nils Brembach weitere Geher betreute, meint dazu: „ Die Geher haben bei ihrem langen Kampf Phasen, in denen es hart wird. Dann müssen sie über die Schmerzen hinwegsehen, und sich auf anderes konzentrieren, beispielsweise sich mit Worten motivieren.“ Wissenschaftliche Studien haben bewiesen, dass man 50.000 Mal am Tag mit sich selbst redet. Dessen muss man sich bewusst werden und zu seinem Vorteil ausnutzen.
Nicht immer klappt es allerdings so wie bei Christopher Linke.
Katja Seyffardt betreute auch ihren Fast-Namensvetter, den Potsdamer Speerwerfer Bernhard Seifert, der zwar den Sprung nach Olympia nicht schaffte, aber sich trotzdem über die elfmonatige Zusammenarbeit positiv äußerte: „ Katja konnte mir viel beibringen und das zeigen, was ich in meinem Beruf als Spitzensportler super anwenden kann. Wir arbeiteten an Motivation, Konzentration, Stressbewältigung und Umgang mit Verletzungen. In erster Linie konnte ich mit ihr meine ganzen Probleme und Ängste besprechen. Weiterhin haben wir an Teilzielen gearbeitet, die es mir ermöglichten, stets motiviert zu bleiben und nicht das Hauptziel aus den Augen zu verlieren. Sie zeigte mir, wie man mit schwierigen Situationen klarkommt und wie man diese bewältigt. Ich konnte durch die Übungen meinen Fokus sowohl im Training als auch im Wettkampf super halten und habe mich nicht durch andere Einflussfaktoren aus der Bahn bringen lassen. Wenn es mal nicht klappte, analysierte sie mit mir gemeinsam das Problem und zeigte mir stets einen neuen Weg. Ich bedanke mich für die super Zusammenarbeit. Danke Katja!“
Wann aber kommen die Sportler zur Mentaltrainerin? Viele Leute denken, dass sie zu einem Mentaltrainer gehen, wenn sie Probleme haben. Aber man könnte schon viel früher mentale Techniken anwenden, um es nicht soweit kommen zu lassen, dass man in der Blockade hängt oder aber die Angst-Dimension sehr groß ist“. Und Katja Seyffardt erläutert das an einem Beispiel: „ Der Körper ist gewissermaßen die Hardware vom Computer, und der mentale Aspekt ist die Software. Beides muss kompatibel sein. Wenn die mentale Einstellung nicht abgestimmt ist, dann kann der Körper noch so gut ausgebildet sein, aber man kann seine Leistung nicht abrufen. Es entsteht eine Blockade, die sich beispielsweise in Wettkampfangst äußert. Die Kunst ist nun, durch bestimmte Techniken den Kopf im Jetzt zu behalten.“ Wie aber sehen solche Techniken aus? „ Es gibt Entspannungs- und Konzentrationstechniken, bei denen man sich auf das Ein-oder Ausatmen konzentriert. Ein anderes Mittel ist, bestimmte Muskelgruppen anzuspannen, angefangen vom Kopf über den Bauch bis zu den Füßen“. Jeder reagiert darauf anders. Der eine schaut lieber, der andere hört lieber und wieder ein anderer fühlt lieber.
Das Mentaltraining ist natürlich eine sehr persönliche Sache. „ Das 1 zu 1 – Coaching ist sicherlich besser als etwa ein allgemeiner Workshop mit mehreren Leuten. Nur im Einzelgespräch öffnet sich der Athlet vollkommen“, erklärt Katja. Und ich kann es nachfühlen, denn sie hat eine bestimmte Gabe, auf Leute zuzugehen und mit ihnen zu reden. Wir kannten uns vor unserem Treffen in einem Kaffee im Outletcenter in Wustermark bei Berlin nicht persönlich, sondern nur durch das Internet. Doch der Draht zwischen uns war sofort geknüpft, auch wenn ich ja nicht mit einem persönlichen Problem zu ihr gekommen war.
Warum aber hat sie diese Ausstrahlungkraft? Ein wenig wurde es mir klar, als sie mir einiges über ihren bisherigen Lebensweg erzählte.
Tauchsport – Fallschirmspringen – Mentaltrainerin
Die gebürtige Hamburgerin absolvierte zunächst eine Tauchausbildung. Schon mit 20 Jahren suchte sie ihre berufliche Erfüllung im Ausland, zunächst in Südamerika, danach in der Karibik und in Mittelamerika. Dort arbeitete sie vor allem als Tauchlehrerassistentin. Wieder zurück in Deutschland flog sie einige Jahre als Stewardess durch die Lüfte, wandte sich dann der Psychologie zu.
