2010 beim Werfermeeting in Halle/Saale

Jedes Jahr im Mai trifft sich die deutsche Wurfelite mit starker ausländischer Konkurrenz in Halle an der Saale. Zwei Tag lang wird geworfen, gestoßen und gefeiert. Zum nunmehr 36. Male wurde 2010 das Wurffest zelebriert. Die Halleschen Erdgas Werfertage zählten diesmal rund 500 Teilnehmer von jung bis alt, von der Elite bis zur Schülerklasse. Doch neben den nackten Zahlen und Fakten, der Normenjagd und den vielen Gesprächen am Rande ist weit weniger bekannt, wie und wo das Ganze stattfindet.
Begeben wir uns als interessierter Zuschauer mit auf die einzelnen Stationen, lassen wir einen Samstag im Mai 2010 vorbeiziehen.

Der Ort des Geschehens

Es ist keine sogenannte Segelwiese, dieses Sportzentrum auf den Brandbergen. Und der Name verspricht auch kein Höhenklima, sondern hat seinen Ursprung in einer hügelähnlichen Landschaft, basierend auf kalkhaltigem Gestein. Denkt man sich die einzelnen Wurfanlagen weg, dann ist es einfach eine große Wiese, ein Rasenplatz, dazu eine Ebene höher noch ein Rasenplatz. Mittendrin die Werferhalle, wo allerdings nicht geworfen wird, sondern die Athleten Kraft im Kraftraum tanken können. Und vor den Wettkämpfen ist die Halle Aufenthaltsraum und Aufwärmplatz zugleich.
Zurück auf die Wiese. Rund um die Werferhalle trapieren sich die verschiedenen Anlagen. Eine für die Diskuswerfer mit drei verschieden gelegenen Wurfringen, die entsprechend der Windrichtung genutzt werden können. Daneben liegen die Anlagen für das Kugelstoßen und das Hammerwerfen. Auf der anderen Seite dürfen sich die Speerwerfer auf einer Anlage austoben. Eine Etage höher der zweite Rasenplatz mit Wurfringen.

Die Begrüßung

Familiär ist das Ganze seit ewigen Zeiten, sicher auch der Reiz für die Athleten, nach Halle zu kommen. Schon bei der Vorstellung der Top-Athleten wird das deutlich, denn Robert Harting, Betty Heidler, Nadine Müller und die ausländischen Asse werden von den Honoratioren der Stadt und den Vertretern des ausrichtenden Vereins der Halleschen Leichtathletik-Freunde geherzt und umarmt, und fünf Meter entfernt davon stehen die Zuschauer und spenden Applaus.

Mit Kugel und Hammer beginnt es

Die Kugelstoßerinnen und die Hammerwerfer beginnen direkt nebeneinander ihren Wettkampf. Das Zuschauerinteresse teilt sich, am dichtesten umlagert ist der Kugelstoßring. Fünf Meter hinter dem Ring beginnt das Spalier, 10 Meter an der linken Seite ist eine endlose Menschenschlange postiert. Der Beifall ist diesmal etwas geringer als in den vorigen Jahren, Schuld ist das „arktische Wetter“ mit Temperaturen um die 7 Grad. Doch Nadine Kleinert (SC Magdeburg), die mit 19,08 Metern gegen Petra Lammert (SC Neubrandenburg; 19,05) gewinnt, schüttet trotzdem genug Adrenalin aus. „ Ich stoße einfach gern, wenn die Massen so dicht bei mir sind. Nicht immer habe ich in Halle weit gestoßen, nur zweimal über 19 Meter. So gesehen bin ich sehr zufrieden. Ich komme gerade aus einem vierwöchigen Trainingslager in Kalifornien, jetzt geht es nach Shanghai. Ich will insgesamt an sieben Stationen der Diamonds League teilnehmen.“ Petra Lammert verspürte im Wettkampf keine Ellenbogenschmerzen, „die kommen erst hinterher. „Ich bin erst bei 80 Prozent meines Leistungsvermögens, aber die Trainingsergebnisse waren sehr gut. In Barcelona will ich vorn mitmischen.“

