Archiv für den Monat: Dezember 2015

Besuch beim deutschen Außenminister

Der Journalistenausweis öffnet manchmal auch die Tore zu den Zentren der Macht. So geschehen an einem Donnerstag im Jahre 2007.

Ort: Auswärtiges Amt, sprich Außenministerium, in Berlin, am Werderschen Markt. Das Organisationsbüro der WM 2009 in Berlin rief zum Fototermin plus Kurzstatements. Thema : Die materielle und ideelle Unterstützung der WM 2009 durch das Außenministerium.

Den schreibenden und photographierenden Journalisten wollten sich Außenminister Dr. Frank – Walter  Steinmeier und diverse Sportprominenz von DLV-Präsident Clemens Prokop bis zu Betty Heidler, Danny Ecker und Kamghe Gaba stellen.

Streikbefürchtungen der Bahn bewahrheiten sich nicht, alle kamen pünktlich an. Der Berichterstatter für leichtathletik.de  gelangte mit dem Auto von Neuruppin ins Zentrum der Hauptstadt. Parken dicht an der Leipziger Straße kostete 50 Cent pro 15 Minuten, weiter dran am Geschehen wären es 75 Cent gewesen. Dann gemütlicher Nachmittagsspaziergang hin zum Außenministerium. Und schon folgte die erste Überraschung. Für jemanden, der seit 1966 in Berlin gelebt hat und gerade in dieser Gegend viele Arbeitsjahre verbrachte, hat sich das Umfeld völlig verändert. Man hatte Mühe, alte Straßenzüge wie die Niederwallstraße wiederzuerkennen. Viele Büro – und Wohngebäude entstanden dort in den letzten 15 Jahren, und sie entstehen immer noch.

Dann also hinein ins Außenministerium. Erste Hürde: die Personenkontrolle. So wie am Flughafen durfte man den Mantel ablegen, Handy und Schlüssel abgeben und die Tasche aufs Band legen. Aber, keine Kritik, das gibt eben Sicherheit und die braucht ein Außenministerium. Man war im Lichthof, dem Eingang zum ersten, neu gebauten Gebäude. Nächste Station: Pförtnerloge, und daneben der Austausch des Personalausweises gegen eine blecherne Marke mit der Aufschrift Presse Nr. 5.  Platznehmen auf weichem Leder, Abmarsch mit anderen Kollegen unter Führung von zwei wichtigen Personen des Ministeriums. Der Weg führte uns in den Altbau, dorthin, wo zu DDR-Zeiten ab 1959 das Zentralkomitee und das Politbüro der SED, der Staatspartei, residierten und die wichtigen Entscheidungen fürs Wohl oder Wehe des Volkes fällten. Das Parteiemblem (das mit den verschlungenen Händen)  ist längst nicht mehr an der Außenfront, alles macht einen neuen Eindruck, von der Fassade bis zu den Innenräumen. Auf den Spuren von Erich Honecker und Co. fühlten wir uns, und direkt ins Zentrum der früheren Machthaber, in den 2. Stock, geleitete uns der wichtige „Mensch“ des Außenministeriums.

Kurzes Umschauen und Erinnern. Ich selbst habe eine besondere Beziehung zu dem Haus. Zwar bin ich früher weder privat noch dienstlich hineingekommen, aber einmal durfte ich doch. Als Mitarbeiter der Staatsbank der DDR, der Nachfolgerin der 1951 gegründeten Deutschen Notenbank, hatte ich mit anderen Kollegen einen Arbeitseinsatz in diesen hehren Räumen.

Vorausschicken muss man, dass ab 1940 bis 1945  hier die Reichsbank residierte und aus dieser Zeit auch ein riesiger Tresor stammte, den es auch heute noch gibt. Was heute drin ist, weiß man nicht (zumindest uns wurde es nicht mitgeteilt). Aber früher, etwas so um 1975, lagerten dort viele Millionen DDR-Mark als Reserve für die umlaufende Geldmenge. Und wir Bankangestellten hatten nun die Aufgabe, das in Säcken verpackte Geld aus irgendwelchen uns unbekannten Gründen aus dem Tresorraum per Paternoster in ein anderes Stockwerk zu transportieren. Das geschah auf Schubkarren. Ich hatte also, so bin ich sicher, eine Million vor mir, fühlte mich kurzzeitig so wie ein Millionär. Doch dieser Traum verflog damals schnell.

