Archiv für den Tag: 3. Juni 2016

Michael Wolffsohn – Ich will keine Gesinnungs-Republik

 Soeben habe ich in meinem Tagebuch unter „ Entenküken, Fontane und Landschaften – die Chance zum Innehalten“  auch kurz zu politischen Themen Stellung genommen, so auch zur Armenien-Resolution. Gleichzeitig schrieb ich, daß es besser für mich sei, mich nicht auf die politische Ebene zuzubewegen.  Das schließt aber nicht aus, andere politische Wortmeldungen zu veröffentlichen.

Und da kommt mir eine Wortmeldung von Prof. Michael Wolffsohn gerade recht, die heute, am 3. Juni 2016,  in „BILD“ stand. Nicht jeder wird mit dem Inhalt einverstanden sein, aber zum Nachdenken regt es allemal an.

Lesen Sie im folgenden den Beitrag von Prof. Michael Wolffsohn:

Ich will keine
​Gesinnungs-Republik!

Von MICHAEL WOLFFSOHN

Hilfe, wir werden eine Gesinnungsrepublik! Wohin man in unserem Land schaut und was man hört, sieht oder liest: Einheitsmeinungen, Einheitsmeinungen, Einheitsmeinungen. Nun werden sie uns auch noch sozusagen staatlich verordnet.

Das jüngste Beispiel: Am Donnerstag beschloss der Bundestag fast einstimmig, den 1915 vom Osmanischen Reich mit deutscher Hilfe organisierten Mord an rund 1,5 Millionen christlichen Armeniern als „Völkermord“ zu bezeichnen. Einige Abgeordnete nannten diese Entscheidung „mutig“. Hier und da fällt sogar das (selbst-)lobende Wort „Zivilcourage“.

Natürlich war jener Massenmord ein Völkermord. Mich beeindruckt die selbst beanspruchte Zivilcourage überhaupt nicht. Ich sage denen, die im Jahre 2016 den Völkermord von 1915 verurteilen: „Guten Morgen. Auch schon aufgewacht? Glückwunsch.“

Ich erinnere daran, dass der US-Kongress eine vergleichbare Entschließung schon 1995 verabschiedet hat. Da so mancher bei uns fast alles aus den USA für „reaktionären Mist“ hält, weiß das kaum jemand.

Auch ich habe reichlich spät, nämlich 1995, in diversen nationalen und internationalen Medien die Verurteilung jenes Völkermords gefordert. Spät, aber 1995 war doch etwas früher als 2016.

Inhaltlich stimme ich der Bundestagsentscheidung zu. Ohne Wenn und Aber.

Und doch ABER: Ich kann es kaum noch ertragen, dass unsere Volksvertreter von links bis rechts, dass „der“ Staat sich immer häufiger zur erzieherischen und moralischen Anstalt emporschwingt.

Das genau ist der Staat eben nicht. Jedenfalls kein demokratischer Staat, denn in einer Demokratie spiegelt der Staat die VIELfalt der Meinungen, die es in der Gesellschaft gibt, wieder.

In unserer bundesdeutschen Demokratie nennen seit Bundeskanzler Willy Brandt die Staats- und Volksvertreter uns Bürger oft und gerne „mündige Bürger“. Wenn sie uns für mündige Bürger halten, müssen sie uns nicht erziehen. Genau das tun sie.

Das bedeutet: Sie nennen uns „mündige Bürger“, aber sie betrachten und behandeln uns als Unmündige, als kleine, dumme Kinder, denen man sagen muss: „Das darfst du, das darfst du nicht. Das ist gut, das ist schlecht.“ Ich möchte das, bitte schön, selbst entscheiden. Sie nicht, liebe Mitbürger?

Ich möchte mir auch nicht von Kanzlern, Ministern oder anderen Volksvertretern sagen lassen, welches Buch das Volk lesen oder nicht lesen soll. Das möchte ich selbst entscheiden. Sie auch, liebe Mitbürger?

Ich finde auch den inflationären Missbrauch des Wortes „Zivilcourage“ unerträglich. Zivilcourage ist so etwas wie Widerstand, Heldenmut und Notwehr. Das bedeutet: Zivilcourage ist eine ganz seltene Tugend. In einer Diktatur bedarf es der Zivilcourage zum Widerstand.

In einer Demokratie ist Widerstand unnötig. Widerspruch tut not. Ganz viel und ganz oft. Widerspruch in einer Demokratie ist – der Verfassung (bei uns Grundgesetz) sei Dank – nötig, aber ungefährlich für Leib und Leben. Das gilt erst recht für Zuspruch.

Bezeugt die Verurteilung des osmanisch-deutschen Völkermords von 1915 Zivilcourage? Nein. Sie bezeugt vielmehr die Entwicklung unserer Bundesrepublik zu einer Gesinnungsrepublik.

Die herkömmlichen Parteien sind dabei, den Bürgern einen einheitlichen Gesinnungsbrei zuzubereiten. Der mag durchaus wohl schmecken oder angebracht sein. Doch angewidert vom politischen Einheitsmenü wenden sich eher früher als später viele Bürger anderen Speisen zu.

Im Klartext: Immer mehr Bürger wenden sich von den etablierten Parteien (zu denen längst auch Die Linke gehört) ab und protestieren. Jeder Erzieher stößt irgendwann beim Erzogenen auf Widerspruch. Wenn die etablierten Parteien die Bürger immer mehr erziehen, werden diese sich ihnen entziehen.

Bitte, liebe von mir wirklich verehrte Volksvertreter, weniger Volkserziehung und mehr Politik. Dann haben Protestparteien wie die AfD auch weniger Zulauf.

Michael Wolffsohn

(aus BILD vom 3. Juni 2016)

Wolfsohn

Prof . Dr. Michael Wolffsohn , 69, ist Historiker. Soeben erschien ist  sein neuestes Buch „Zivilcourage, Wie der Staat seine Bürger im Stich lässt“, München, dtv, € 7,90

Entenküken, Fontane und Landschaften – die Chance zum Innehalten

Wer wie ich sich auf das Abenteuer Homepage einläßt, der muß wissen, was er will und wohin er will. Ich will zuallererst Wissenswertes über die Leichtathletik verbreiten, weil ich viele Jahre meines Lebens damit verbracht habe und weil ich sie noch immer mag, trotz aller Negativmeldungen. Und deshalb fahre ich auch zu Veranstaltungen wie den Halleschen Werfertagen und lasse dort vor allem das Drumherum auf mich wirken und gebe es weiter.

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David Storl wird bei den Halleschen Werfertagen interviewt

 

Spontan greife ich Ereignisse aus dem normalen täglichen Leben auf, so etwa unsere 30- tägige Begegnung mit der Entenfrau und ihren zehn Küken (siehe „Die Ente auf dem heißen Glasdach“).

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Über manches stolpere ich einfach, wenn ich durch die Stadt gehe. So geschehen, als der Künstler Ottmar Hörl für einige Wochen rund 400 Fontanefiguren vor der Neuruppiner Pfarrkirche aufstellte:

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Fontane-Figuren vor der Pfarrkirche (Foto: Wrosch)

Vier Fontane-Figuren trapierte er zudem am Bollwerk mit Blick auf den Ruppiner See. Und unsere Ente mit ihren Küken staunte nicht schlecht, als sie die vier gelben Gestalten sah, kurz bevor sie selbst den Sprung ins Wasser wagte (Foto: Wrosch)

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Ebenfalls ein wichtiges Element dieser meiner Homepage sind Spaziergänge durch Städte und Dörfer, und Wanderungen durch die Natur. Flora (Pflanzenwelt) und Fauna (Tierwelt) sind dankbare Objekte für den Fotoapparat und die Schreibfeder.

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Und ich merke es immer an den Reaktionen der Leser, daß sie sich gern auf diese „leichten“ Themen einlassen. Auch, um etwas Ruhe in das ansonsten hektische Leben zu bringen.

 

Heraushalten wollte ich mich aus den ausufernden politischen Debatten, obwohl das manchmal sehr schwer fiel und fällt. Denn ich habe den Eindruck, daß von der öffentlichen Meinung, sprich den Medien, oft die Probleme so lange behandelt werden, bis sie keiner mehr hören will und kann. So war es bei Böhmermann, der irgendwie die richtige Kampfrichtung gefunden hat, nämlich kontra Erdogan, daß nur wenige sich trauten, zu sagen, daß sie solch ein Gedicht als geschmacklos, einfach unangenehm empfanden (ich zählte mich dazu). Nun ist dieses Kapitel hoffentlich abgeschlossen.

Nicht abgeschlossen ist der allgegenwärtige, ständige Kampf gegen alles, was AfD heißt, was sich auch nur damit beschäftigt. Zuviel Interesse an dieser Partei weckt Mißtrauen, sodaß es klüger ist, sich nur im privaten Kreis oder überhaupt nicht zu äußern. Aber das nicht alle die AfD ablehnen, wird dann an den Wahlurnen sichtbar.

Die Flüchtlingsdebatte läuft gerade nur auf Sparflamme, zumindest in den Medien. An der Basis, in den Städten und Gemeinden, die eng damit befaßt sind, ist das sicher anders.

Heute kam nun ein neues „weltbewegendes“ Problem in die Öffentlichkeit. Der Bundestag stimmte der Armenienresolution zu. Normalerweise würden sich 99 Prozent der Deutschen nicht damit befassen, weil sie schlicht von diesem Fakt keine Kenntnis hatten. Nun aber ist man gezwungen, nachzuschauen, was damals im 1. Weltkrieg geschah und warum 1,5 Millionen Armenier ihr Leben lassen mußten.  Aber wenn man weiß, daß die Türkei bei diesem Thema immer sehr pikiert reagiert, versteht es man schwer, daß man nun ohne Not eine weitere Verschlechterung der Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei riskiert.  Fazit: Gibt es nicht wichtigere Themen, die die Nation bewegen?

Und ein weiteres persönliches Fazit: Ich fahre besser damit, mich nicht auf die politische Schiene einzulassen. Dazu müßte ich ganz tief in die Materie einsteigen, mich vielleicht als Journalist im politischen Berlin akkreditieren lassen. Doch dazu habe ich nicht mehr die Kraft.

So belasse ich es bei Pressekonferenzen (PK) rund um die Leichtathletik. Wie etwa am 9. Juni, wenn ich nach Berlin zur Eröffnungs-PK des 75. ISTAF fahre.

Peter Grau