Erinnerungen

Katharina Molitor – Zweite der Sportlerwahl 2015

Katharina Molitor ist eine sehr freundliche, kommunikative Frau, die weiß, wovon sie spricht. Aber in den vergangenen Jahren durfte sie nie soviel über sich reden, stand meistens im Schatten solcher Speerwurfgrößen wie Christina Obergföll, Linda Stahl und Steffi Nerius. Das ist nun seit dem WM-Sonntag im August 2015 ganz anders. So spannend war es selten. Katharina Molitor hielt bis zum fünften Durchgang Bronze in der Hand und dann: Der Speer flog und flog, hinaus auf die Goldweite von 67,69 Metern. Gold, Gold, Gold.
Und da sie als Letzte dran war, konnte niemand mehr kontern.

Vor zwei Jahren, im Juni 2013, hatte sie mir im Gespräch am Rande der Halleschen Werfertage angedeutet, dass sie sich noch nicht am Ende ihres Speerwurflateins sehe.
Lesen Sie, was dazu in der „ Leichtathletik“ stand:

Im Schatten der Großen

Speerwerferin Katharina Molitor ist in ihrer Karriere schon 49-mal gegen Christina Obergföll angetreten. Gewonnen hat die Leverkusenerin nur dreimal. Gegen ihre Vereinskameradin Linda Stahl sieht die Bilanz mit 26:33 deutlich freundlicher aus. Trotzdem steht die 29-Jährige klar im Schatten ihrer Trainingspartnerin. Beim Nerius-Cup am heutigen Freitag auf heimischer Anlage will Katharina Molitor (TSV Bayer 04 Leverkusen) endlich mal wieder vor ihrer Trainingspartnerin Linda Stahl landen.
Es wäre das erste Mal in diesem Jahr 2013. Sieht man vom Diamond League-Finale 2012 in Brüssel ab, als die Olympia-Dritte mit 56,77 Metern einen schlechten Tag erwischte, lag Katharina Molitor nämlich letztmals beim Nerius-Cup 2012 vor Linda Stahl.

Bei den Werfertagen in Halle/Saale wäre der 29-Jährigen dieses Kunststück schon fast gelungen. Im sechsten Versuch landete ihr Speer bei 63,55 Metern, und es sah ganz nach einem Erfolg aus, aber Linda Stahl konterte noch mit bemerkenswerten 65,76 Metern.

WM-Norm bereits übertroffen

Katharina Molitor war zwar der Sieg noch entglitten, aber immerhin hat sie die WM-Norm in der Tasche. Und in Moskau will sie dann besser als bei Olympia 2012 abschneiden. Zwar hatte sich das Jahr 2012 mit einem dritten Platz bei der DM mit einer Weite von 63,20 Metern gut angelassen, „doch leider war das auch der weiteste Versuch des Jahres“, blickt sie etwas enttäuscht zurück.

„In London brauchte ich in der Quali drei Versuche, um weiterzukommen, im Finale habe ich im ersten Durchgang 62,89 Meter geworfen, aber weiter ging es nicht mehr, aus welchen Gründen auch immer.“ Es blieb zwar immerhin ein sechster Platz, aber es war mehr drin gewesen. In Zukunft möchte sie nicht weiter wie oft in der Vergangenheit im Schatten der beiden „Großen“, Christina Obergföll und Linda Stahl, stehen. Genug Ehrgeiz hat sie, und locker lassen will sie auch nicht.

Der Sport spielte schon immer eine große Rolle im Leben der gebürtigen Bedburgerin. „Ich habe schon immer viel Sport gemacht, vom Schwimmen, über Tennis bis hin zur Leichtathletik.“ Mit 13 Jahren fing sie auch mit Volleyball an, aber ihre Hauptsportart blieb das Speerwerfen.

Zweite Leidenschaft Volleyball

Allerdings kam diese Vorliebe ein wenig ins Wanken, als sie nach dem Abitur 2004 ein Angebot aus Hamburg aus der 1. Volleyball-Bundesliga bekam. „Aber dann hätte ich die Leichtathletik aufgeben müssen, und das wollte ich nicht. Außerdem hätte ich dann keinen Studienplatz bekommen“, erinnert sie sich. Es galt abzuwägen, denn eine Garantie für eine erfolgreiche Volleyballkarriere konnte ihr niemand geben. Also blieb sie in Leverkusen, warf weiter vorrangig den Speer und spielte außerdem in der Leverkusener Volleyball-Mannschaft, zeitweise in der 1. Liga, nun in der 2. Liga.

