Meine drei olympischen Nächte mit den Leichtathleten

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Der Donnerstag mit Mihambo, Bolt und Roleder

Einige Tage habe ich darauf verzichtet, mir die Nächte um die Ohren zu schlagen, um die Leichtathletik-Wettbewerbe direkt zu verfolgen. Doch nachts, als ich mal kurz aufwachte, einfach auf dem Smartphone nur die Ergebnisse zu verfolgen, war auch nicht das Gelbe vom Ei.

Deshalb habe ich am Donnerstag, dem 18. August, den Wecker auf 1.30 Uhr in der Nacht gestellt, und dann zwei Stunden lang das Geschehen am Fernseher verfolgt. Und es wurde  recht unterhaltsam. Die speerwerfenden deutschen Männer Johannes Vetter (85,96 m), Julian Weber (84,46 m) und Thomas Röhler (83,01 m) glänzten allesamt, kamen ohne wesentliche Probleme durch die Quali. Im Weitsprungfinale hüpfte der Sprungfloh Malaika Mihambo auf die persönliche Bestweite von 6,95 m und wurde damit in einem sehr starken Wettbewerb Vierte. Dann kam die Bolt-Show über 200 m, und das war ja erst das Halbfinale.

Bolt Semi 200 m kurz vor Ziel

 

Bolt Semi 200 m Zwiegespräch

Bolt Mixedzone

Fotos: Olaf Brockmann, Kronen Zeitung Wien

 

Cindy Roleder versuchte im Hürdenwald, eine Medaille zu ersprinten, doch diesmal waren andere vor ihr.

Roleder Finale

Cindy Roleder (ganz oben) im 100 -m- Hürden-Finale

Es blieb ein fünfter Rang für sie, aber sie fest drin in der Weltspitze.

Ich war auf den Nacht-Geschmack gekommen.

Der Freitag der Enttäuschungen

Also stellte ich mir auch am Freitag wieder den Wecker zum nächtlichen Fernsehvergnügen. Aber es wurde leider kein Vergnügen. „Meine“ Werfer- ich hatte immer einen engen Draht zu den Werfern – hielten nicht das, was man sich von ihnen versprach. Zuerst war David Storl an der Reihe, aber schon im Vorfeld flogen seine Kugeln nicht so, wie sie sollten. Geschuldet auch einer verletzungsbedingt holprigen Vorbereitung. So blieb statt einer Medaille ein ernüchternder siebenter Rang mit einer Weite von 20,64 m. Und Tobias Dahm, mit dem ich kürzlich in Kienbaum noch ausführlich gesprochen hatte, war zuvor schon in der Quali gescheitert.

So sollten es die Speerwerferinnen richten, in der Vergangenheit oft ein Medaillengarant. Doch schon im Vorfeld machte man sich selbst Schwierigkeiten, nicht eindeutige Nominierungskriterien bei einem voraussehbaren Quartett von Olympiakandidaten festzulegen. So gab es dann ein Hauen und Stechen um die Nominierung, die Einbeziehung von Gerichtsbeschlüssen und letztendlich die Nichtnominierung von Katharina Molitor. Ob es mit ihr besser ausgesehen hätte, steht auf einem anderen Blatt. Christina Obergföll ( Achte mit 62,92 m),  Linda Stahl ( Elfte mit 59,71 m), Christin Hussong ( Zwölfte mit 57,70 m) konnten jedenfalls allesamt nicht zufrieden sein. Und für Obergföll und Stahl war es zudem der Abschied vom Leistungssport. Nur noch wenige Wettkämpfe, so sicherlich das ISTAF in Berlin, stehen noch vor ihnen.

Ein wenig lächeln ließ alle dann Zehnkämpfer Kai Kaczmirek, der als Vierter fast über sich hinauswuchs.

Nicht über sich hinauswachsen mußte dann  Usain Bolt im 200-m-Finale. Sein Sieg war ungefährdet, sein Auftritt vorher und hinterher wie immer einzigartig. Wenn er nicht mehr dabei ist, wird der Leichtathletik etwas fehlen.

Bolt wieder Mixedzoneexezone

 

Die Samstagsnacht mit Staffelwirbel

Stab und Staffelholz (bzw. Aluminium) waren die Hauptwerkzeuge in meiner Samstagnacht. Weil deutsche Medaillenerfolge sich bisher nur auf die beiden Diskusriesen Christoph Harting und Daniel Jasinski beschränkten, hoffte ich ein wenig auf unsere beiden Stabi-Frauen. Vor allem auf Lisa Ryzih, mit der ich zuletzt vor langer Zeit beim Meeting in Elstal bei Berlin gesprochen hatte, habe ich ein wenig gehofft. Aber es sollte nicht sein. Zwar waren ihre Sprünge über 4,70 m nur knapp gerissen, aber knapp vorbei ist auch vorbei. Und für Martina Strutz, der Schwerinerin, waren die 4,70 m ebenfalls  zu hoch. So blieben am Ende für Strutz (9.) und Ryzih (10.) nur Plätze im hinteren Feld.

Das Hammerfinale der Männer ging ohne deutsche Beteiligung über die Bühne. Die Medaillen gingen für Weiten zwischen 78,68 m und 77,73 m weg. Da wünschte man sich einen Markus Esser, einen  Karsten Kobs oder einen Heinz Weis in den Ring. Doch deren Hammerwurf-Zeiten sind leider vorbei.

Dabei aber waren vier junge Sprinterinnen für Deutschland. Sie hatten zwar das „Pech“, daß die USA-Staffel über 4×100 m doch dabei war, nachdem sie in der Quali zwar nicht ins Ziel gekommen war, aber wegen einer Behinderung (wie oft gab es früher schon so etwas) nochmals einen Sololauf zugesprochen bekamen. So war es noch schwerer für Tatjana Pinto, Lisa Mayer, Gina Lückenkemper und Rebekka Haase, eine Medaille zu ersprinten. Doch sie bemühten sich wacker, liefen mit 42,10 s nochmals schneller als im Vorlauf, aber es wurde „nur“ der vierte Platz. Aber zufrieden über sich zeigten sich dann alle vier Sprinterinnen.

Kurz vor 4 Uhr dann der Abschluß des Tages (oder meiner Nacht-Sitzung) mit der 4x100m-Staffel der Männer. Alles schaute erneut auf Usain Bolt, der als Schlußläufer der jamaikanischen Staffel den Staffelstab in vorderster Position erhielt und seine insgesamt neunte olympische Medaille holte.

Bolt übernimmt Staffelstab

 

Bolt Staffel kurz vor Ziel

Bolt nach Staffelgold in der Mixedzone#

Bolt nach Staffelgold in Mixedzone

Bolt und die Leichtathletik, es scheint eine niemals endende Erfolgsgeschichte. Doch irgendwann wird sie enden…

Meine zweistündige Fernsehnacht endete kurz nach 4 Uhr, nun folgt für mich nur noch eine Nachtsitzung:  am Sonntag, dem 21. August 2016. Und da hoffe ich, daß durch die deutschen Speerwerfer mindestens eine Medaille hinzukommen möge.

Peter Grau

(Fotos:  Olaf Brockmann, Kronen Zeitung, Wien)