Hauke Fuhlbrügge: Vom Mittelstreckler zum Rechtsanwalt

In den 90er Jahren gehörten mit Hauke Fuhlbrügge und Jens-Peter Herold zwei deutsche Mittelstreckler zur Weltspitze. 1991 machte einer von ihnen, der Erfurter Hauke Fuhlbrügge, bei der WM in Tokio sein Meisterstück, als er über 1500 m Bronze holte und seinem schnelleren nationalen Konkurrenten die Medaille auf dem Zielstrich noch entriss.

Tokio, 1. September 1991. Das WM-Finale über 1500 Meter: Noch heute ist dem 48- jährigen Hauke Fuhlbrügge dieser Wettkampf so präsent wie vor mehr als 20 Jahren: „ 50 m vor dem Ziel wußte ich, daß ich es noch packe, daß ich den auf Platz 3 liegenden Jens-Peter Herold noch abfangen werde.“ Und er fügte gleichzeitig eine Maxime an, die er auch auf sein normales Leben überträgt: „ Wenn sich eine Chance bietet, dann muß man sie auch wahrnehmen“. Ein Medaillenfavorit war Fuhlbrügge in Japans Metropole auf keinen Fall. Schließlich hatte er im Halbfinale mit etwas Glück den letzten der zwölf Plätze für den Endlauf einen Tag später ergattert.
Allerdings war er auch kein Unbekannter. Ein Jahr zuvor war er ebenfalls in blendender Form, doch bei der EM in Splitt machte ihn schon im Vorlauf eine Disqualifikation einen Strich durch die Erfolgsrechnung. „ In einem 1500-m-Lauf geht es hart zur Sache. Es war eine normale Rempelei mit dem Favoriten Peter Elliott, Mann gegen Mann.“

Mit seiner sportlichen Laufbahn ist Hauke Fuhlbrügge zufrieden: „ Ich habe internationale Medaillen gewonnen, neben dem WM-Bronze auch Silber bei der Hallen-WM 1989 in Budapest“. Seine Bestzeiten von 3:34:15 Minuten über 1500 m und 1:45:15 Minuten über 800 m können sich sehen lassen. „ Allerdings ärgert es mich ein wenig, daß ich fast nie in einem Rennen war, wo so richtig die Post abgegangen ist, wo man wie mit dem Staubsauger mitgenommen wird und dann eine sehr gute Zeit laufen kann“, blickt Fuhlbrügge zurück. „ In einem solchen Rennen war ich vielleicht einmal bei einem Meilenlauf in Oslo. Doch da fehlte mir der Mut und die Courage, mal wirklich hart hinter dem Tempomacher hinterherzulaufen.“

Ärgerlich war auch, daß er so früh verletzungsbedingt aufhören mußte. „ Im WM-Jahr 1991 habe ich mich am Fuß verletzt und dann in der Olympiasaison 1992 und auch 1993 mit immer stärker werdenden Beschwerden trainiert, natürlich dann nicht mehr in der notwendigen Qualität.“ Zwar schaffte er es 1992 zu Olympia und kam in Barcelona immerhin bis zum Zwischenlauf. Aber der Fuß war eben nicht in Ordnung.

Joggen nicht mehr möglich

1993 stellte man bei der OP fest, daß eine Sehne gerissen war. „ Damit hätte ich eigentlich nicht mehr laufen dürfen, denn zwei Jahre hartes Training haben den Fuß so gestreßt, daß ich danach noch dreimal operiert wurde.“ Die endgültige Diagnose war: Selbst zum Joggen nicht mehr tauglich. Und das wurde auch Wahrheit. „ Wenn ich heute 5 km laufe, bereue ich es hinterher bitter,“ sagt Fuhlbrügge. Ein wenig schwerer als früher ist er auch geworden, „ aber mit 1,80 m und 75 kg gehöre ich wohl noch zu den Schlanken,“ schätzt er ein. Und sportlich ist er trotzdem aktiv: „Ich fahre viel Mountainbike und bin beim Kitesurfen an der Ostsee oder der Nordsee unterwegs. Das macht wahnsinnig viel Spaß.“ Nicht mehr Tartan, sondern Wasser und Wind sind jetzt seine Elemente.