Zeit hatte ich diesmal für den Blick in die Vergangenheit, denn der Minister ließ auf sich warten. Er sollte eine halbe Stunde später kommen, also nicht 17.15 Uhr, sondern erst 17.45 Uhr.  Und Punkt 17.45 Uhr  kam Frank-Walter Steinmeier, im Gefolge Clemens Prokop, Dagmar Freitag, Betty Heidler, Danny Ecker und Kamghe Gaba.   Letztere drei natürlich nicht im Sportdress, sondern fein gekleidet, dem Anlaß und Ort angemessen. Und ein wenig aufgeregt waren sie auch, das brachte das Haus, aber vor allem eben das Zusammensein mit dem Außenminister mit sich. Dabei strahlte der weniger unnahbarer Staatsmann, als viel mehr Herzlichkeit aus und erwies sich als freundlicher Plauderer.

Die Fotoapparate klickten, dann hub Steinmeier zur kurzen Ansprache an, und die ca. 10 Journalisten standen rund zwei Meter vor ihm  und schrieben eifrig in ihre Blöcke. Gleiches beim folgenden Redner, DLV-Präsident Prokop. Noch zwei kurze Fragen an die drei Sportler, wie sie die WM 2009 in der Vorbereitung unterstützen werden. Und schon war der „Spuk“ vorbei. Abmarsch der „Fotomodelle“, die nächsten Termine standen für sie an.

Wir Journalisten aber suchten unsere Siebensachen zusammen, versuchten uns in den langen Gängen des Hauses dem Ausgang zu nähern, was letztendlich auch allen gelang.

Austausch der Pressemarke 5  gegen den Personalausweis, und hinaus aus dem Außenministerium. Die Sonne schien über dem Werderschen Markt, nur die kümmerlichen Reste des gegenüberliegenden „Palastes der Republik“ störten das Bild.

Doch die Sonne sollte sicher ein Zeichen sein, dass auch 2009 im August die Sonne für die Leichtathleten im Olympiastadion scheinen wird. Und nicht nur für die Gäste, sondern vor allem auch für die Gastgeber.

Peter Grau

Geschichten aus meinem Läuferleben

Es war ein freundlicher Tag, dieser 9. Mai im Jahre 1985. Und es sollte ein erfolgreicher Marathontag werden, an dem für mich am Ende eine Zahl stand: 3:08:57.  Drei Stunden, acht Minuten und 57 Sekunden. Am Tag zuvor war ich gemeinsam mit meinem Lauffreund Udo Frey aus Berlin angereist. Wir hatten uns Decin ausgesucht, diesen Ort in der CSSR, an der Elbe und nahe der Grenze zur DDR gelegen. Schon einmal war ich 1981 dort auf Marathonspuren gewesen. Doch da blieben die Uhren erst bei 3:17:55   stehen, vor allem auch den hohen Temperaturen von fast 30 Grad geschuldet. Nun sollte es eine neue Bestzeit werden. Am Abend zuvor, so kann ich mich erinnern, ließen wir uns einige Gläser leckeren tschechischen Bieres schmecken. Für Profis wohl nicht die richtige Vorbereitung, aber wir als Amateure konnten danach wenigstens ruhig schlafen. Hellwach aber waren wir an diesem Donnerstag (8. Mai war Tag der Befreiung) , gemeinsam mit vielen Gleichgesinnten, die sich zum Start auf dem Marktplatz der Stadt sammelten. Die Temperaturen waren marathonfreundlich und der erste Teil der 42.195 km verlief reibungslos. Schulter an Schulter lief ich mit Udo aus dem Ort hinaus und dann auf einer asphaltierten Straße entlang.  Auf Asphalt laufen mochte ich schon immer. Bei einem kontinuierlichen Tempo blieb noch genug Zeit, um die Umgebung wahrzunehmen.  Links floß die Elbe dahin und an der rechten Seite türmten sich die dichten Wälder des Böhmischen Mittelgebirges. Bald waren wir an der Grenze angelangt, zogen in Bad Schandau eine kleine Schleife im Ort und begaben uns dann auf die Rückreise. Lange blieben wir zwei  zusammen, ehe sich Udo rund drei Kilometer vor dem Ziel absetzen konnte. Das war aber für mich nur eine „kleine“ Niederlage, denn der Sieg wurde mir dann schwarz auf weiß mit der neuen Bestzeit geliefert.

In den folgenden Jahren versuchte ich es zwar noch mehrmals, unter die ominöse 3-Stunden-Marke zu kommen, war einmal auch kurz davor, ehe mir eine Verletzung einen Streich spielte. Deshalb aber behielt ich Decin immer in bester Erinnerung. Mit 3:08:55 kann ich heutzutage schon ein klein wenig angeben.

Aber wie war ich überhaupt zum Marathon und zu einer solchen Zeit gekommen?  Sport getrieben hatte ich in Jugendzeiten gern, bei Fußball, Handball, Tischtennis und Tennis stellte ich mich nicht ungeschickt an. Sprintschnell war ich nie, doch schon damals machten mir etwas längere Laufstrecken keine Angst. Aber eine Laufbewegung im eigentlichen Sinne gab es noch nicht.  Sie entwickelte sich in der DDR nur langsam, aber dann ziemlich gewaltig. Und ich schwamm gern auf dieser Welle mit.

Aller Anfang ist schwer

Es begann am 3. Januar 1974 auf dem Zachertsportplatz in Berlin-Lichtenberg, also vor über 40 Jahren. Dort lief ich meine ersten 400-m-Runden, 12 an der Zahl, in einem gemächlichen Tempo von zusammen 27 Minuten. In den folgenden Monaten kam ich zwar nicht über diese Distanz hinaus, aber es war immerhin ein Anfang. Die Jahresbilanz: 108 km.

1975 schraubte ich mein Pensum wieder stark zurück, es wurden gerade mal 8 km. Aller Anfang war also schwer. Doch dann, 1976, ging es spürbar aufwärts. Es begann mit einem Neujahrslauf in Berlin-Friedrichshain. Der nötige Auftakt , um mehr zu wagen. Zwar steigerte sich die Distanz nicht so schnell, doch es wurden im Urlaub in Cantnitz immerhin schon 6 km im Stück. Und am 7. November 1976 lief ich beim Stundenlauf der BSG Turbine Bewag auf den Willi-Sänger-Sportanlagen meinen ersten Wettkampf.  Fast 30 Runden schaffte ich auf der Aschenbahn, 11.910 Meter genau. Im November folgte noch ein zweiter Stundenlauf, nun auf meinem heimischen Zachertsportplatz. Diesmal kamen 12.240 Meter heraus, gelaufen mit einem Körpergewicht von 61 kg. Hinterher wog ich noch 60,5 kg, hatte also ein Pfund verloren.

Jedenfalls hatte ich „Blut“ geleckt. Von nun  an reizten mich  Wettkämpfe.  Ob es nun der Crosslauf in Weißensee auf schwerem Boden oder der BVB-Stundenlauf im Stadion an der Siegfriedstraße mit erreichten 12.900 Metern waren, der nötige Anreiz war gegeben, auch mehr zu trainieren. Erleichtert wurde mir der Anfang, weil ich etliche Gleichgesinnte fand, die ebenfalls wie ich auf dem Zachertsportplatz fast bei Null anfingen und sich dann kontinuierlich steigerten. Zu ihnen zählten u.a. Udo Bauermeister, Jürgen Stark, Horst Prill,  Gunther Hildebrandt,  Siggi Büttner und Bernd Dehnke.

1976 kamen immerhin schon 314 km heraus.

1977- ein Jahr im Aufwind

Im Januar 1977  wagte ich mich an einen Halbmarathon, für den ich 106 Minuten brauchte. Im März folgte ein kleiner Rückschlag, als ich beim 20-km-Plänterwaldlauf, der auf einem 5-km-Kurs durchgeführt wurde, schon bei 15 km ausstieg, und das ohne ersichtlichen Grund. Vielleicht war das Anfangstempo von 21:35 min für die ersten 5 km zu schnell gewesen. Ich hatte an dieser Aufgabe einige Zeit zu knabbern und schwor mir, es nicht wieder zu tun. Und diesen Schwur hielt ich  ein, auch wenn ich später etwa bei Hitzemarathons manchmal knapp vorm Aufgeben war.