So ist es auch heute noch, doch Katharina Molitor lässt keine Zweifel: „Das Speerwerfen geht vor. Wenn wir ins Trainingslager fahren, dann bin ich nicht für die Volleyballer da, und das akzeptieren sie auch.“

Und was meint Speerwurftrainer Helge Zöllkau? „Am Anfang hätte er es sicher lieber gesehen, dass ich mit dem Volleyball aufhöre. Mittlerweile akzeptiert er es. Er weiß, dass Volleyball für mich auch eine Herzensangelegenheit ist und mir Abwechslung bringt.“ Das Argument, ohne Volleyball würde sie weiter werfen, lässt sie nicht gelten: „Das kann ja niemand mit Sicherheit sagen.“

Pläne für die Zeit nach dem Sport

Aber nicht nur der Sport dominiert ihr Leben. Seit 2004 studiert sie auf Lehramt (Sport und Geografie) in Wuppertal. Zeit gelassen hat sie sich damit, weil der Sport Vorrang hat. „Doch bevor ich meine Speerwurfkarriere beende, will ich mit dem Studium fertig sein, damit ich dann direkt ins Referendariat gehen kann“, setzt sie sich ein Ziel. Wenn der Körper mitmacht, will sie noch bis 2016 werfen und in Rio ihre dritten Olympischen Spiele erleben.

(erschienen in der „Leichtathletik“ Nr. 23 vom 5. Juni 2013)

Zweite in der Sportlerwahl 2015

Durch den WM-Erfolg in Peking ist Katharina Molitor zwar bekannter geworden. Doch immer noch nicht so, daß jeder sie kennt. Doch nun sollten sie wieder mehr kennen. Fast wäre sie sogar Sportlerin des Jahres 2015 geworden. Nur vier Punkte lag sie hinter ihrer Wurfkollegin Christina Schwanitz. Aber auch als Zweitplazierte machte Katharina Molitor auf der Bühne des Kurhauses von Baden-Baden eine gute Figur.

Christina Schwanitz: Immer offen im Gespräch

Kugelstoßerin Christina Schwanitz erlebte am 20. Dezember 2015 einen weiteren Höhepunkt: Sie wurde von den deutschen Sportjournalisten zur Sportlerin des Jahres gewählt, erhielt die Auszeichnung aus den Händen ihres Ehemannes Tomas.

Viel ist bis dahin im Leben der Christina Schwanitz passiert. Einige Strecken dieses Weges durfte ich als Berichterstatter begleiten, und immer war sie gesprächsbereit und für einen Scherz zu haben. Besonders sind mir die langen Gespräche am Rande des Kugelstoßmeetings in Nordhausen und der Halleschen Werfertage erinnerlich.
Auch wenn das Gespräch in Halle/Saale schon über 2 Jahre zurückliegt, lohnt es sich noch, auf dieses Jahr 2013 zurückzublicken. In der „Leichtathletik“ erschien damals der folgende Artikel:

Christina Schwanitz: Ohne Schrauben und Zahn zu den 20,20 Metern

„Kugelstoßen macht mir wieder Spaß“ jubelte Christina Schwanitz (LV 90 Erzgebirge) nach ihrem gelungenen Auftritt bei den 39. Hallenser Werfertagen im Jahre 2013. Mit 19,84 Metern gewann sie und war nicht allzu traurig, dass die Kugel diesmal nicht wie vor einer Woche in Shanghai (20,20 m) über die 20 Meter hinaus flog. „20 Meter, das ist weit, sehr weit. Da fliegt die Kugel, bildlich gesprochen, über viele Autos“. Doch die Frage, wieweit es nun gehen könne, kontert sie in ihrer fröhlichen, offenen Art: „ Natürlich möchte ich mal 30 Meter stoßen“. Doch das Zwinkern in den Augen dokumentierte, dass das nicht Ernst gemeint war.
Aber der Hallen-EM –Titel von Göteborg , die 20,20 m von Shanghai und die souveräne Vorstellung bei den Werfertagen in Halle zeigen die neue Qualität der 27- Jährigen.
Nun wird allüberall nach Erklärungen gesucht und die Antworten können so zusammengefasst werden: Gesundheit, Training, Psyche.
Seit drei Jahren trainiert sie bei Sven Lang, und anfangs dauerte es, ehe beide sich auf einer Wellenlinie befanden. Sven Lang: „ Ich habe allein ein Jahr gebraucht, um die Philosophie, die ich vom Kugelstoßen habe, umzusetzen. Als ich soweit war, traten körperliche Probleme auf, denn Christina hatte fünf Jahre die Schrauben im Fuß. Da war ich in den Trainingsmitteln bei ihr eingeschränkt, konnte manches nicht machen. Es gab Einheiten, die ich abbrechen musste, wenn sie nur ein wenig gegen den Balken gestoßen war.“ Seit die Metallteile aus den Füßen heraus sind, ist es ein anderes Trainieren. „ Sie ist schmerzfrei. Da kann ich nun richtig trainieren, auch die Umfänge erhöhen.“