Schnell auch im Studium

Nach dem Abschied vom Hochleistungssport glückte Hauke Fuhlbrügge recht schnell der Einstieg ins Berufsleben. Zwar war er schon seit 1990 als Jurastudent an der Uni in Jena eingeschrieben, aber richtig mit dem Studium begann er erst 1996 – das aber mit aller Konsequenz. „ Ich zog von Erfurt nach Jena, lebte in einer Studenten-WG, um ganz nah am Geschehen zu sein.“ Vor allem aber zog er das Studium innerhalb von drei Jahren durch. „ Es sollte schnell gehen, vielleicht war auch ein wenig Panik wegen meines fortgeschrittenen Alters dabei“.

Jura-Examen mit Prädikat

1999 schloß er das Jurastudium mit einem Prädikatsexamen ab, was bedeutete, daß er zu den besten 15 Prozent aller Studenten gehörte. Schon im Studium hatte sich herausgebildet, welche Fachrichtung ihm nicht lag: „ Ich wollte mich nicht mit und für andere Leute streiten. Mit dem klassischen Rechtsanwaltsberuf konnte ich mich nicht anfreunden.“ So wandte er sich dem Wirtschaftsrecht zu, befaßte sich intensiv mit Gesellschaftsrecht, Steuerrecht, Unternehmensrecht. Während des Referendariats in Erfurt und Düsseldorf durchlief er deshalb nicht nur solche vorgeschriebenen Stationen wie Zivilgericht und Strafgericht, sondern arbeitete bereits in großen Wirtschaftskanzleien. Nach dem zweiten Staatsexamen war es dann keine Überraschung mehr, daß er diese Berufsrichtung wählte. Gern wäre er in seiner thüringischen Heimat geblieben, doch dort gab es nur wenige Möglichkeiten im Bereich Wirtschaftsrecht. „ Es kamen nur die Regionen um Frankfurt/Main, München, Düsseldorf und Hamburg in Frage.“ So landete er in der Elbmetropole, arbeitet mittlerweile bei einem banknahen Immobilienunternehmen und ist dort als Leiter Recht und Steuern tätig. „ Wir kaufen vornehmlich Immobilien für Versorgungskassen, d.h. für private Rentenversicherungsträger, initiieren Fonds, und für die rechtlichen und steuerlichen Verhältnisse und die Gesellschaftsverträge bin ich verantwortlich.“ Diese Tätigkeit ist mit vielen Reisen verbunden, erfordert die Zusammenarbeit mit Rechtsanwaltskanzleien im In- und Ausland. „ Es ist eine sehr spannende Tätigkeit und wegen der ständigen Änderungen in Recht und Steuern und der Internationalität eine Herausforderung,“ beschreibt der Rechtsanwalt Fuhlbrügge seine Arbeit. „ Natürlich denke ich manchmal daran, ob ich nicht auch irgendetwas im Sport hätte anfangen können. Aber letztlich habe ich richtig entschieden, weil es ein Job ist, der sehr viel Spaß macht, in dem es keinen Stillstand gibt und der mich auch in Jahren noch fordern wird.“

Glücklich in Hamburg

Seit dreizehn Jahren wohnt Hauke Fuhlbrügge in Hamburg, ist glücklich verheiratet und hat mit seiner Frau Steffani drei Kinder: Sarah, Daniel und Nesthäkchen Neele Maarit. Er mag die Stadt, hat aber auch die Bindung zu seiner thüringischen Heimat nicht verloren. „ Leider bin ich viel zu selten dort. Zuletzt war ich im November 2011 in Erfurt, habe den berühmten Weihnachtsmarkt in der Altstadt besucht und es ist irgendwie immer noch wie Heimkommen.“
Beim Hamburg-Marathon 2011 gab es ein Wiedersehen mit seinem langjährigen Trainer Dieter Hermann“. Mit ihm war er praktisch seine gesamte erfolgreiche Zeit zusammen. „ Es war eine tolle Zusammenarbeit, auch wenn es zwischendurch mal geknistert hat,“ schaut er auf die Jahre in Erfurt zurück und ergänzt: „ Aber das gehört auch dazu, wenn man erfolgreich sein will. Wenn es nur Harmonie gibt, dann bewegt sich am Ende nichts.“
Peter Grau

Hauke Fuhlbrügge

(siehe auch in „Leichtathletik“ Nr. 16/2012)

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