Wie einfach es aber war, mit einem höheren Trainingspensum auch viele Wettkämpfe bestehen zu können, zeigten mir die nächsten Wettkämpfe. Am 26. März lief ich auf der Bahn über 10.000 m 43:52 min,  am 4. April beim HfÖ-Cross in der Lichtenberger Parkaue 67:57 min über 15 km, am 13. April 43:31 min beim 10-km-Lauf auf der Tartanbahn im Friedrich-Ludwig-Jahnsportpark. Am 17. April beim ersten Wettkampf außerhalb von Berlin  im nahen Oranienburg sprangen beim Sachsenhausen-Gedenklauf über 15 km  66:28 Minuten heraus. Damals in Oranienburg gewann  Konstantin Lebedjew, der aus der Sowjetunion stammte und als Offizier in Elstal bei Berlin stationiert war.  Lebedjew,  ein sehr angenehmer Lauffreund, war fortan bei vielen Wettkämpfen dabei, die auch ich bestritt. Nach dem Abzug der Roten Armee aus Deutschland verlor ich ihn zunächst aus den Augen, doch über Facebook bekam ich wieder Kontakt zu ihm.  Jetzt, 2015, meldet er sich oft aus Kiew, berichtet über die politischen Entwicklungen in der Ukraine und über seine sportlichen Auftritte. Er konnte wie viele Läufer von damals nicht von der Lauferei lassen.

Seinen Stationierungsort Elstal habe ich viele Jahre später auch kennengelernt, als ich als Berichterstatter bei leichtathletischen Wettkämpfen dort arbeitete. An einem Ort, an dem sich 1936 Sportler auf die Wettkämpfe der Olympischen Spiele im Olympiastadion vorbereiteten. So konnte man dort auch das Zimmer besichtigen, das Jesse Owens damals bewohnte.

Wie schnell ich mein  Leistungsniveau steigern konnte, bewies ich am 8. Mai 1977, als ich im Erfurter Georgij-Dimitroff-Stadion  bei großer Hitze einen Stundenlauf bestritt. Hitze war nie mein Freund , aber ich schaffte immerhin schon 13.146 Meter. Drei Tage später lief ich im Berliner Ernst-Grube-Stadion die 10.000 m in 43:14 Minuten. Es war ein angenehmes Gefühl, die Verbesserungen spüren zu dürfen, die allein auf einem besseren Training basierten.  Und auch danach war es immer so, daß ich relativ viele Wettkämpfe bestritt und damit auch die Lust zum Trainieren wach hielt. Zudem trainierte ich auch mehr, weil ich in den Ergebnislisten nicht immer weit hinten stehen wollte.

Erster Marathon in Grünheide

Am 29. März 1980 bestritt ich meinen ersten Marathonlauf. Und der war nicht einmal geplant. In Grünheide vor den Toren Berlins fand seit 1977 ein 100-km-Lauf statt, und man konnte dort auch mitlaufen, wenn man nicht den ganzen langen Kanten absolvieren wollte.  So hatte ich geplant, nur 30 km als Training mitzulaufen. Doch da ich mich gut fühlte, meldete ich mich auch offiziell an.

Marathon-Premiere in Grünheide

5.30 Uhr war in Berlin aufstehen angesagt, 6.30 Uhr startete ich meinen Trabant, um 7.15 Uhr am Veranstaltungsort einzutreffen. Dort bekam ich dann die Startnummer 3, begrüßte etliche Bekannte und Punkt 8 Uhr ging es los. Der Start erfolgte inmitten eines Ferienobjektes mit vielen Bungalows, die wir auch zum Umziehen nutzten. Jeweils nach einer Waldrunde von 10 Kilometern kehrten wir zurück, konnten dort Tee und Haferschleim zu uns nehmen. Ich tat das bei 20 und 30 km, dazu nur Tee bei 25 und 35 km. Von Anfang an lief ich mit dem Berliner Peter Schultze, der ca. 60 km laufen wollte und deshalb auch langsamer begann. Die ersten 10 km liefen wir in 55 Minuten, die folgenden 3×10 km in jeweils 58 Minuten. Bis auf kurze Gehpausen an der Verpflegungsstelle waren wir ständig in Bewegung, und immer im Wald. Schon nach 10 Kilometern war ich sicher, daß ich die Marathondistanz schaffen würde. Und die Zeit verging auch fast wie im Fluge, denn wir unterhielten uns oft und über viele Dinge des Lebens und genossen die Waldluft. Erst ab 35 km wurden meine Beine etwas schwerer, aber das war wohl normal. Ehrgeiz hatte ich noch, um unter 4 Stunden zu bleiben und deshalb ließ ich auch die letzte Verpflegungsstelle aus. Mit 4:02:20 h gelang mir das zwar nicht ganz, aber meiner Freude tat das keinen Abbruch. Frisch geduscht und schnell erholt ging es wieder zurück nach Berlin. Meiner sehr laufinteressierten Mutter schrieb ich dann im Brief:

„Insgesamt habe ich jetzt ein Hoch. Ich weiß nun auch, wie es am Rennsteig sein wird und wie ich mich dort verhalten muß. Solch ein Wettkampf ist leichter, als wenn ich 4 Stunden trainieren müßte.“

Der Kultlauf am Rennsteig

Rennsteiglauf, das war gewissermaßen das Mekka der DDR-Läufer. Es gehörte einfach zum guten Ton, jedes Jahr im Mai an diesem Lauf teilzunehmen, der über Berg und Tal auf dem Höhenweg „Rennsteig“ im Thüringer Wald führte. Ich war dort in meiner Jugend schon unterwegs gewesen, doch nicht als Läufer, sondern als Skiläufer. Von Erfurt waren wir in den 1950er-Jahren mit der Eisenbahn nach Oberhof gefahren und dann hieß es, auf Skiern den Rennsteig erwandern. Ein wenig übte ich auch das Abwärtsfahren, so auf der berühmten „Idiotenwiese“ in Oberhof. Doch so richtig lernte ich das Wedeln, das Slalom-Fahren nicht, und auch nicht das „Skaten“, denn das kam erst viel später. Zu dieser Zeit aber konnte ich mir noch nicht vorstellen, daß ich später mal viele Male am Rennsteiglauf teilnehmen würde.

Der erste offizielle Rennsteiglauf fand am 12. Mai 1973 als 100-km-GutsMuths-Gedenklauf statt, die Strecke führte von der Hohen Sonne bei Eisenach bis nach Masserberg. Am 9. Mai 1975 fand der Rennsteiglauf erstmals als Wettkampf statt und bald bestand das Angebot aus einer längeren Strecke von ca. 70 km  und einer kürzeren Strecke von rund 45 km. Mir reichte immer die kürzere Distanz, denn auch die war wegen der vielen Hügel und Berge recht strapaziös.

 

Meine Rennsteigpremiere im Jahre 1980

Wie immer bei einer Premiere war die Aufregung groß, denn ich wußte ja nicht, was da auf mich zukommen würde. Aber ich hatte ja die Erfahrung des ersten Marathons mit im Gepäck. So bekam ich am 17. Mai meine Nerven in den Griff, konnte sogar in der Nacht zuvor einigermaßen schlafen. Wie später bei meinen oftmaligen Starts hier am Rennsteeig bekam ich die erste Gänsehaut, als die tausend Köpfe zählende Läuferschar sich im Startgebiet auf einer riesengroßen Wiese drängte.

Rennsteiglauf 1984
Rennsteiglauf 1984

Punkt 9 Uhr setzte sich die Herde in Bewegung. Blockstarts waren dabei nicht möglich und so mußte ich anfangs öfters gehen, später an jedem Anstieg und die gab es zuhauf.

Rennsteiglauf

Die einzelnen Stationen: Limbach 10 Uhr (1 x Tee), Masserberg 11 Uhr (2x Haferschleim, 1 x Tee), Neustadt 12.15 Uhr (1 x Haferschleim, 1 x Tee), Frauenwald 13.30 Uhr.

Das Ziel Rennsteiglauf

Und dann der grandiose Zieleinlauf in Schmiedefeld am Rennsteig. Nach 5 Stunden und 8 Minuten hatte ich die ca. 45 km über Stock und Stein, über Berge und durch Täler bewältigt.
Es war mein erster Rennsteiglauf, und es sollten noch viele folgen.

Auf der Erholungswiese nach dem Zieleinlauf
Auf der Erholungswiese nach dem Zieleinlauf