Ohne Verletzungen wurden die Trainingslager in Albufeira und Laatsch (Tirol) absolviert, eine neue Qualität erreicht. Die 20 Meter fielen da schon, „ es ging für mich nur noch darum, dass ich es im Wettkampf bestätige.“ Und auf dem Weg zur Schallmauer konnte sie auch ein kaputter Zahn nicht aufhalten. Noch in der letzten Woche in Südtirol hatte sie sehr starke Zahnschmerzen bekommen. „ Ich bin nur noch auf drei Stunden Schlaf pro Nacht gekommen und Essen war auch nicht mehr richtig möglich. Aber ich wollte es reißen, trainierte trotzdem.“ Nach der Rückkehr wurde der Zahn gezogen, zwei Tage später nochmals die Form im Ring getestet und dann kam das Okay für den 15-Stunden-Flug nach Shanghai zum Meeting der Diamond League. Am Freitag und Samstag wurde in Shanghai trainiert, abends war dann der Wettkampf. Die beeindruckende Serie kommt ihr flüssig von den Lippen:
19,79; 20,12; 19,69; ungültig; 20,20, ungültig.
„ Zweimal 20 m, das war schon ein großes Ding. Aber es kam für mich ja nicht überraschend, eher für die anderen.“ Da störte es sie nicht, dass zu ihrem Wettbewerb fast keine Zuschauer im Stadion waren, „ gefühlte 5 vielleicht“. Es zählte nur die Zahl auf der Anzeigetafel, die 20,20, und natürlich der Sieg.
Für eine Sightseeing-Tour durch die Großstadt blieb danach keine Zeit. Am Pfingstsonntag ging es zurück, wieder 15 Stunden per Flugzeug. Pfingstmontag morgens um 1 Uhr war sie wieder zuhause. „ Ich wollte mich ja auf meinen Auftritt in Halle vorbereiten“, nahm sie es gelassen, aber vor allem professionell. Jetzt merkte sie auch den Jetlag, „ das Training fiel sehr schwer, die Bewegungen als auch die Konzentration vom Kopf her.
Doch im Wettkampf war davon wenig zu merken. Stabil die Serie, nur der Ausrutscher über die 20 m fehlte. Und sie zog einen Vergleich. „ 2008 habe ich in der Halle in Chemnitz überraschend 19,68 m gestoßen und gedacht. Um Gotteswillen, woher habe ich das hervorgeholt. Das schaffe ich doch nie wieder. Jetzt ist es anders, ich traue es mir zu.“
Und dieses Vertrauen in das eigene Können hat eine nun viel stärkere Psyche zum Hintergrund. Gerade die ließ sie in der Vergangenheit oftmals im Stich. Besondern krass war es bei der WM 2011 in Daegu und noch mehr bei der Hallen-WM 2012 im türkischen Istanbul. „ Ich habe mich bei großen Wettkämpfen so aufgeregt, dass ich dann einfach blockiert war, einen blackout hatte.“ So konnte es nicht weitergehen, der Weg zur Psychologin war unausweichlich.

Hilfreiche Psychologie

„ Ich hatte zwar früher schon mal mit einem jungen Psychologen erste Erfahrungen gesammelt, doch der behandelte mich wie ein kleines Kind.“ Nun traf sie auf Grit Reimann (Dresden), die auch Turner und Bobfahrer unter ihrer Obhut hat. „ Ich fahre zu ihr nach Dresden, und kann das auch immer mit einem Besuch bei meinen Großeltern koppeln, die ich sonst leider nur noch selten sehe“, sagt die gebürtige Dresdnerin. Und mit dieser Psychologin hatte sie ein Glückslos gezogen. „ Sie konnte mir sehr vor London helfen. London war für mich der geilste Wettkampf bisher, mental und vom Erleben her. Seitdem macht mir Leistungssport Spaß, ist keine Pflichtveranstaltung mehr. Zwar hat man nun auch mehr Verantwortung, und der Rucksack wird immer größer, den man mit sich herumschleppt, aber das kann ich mittlerweile zu 80 Prozent im Wettkampf vergessen und das macht den Spaßfaktor Sport aus. Mittlerweile sage ich, gut, versuche ich es. Früher habe ich mir dann selber Streß gemacht, ich muss, ich muss, eben weil ich die Erwartungen aufgenommen habe. Will und muss , das geht nicht.“

