Der Berlin-Marathon 2016 rief und über 41.000 Läuferinnen und Läufer meldeten sich dafür an. Diesen Schwung wollte ich beim Zuschauen ausnutzen, um mich wieder für das eigene Laufen zu motivieren. Zwar lockt mich ein eigener Marathon nicht mehr, mein Letzter liegt nun schon 20 Jahre zurück. Aber Laufen finde ich nach wie vor die beste Möglichkeit, sich fit zu halten (auch wenn ich gerade im Fitneßstudio angefangen habe).
Zunächst genieße ich ganz in der Frühe um 8 Uhr den Zauber der Natur nahe der Tankstelle in Neuruppin. Aber dann geht es schnurstracks per Auto Richtung Berlin. Das erste Ziel: der Kaiserdamm. Sind die Läufer heute alle Kaiser und Könige, so will ich dort mein Auto abstellen und dann bei km 2,5 km an die Strecke gehen und die Läuferschar bewundern.
Der Parkplatz dicht an der Tankstelle am Ernst-Reuter-Platz ist optimal, im Autoradio hatte ich den Start der Läufer noch mitbekommen. Ich komme so gerade zurecht, um die Spitze des Feldes, ca. 12 Läufer aus Ostafrika, vorbeihuschen zu sehen. Schnell die Kamera ausgepackt, aber das erste Foto sieht so aus:
Die Läufer werden vom Führungs-Auto versteckt. Doch danach habe ich freies „Schußfeld“:
Zunächst kommt Steffen Uliczka vorbei, der zwischen 2:12 und 2:14 h laufen will, und hier sehr konzentriert und schnell aussieht:
Und schnell sind auch die nachfolgenden Läufer unterwegs, noch:
Ich aber spaziere Richtung Pressezentrum, das sich diesmal im Hotel Intercontinental in der Budapester Straße befindet.
Am Ende der Hardenbergstraße, rund um den Bahnhof Zoo, bestimmen Baukräne die Szene. Hier ist ein ganzer Häuserblock abgerissen worden, um Neuem Platz zu machen:
Einige Schritte weiter ist Neues entstanden, das Hotel Waldorf Astoria ragt in die Höhe:
Und in der Nachbarschaft steht ein zweiter Wolkenkratzer. Was mag das nur sein?
Da ist mir die andere Aussicht schon bekannter. Die Gedächtniskirche:
Ansonsten kenne ich mich ja hier noch einigermaßen aus, im Unterschied zu den vielen Touristen. Sie werden auf einer Karte informiert:
Und sehen, daß dort der Eingang des Berliner Zoos liegt (besser kenne ich ja den Tierpark Friedrichsfelde, in dessen Nähe ich über 40 Jahre gelebt habe):
Vorbei am Olof-Palme-Platz bin ich nun in der Budapester Straße angekommen:
Und schon liegt das Hotel Intercontinental vor mir:
In vergangenen Jahren haben hier oft die Pressekonferenzen für das ISTAF stattgefunden und auch die Athleten fanden dort eine komfortable Heimstatt auf Zeit.
Ich bekomme meinen Presseausweis, schaue mir im Presseraum kurz die Fernsehübertragung vom Marathon an und plaudere mit Ulrike Krieger von BZ und Bild:
Aber dann müssen wir uns trennen. Sie fährt mit dem Fahrrad in den Zielbereich ans Brandenburger Tor, ich begebe mich Richtung Kudamm. Dort will ich bei ca. 35 km die Läufer erwarten, und sie mit der Kamera festhalten (nur bildlich festhalten, nicht wirklich).
In der Nürnberger Straße komme ich am Hotel „Crowne Plaza“ vorbei und erinnere mich daran, daß ich hier 1990 mit dem Vertreter des Kölner Sportverlages einen Arbeitsvertrag für die Zeitschrift „Leichtathletik“ unterzeichnete.
Auf der Tauentzienstraße empfängt mich flotte Musik, viele Kapellen spornen die Läufer auf dem Kurs über 42,195 km an.
Es ist 10.44 Uhr, in etwa zehn Minuten wird die Spitzengruppe der Männer hier vorbeihuschen:
Die aktuelle Laufzeit: 1:35:01:
Ich suche nach einem guten Fotografier-Platz, aber das ist garnicht so einfach. Entweder ist es zu schattig, stören die Zuschauer oder der Hintergrund paßt nicht.
Zwischendurch kommen Handbiker vorbei, da kann ich schon probieren:
Ein Safety-Car kündet die Läufer an (zum Unterschied zur Formel 1 bedeutet hier aber das Safety-Car nicht die Neutralisierung des Rennens. Die Läufer dürfen weiter laufen, so schnell sie denn können).
