Archiv für den Tag: 27. Mai 2016

Bernd Gummelt: Früher Spitzengeher – heute Sportorganisator für die Jugend

 

Bernd Gummelt gehörte in den Jahren um 1987 bis 1991 zu den weltbesten Gehern. Seine größten Erfolge landete er mit der Silbermedaille über 50 km bei der EM 1990 im jugoslawischen Split und  dem vierten Platz 1991 beim Weltcup im kalifornischen San José.

Der diplomierte Trainer hatte schon während seiner aktiven Zeit  als Trainer gearbeitet, ehe er dann 1998 als Jugendkoordinator beim Kreissportbund Ostprignitz-Ruppin anfing.

 

Als Laufchef im Stadtpark

Vor kurzem begegnete ich dem gebürtigen Neuruppiner im Stadtpark, einem Erholungspark der Neuruppiner. Dort wickelte er gerade als Cheforganisator eine Laufveranstaltung ab.

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„Solche Veranstaltungen mag ich vor allem deshalb,  weil ich damit eine Tradition pflegen kann.“

Und er achtet besonders darauf, daß Kinder und Jugendliche ihre verdiente Auszeichnung bekommen.  Pokale, Medaillen, Blumen, all das war beim Stadtparklauf zu sehen:

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Ähnliches wird auch beim  über die Stadtgrenzen hinaus bekannten Hubertuslauf praktiziert, den Bernd Gummelt mit seiner Helferschar seit 1998 organisiert und der jeweils im Oktober zwischen 250 bis 350 Teilnehmer anzieht.

Tradition hat der Crosslauf im nahen Alt Ruppin. Auf einer profilierten Strecke im Wald läuft man dort schon seit 1950. Früher hieß das deshalb auch Waldlauf. Im Frühling und im Herbst finden hier Wettkämpfe statt. 120 bis 150 Teilnehmer werden dabei gezählt, vorrangig Kinder und Jugendliche.  „ Es macht mir Spaß, diese Veranstaltunen gemeinsam mit Vertretern der Sportvereine vorzubereiten“.

Und immer, wenn Bernd Gummelt mit Veranstaltungen in der Leichtathletik zu tun hat, erinnert er sich auch an seine eigene sportliche Vergangenheit.

Die spielte sich allerdings nicht im Laufen, sondern im Gehen ab. Vorrangig über 50 km maß er sich mit seinen nationalen und internationalen Gegnern.

Zunächst gruppierte er sich bei DDR-Meisterschaften mit ganz vorn ein, holte sich 1986 und 1987 Silbermedaillen und 1988 Bronze. Im Jahr 1989 gewann er in Neubrandenburg den Meistertitel über 50 km nach 3:53:36 h und kommentierte das anschließend gegenüber der Zeitschrift „ Leichtathletik“ wie folgt: „ Am Ende einer Saison kann man mit dieser Zeit wohl zufrieden sein. Für einen Alleingang war es ein rundes Ding. Die Strecke war sehr gut,  lag aber leider nur zu einem Drittel im Schatten“. Schon da aber bewies er, daß ihm Hitze nur wenig ausmacht.

Parallel dazu mischte er auch auf internationalem Terrain mit. 1988 stand er ganz dicht vor einem Start bei den Olympischen Spielen in Seoul.

Zunächst wurde er am 1. Mai bei den DDR-Meisterschaften über 50 km hinter Ronald Weigel und Dietmar Meisch Dritter. Danach bewies er seine Leistungsstärke, als er gemeinsam mit Weigel beim Sechsländerkampf in La Coruna über 35 km nach 2:33:06 h als Erster die Ziellinie überquerte. Diese Zeit war damals europäische Bestleistung.  „ Nachdem ich dann bei den DDR-Meisterschaften über 20 km in Rostock hinter Weigel in 1:21:40 h Zweiter wurde, und nur um 10 Sekunden die 20-km-Norm verpaßte, rechnete ich trotzdem damit,  für die 20 km nominiert zu werden, da ich ja die 50-km-Norm erfüllt hatte. Doch man nahm mit Weigel und Noack nur zwei Athleten für die 20-km-Strecke  mit.  So blieb der Flug nach Seoul für Bernd Gummelt ein Wunschtraum. „ Aber vom Leistungsniveau her war ich mit diesem Jahr sehr zufrieden.“

Und es ging reibungslos weiter, denn 1989 wurde er in der Halle von Senftenberg in 19:31,90 min DDR-Meister über  5 km.  „ Ich bin gern in der Halle gegangen, denn gewöhnlich kam ich aus einem hohen Umfang-Training und empfand den Hallenstart als eine willkommene Abwechslung im Training.“

Am 1. Mai 1989 gewann er beim Internationalen Gehen in Naumburg den erstmals ausgetragenen 35-km-Wettbewerb in 2:32:50 h und unterbot damit die von ihm und Ronald Weigel gehaltene europäische Bestleistung um 16 Sekunden. Einen kleinen Rückschlag gab es dann drei Wochen später beim Weltcup im spanischen Hospitalet. Zu schnell begann er den 50-km-Wettbewerb und brach dann später ein. Mit 4:04:03 h wurde er zwar bester DDR-Geher, aber die Zeit reichte nur für den 26. Platz.