Kurs Moskau

Weil Christina Schwanitz nun endlich wieder den Erfolg vor Augen sieht, nimmt sie notgedrungen auch große Abstriche an ihrer Freizeit, ihrem Privatleben in Kauf. Viel ist sie unterwegs, ihren Verlobten Tomas sieht sie recht selten. Doch die Hochzeit im September ist weiterhin ein Thema „ ich will doch endlich auch mal eine Prinzessin sein“. Zuvor aber erduldet sie die „Fron“ des Trainings, jetzt gerade in Kienbaum. In Schönebeck ist am 7. Juni der nächste Wettkampf, danach sollen einige Meetings folgen, die Deutschen Meisterschaften. Und dann nimmt sie schon Kurs auf die WM in Moskau.
„Sicher wäre es schöner gewesen, wenn ich in London bei Olympia schon diese 20-Meter-Form gehabt hätte. Aber hätte, wenn und aber, das bringt nichts mehr. Nun packen wir es eben in Moskau“, schaut sie optimistisch nach vorn. Im Augenblick stehen für Christina Schwanitz alle Zeichen auf Erfolg.
Peter Grau

(erschienen in „Leichtathletik“ Nr. 22 vom 29.5.2013)

Bei der WM 1993 in Stuttgart

WM 1993

Im Presseraum: Werner Freytag (DLV) und Peter Grau (von rechts).

Die WM in Stuttgart im Jahre 1993 ist mir noch immer in sehr guter Erinnerung. Nicht nur, weil es meine erste WM als Berichterstatter für die Zeitschrift “ Leichtathletik“ war, sondern auch, weil es solch eine spektakuläre WM mit vielen deutschen Medaillen war , u.a. mit dem Gold von Weitspringerin Heike Drechsler und dem Gold von Diskuswerfer Lars Riedel.

WM 1993 (2)

Und ich hatte einen Supersitzplatz, in der dritten Reihe, direkt in der Nähe des Zieles. Von dort konnte ich hautnah den Sieges-Einlauf von 100-m-Sieger Linford Christie (GBR/100 m) erleben, und auch den von „Carl dem Großen“ Carl Lewis (USA, 4.). Auch die beiden Goldsprints von Gail Devers (USA) über 100 m und 100 m Hürden durfte ich bewundern.
Aber am meisten kann ich mich an das sehr begeisterungsfähige Publikum erinnern. Damals sagten wir: So etwas wird es wohl in Deutschland nicht noch einmal geben. Da konnten wir noch nicht wissen, daß sich 2009 im Berliner Olympiastadion ähnliches abspielen würde.

Eine Sopranistin auf Abwegen

Manchmal macht es Klick, wenn man bestimmte Namen hört. So gestern geschehen, als ich las: Die spanische Sopranistin Montserrat Caballé (82 Jahre) ist wegen Steuerbetrugs zu sechs Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Hinzu kam eine Geldstrafe von 250.000 Euro und noch eine Zahlung von 70.000 Euro an das Finanzamt. Ihr wurde vorgeworfen, dem Finanzamt im Jahre 2010 Steuern vorenthalten zu haben. Sie habe den Pyrenäen-Kleinstaat Andorra als ihren Wohnsitz angegeben, aber in Wirklichkeit in Barcelona gelebt. Die Musikerin hatte bei einer Vernehmung durch einen Ermittlungsrichter einen Steuerbetrug bestritten und ausgesagt, in dieser Zeit wirklich in Andorra gewohnt zu haben. Dennoch zahlte sie die angeblich hinterzogenen Steuern mittlerweile nach. Dies dürfte den Weg zu dem jetzt geschlossenen Übereinkommen freigemacht haben.
Und warum erinnerte ich mich an sie? 1997 hatte ich sie das erste und einzige Mal live singen hören und zwar bei der Eröffnungsfeier der Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Athen. Sie fand in dem für die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit erbauten Marmorstadion Panathinaikos statt. Ich weiß auch noch, daß ich und mein Kollege Jörg Wenig von dieser Feier sehr angetan waren, und das u.a. auch wegen der Sopranistin. Und wenige Tage danach liefen die Marathonläufer dort ins Ziel.

Besuch beim deutschen Außenminister

Der Journalistenausweis öffnet manchmal auch die Tore zu den Zentren der Macht. So geschehen an einem Donnerstag im Jahre 2007.

