Anfang 1961 war ich das letzte Mal in Berlin-Gesundbrunnen. Damals gab es die Mauer noch nicht . Ich fuhr einige Male mit der S-Bahn vom Bahnhof Schönhauser Allee und war eine Station später in Westberlin, in Gesundbrunnen.
Heute, am 13. Januar 2025, also rund 63 Jahre danach, wiederhole ich diese Reise und bin sehr angespannt. Der Grund: Ich will Tochter Ulrike vom Bahnhof Gesundbrunnen abholen. Sie ist dienstlich in Eberswalde, um einen Kooperationsvertrag zwischen der dortigen Hochschule für nachhaltige Entwicklung und der Landwirtschaftlichen Uni in Chapingo bei Mexiko-Stadt (dort , wo Ulrike als Deutschlehrerin arbeitet) abzuschließen.
Eigentlich wollte ich mir in der Umgebung vom Bahnhof Gesundbrunnen einen Parkplatz suchen, aber nachts hatte ich die Idee, lieber in der Nähe vom S-Bahnhof Prenzlauer Allee zu parken. Dort kenne ich mich eher aus.
Abfahrt 13.10, Ankunft in der Nähe vom S-Bahnhof Prenzlauer Berg 13.58 Uhr. In der Zelter Straße finde ich ohne Mühe einen Parkplatz, spaziere die Wichert Straße entlang, ein kurzes Stück Prenzlauer Allee und schon bin ich an der S-Bahn. Gefühlt 50 Treppen geht es hinunter und dann kommt die erste Bewährungsprobe: Der Fahrkartenautomat. Aber ich bin gut vorbereitet, klicke eine Viererfahrkarte für den Kurzbereich an, bekomme 7,10 Euro angezeigt, stecke einen 10-Euro-Schein in irgendeinen Schlitz und hoffe, dass es der Richtige ist. Irritiert bin ich, weil am Automaten steht, dass kein Wechselgeld herausgegeben wird. Wird es aber doch, glücklich nehme ich die Fahrkarten in Empfang und entwerte eine davon am Stehknipser. Leichter ist es, die richtige S-Bahn auszuwählen. Die Ringbahnen 41 und 42 fahren nach Gesundbrunnen, und alle 6 Minuten kommt eine Bahn. Eingestiegen, nach einer Station auf dem S-Bahnhof Schönhauser Allee ausgestiegen. Nach einigen Umwegen finde ich die Schönhauser Arcaden, eine Einkaufsmeile, so wie ich sie beispielsweise von Spandau kenne. Aber hier gefällt es mir besser, weil es kleiner und feiner wirkt. Es ist schon erstaunlich, was hier aus dem Nichts hingezaubert wurde. In einer Fotoausstellung kann ich den Bau nachvollziehen. Nehme mir vor, bald mal wieder hierher zu fahren.
Jetzt aber habe ich wenig Zeit, denn 15.22 Uhr soll Ulrikes Regionalbahn in Gesundbrunnen ankommen. Also wieder hinein in die Ringbahn und ich simuliere das Gefühl, was ich vor 63 Jahre hatte: Die Fahrt vom Osten in den Westen. Wo die Grenze war, bekomme ich zwar nicht mit, aber das habe ich damals auch nicht so bemerkt. 3 Minuten Fahrzeit bis Gesundbrunnen, Ausstieg und die Suche nach der Vergangenheit. Aber mir ist klar, dass mein Briefmarkenladen, in dem ich Briefmarken für Westgeld verkaufte, nicht mehr da ist. Dazu hat sich hier zu viel verändert, ist ein riesiges Einkaufszentrum, das Gesundbrunnencenter, entstanden.
Die Badstraße aber finde ich schnell, doch auch da ist das Kleidungsgeschäft von damals, an dem ein Petticoat vor dem Eingang hing, nicht mehr da. Aber wie damals ist die Straße stark befahren und belaufen. Laut wird gesprochen, manches verstehe ich nicht. Auffällig ein riesiger Ost-und Gemüseladen, fest in türkischer Hand. Ich werde als Einheimischer erkannt und muß einem älteren Herrn den Weg zur S-Bahn weisen.
Die Zeit rast, und schnell mache ich noch einen Abstecher ins Einkaufszentrum. Hier ist alles größer als an der Schönhauser Allee, aber die Geschäfte ähneln sich. Es ist so groß, dass ich Mühe habe, wieder den Ausgang zu finden. 15.15 Uhr bin ich endlich an der frischen Luft, finde Gleis 6 der Deutschen Bahn und kaum bin ich auf dem Bahnsteig , kommt der Zug aus Eberswalde (genauer aus Stralsund) und Ulrike steigt aus dem Zug. Ihr mexikanischer Kollege Luis Carlos fährt weiter bis zum Hauptbahnhof.
Mit Ulrike gehe ich noch in ein kleines Geschäft, um eine Currywurst mit Pommes und Mayo zu essen. Dann aber flugs in die S-Bahn, bis Prenzlauer Berg gefahren, bis zum Auto gelaufen. Es ist noch da, das Navi weist den Weg. Abfahrt 16.19 Uhr, Ankunft in Neuruppin 17.20 Uhr.
Ein ereignisreicher Tag ist vorbei, die Erinnerungen von 1961 sind wieder aufgefrischt worden.