Vizeeuropameister 1990 in Split

Am 20. Mai 1990 stellte er dann  auf einem 2-km-Rundkurs in der Berliner Wuhlheide über 50 km mit 3:46:43 h seine persönliche Bestleistung auf. Danach bewies er auf der kürzeren Distanz von 20 km seine Klasse, als  er bei den „Good Will Games“ in Seattle (USA) auf der Bahn Dritter wurde:

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Dieser Erfolg in Seattle gab auch den Ausschlag dafür, bei der Europameisterschaft in Split den Doppelstart zu wagen.

Zunächst kamen die 20 km und mit dem siebenten Platz war ich zufrieden“, erinnert sich Gummelt. „ Drei Tage später standen die 50 km auf dem Plan. Es herrschten heiße Temperaturen und die Strecke war recht hügelig. Doch beides lag mir. Bis 25 km bin ich gemeinsam mit dem Italiener Damilano und dem Erfurt Hartwig Gauder gegangen. Am Ende gewann zwar der Sowjetrusse Perlow, aber ich wurde Zweiter, und alle anderen, wie Gauder, Damilano und Weigel landeten hinter mir.“  Damit war Bernd Gummelt in der Weltspitze angekommen.

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Die  Silbermedaille von Split

Es waren zwar „nur“ Europameisterschaften, aber es fehlten von der absoluten Weltspitze nur die Mexikaner. Die Chinesen gingen damals noch nicht auf einem solch hohen Niveau wie heute.

Vom Pfeifferschen Drüsenfieber gestoppt

1991 wollte Bernd Gummelt seine Weltklasse bei den Weltmeisterschaften in Tokio beweisen. „ Für die 50 km hatte ich mich beim Geher-Weltcup in San Jose (Kalifornien) durch einen vierten Platz in 3:51:12 h hinter Mercenario (Mexiko), Baker (Australien) und Ronald Weigel schon qualifiziert. Zwar verfehlte ich dann  beim Sechsländerkampf die Qualifikation für die 20 km, aber das war nicht so schlimm, denn es mußte ja nicht immer ein Doppelstart sein“.

Voller Elan flog er  zur Vorbereitung der WM ins Höhentrainingslager nach Mexiko. „Aber dort wurde ich krank, bekam Pfeiffersches Drüsenfieber, und damit war die Saison praktisch beendet, zumal auch noch Asthma hinzukam.“  Über sechs Monate mußte er aussetzen, wollte aber so nicht aufhören. „ Ich wollte mich 1992  für die Olympischen Spiele in Barcelona qualifizieren“. Doch das Vorhaben mißlang, vor allem wegen des Trainingsausfalls und der  Asthmabeschwerden.

Bis 1994 „quälte“  er sich noch herum, wollte nicht wahrhaben, daß es nicht mehr so richtig funktionierte, auch wenn er noch einmal bei den Deutschen Hallenmeisterschaften Dritter wurde.  Aber Mitte 1994 sagte er endgültig: „ Nun ist Schluß“.

Wie er zum Geh-Sport kam

In den 70er und 80er Jahren hatte das  Gehen  einen anderen, viel höheren Stellenwert als heutzutage. So gab es beispielsweise bei Straßenwettbewerben riesige Teilnehmerfelder, ob nun im Ausland oder zuhause.

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Lugano-Cup 1970 20 km (Startnummer 1:  Peter Frenkel) / Foto: Eberhard Bock

 

Bernd Gummelt hatte, bevor er Geher wurde, daß Leichtathletik-ABC beim Leichtathletik-Trainer Max Schommler in Neuruppin erlernt.  „ Bei ihm sind wir in der Halle oft zur Erwärmung ein oder zwei Runden gegangen. Daher konnte ich den Bewegungsablauf des Gehens, „ erinnert sich Bernd Gummelt.