Blick von der Empore

Den besten Blick auf die Hammerwerfer hat man von dem eine „Etage“ höher gelegenen Rasenplatz, der über eine Treppe zu erreichen ist. Die Hämmer fliegen und Markus Esser (TSV Bayer 04 Leverkusen) gewinnt mit 78,87 Metern, obwohl er nach drei Versuchen aufhört. „Ich habe mir in der Woche eine Rückenverletzung zugezogen, aber um so mehr bin ich mit der EM-Normerfüllung zufrieden“. Auch Sergej Litvinov (LG Eintracht Frankfurt) schafft diese Norm als Zweiter mit 78,47 Metern.
Doch Normerfüllung ist nicht alles an diesem Tag, denn schließlich ist hier die deutsche Wurfelite versammelt, und wer in der Weltspitze mitmischt, für den gelten andere Ziele.

Robert Harting zieht die Massen an

Typisch für Halle ist, das die Zuschauer in ständiger Bewegung sind. Sie ziehen von Anlage zu Anlage, zwischendurch zu den preiswerten Essensangeboten und zum Kaffeestand mit selbstgebackenem Kuchen. Diesmal war dieses Bewegen noch mehr vonnöten, denn das Wetter wurde immer ungemütlicher und der Regen immer stärker. Trotzdem säumt das Volk die Diskusanlage, und jubelt Weltmeister Robert Harting zu, der mit 66,37 Metern seinen polnischen Konkurrenten Piotr Malachowski (65,15) klar beherrscht. „ Es sollte weiter gehen, der erste Wurf lag auch bei 68 Metern,“ so Harting. Doch der Wurf war außerhalb des Sektors, wie auch der nächste. „Das war so wie im Vorjahr, doch ich behielt die Ruhe.
Allerdings hatte ich einige technische Probleme, sodass die 66,37 Meter nicht so wirklich gut sind. In Shanghai wird die Scheibe weiter fliegen“.
Fast gleichzeitig findet in einiger Entfernung, also auf der anderen Seite der Werferhalle, das Speerwerfen der Frauen statt, wo die Zuschauer so dicht wie selten bei Veranstaltungen an der Ablaufbahn stehen können. Sie sehen mit der WM-Sechsten Linda Stahl (TSV Bayer 04 Leverkusen) eine klare Siegerin, wobei die Siegweite von 61,16 Metern sicher nicht das Optimale war. „Doch ich war diese Woche erkältet und so gesehen ist es noch annehmbar, auch wenn ich mehr drauf habe“, erzählt die Medizinstudentin hinterher. Wie routiniert die Athleten mit Dopingkontrollen umgehen, zeigt sich bei ihr. Ausgelost für eine solche Kontrolle streckt sie der Kontrolleurin, die noch direkt an der Anlage das übliche Papier ausfüllt, ihren Personalausweis entgegen. Super, wird sie darob gelobt.

Lokalmatadorin wird Zweite

Nach kurzer Kaffeepause zieht es die Zuschauer dann wieder an die Diskusbahn, denn dort tritt die überragende Siegerin von Wiesbaden (67,78 m) Nadine Müller (Hallesche Leichtathletik-Freunde) in den Ring, um sich gegen die Chinesinnen durchzusetzen. Das gelingt nur bis zum vierten Durchgang, mit 62,34 Metern wird sie Zweite.
Die Zuschauer aber müssen weiter hasten, und sich zwischen dem gleichzeitig beginnenden Kugelstoßen der Männer und Hammerwurf der Frauen entscheiden. Aber diese Parallelität ist notwendig, um die Veranstaltung nicht auf Überlänge auszudehnen. Lange dauert es ohnehin, denn am Samstag beginnen die Werfertage bereits um 9 Uhr mit den Schülerwettbewerben, und am Sonntag tummeln sich fast den ganzen Tag Schüler, Jugendliche und Junioren auf den Anlagen. Insgesamt rund 500 Athletinnen und Athleten aus 28 Nationen sind am Start, ein Mammutpensum auch für die rund 80 ehrenamtlichen Helfer.