Ort: Auswärtiges Amt, sprich Außenministerium, in Berlin, am Werderschen Markt. Das Organisationsbüro der WM 2009 in Berlin rief zum Fototermin plus Kurzstatements. Thema : Die materielle und ideelle Unterstützung der WM 2009 durch das Außenministerium.

Den schreibenden und photographierenden Journalisten wollten sich Außenminister Dr. Frank – Walter  Steinmeier und diverse Sportprominenz von DLV-Präsident Clemens Prokop bis zu Betty Heidler, Danny Ecker und Kamghe Gaba stellen.

Streikbefürchtungen der Bahn bewahrheiten sich nicht, alle kamen pünktlich an. Der Berichterstatter für leichtathletik.de  gelangte mit dem Auto von Neuruppin ins Zentrum der Hauptstadt. Parken dicht an der Leipziger Straße kostete 50 Cent pro 15 Minuten, weiter dran am Geschehen wären es 75 Cent gewesen. Dann gemütlicher Nachmittagsspaziergang hin zum Außenministerium. Und schon folgte die erste Überraschung. Für jemanden, der seit 1966 in Berlin gelebt hat und gerade in dieser Gegend viele Arbeitsjahre verbrachte, hat sich das Umfeld völlig verändert. Man hatte Mühe, alte Straßenzüge wie die Niederwallstraße wiederzuerkennen. Viele Büro – und Wohngebäude entstanden dort in den letzten 15 Jahren, und sie entstehen immer noch.

Dann also hinein ins Außenministerium. Erste Hürde: die Personenkontrolle. So wie am Flughafen durfte man den Mantel ablegen, Handy und Schlüssel abgeben und die Tasche aufs Band legen. Aber, keine Kritik, das gibt eben Sicherheit und die braucht ein Außenministerium. Man war im Lichthof, dem Eingang zum ersten, neu gebauten Gebäude. Nächste Station: Pförtnerloge, und daneben der Austausch des Personalausweises gegen eine blecherne Marke mit der Aufschrift Presse Nr. 5.  Platznehmen auf weichem Leder, Abmarsch mit anderen Kollegen unter Führung von zwei wichtigen Personen des Ministeriums. Der Weg führte uns in den Altbau, dorthin, wo zu DDR-Zeiten ab 1959 das Zentralkomitee und das Politbüro der SED, der Staatspartei, residierten und die wichtigen Entscheidungen fürs Wohl oder Wehe des Volkes fällten. Das Parteiemblem (das mit den verschlungenen Händen)  ist längst nicht mehr an der Außenfront, alles macht einen neuen Eindruck, von der Fassade bis zu den Innenräumen. Auf den Spuren von Erich Honecker und Co. fühlten wir uns, und direkt ins Zentrum der früheren Machthaber, in den 2. Stock, geleitete uns der wichtige „Mensch“ des Außenministeriums.

Kurzes Umschauen und Erinnern. Ich selbst habe eine besondere Beziehung zu dem Haus. Zwar bin ich früher weder privat noch dienstlich hineingekommen, aber einmal durfte ich doch. Als Mitarbeiter der Staatsbank der DDR, der Nachfolgerin der 1951 gegründeten Deutschen Notenbank, hatte ich mit anderen Kollegen einen Arbeitseinsatz in diesen hehren Räumen.

Vorausschicken muss man, dass ab 1940 bis 1945  hier die Reichsbank residierte und aus dieser Zeit auch ein riesiger Tresor stammte, den es auch heute noch gibt. Was heute drin ist, weiß man nicht (zumindest uns wurde es nicht mitgeteilt). Aber früher, etwas so um 1975, lagerten dort viele Millionen DDR-Mark als Reserve für die umlaufende Geldmenge. Und wir Bankangestellten hatten nun die Aufgabe, das in Säcken verpackte Geld aus irgendwelchen uns unbekannten Gründen aus dem Tresorraum per Paternoster in ein anderes Stockwerk zu transportieren. Das geschah auf Schubkarren. Ich hatte also, so bin ich sicher, eine Million vor mir, fühlte mich kurzzeitig so wie ein Millionär. Doch dieser Traum verflog damals schnell.

Zeit hatte ich diesmal für den Blick in die Vergangenheit, denn der Minister ließ auf sich warten. Er sollte eine halbe Stunde später kommen, also nicht 17.15 Uhr, sondern erst 17.45 Uhr.  Und Punkt 17.45 Uhr  kam Frank-Walter Steinmeier, im Gefolge Clemens Prokop, Dagmar Freitag, Betty Heidler, Danny Ecker und Kamghe Gaba.   Letztere drei natürlich nicht im Sportdress, sondern fein gekleidet, dem Anlaß und Ort angemessen. Und ein wenig aufgeregt waren sie auch, das brachte das Haus, aber vor allem eben das Zusammensein mit dem Außenminister mit sich. Dabei strahlte der weniger unnahbarer Staatsmann, als viel mehr Herzlichkeit aus und erwies sich als freundlicher Plauderer.

Die Fotoapparate klickten, dann hub Steinmeier zur kurzen Ansprache an, und die ca. 10 Journalisten standen rund zwei Meter vor ihm  und schrieben eifrig in ihre Blöcke. Gleiches beim folgenden Redner, DLV-Präsident Prokop. Noch zwei kurze Fragen an die drei Sportler, wie sie die WM 2009 in der Vorbereitung unterstützen werden. Und schon war der „Spuk“ vorbei. Abmarsch der „Fotomodelle“, die nächsten Termine standen für sie an.

Wir Journalisten aber suchten unsere Siebensachen zusammen, versuchten uns in den langen Gängen des Hauses dem Ausgang zu nähern, was letztendlich auch allen gelang.

Austausch der Pressemarke 5  gegen den Personalausweis, und hinaus aus dem Außenministerium. Die Sonne schien über dem Werderschen Markt, nur die kümmerlichen Reste des gegenüberliegenden „Palastes der Republik“ störten das Bild.

Doch die Sonne sollte sicher ein Zeichen sein, dass auch 2009 im August die Sonne für die Leichtathleten im Olympiastadion scheinen wird. Und nicht nur für die Gäste, sondern vor allem auch für die Gastgeber.

Peter Grau

2010 beim Werfermeeting in Halle/Saale

Jedes Jahr im Mai trifft sich die deutsche Wurfelite mit starker ausländischer Konkurrenz in Halle an der Saale. Zwei Tag lang wird geworfen, gestoßen und gefeiert. Zum nunmehr 36. Male wurde 2010 das Wurffest zelebriert. Die Halleschen Erdgas Werfertage zählten diesmal rund 500 Teilnehmer von jung bis alt, von der Elite bis zur Schülerklasse. Doch neben den nackten Zahlen und Fakten, der Normenjagd und den vielen Gesprächen am Rande ist weit weniger bekannt, wie und wo das Ganze stattfindet.
Begeben wir uns als interessierter Zuschauer mit auf die einzelnen Stationen, lassen wir einen Samstag im Mai 2010 vorbeiziehen.

Der Ort des Geschehens

Es ist keine sogenannte Segelwiese, dieses Sportzentrum auf den Brandbergen. Und der Name verspricht auch kein Höhenklima, sondern hat seinen Ursprung in einer hügelähnlichen Landschaft, basierend auf kalkhaltigem Gestein. Denkt man sich die einzelnen Wurfanlagen weg, dann ist es einfach eine große Wiese, ein Rasenplatz, dazu eine Ebene höher noch ein Rasenplatz. Mittendrin die Werferhalle, wo allerdings nicht geworfen wird, sondern die Athleten Kraft im Kraftraum tanken können. Und vor den Wettkämpfen ist die Halle Aufenthaltsraum und Aufwärmplatz zugleich.
Zurück auf die Wiese. Rund um die Werferhalle trapieren sich die verschiedenen Anlagen. Eine für die Diskuswerfer mit drei verschieden gelegenen Wurfringen, die entsprechend der Windrichtung genutzt werden können. Daneben liegen die Anlagen für das Kugelstoßen und das Hammerwerfen. Auf der anderen Seite dürfen sich die Speerwerfer auf einer Anlage austoben. Eine Etage höher der zweite Rasenplatz mit Wurfringen.

Die Begrüßung

Familiär ist das Ganze seit ewigen Zeiten, sicher auch der Reiz für die Athleten, nach Halle zu kommen. Schon bei der Vorstellung der Top-Athleten wird das deutlich, denn Robert Harting, Betty Heidler, Nadine Müller und die ausländischen Asse werden von den Honoratioren der Stadt und den Vertretern des ausrichtenden Vereins der Halleschen Leichtathletik-Freunde geherzt und umarmt, und fünf Meter entfernt davon stehen die Zuschauer und spenden Applaus.

Mit Kugel und Hammer beginnt es

Die Kugelstoßerinnen und die Hammerwerfer beginnen direkt nebeneinander ihren Wettkampf. Das Zuschauerinteresse teilt sich, am dichtesten umlagert ist der Kugelstoßring. Fünf Meter hinter dem Ring beginnt das Spalier, 10 Meter an der linken Seite ist eine endlose Menschenschlange postiert. Der Beifall ist diesmal etwas geringer als in den vorigen Jahren, Schuld ist das „arktische Wetter“ mit Temperaturen um die 7 Grad. Doch Nadine Kleinert (SC Magdeburg), die mit 19,08 Metern gegen Petra Lammert (SC Neubrandenburg; 19,05) gewinnt, schüttet trotzdem genug Adrenalin aus. „ Ich stoße einfach gern, wenn die Massen so dicht bei mir sind. Nicht immer habe ich in Halle weit gestoßen, nur zweimal über 19 Meter. So gesehen bin ich sehr zufrieden. Ich komme gerade aus einem vierwöchigen Trainingslager in Kalifornien, jetzt geht es nach Shanghai. Ich will insgesamt an sieben Stationen der Diamonds League teilnehmen.“ Petra Lammert verspürte im Wettkampf keine Ellenbogenschmerzen, „die kommen erst hinterher. „Ich bin erst bei 80 Prozent meines Leistungsvermögens, aber die Trainingsergebnisse waren sehr gut. In Barcelona will ich vorn mitmischen.“

Blick von der Empore

Den besten Blick auf die Hammerwerfer hat man von dem eine „Etage“ höher gelegenen Rasenplatz, der über eine Treppe zu erreichen ist. Die Hämmer fliegen und Markus Esser (TSV Bayer 04 Leverkusen) gewinnt mit 78,87 Metern, obwohl er nach drei Versuchen aufhört. „Ich habe mir in der Woche eine Rückenverletzung zugezogen, aber um so mehr bin ich mit der EM-Normerfüllung zufrieden“. Auch Sergej Litvinov (LG Eintracht Frankfurt) schafft diese Norm als Zweiter mit 78,47 Metern.
Doch Normerfüllung ist nicht alles an diesem Tag, denn schließlich ist hier die deutsche Wurfelite versammelt, und wer in der Weltspitze mitmischt, für den gelten andere Ziele.

Robert Harting zieht die Massen an

Typisch für Halle ist, das die Zuschauer in ständiger Bewegung sind. Sie ziehen von Anlage zu Anlage, zwischendurch zu den preiswerten Essensangeboten und zum Kaffeestand mit selbstgebackenem Kuchen. Diesmal war dieses Bewegen noch mehr vonnöten, denn das Wetter wurde immer ungemütlicher und der Regen immer stärker. Trotzdem säumt das Volk die Diskusanlage, und jubelt Weltmeister Robert Harting zu, der mit 66,37 Metern seinen polnischen Konkurrenten Piotr Malachowski (65,15) klar beherrscht. „ Es sollte weiter gehen, der erste Wurf lag auch bei 68 Metern,“ so Harting. Doch der Wurf war außerhalb des Sektors, wie auch der nächste. „Das war so wie im Vorjahr, doch ich behielt die Ruhe.
Allerdings hatte ich einige technische Probleme, sodass die 66,37 Meter nicht so wirklich gut sind. In Shanghai wird die Scheibe weiter fliegen“.
Fast gleichzeitig findet in einiger Entfernung, also auf der anderen Seite der Werferhalle, das Speerwerfen der Frauen statt, wo die Zuschauer so dicht wie selten bei Veranstaltungen an der Ablaufbahn stehen können. Sie sehen mit der WM-Sechsten Linda Stahl (TSV Bayer 04 Leverkusen) eine klare Siegerin, wobei die Siegweite von 61,16 Metern sicher nicht das Optimale war. „Doch ich war diese Woche erkältet und so gesehen ist es noch annehmbar, auch wenn ich mehr drauf habe“, erzählt die Medizinstudentin hinterher. Wie routiniert die Athleten mit Dopingkontrollen umgehen, zeigt sich bei ihr. Ausgelost für eine solche Kontrolle streckt sie der Kontrolleurin, die noch direkt an der Anlage das übliche Papier ausfüllt, ihren Personalausweis entgegen. Super, wird sie darob gelobt.

Lokalmatadorin wird Zweite

Nach kurzer Kaffeepause zieht es die Zuschauer dann wieder an die Diskusbahn, denn dort tritt die überragende Siegerin von Wiesbaden (67,78 m) Nadine Müller (Hallesche Leichtathletik-Freunde) in den Ring, um sich gegen die Chinesinnen durchzusetzen. Das gelingt nur bis zum vierten Durchgang, mit 62,34 Metern wird sie Zweite.
Die Zuschauer aber müssen weiter hasten, und sich zwischen dem gleichzeitig beginnenden Kugelstoßen der Männer und Hammerwurf der Frauen entscheiden. Aber diese Parallelität ist notwendig, um die Veranstaltung nicht auf Überlänge auszudehnen. Lange dauert es ohnehin, denn am Samstag beginnen die Werfertage bereits um 9 Uhr mit den Schülerwettbewerben, und am Sonntag tummeln sich fast den ganzen Tag Schüler, Jugendliche und Junioren auf den Anlagen. Insgesamt rund 500 Athletinnen und Athleten aus 28 Nationen sind am Start, ein Mammutpensum auch für die rund 80 ehrenamtlichen Helfer.