Schnell sind sie, die Läufer, aber die Spitze bekomme ich einfach nicht ins Bild, weil zu viele Autos und Fahrradfahrer die Läufer verdecken. So gelingt mir kein Bild. Erfassen kann ich aber, daß Wilson Kipsang (Kenia) führt. Bekele sehe ich zwar nicht, aber einen begleitenden Fahrradfahrer, auf dem „Bekele“ steht. Also muß er dabei gewesen sein. Aber die vormals 12 köpfige Spitzengruppe (bei km 2,5 km) ist völlig auseinandergefallen.
Einzeln kommen sie vorbei, und dann gelingen mir auch die Fotos:
Sisay Lemma (im Ziel Vierter):
Geoffrey Ronoh (im Ziel Sechster):
Suleiman Simotwo (im Ziel Zehnter):
Mark Kiptoo (im Ziel Elfter):
Mikael Ekwal (im Ziel als Vierzehnter bester Europäer)
Dann kündigt ein Auto mit der Zeitleiste 1:51:09 h den besten Deutschen an:
Keine Überraschung, daß es der Kieler Steffen Uliczka ist. Gemeinsam mit dem Amerikaner Malcolm Richards schaut er sehr konzentriert aus, reagiert nicht auf meine Anfeuerungsrufe. Ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?
Ich habe ihm per Facebook gewünscht, daß er gut durchkommen möge und ich ihn hinterher auf der Pressekonferenz treffen möchte. Das würde bedeuten, daß er bester Deutscher gewesen ist. Auf dem Wege dahin ist er, nur kann ich seine Endzeit nicht einschätzen, weil ich keine Umrechnungstabelle dabei habe.
Für die beiden geht es Richtung Kaufhaus KaDeWe und U-Bahnhof Wittenbergplatz:
Auch nach ihnen kommen schnelle Leute (zumindest sieht das so aus):
Die Kenianerin Janet Ronoh kommt bei 2:02:14 h an den 35 km vorbei, am Ende wird sie Sechste sein.
Wann kommt Katharina Heinig? Sie kommt für mich zu schnell, bei 2:03:34 rennt sie vorbei und ich kann sie nur so fotografieren:
Aber sie ist es gewesen, was folgendes Foto beweist:
Gekämpft wird von allen Teilnehmern. Stefan hat die angepeilten Zwischenzeiten auf seine Hände geschrieben, Maxim läuft mit Handschuhen:
Ich spaziere nun den Läufern entgegen, von der Tauentzienstraße Richtung Kurfürstendamm:
Vorn die Läufer, im Hintergrund das früher sehr berühmte und schöne Cafe Kranzler:
Am Rande ein neues Hotel, dessen Namen ich erst noch erkunden muß:
Und noch ein Hotel:
Das Cafe Kranzler, etwas näher herangerückt:
Und die Gedächtniskirche, immer ein Blickfang:
Es macht Spaß, in Berlin zu fotografieren, auch wenn diesmal der Marathon im Vordergrund steht.
Die Kapelle hat gewechselt, Berliner Weisen erklingen:
So schnell aber kann ich mich nicht von den Läufern lösen:
Und spaziere weiter Richtung Kaufhaus des Westens, wo früher für uns Ostberliner immer der Duft der großen, weiten Welt wehte. KdW und Kudamm, das war für uns einfach „ der Westen“.
Doch lange kann ich mich nicht mehr aufhalten, muß zurück ins Pressezentrum.
Auf dem Weg dahin komme ich noch an einem berühmten Mann vorbei:
Ich kannte ihn vor allem als Mitnamensgeber für die Humboldt-Universität Berlin.
Die Läufer sind nunmehr 2:51:39 h unterwegs, so zeigt es die noch funktionierende Uhr auf dem gleichen Auto, das vorhin vor Steffen Uliczka fuhr und nun vor dem Hotel Intercontinental parkt:
Steffen Uliczka muß aber schon längst im Ziel sein. Aber mit welcher Zeit? Ich habe ja diesmal vom aktuellen Renngeschehen wenig mitbekommen, nicht wie sonst die Fernsehübertragung im Presseezentrum verfolgt. Kein Nachteil, denn draußen war es auch schön.
Als Erster läuft mir im Hotel der Chefredakteur von Runners World, Martin Grüning, über den Weg, den ich seit langem kenne und nun dank Facebook immer öfter höre bzw. sehe.
Ich erzähle ihm von meiner letzten Begegnung mit Steffen Uliczka bei km 35 und bin gespannt, welche Endzeit er mir verrät. 2:15:02 h. Im ersten Moment bin ich enttäuscht, hatte nach dem forschen Anfangstempo, das sogar auf eine 2:12 h hindeutete, mit mehr bzw. weniger gerechnet. Martin aber ordnet die persönliche Bestzeit des Kielers als gut ein. Mal sehen, was Steffen hinterher auf der Pressekonferenz sagen wird.
Auf dem Weg zum Presseraum treffe ich Norbert Hensen (links) und Ralf Kerkeling:
Norbert kenne ich seit uralten Zeiten, lange waren wir für die Zeitschrift „ Leichtathletik“ tätig. Heute ist er gemeinsam mit Christian Ermert Geschäftsführer der DLM RunMedia GmbH in Köln.