Gleichzeitig arbeitete sie bereits intensiv im Tauchsport als Tauchlehrerassistentin. „Ich war bei Tauchevents als Sicherungstaucherin in Cypern dabei, habe für zwei Tauchschulen in Ägypten gearbeitet und Taucher mit ausgebildet.“ Sie lernte es dabei, sich und anderen die Angst zu nehmen. Und ihren nächsten, nun wieder längeren Auslandseinsatz hatte sie dann in Russland, wo sie zunächst in Sibirien für ein Jagd- und Abenteuerunternehmen arbeitete.
Anschließend folgten vier Jahre Moskau, wo sie Leute im Fitnessbereich und im Mentalbereich trainierte. Das hätte sie sicherlich noch länger getan, doch da machte ihr 2008 die weltweite Finanzkrise einen Strich durch die Rechnung. Bis 2010 kämpfte sie sich noch durch, aber dann kehrte sie zurück nach Deutschland, zunächst nach Hamburg und arbeitet seitdem als Mentaltrainerin.
Der Reiz der Lüfte
Doch Stillstand ist Rückschritt. Das scheint ihr Motto zu sein. War eines ihrer Lebenswelten bisher beim Tauchsport das Wasser, wiederentdeckte sie nunmehr den Reiz der Lüfte. „ Mit dem Fallschirm springen wollte ich auch früher schon, aber beides, Tauchen und Springen, war zeitlich nicht zu packen.“
Seit 2010 widmet sie sich wieder mehr dem Fallschirmspringen, den Fallschirmschein hatte sie ja schon gemacht. Sie arbeitet nun auf den Flugplätzen von Fehrbellin und Gransee, zwei Gemeinden rund 100 km nördlich von Berlin entfernt. „ Ich bilde Leute theoretisch im Fallschirmspringen aus und gebe 1 zu 1- Coaching für diejenigen, die schon springen können, sich aber noch verbessern wollen.“
Frei wie ein Vogel fliegen
Katja Seyffardt ist auch BASE-Springerin geworden. Was verbirgt sich dahinter? Einfach gesagt: Mit einem Flügelanzug springt sie vom Berg herab, fliegt und landet später mit dem Fallschirm. „ Es ist eine Extremsportart, und man braucht zuvor eine gehörige Anzahl von Fallschirmsprüngen aus dem Flugzeug, ehe man sich da heranwagen kann.“
Auf den Fotos kann man sehen, wie spektakulär das Ganze ist. Zunächst wird eine entsprechende Kleidung angelegt, die später das Fliegen möglich macht. Und so spannend, wie es von außen aussieht, beschreibt es Katja Seyffardt auch: „ Man steht oben am Berg, an der Kante. Dann gibt es eine ganz bestimmte Absprungtechnik, um gut vom Berg abzuspringen und in den Flug zu kommen.“ Und wie ist der Flug? „Natürlich toll. Man fühlt sich wie ein Vogel. Man lenkt mit Gewichtsverschiebungen, kennt die Landezone. Und man zieht rechtzeitig den Fallschirm und landet dann. Alles geschieht auf Sicht, und nicht wie beim Sprung aus dem Flugzeug, wo wir einen Höhenmesser und einen Höhenwarner dabei haben und genau wissen, wann wir den Fallschirm ziehen müssen. Beim BASE-Springen muss man das Gefühl entwickeln, wie tief man gehen kann und wann man den Fallschirm zieht. Natürlich sind da auch immer Ängste dabei, aber man lernt, damit umzugehen, sie zu beherrschen. Man lernt, sie gut einzuschätzen und man wächst auch über sich hinaus, entwickelt sich weiter.“
Vom Berg fliegen ist ein aufregender Ausgleich für ihre Tätigkeit als Mentaltrainerin. Es ist auch ein wenig ein Selbstversuch, wie man mentale Stärke beweisen und trainieren kann. „ Wenn ich meinen Sportlern davon erzähle, erkennen sie schnell, dass ich nicht nur die Theorie beherrsche, sondern sie auch selbst anwende.
Warum arbeitet Katja Seyffarth überhaupt mit den Athleten? „ Ich finde es sehr interessant, weil ich mich in die Thematik einfühlen kann. Ich kenne selbst Ängste, arbeite seit vielen Jahren im Sport. Zwar nicht als Profisportlerin, sondern in der Vergangenheit als Tauchlehrerassistentin und seit vielen Jahren als Fallschirmsprung-Lehrerin. Ich weiß, wie es ist, wenn man einem gewissen Druck ausgesetzt ist, wenn man dann eine bestimmte Leistung zu einem Zeitpunkt X abliefern muss.“
Peter Grau
BASE-Springen in der Schweiz und in Italien: