Archiv für den Tag: 9. Juli 2016

Franka Dietzsch – das Leben nach ihrer sportlichen Karriere

 

Der Diskuswurf ist eine Disziplin mit einer langen Historie, die bis in die Antike zurückreicht. Der Diskuswerfer wurde schon damals als der Inbegriff des Athleten angesehen (mehr dazu bei Wikipedia unter Diskuswurf). Sehr häufig sieht man die  Diskusscheiben werfenden Athleten auch als Bronzestatuen.

Franka Dietzsch Bronzestatue

Aber auch in der Neuzeit ist gerade aus deutscher Sicht der Diskuswurf eine Erfolgsstory. Erst am Freitag (8. Juli 2016) holten sich mit Julia Fischer und Shanice Craft zwei Diskuswerferinnen Silber und Bronze.

Begegnung mit Franka Dietzsch

Lange Zeit dominierte eine Frau die deutsche Diskus-Szene: Franka Dietzsch. Ihr Name hat immer noch einen sehr guten Klang in der Werferfamilie, und deshalb erfreute es mich auch, als ich sie bei den Halleschen Werfertagen am 21. Mai 2016 wiedersehen und sprechen konnte.

Zuletzt hatten wir im September 2009 in Elstal bei Berlin ein Gespräch, damals, als sie sich gerade vom aktiven Leistungssport verabschiedet hatte. Was war seitdem mit ihr geschehen?

Wie immer ist sie gern bereit, mir darüber etwas zu erzählen. Dabei hat sie gerade an diesem Tag und zu dieser Stunde nicht beste Laune. „ Mir geht es gerade nicht so gut, „ sagt sie, die fast wie ein Häufchen Unglück auf einer Bank neben dem Diskusring sitzt. „ Ich bin gerade sehr unzufrieden mit den Auftritten von zwei Athleten, die ich in Neubrandenburg trainiere und die nun nicht die erwartete Leistung gebracht haben.“ Zum einen ist es die gebürtige Rostockerin Lara Kempka (Jahrgang 1997), die in der Altersklasse U20 den 1-kg-Diskus nur auf 47,75 m geworfen hatte und damit Vierte wurde. „ Dabei hat sie schon einige Erfolge zu verzeichnen, war bei den Olympischen Jugendspielen 2014 Dritte und im gleichen Jahr auch deutsche Meisterin. (Zwei Wochen nach unserem Gespräch, am 5. Juni, warf Lara Kempka als Zweite hinter der bekannteren Claudine Vita immerhin 49,29 m weit und einen Tag danach, am 6. Juni, in Leipzig 53,42 m).

Franka klein  zwei finster

Franka Dietzsch, noch etwas finster blickend

Der andere Schützling, welcher Franka Dietzsch gerade Sorgenfalten auf die Stirn treibt, heißt Tim Ader. „Ihn habe ich in diesem Jahr übernommen, er ist ebenfalls schon deutscher Meister in seiner Altersklasse geworden. Heute ist er in einer höheren Altersklasse gestartet, hat mit einem schwereren Diskus (1,75 kg) schwach geworfen. Und ich bin eben nicht damit einverstanden, wie er sich eben präsentiert hat. ( Doch schon einen Tag später rückte er mit dem Sieg mit der 1,5-kg-Scheibe und einer Weite von 58,47 m alles gerade. Und als Lohn folgte später die Nominierung für die U18-EM in Tiflis.)

Frank Dietzsch setzt im Training und Wettkampf hohe Maßstäbe. „ Manches setze ich einfach voraus, und kann dann nicht verstehen, warum man das nicht kann. Manchmal drehe ich schon durch, wenn ich sehe, wie schlecht sie beispielsweise Standwürfe machen“. Ihre Schützlinge, 4 Mädchen und 1 Junge, haben zwar den nötigen Ehrgeiz für den Leistungssport. „ Aber es regt mich auf, wenn es nicht richtig klappt, und wenn mir etwas nicht paßt, dann sage ich es auch und werde auch mal lauter. Aber ich bin auch eine faire Trainerin, und grundsätzlich haben wir ein Superverhältnis“.

Franka klein eins

Franka Dietzsch, wieder lächelnd

Franka Dietzsch ist also seit dem 1. April 2011 als Nachwuchstrainerin für den Diskuswurf und das Kugelstoßen beim SC Neubrandenburg beschäftigt. Doch das ist nur eine nebenberufliche Tätigkeit auf Honorarbasis. „ Hauptberuflich bin ich bei der Deutschen Kreditbank (DKB) tätig“. Sie hat also ihre berufliche Linie durchgezogen. Zu DDR-Zeiten lernte sie Industriekaufmann, war danach bei der Sparkasse in Neubrandenburg angestellt. Nun also die DKB, die ja auch beim Sportsponsoring eine Hausnummer ist.

Was aber macht sie bei der DKB? Die DKB hat in Brandenburg, 60 km nördlich von Berlin ein Schloss: das Schloss & Gut Liebenberg. Die DKB besitzt zwar nicht das Schloß, aber sie hält dort Seminare für Mitarbeiter ab. Und Franka Dietzsch ist auch dabei: „ Ich darf mit ihnen Sport treiben. Entweder mache ich mit ihnen Frühsport oder trainiere abends nach den Seminaren mit ihnen. Seit 2010 bin ich dort und es macht mir Spaß. Zumal ich zur Auflockerung auch aus meiner sportlichen Laufbahn erzähle. Und ab und an führe ich Wochenendseminare durch, in denen ausschließlich Sport getrieben wird.“

Franka Dietzsch ist viel unterwegs. Entweder fährt sie nach Liebenberg, oder sie trainiert in Neubrandenburg oder ist mit ihren Sportlern zu Wettkämpfen unterwegs. Und da kommt es ihr sehr entgegen, daß sie sich nun gemeinsam mit ihrem Freund Ulrich einen Ruhepunkt geschaffen hat. „ Zehn Kilometer von Neubrandenburg entfernt haben wir uns in Sponholz ein Hause gebaut. Ich bin also aufs Dorf gezogen“. Zurück zu den Wurzeln, denn Franka Dietsch kommt aus einem Dorf, aus Koserow auf der Insel Usedom. „ Ich habe mir aber immer vorgenommen, wieder aufs Land zu ziehen“. Und sie läßt keinen Zweifel, daß sie sich dort wohlfühlt.

Franka drei klein Telefoin

Die aktuelle sportliche Szenerie verfolgt sie naturgemäß weiter sehr intensiv, ist bei vielen großen Wettkämpfen dabei. „ Im letzten Jahr war ich durch Anna Rüh oft unterwegs, nun ist sie ja von Neubrandenburg nach Magdeburg gezogen“.

Franka Dietzsch hat heutzutage keine Entzugserscheinungen, weil sie nun nicht mehr aktiv ist. „ Ich bin froh, daß ich in einer anderen Zeit geworfen habe, und nicht jetzt. Jetzt ist es definitiv schwerer, vorn zu landen. Man bekommt ja mit 66 oder 67 m kaum noch eine Medaille. Da habe ich großes Glück gehabt.“

Peter Grau