Ralf Kerkeling, ebenfalls Kölner, hatte ich zuvor noch nie getroffen. Um so mehr freue ich mich, mit ihm erstmals sprechen zu können. Und ihm geht es ebenso. Ralf ist seit einiger Zeit der Chef des Fachmagazins „ Leichtathletik-Magazin“ und der Laufzeitschrift „Aktiv Laufen“. An diesem Nachmittag erfahren wir einiges voneinander. Solche ungeplanten Begegnungen mag ich, wenn sie so ergiebig sind.
Die Pressekonferenz beginnt unter der Leitung von Urs Weber, tätig für die Zeitschrift „Runners World“, zunächst mit den Siegern der Rollstuhlfahrer:
Wichtig, daß diese Athleten genauso wie alle anderen behandelt werden. Sie verdienen es.
Anschließend wird die deutsche Karte gespielt. Die beiden besten deutschen Marathonis, Katharina Heinig und Steffen Uliczka, dürfen Urs Weber (links) Rede und Antwort stehen.
Ich setze mich in die erste Reihe und kann von dort munter fotografieren. Kein Auto verdeckt die Sicht, kein Zuschauer rennt ins Bild. Und neben mir denkt Herbert Steffny genauso.
Einziges Problem: es werden zu viele Fotos. Die Auswahl ist nicht einfach:
Katharina Heinig (Fünfte im Berlin-Marathon in 2.28:34):
Steffen Uliczka (Sechzehnter in 2:15:02):
Ziemlich unterschiedlich sind die Aussagen beider. Katharina schwebt auf Wolke sieben, kann nur Positives über ihren Lauf sagen (mehr dazu auf leichtathletik.de unter „Katharina Heinig: Viele Dauerläufe unter Tränen).
Steffen ist da schon kritischer mit sich und seiner Leistung, auch wenn er sich nichts vorwerfen kann. Aber er erzählt, daß irgendwann seine Beine schwer wurden und er dann einfach nicht schneller laufen konnte. „ Es ist doch ein riesengroßer Unterschied zwischen 3000-m-Hindernis und Marathon“. Aber aufgeben gilt nicht für ihn, es soll beim nächsten Mal schneller gehen sprich laufen. Ich habe mir vorgenommen, ihn zuhause in Strande, dicht bei Kiel, zu besuchen, wenn ich das nächste Mal zu Besuch bei meinem Schwager Achim bin. Der wohnt dort ganz in der Nähe und ich selbst bin auch schon einige Male in „Steffens Revier“ gelaufen.
Blick in den Presseraum:
Wolfgang Weising, Chefredakteur der „Laufzeit“ schaut mich freundlich an:
Und Marathonchef Mark Milde hat wie immer alles im Griff und zieht ein positives Fazit:
Als Nächstes sind die Sieger bei den Frauen und bei den Männern auf dem Podium, um Auskunft zu geben:
Aberu Kebede (Äthiopien, Erste in 2:20:45 / links) und Birhane Dibaba (Äthiopien, Zweite in 2:23:58):
So scheu wie sie schauen, geben sie sich auch in ihren Worten. Reden ist nicht ihre Spezialdisziplin, sondern das Laufen.
Da sind die Herren der Schöpfung aus anderem Holz geschnitzt.
Kenenisa Bekele (Äthiopien, Erster in 2:03:03 / rechts) und Wilson Kipsang (Kenia, Zweiter in 2:03:13):
(alles zum Rennverlauf und zu den Aussagen der Teilnehmer an den Pressekonferenzen ist bei leichtathletik.de, bei laufen.de, bei Berlin-Marathon 2016 auf der Homepage des SCC Berlin und in den Zeitungen all überall nachzulesen).
Für mich aber wird es Zeit, nach einem kurzen Abstecher ans leckere Büffet die Heimreise anzutreten. Auf dem Weg zum Parkplatz komme ich am Filmtheater Zoopalast vorbei:
Und dort winkt mir Ralf Kerkeling nochmals zu. Doch ein erneutes Gespräch ist nun nicht mehr möglich, weil Ralf lange Zeit telefonierend auf und ab geht. Es müssen sehr wichtige Themen gewesen sein. Ich will ihn nicht stören, spaziere weiter. Am Bahnhof Zoo vorbei, hinein in die Hardenbergstraße, vorbei am Ludwig-Erhard Haus und am Savigny-Platz bin ich dann bald am Ernst-Reuter-Platz. Und ich sehe mein grünes Auto an der gleichen Stelle parken.
Ein wenig Angst hatte ich ja, weil es relativ dicht an der Einfahrt zur Tankstelle stand. Aber es ist unversehrt und bringt mich danach gut wieder die 80 km nach Neuruppin zurück. Ein ereignisreicher Tag liegt hinter mir.
Peter Grau