Aber nicht nur die großen Läufe säumten meine Läufer-Laufbahn. Genauso gern war ich bei kürzeren Distanzen dabei. Als Beispiel darf ich dieses Jahr 1980 anführen. Nach dem Rennsteiglauf folgten bald ein Stundenlauf (25.6.; 13.380 m), dann ein Stundenpaarlauf auf dem Zachertsportplatz (1.7.) mit Rainer Lehmann bei Dauerregen (uns immer abwechselnd schafften wir 15.756 m), später der Buchenwald-Gedenklauf in Weimar über 25 km (13.9.; 2:02:15 h; auf einer schweren Strecke und kurz unterbrochen wegen eines Wolkenbruches in einem Hauseingang), ein 25-km-Lauf in Waren „Rund um die Müritz“ (5.10.; 1:57:02 h), ein 16-km-Lauf in Wendisch Rietz (1:22:04), ein 10.000-m-Lauf auf dem Kissingensportplatz (14.10.; 44:22), ein 33-km-Lauf „Rund um die Müggelberge“ (19.10.; 2:51:47), der Hubertuslauf über 26 km in Neuruppin (2.11.), der Pfefferkuchenlauf über eine Stunde (13.670 m; 21.12.) in der Siegfriedstraße und der EBT-Silvesterlauf im Berliner Plänterwald über 10 km in 41:34 min. Alles in einem Jahr!

So könnte ich jetzt über jedes Jahr berichten, über alte und neue Laufveranstaltungen. Aber es bringt mehr, wenn ich einige herausgreife und vor allem auch meine Entwicklung darstelle, die mit mehr Laufkilometern auch schnellere Zeiten auf allen Distanzen brachte. Klingt einfach, und im Nachhinein war es auch einfach. Auch deswegen, weil wir uns nicht allein bewegten, sondern in der Gemeinschaft, sei es bei der Sportgemeinschaft EBT (Empor Brandenburger Tor) Berlin, sei es in meinem Wohnumfeld in Berlin-Lichtenberg mit einer Laufgruppe, die nicht nur auf dem Zachertsportplatz trainierte, sondern auch von dort aus die Parks und das Waldumfeld des Pionierparks und der „Alten Försterei“, der Heimstatt des Fußballclubs Union Berlin, laufenderweise unsicher machte.

Fortsetzung folgt!

Mit dem Auto auf Laufspuren

Laufstrecken prägen sich ein Leben lang ein. Und wenn man nach langer Zeit mal wieder solch eine Strecke befährt, kommen die Erinnerungen schnell.

Berlin Weißensee 25 km

Am 9. April 1981 stand ein Fotograf an der richtigen Stelle und schoß ein Foto von unserer Gruppe, die sich im „Höllentempo“ in Richtung Ziel bewegte. Für uns stand “ Quer durch Weißensee“ auf dem Wettkampfplan, und der 25-km-Kurs führte  vom Stadion „Buschallee“ hinaus Richtung Ahrensfelde, bis hin zur Autobahn nahe Blumberg, wo dann der Wendepunkt war. Unserer Gruppe sieht man förmlich die Geschwindigkeit an, aber ich (Nr. 173) hatte immer noch ein Auge für den Fotografen. Viele gestreifte Trikots waren zu sehen, fast wie heutzutage mit den vielen Nike- oder Adidas-Shirts. Gestreift, das hieß: EBT = Empor Brandenburger Tor.  So hieß unsere Berliner Sportgemeinschaft, die eine große Laufgruppe hatte.

Man sah es uns jedenfalls an, daß wir uns fit fühlten und so schnell wie möglich laufen wollten. Für mich stand am Ende im Ziel eine Bestzeit über 25 km mit 1:46:34 Stunden fest.

Nunmehr, 2015, hat sich diese Gegend völlig geändert. Zwar gibt es den Ort Ahrensfelde noch, aber es ist nicht mehr so ruhig und beschaulich wie früher. Der Autostrom rollt durch den Ort und ich rollte mit. Bei den vielen Schildern mußte ich dann aufpassen, den Abzweig Richtung Hamburg (über Neuruppin) nicht zu verpassen.

50 Jahre Meisterbrief 004

50 Jahre Meisterbrief 005

50 Jahre Meisterbrief 008

50 Jahre Meisterbrief 010

2010 beim Werfermeeting in Halle/Saale

Jedes Jahr im Mai trifft sich die deutsche Wurfelite mit starker ausländischer Konkurrenz in Halle an der Saale. Zwei Tag lang wird geworfen, gestoßen und gefeiert. Zum nunmehr 36. Male wurde 2010 das Wurffest zelebriert. Die Halleschen Erdgas Werfertage zählten diesmal rund 500 Teilnehmer von jung bis alt, von der Elite bis zur Schülerklasse. Doch neben den nackten Zahlen und Fakten, der Normenjagd und den vielen Gesprächen am Rande ist weit weniger bekannt, wie und wo das Ganze stattfindet.
Begeben wir uns als interessierter Zuschauer mit auf die einzelnen Stationen, lassen wir einen Samstag im Mai 2010 vorbeiziehen.