Inzwischen bei Hans Ulrich Schommler, dem Sohn von Max Schommler, trainierend probierte er auf  dem Sportplatz im nahen Gildenhall es dann mal richtig aus, ging zweimal je 1000 m. Den ersten Kilometer in 6:11 min, den zweiten in 6:09 min, das konnte sich für einen 15-jährigen schon sehen lassen. Mit entsprechendem Selbstvertrauen fuhr er deshalb zu den Bezirksmeisterschaften nach Potsdam und wurde in 29:32 min Dritter. Zwar lagen noch zwei Geher vom ASK Potsdam vor ihm, aber diese Bronzemedaille gab den Ausschlag, daß Bernd Gummelt bald Geher wurde. Mit 18 Jahren wurde er 1982 zum ASK Potsdam delegiert und kam sogleich in die Trainingsgruppe von Hans-Joachim Pathus. Der erfahrene Geher Ronald Weigel  gehörte zu dieser Gruppe. „ Von da an war es für mich Hochleistungssport, mit 12 bis 15 Trainingseinheiten pro Woche und einem Umfang von 150 bis 300 km.“

Und als Anreiz sah er nicht nur, daß  solche Geher wie Christoph Höhne, Peter  Frenkel, Hans-Georg Reimann und Hartwig Gauder schon Lorbeeren gesammelt hatten, sondern daß die internationalen Wettkämpfe auch die Chance boten, Land und Leute kennenzulernen.

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Olympische Spiele 1976 Montreal, 20 km (Hans Reimann (2.), Bautista (Mexiko, 1.), Peter Frenkel (3.), von links)

 

Entsprechend positiv fällt auch sein Fazit über seine sportliche Karriere aus: „ Es war anstrengend, aber es waren keine verlorenenen Jahre. Sie prägten mich vielmehr und schulten besonders meine Ausdauerfähigkeit. Konsequent sein, dabeibleiben, alles Eigenschaften, die man auch im normalen Leben außerhalb des Sports benötigt. Man zieht eben aus dem Sport auch Kraft, Stärke, kann Probleme besser bewältigen.“

Diplomtrainer und Jugendkoordinator

Aber nicht nur das Gehen hatte er im Kopf. Einen Lehrabschluß als Werkzeugmacher hatte er in der Tasche, als er von Neuruppin nach Potsdam ging. Und er begann dann an der Fachschule in Wildau bei Berlin Maschinenbau zu studieren. Das Grundstudium war abgeschlossen, doch dann kam die Wende dazwischen. „ Ich wußte nicht, ob und wie das Studium nun anerkannt wird.“ Deshalb hörte er auf und sah sich nach einem anderen Beruf um.

Schon länger hatte Bernd Gummelt damit geliebäugelt, Trainer zu werden. „ Ich hatte das Glück, bei Hans-Joachim Pathus zu trainieren, denn bei ihm durfte man sich immer über Trainingsinhalte austauschen, war ein mündiger Athlet“. Fast logisch, daß er sich an der Trainerakademie in Köln einschrieb, dort studierte und 1995 die Abschlußprüfung bestand. Fortan durfte er sich Diplomtrainer nennen und praktizierte das auch.

Zwei Jahre lang war er Leichtathletik-Landestrainer in Potsdam, von 1997 bis 2000  DLV-Disziplintrainer der Frauen im Gehen. Und noch zuvor, in der Zeit, als er selbst noch aktiv war, hatte er bereits seit 1993 mit Beate Gummelt eine Spitzengeherin trainiert. Seit längerem waren beide ein Paar, hatten 1993 geheiratet.  „ Am Anfang schauten die Trainer schon etwas überrascht, nach dem Motto: Was nicht sein kann, das nicht sein darf“. Aber es ging. Bernd schrieb für Beate die Trainingspläne und beide hatten Erfolg.

Privat klappte es auch. 1998 kam Tochter Sarah  zur Welt und 2007 Sohn Sebastian.

Und dann bekam er in seiner Heimatstadt Neuruppin das Angebot, als Jugendkoordinator im Kreissportbund Ostprignitz-Ruppin zu arbeiten und in dieser Funktion  alle Aktivitäten der Jugend des Kreissportbundes zu verantworten.  Am 1. Januar 1998 begann er diese Tätigkeit und damit war das Kapitel „Trainer“ vorerst abgeschlossen. Allerdings schien sich 2000 nochmals eine Gelegenheit aufzutun, als DLV-Bundestrainer Pathus altersbedingt aufhörte.  Doch es gab keine offizielle Ausschreibung, „sonst hätte ich mir es sicher  überlegt, doch nochmal Trainer zu werden.“

Aber so ganz kann er von dem Trainersein nicht lassen. „ Ich bin als Übungsleiter beim LAC Ruppin tätig und betreue dort einige Leichtathleten.“

Seine Hauptarbeit aber liegt beim Kreissportbund Ostprignitz-Ruppin, für den er nun schon 18 Jahre unterwegs ist.

