Kofi Prah: 40 Jahre und fit wie ein Turnschuh

Der Berliner Kofi Amoah Prah gehörte vor 15 Jahren zu den besten Weitspringern Deutschlands. Im Juni 2000 stellte er in Wesel mit 8,20 Metern seine Bestleistung auf. Den größten Erfolg landete er im gleichen Jahr mit Platz fünf bei den Olympischen Spielen in Sydney. Heutzutage sorgt er sich als Personal Trainer um die Fitness seiner Kunden.

5.9.2015 059

Wir treffen uns auf der Arbeitsstelle von Kofi Prah, dem mitten in der City von Berlin gelegenen Studio „Fitness and Friends“. Seit unserer letzter Begegnung im August 2008 in Elstal sind sieben Jahre vergangen, aber der nunmehr 40-jährige Kofi hat sich äußerlich nicht viel verändert. Er strahlt wie eh und je und man sieht ihm sofort an, dass er austrainiert ist. Zwar hat er nicht mehr ganz sein Wettkampfgewicht von 72 Kilogramm, aber mit seinen 77 Kilos kann er sich immer noch sehen lassen.

Mit ein wenig Stolz führt er den Gast zuerst durch das Studio, erklärt die einzelnen Geräte. „Wir haben die typischen Fitnessgeräte, Kraftgeräte und funktionelle Geräte, Dehnungsgeräte, dazu vielseitige therapeutische Möglichkeiten.“

 

Aber die Geräte seien nur der eine Teil der Arbeit. Genauso wichtig: das Erstellen eines Trainingsplanes, die Beschäftigung mit Ernährungsfragen und die persönlichen Gespräche. „Das ist das Schöne an unserem Beruf“, erzählt Kofi Prah. „Man kann sich weg vom Sportlichen auch über andere Themen unterhalten. Und das Klischee, dass man nur danebensteht und Anweisungen gibt, stimmt nicht. Man macht viel mehr, ist fast wie ein Arzt. Die Leute vertrauen dir, sie vertrauen dir ihren Körper an. Auch ihre Seele.“

Als Baby von Ghana nach Berlin

Viel geschehen ist in den vergangenen vierzig Jahren im Leben des Kofi Prah.
Im Alter von vier Monaten kam er mit seinem Vater, der Mitarbeiter in der Botschaft von Ghana in Ostberlin war, nach Berlin. Ein Jahr später folgte die Mutter. „Ich bin als Baby eingepackt worden und mit nach Deutschland gekommen, habe die ganze Zeit in Berlin gelebt. Ich habe mich schnell als Deutscher gefühlt, aber ich hatte es leichter, mich einzugewöhnen. Ich bin nicht wie die anderen Diplomatenkinder auf eine Schule gekommen, wo die Kinder Ausländer waren, sondern war auf einer normalen DDR-Oberschule, sprach Deutsch – Berlinerisch.“

Sportlich fing er mit Fußball an, entdeckte dann seine Leidenschaft für Basketball. „Ich war technisch sehr gut am Ball und die Sprungkraft war auch vorhanden.“ In der Schule zeichnete er sich durch seine Schnelligkeit aus, mit 14 Jahren beteiligte er sich an den ersten intensiven Wettkämpfen in der Leichtathletik.

„Habe einfach Spaß gehabt“

Relativ spät entschied er sich dann für den Weitsprung – auch wenn er dafür mit 1,76 Metern Körpergröße eigentlich etwas zu klein war. „Die Hebel spielen schon eine Rolle und es ist kein Zufall, dass oft die größeren Athleten die Medaillen geholt haben.“ Beispiele sind Carl Lewis, Mike Powell (beide USA), Ivan Pedroso (Kuba), Christian Reif oder Sebastian Bayer (Hamburger SV). „Den Nachteil musste ich mit meiner Kraft und Schnelligkeit ausgleichen“, meint Kofi Prah.

„Aber“, und da wirkt er wieder bescheiden, „ich habe mich nie als ein Carl Lewis gesehen, habe nie gedacht, dass ich im Weitsprung eine Legende werden könnte. Ich habe einfach Spaß an dem gehabt, was ich gemacht habe.“

Zuerst bei Nachwuchstrainer Jochen Hepe, dann ab 1994 bei Trainer Klaus Beer stellten sich die Erfolge ein. Anfangs auch im Langsprint, als er 1993 Deutscher Jugendmeister mit der 4×400-Meter-Staffel wurde. „Die Stabilität im Anlauf und die Schnelligkeit habe ich in der Jugend durch die langen Sprintstrecken gelernt.“

Knapp an der Olympia-Medaille vorbei

Es dauerte einige Jahre bis zu seinem größten Erfolg, dem fünften Platz im Weitsprung bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney (Australien). „Ich weiß, dass sich im Nachhinein nur wenige für fünfte Plätze interessieren. Aber ich hatte bereits mein Ziel erreicht, denn meine Grundeinstellung lautete: Im Sport ist es das Höchste, an Olympischen Spielen teilzunehmen. Doch als ich dann im Finale war, habe ich gedacht: Jeder hat eine Chance.“

Nach dem dritten Durchgang war er mit 8,19 Metern Dritter. „Dann sind noch zwei vorbeigesprungen. Es fehlten nur zwölf Zentimeter zu Bronze, aber trotzdem war ich hochzufrieden. Schließlich war ich nur als 23. der Welt angereist.“

Kleine Randnotiz: Diese 8,19 Meter waren genau die Weite, mit der sein Trainer Klaus Beer bei den Olympischen Spielen von 1968 in Mexiko Silbermedaillengewinner wurde, hinter dem US-Amerikaner Bob Beamon, der damals mit 8,90 Metern Weltrekord sprang.

Verletzungen verlangsamen Karriere

Für Kofi Prah sollte es nach seinem Selbstverständnis der Anfang einer längeren Karriere sein. Aber er wollte zu schnell zu viel. „ Mein Trainer Klaus Beer sagte immer: Das Jahr nach Olympia ist immer ein Jahr, in dem man herunterfährt. Ich aber wollte direkt die Erfolge wiederholen, noch mehr trainieren, noch weiter springen.“ Das war im Nachhinein der falsche Weg.

2003 kamen die ersten schweren Verletzungen. „Ich war zwar trotzdem noch schnell, hatte auch noch einige Acht-Meter-Sprünge und konnte mich in der deutschen Elite der Weitspringer halten.“ Aber 2004 musste er ganz pausieren. „Und wenn man in eine Ruhephase hineingezwungen wird, nicht selbst mehr entscheiden kann, leidet man vor allem auch mental.“

Doch er wollte noch nicht aufgeben, wollte nochmals zu Olympia. Das Jahr 2008 begann auch vielversprechend, mit 7,98 Metern wurde er in der Halle Norddeutscher Meister. Ein Hoffnungsschimmer, doch im März folgte die nächste Verletzung. „Mit 33 Jahren war es nicht mehr so einfach, das zu kompensieren und den Trainingsrückstand aufzuholen.“ Er verlor den Glauben an sich selbst. „Mir war klar, dass die Deutschen Meisterschaften in Nürnberg meine letzte Chance waren, aber auch, dass ich es wohl nicht schaffen würde, denn die jungen Leute wie Bayer und Reif rückten schnell näher und vorbei.“

Ein schwacher Moment

Schon kurz vor der DM fiel er in ein Loch. Drei Jahre später hat er die Situation in einem Interview mit der Berliner Tageszeitung B.Z. so geschildert: „Ich suchte nach Ablenkung, ging in Diskotheken, doch ich fand die Ersatzbefriedigung dort nicht. Aus dem Sportmenschen wurde kein Partymensch. Ich wollte nur irgendwie den Schmerz betäuben, dass meine Karriere vorbei sein würde.“

„Und“, so erinnerte er sich, „an einem Disco-Abend war ich zur falschen Zeit am falschen Ort, mit den falschen Leuten. Ich nahm Kokain. Ich weiß nicht, warum. Ich schiebe es aber nicht auf andere. Ich bin schuld, ich bin erwachsen. Und ich habe in dieser Zeit nicht mehr nachgedacht.“

Das Verhängnis nahm seinen Lauf. Für Kofi Prah blieb in Nürnberg nur der vierte Rang. „Das war seit 1999 das erste Mal, dass ich bei Deutschen Meisterschaften angetreten bin und keine Medaille bekam.“ Als Einziger des Spitzenfeldes wurde er zur Dopingprobe bestellt. In den folgenden Tagen ging er nicht mehr ans Telefon, öffnete keine Briefe. „Ich hatte Angst vor einer Nachricht“. Aber sie kam, und der DLV verhängte eine zweijährige Doping-Sperre. Zuvor hatte Prah zwar seinen Rücktritt vom Leistungssport erklärt, aber das konnte die Sperre auch nicht mehr verhindern.

Tagelang zuhause eingeschlossen

Für ihn brach eine Welt zusammen. Er schloss sich tagelang zuhause ein, kapselte sich ab. Er suchte eine Lösung, fand sie vor allem in der Arbeit.
Es zahlte sich aus, dass er sich schon während der Sportkarriere um die Zeit danach gekümmert hatte. Seit 2004 arbeitete er als Personal Trainer im Studio „Holmes Place“ in der Berliner Friedrichstraße.

Als er dort den Kollegen seinen Fehltritt beichtete, wurde ihm vergeben. Es ging ihm damit so wie bei seinen zahlreichen Freunden: „Denen musste ich meine Einstellung zum Sport nicht erklären. Die wussten, dass ich ein fairer Sportler bin. Und nun hatten sie gesehen, dass ich auch mal ein schwacher Mensch sein kann.“

Studium abgebrochen

Nicht so einfach war es dagegen mit seinem Studium. „Ich studierte Sportwissenschaft und Marketing an der Berliner Humboldt-Uni und hatte das Vordiplom abgeschlossen. Nun hatte ich also mein Leben in die falsche Richtung gedreht.“ Er wurde zwar nicht exmatrikuliert, aber er zog selbst die Reißleine, brach das Studium ab.

„Ich habe mich zurückgezogen, bin ins Dunkle gegangen. Ich konnte mich einfach nicht mehr ungezwungen in die Seminare setzen, wo erfahrene Professoren über Sportmedizin lehrten und natürlich auch das Thema Doping ansprachen.“

Jetzt aber ist er so weit, dass er sich zutraut, im nächsten Jahr wieder zu studieren und das Studium abzuschließen. Trotzdem: Wenn man sich mit ihm unterhält, merkt man, wie diese ganze Geschichte noch an ihm nagt, wie er darum kämpft, sich von dem Ganzen zu befreien, mit sich selbst ins Reine zu kommen.

Athletiktrainer im American Football

Viel hilft ihm, dass er weiterhin seinen Körper trainiert und daran über Facebook auch die Öffentlichkeit teilhaben lässt. „Das hängt eng mit meiner Tätigkeit als Personal Trainer zusammen. Man muss eine positive Einstellung haben, aber die Leute wollen auch ein Vorbild. Ihnen reicht es nicht aus, wenn ich etwas theoretisch erkläre, sie finden es besser, wenn ich es ihnen vormache. Es reicht nicht aus, wenn ich früher mal weit gesprungen bin, jetzt aber einen dicken Bauch habe. Und außerdem ist es schön, wenn man beweist, dass man auch mit 40 Jahren noch ein hohes Niveau haben kann, wenn man möchte.“

Im Jahr 2014 hat Kofi Prah als Athletiktrainer eine Berliner American Football-Mannschaft betreut, die später Europokalsieger geworden ist. „Die Spieler waren alle mindestens zehn Jahre jünger als ich, aber ich war der Schnellste. Das motivierte sie natürlich, es sind alles ehrgeizige Sportler. Wenn ich denen etwas vormachen kann, folgen sie mir.“

Deshalb arbeitet er auch gern mit jungen Leistungssportlern zusammen, fährt er fort. „Ich habe zum Beispiel mit Leon Balugon einen Fußballer fit gemacht. Der hatte sich vor der WM in Brasilien den Fuß gebrochen und konnte deshalb dort nicht für sein Land Nigeria spielen. Er hat drei Monate mit mir Reha und Aufbautraining durchgezogen, stieg dann mit dem SV Darmstadt 98 in die 1. Bundesliga auf. Mittlerweile ist er beim 1. FSV Mainz gelandet. Er ist happy und ich bin auch happy, denn so sehe ich, dass sich meine Arbeit gelohnt hat.“

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Arbeit an einer Fitness-App

Doch Kofi Prah will nicht nur einzelne Leute erreichen. Er weiß um die Chancen, die sich mit der Verbreitung des Internets ergeben. „Wie es der Zufall will, traf ich vor rund zwei Jahren einen ehemaligen Sprinter, der dann aber früh in die IT-Branche umgeschwenkt und App-Designer geworden ist. Mit ihm und drei seiner Partner habe ich begonnen, eine Fitness-App zu schaffen. Mit eigenen Mitteln, Unterstützung von Investoren und eigener Arbeitskraft haben wir sie in diesem Jahr fertiggestellt“, berichtet er.

Er selbst sowie andere Personal Trainer machen in dieser App die Übungen vor, erklären sie und bieten auch einen Trainingsplan an. Unter „portabletraining“ ist sie im App-Store erhältlich, zunächst allerdings nur fürs iPhone.

„Sie wird bisher sehr gut angenommen, aber wir wollen noch mehr tun, um weitere Investoren zu begeistern. Im Moment ist die App noch kostenlos, weil wir sie erst mal bekannt machen wollen. Irgendwann soll damit natürlich auch Geld verdient werden.“ Und irgendwann wird auch die Zeit kommen, in der Kofi Prah den Fehltritt vom Sommer 2008 vergessen kann und ganz mit sich im Reinen ist.

Peter Grau

(erschienen auch bei leichtathletik.de am 10.10.2015)