Diesmal bin ich nicht live dabei bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in London, und eigentlich bin ich froh, alles zuhause im Fernsehen und im Internet beobachten zu können. Zwar würde ich auch gern inmitten von 60.000 Zuschauern im Stadion sitzen, weil ich weiß, daß solch eine Atmosphäre durch keine mediale Berichterstattung zu ersetzen ist. Gern verzichten kann ich aber auf die journalistische „Jagd“ um Stimmen und Stimmungen, denn das war immer das Anstrengendste.
An diesem Sonntag (6. August 2017) erfreue ich mich an zwei Wettbewerben. Zunächst freue ich mich, daß der deutsche 110-m-Hürden-Sprinter Matthias Bühler den Vorlauf übersteht und ins Halbfinale einzieht.
Mit ihm habe ich zuletzt am Rande der Deutschen Meisterschaften in Erfurt gesprochen und einige Monate zuvor lange am Telefon. Daraus ist damals eine lange Geschichte geworden, praktisch die Lebensgeschichte des Matthias Bühler (nachzulesen unter http://www.petergrau-leichtathlet.de/?p=3189 )
Auf Marathonkurs durch Londons City
Und dann lasse ich mich zunächst am Vormittag mit den Marathonmännern auf den 4-Runden-Kurs durch die Londoner Innenstadt mitnehmen, und am Nachmittag dann mit den Marathonfrauen. Unter ihnen auch Katharina Heinig, die Tochter von Kathrin Dörre-Heinig, die den London-Marathon (auf einem anderen Kurs) von 1992 bis 1994 dreimal gewonnen hat.
Beim Betrachten des Marathons kommen bei mir einige Erinnerungen hoch an meinen Start beim Londonmarathon im Jahr 1996. Zwar damals auf einem anderen Kurs, mit Start in Greenwich, aber zumindest Teile des heutigen Kurses passierte ich auch damals. Und 1996 herrschten ebenfalls für Marathonläufer zu hohe Temperaturen, genauso wie auch heute.
Endlich kann ich diese Weltmeisterschaft genießen. Das war einen Tag zuvor anders.
Das Hauptthema: Doping
Da hatte ich manchmal den Eindruck, daß Doping das Hauptthema dieser WM sei. Dabei waren noch gar keine positiven Dopingfälle aufgetaucht. Aber ob ARD oder ZDF, überall wurde mit Nachdruck das Bild aufgebaut, daß die Leichtathletik vor allem dopingverseucht sei. Ich kann mich erinnern, daß auch bei früheren internationalen Höhepunkten solche Berichte über Doping besonders am Anfang die Schlagzeilen bestimmten. Also alles wie gehabt…
Zunächst gab es einen langen Bericht über Doping und Menschenhandel mit afrikanischen Läufern. Es folgte eine Betrachtung über den britischen Laufhelden Mo Farah, über den seit längerem Dopinggerüchte kursieren. Vor allem, weil er in der Trainingsgruppe des Alberto Salazar trainiert. Natürlich kann ich nicht nachvollziehen, was an dem Ganzen dran ist. Ich bin einfach auf Informationen aus den Medien angewiesen. Mehr nicht. Jedenfalls war meine Freude, das 10.000-m-Finale der Männer zu verfolgen, getrübt. Aber Mo Farah gewann:
Der Abschied von Usain Bolt
Das Hauptthema des Samstags war neben dem 10.000-m-Lauf der Abschied des Supersprinters Usain Bolt von der Laufbahn. Oftmals als das Gesicht der Leichtathletik bezeichnet, drehte sich viel um ihn, flogen ihn die Herzen und Hände der Zuschauer zu. Mein Wiener Kollege Olaf Brockmann hat wieder einiges im Bild festgehalten.
Der Abschluß um 22.45 Uhr aber verlief nicht nach Wunsch. Usain Bolt wurde im 100-m-Finale nur Dritter hinter den US-Amerikanern Justin Gatlin und Christian Coleman.
Viel Beifall erhielt Usain Bolt trotzdem. Gatlin aber war der Buhmann, wurde trotz seines Sieges aufgepfiffen:
Der Grund: Gatlin war zuvor schon zweimal wegen Dopings erwischt worden, hätte eigentlich lebenslang gesperrt werden müssen. Doch weil er sich als Kronzeuge gegen andere „bewährte“ und zudem Fürsprecher für eine Verkürzung seiner Strafe fand, durfte er wieder laufen. Das negative Echo aber war ihm sicher.
Allerdings noch nicht auf der Pressekonferenz nach seinem Erfolg:
Verpaßt habe ich am Abend den Film von Tim Tonder über Usain Bolt. Ich werde den Film in Ruhe noch in der ARD-Mediathek ansehen.
Tim Tonder im Gespräch mit der Hindernisläuferin Gesa-Felicitas Krause in Erfurt
Und ich bin gespannt, wie weit da die Person Usain Bolt gewürdigt wird und welches Gewicht die seit langem schwelenden Dopinggerüchte über den Jamaikaner neue Nahrung erhalten.
Peter Grau
(alle Fotos: Olaf Brockmann)