Ralf Bartels gewinnt auch im Winter

Die starken Männer im Kugelstoßring finden in Halle immer ihr Publikum. Ralf Bartels (SC Neubrandenburg) weiß das, und deshalb nimmt er auch die Reisestrapazen von Doha (Katar) nach Halle/Saale auf sich. Am Freitag wird er in Doha mit 21,14 Metern Zweiter, nach strapaziösem Flug kommt er am Samstag erst 12 Uhr im Athletenhotel an. 15.00 Uhr steht er auf dem Wurfplatz und beginnt mit den Wettkampfvorbereitungen. Den Wechsel von 40 Grad Hitze auf gefühlte 0 Grad Kälte überspielt er gekonnt. Mit 20,76 Metern gewinnt er den Wettbewerb vor seinem kanadischen Drehstoßkonkurrenten Dylan Armstrong (20,70 m). „
„Ich bin locker geblieben und habe mich auch nicht vom nassen Ring irritieren lassen. Ich möchte nach Doha noch weitere Meetings der neuen Diamond League bestreiten, so Oslo, Rom und Zürich. Diese Serie stellt uns Werfer endlich mal auf eine Höhe mit den anderen Disziplinen, „ drückt Ralf Bartels seine Freude aus.

Nicht ganz so viele Zuschauer beobachten nebenan die Hammerwerferinnen, wobei das sicher schade ist, denn trotz Regen und Kälte brillieren diese. Vizeweltmeisterin Betty Heidler (LG Eintracht Frankfurt) gewinnt mit 75,24 Metern und hält Weltmeisterin Anita Wlodarczyk (Polen; 74,00) sicher auf Distanz. Den dritten Rang sichert sich die WM-Vierte Kathrin Klaas (LG Eintracht Frankfurt) mit 72,52 Metern.
Die Zuschauer aber sind von den Witterungsbedingungen zermürbt, wandern langsam ab. Das bekommt auch der abschließende Speerwurf der Männer zu spüren. Durch den Olympiazweiten von Peking Ainars Kovals (Lettland; 82,33)) gibt es dort einen ausländischen Sieg, als bester Deutscher sichert sich Matthias de Zordo (SV schlau.com Saar 05 Saarbrücken) mit 77,55 Metern den dritten Rang.

Die Abendveranstaltung

Der Auftritt der Werfergarde ist für diesen Tag beendet. Die heiße Dusche ist für alle der nächste Tageshöhepunkt, doch der Samstag ist noch nicht vorbei. Schnell wird sich in Schale geschmissen, denn die abendliche Veranstaltung lockt. Sie ist ein jahrzehntelanges Markenzeichen dieser Werfertage. In Halle verlassen die Athleten nicht einfach die sportliche Stätte und fahren nach Hause, sondern sie treffen sich nochmals in geselliger Runde. Diesmal steht die Veranstaltung unter dem Motto „Das kommt uns aber SPANISCH vor“. Die EM in Barcelona lässt grüßen.
Unter Leitung von Klaus Peschka haben Hallenser Sportler gemeinsam mit Gästen wieder ein Programm von Sportlern für Sportler geschaffen. Was geschehen wird, ist immer ein großes Geheimnis. Kein Geheimis aber ist, dass diesmal Steffi Nerius, Franka Dietzsch und DLV-Bundestrainer Gerhard Böttcher verabschiedet werden. Alle drei sind eng mit der Geschichte dieser Werfertage verbunden. Die beiden Damen sind „gefühlte“ 36 mal dabei gewesen, der Trainer kennt als Hallenser Urgestein jedes Staubkorn und jeden Grashalm auf den Brandbergen.
Die Geschichte aber geht weiter, im Mai 2011 findet das nächste Familienfest der Werfer in Halle an der Saale statt.

Drei Fotos aus einem anderen Jahr: Lars Riedel wird beim Werfermeeting als „Leichtathlet des Jahres“ ausgezeichnet.  Mit gelbem Sakko Peter Grau, in Blau Fotografin Iris Hensel.

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