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 Bernd Gummelt am  Schreibtisch

An dieser Arbeit gefällt ihm besonders, daß es eine Mischung zwischen der Arbeit am Schreibtisch und der Arbeit draußen an der Basis ist. „ Wir organisieren solche Veranstaltungen wie die Kreis-Kinder- und Jugendsportspiele des Landkreises und bieten auch selbst Veranstaltungen an, wie etwa Straßenfußballturniere, Kita-Olympiaden  oder eben Laufveranstaltungen und werben somit für Bewegung, Sport und für unsere Sportvereine.

Ein Höhepunkt sind die jährlichen Kreis- Kinder- und Jugendsportspiele. „ In diesem Jahr findet diese Veranstaltung zu unterschiedlichen Terminen an unterschiedlichen Orten in 24 Sportarten statt. Es ist ein offenes Angebot, d.h.  wer Lust hat, kann daran teilnehmen.“

Ein wenig erinnert sich Bernd Gummelt dabei auch an die früheren Kinder- und Jugendspartakiaden in der DDR. „ Damals aber war die Spartakiade sehr schullastig. Heute kommen die Teilnehmer entweder allein oder als Vereinssportler. Aber der Grundgedanke ist ähnlich. Die Kinder brauchen ihren Höhepunkt, ihre Bestätigung. Und es gibt noch genügend, die auch kämpfen wollen.“

Bernd Gummelt schaut bei seiner Arbeit nicht auf die Uhr, ein geregelter Acht-Stundentag ist für jemandem, der im Sport tätig ist, nicht denkbar.  „ Wir als Kreissportbund empfinden uns als Dienstleister für die Sportvereine. Im Landkreis OPR, zu dem Kyritz, Wittstock und Neuruppin zählen, sind 13.000 Mitglieder in 158 Vereinen organisiert, davon rund 5000 Kinder und Jugendliche. Und hervorzuheben  ist, daß im Altersbereich von 8 bis 14 Jahren immerhin jedes dritte Kind aus dem Lankreis OPR in einem Sportverein ist.“

Auf die Frage, warum er bis heute so schlank geblieben ist, und bei 1,80 m Körpergröße nur 67 kg wiegt,-  also nur 5 kg mehr als zu besten Geher-Zeiten-, hat er keine eindeutige Antwort. „ Weil ich soviel trainiere,“ sagt er lachend, es nicht ernst meinend und fügt an:  „ Alles über 300 Meter wird mit dem Auto gefahren.“ Doch ganz stimmt das nicht, denn gern ist er beispielsweise auf Inlinern unterwegs, gemeinsam mit seinem Sohn Sebastian oder seiner Tochter Sarah. Ab und an läuft er auch mal drei Kilometer hinaus in die Natur, doch da ist seine Frau Beate viel besser, denn sie läuft  mehrmals in der Woche, um sich fit zu halten.

„Vielleicht liegt es aber auch daran, daß mein Stoffwechsel immer noch anders funktioniert, eben deshalb , weil ich so lange Hochleistungssport betrieben habe. Seit 1978 habe ich regelmäßig trainiert, war im Jugendbereich 50 bis 60 km pro Woche unterwegs und  später viel mehr. Also 16 Jahre Sport, da findet sicherlich eine Umstellung statt.“

Am Sportgeschehen außerhalb seines Landkreises ist Bernd Gummelt auch weiterhin sehr interessiert. Ob es nun die Leichtathletik ist, –  immer noch hat er ein Abo der Zeitschrift „ Leichtathletik“ -, ob es im Fernsehen Fußball oder Wintersport sind, er schaut gern zu. Und beim Wintersport erinnert er sich auch an frühere Zeiten, als er im Trainingslager auf Langlaufbrettern unterwegs war.  „ Für uns Geher war das damals zwar sehr anstrengend, 30, 40 oder 50 km auf den Skiern zu absolvieren, aber als Trainingsmittel haben wir das gern mitgenommen.“ Heutzutage kommt er aber nur noch sehr selten zum Skifahren, die Skier parken in der Garage.

Am nördlichsten Punkt Europas

Gern pflegt Bernd Gummelt auch ein besonderes Hobby. Er erkundet bei seinen Urlaubsreisen besondere Punkte, Orte und Regionen.

Schon immer interessierte er sich  für Geographie.  Als Sportler hatte er bei seinen Auslandsreisen aber nur wenig Zeit für Land und Leute. Heute ist das anders. So etwa, wenn er den nördlichsten Festlandspunkt des Kontinents erkunden will. „Und der ist nicht das bei Touristen so beliebte Nordcap, sondern der etwas weiter östlich gelegene Punkt auf der Halbinsel bei Mehamm/ Gamvik.

Ein anderer Zielpunkt war  die Spitze von Dänemark „Dort standen wir dann mit einem Bein in der  Ostsee, mit dem anderen in der Nordsee“.

Peter Grau

(Fotos:  Peter Grau)