Ralf Bartels gewinnt auch im Winter

Die starken Männer im Kugelstoßring finden in Halle immer ihr Publikum. Ralf Bartels (SC Neubrandenburg) weiß das, und deshalb nimmt er auch die Reisestrapazen von Doha (Katar) nach Halle/Saale auf sich. Am Freitag wird er in Doha mit 21,14 Metern Zweiter, nach strapaziösem Flug kommt er am Samstag erst 12 Uhr im Athletenhotel an. 15.00 Uhr steht er auf dem Wurfplatz und beginnt mit den Wettkampfvorbereitungen. Den Wechsel von 40 Grad Hitze auf gefühlte 0 Grad Kälte überspielt er gekonnt. Mit 20,76 Metern gewinnt er den Wettbewerb vor seinem kanadischen Drehstoßkonkurrenten Dylan Armstrong (20,70 m). „
„Ich bin locker geblieben und habe mich auch nicht vom nassen Ring irritieren lassen. Ich möchte nach Doha noch weitere Meetings der neuen Diamond League bestreiten, so Oslo, Rom und Zürich. Diese Serie stellt uns Werfer endlich mal auf eine Höhe mit den anderen Disziplinen, „ drückt Ralf Bartels seine Freude aus.

Nicht ganz so viele Zuschauer beobachten nebenan die Hammerwerferinnen, wobei das sicher schade ist, denn trotz Regen und Kälte brillieren diese. Vizeweltmeisterin Betty Heidler (LG Eintracht Frankfurt) gewinnt mit 75,24 Metern und hält Weltmeisterin Anita Wlodarczyk (Polen; 74,00) sicher auf Distanz. Den dritten Rang sichert sich die WM-Vierte Kathrin Klaas (LG Eintracht Frankfurt) mit 72,52 Metern.
Die Zuschauer aber sind von den Witterungsbedingungen zermürbt, wandern langsam ab. Das bekommt auch der abschließende Speerwurf der Männer zu spüren. Durch den Olympiazweiten von Peking Ainars Kovals (Lettland; 82,33)) gibt es dort einen ausländischen Sieg, als bester Deutscher sichert sich Matthias de Zordo (SV schlau.com Saar 05 Saarbrücken) mit 77,55 Metern den dritten Rang.

Die Abendveranstaltung

Der Auftritt der Werfergarde ist für diesen Tag beendet. Die heiße Dusche ist für alle der nächste Tageshöhepunkt, doch der Samstag ist noch nicht vorbei. Schnell wird sich in Schale geschmissen, denn die abendliche Veranstaltung lockt. Sie ist ein jahrzehntelanges Markenzeichen dieser Werfertage. In Halle verlassen die Athleten nicht einfach die sportliche Stätte und fahren nach Hause, sondern sie treffen sich nochmals in geselliger Runde. Diesmal steht die Veranstaltung unter dem Motto „Das kommt uns aber SPANISCH vor“. Die EM in Barcelona lässt grüßen.
Unter Leitung von Klaus Peschka haben Hallenser Sportler gemeinsam mit Gästen wieder ein Programm von Sportlern für Sportler geschaffen. Was geschehen wird, ist immer ein großes Geheimnis. Kein Geheimis aber ist, dass diesmal Steffi Nerius, Franka Dietzsch und DLV-Bundestrainer Gerhard Böttcher verabschiedet werden. Alle drei sind eng mit der Geschichte dieser Werfertage verbunden. Die beiden Damen sind „gefühlte“ 36 mal dabei gewesen, der Trainer kennt als Hallenser Urgestein jedes Staubkorn und jeden Grashalm auf den Brandbergen.
Die Geschichte aber geht weiter, im Mai 2011 findet das nächste Familienfest der Werfer in Halle an der Saale statt.

Drei Fotos aus einem anderen Jahr: Lars Riedel wird beim Werfermeeting als „Leichtathlet des Jahres“ ausgezeichnet.  Mit gelbem Sakko Peter Grau, in Blau Fotografin Iris Hensel.

Halle Werfertag RiedelHalle Werfertag Riedel 2