Der Ort des Geschehens

Es ist keine sogenannte Segelwiese, dieses Sportzentrum auf den Brandbergen. Und der Name verspricht auch kein Höhenklima, sondern hat seinen Ursprung in einer hügelähnlichen Landschaft, basierend auf kalkhaltigem Gestein. Denkt man sich die einzelnen Wurfanlagen weg, dann ist es einfach eine große Wiese, ein Rasenplatz, dazu eine Ebene höher noch ein Rasenplatz. Mittendrin die Werferhalle, wo allerdings nicht geworfen wird, sondern die Athleten Kraft im Kraftraum tanken können. Und vor den Wettkämpfen ist die Halle Aufenthaltsraum und Aufwärmplatz zugleich.
Zurück auf die Wiese. Rund um die Werferhalle trapieren sich die verschiedenen Anlagen. Eine für die Diskuswerfer mit drei verschieden gelegenen Wurfringen, die entsprechend der Windrichtung genutzt werden können. Daneben liegen die Anlagen für das Kugelstoßen und das Hammerwerfen. Auf der anderen Seite dürfen sich die Speerwerfer auf einer Anlage austoben. Eine Etage höher der zweite Rasenplatz mit Wurfringen.

Die Begrüßung

Familiär ist das Ganze seit ewigen Zeiten, sicher auch der Reiz für die Athleten, nach Halle zu kommen. Schon bei der Vorstellung der Top-Athleten wird das deutlich, denn Robert Harting, Betty Heidler, Nadine Müller und die ausländischen Asse werden von den Honoratioren der Stadt und den Vertretern des ausrichtenden Vereins der Halleschen Leichtathletik-Freunde geherzt und umarmt, und fünf Meter entfernt davon stehen die Zuschauer und spenden Applaus.

Mit Kugel und Hammer beginnt es

Die Kugelstoßerinnen und die Hammerwerfer beginnen direkt nebeneinander ihren Wettkampf. Das Zuschauerinteresse teilt sich, am dichtesten umlagert ist der Kugelstoßring. Fünf Meter hinter dem Ring beginnt das Spalier, 10 Meter an der linken Seite ist eine endlose Menschenschlange postiert. Der Beifall ist diesmal etwas geringer als in den vorigen Jahren, Schuld ist das „arktische Wetter“ mit Temperaturen um die 7 Grad. Doch Nadine Kleinert (SC Magdeburg), die mit 19,08 Metern gegen Petra Lammert (SC Neubrandenburg; 19,05) gewinnt, schüttet trotzdem genug Adrenalin aus. „ Ich stoße einfach gern, wenn die Massen so dicht bei mir sind. Nicht immer habe ich in Halle weit gestoßen, nur zweimal über 19 Meter. So gesehen bin ich sehr zufrieden. Ich komme gerade aus einem vierwöchigen Trainingslager in Kalifornien, jetzt geht es nach Shanghai. Ich will insgesamt an sieben Stationen der Diamonds League teilnehmen.“ Petra Lammert verspürte im Wettkampf keine Ellenbogenschmerzen, „die kommen erst hinterher. „Ich bin erst bei 80 Prozent meines Leistungsvermögens, aber die Trainingsergebnisse waren sehr gut. In Barcelona will ich vorn mitmischen.“

Blick von der Empore

Den besten Blick auf die Hammerwerfer hat man von dem eine „Etage“ höher gelegenen Rasenplatz, der über eine Treppe zu erreichen ist. Die Hämmer fliegen und Markus Esser (TSV Bayer 04 Leverkusen) gewinnt mit 78,87 Metern, obwohl er nach drei Versuchen aufhört. „Ich habe mir in der Woche eine Rückenverletzung zugezogen, aber um so mehr bin ich mit der EM-Normerfüllung zufrieden“. Auch Sergej Litvinov (LG Eintracht Frankfurt) schafft diese Norm als Zweiter mit 78,47 Metern.
Doch Normerfüllung ist nicht alles an diesem Tag, denn schließlich ist hier die deutsche Wurfelite versammelt, und wer in der Weltspitze mitmischt, für den gelten andere Ziele.

Robert Harting zieht die Massen an

Typisch für Halle ist, das die Zuschauer in ständiger Bewegung sind. Sie ziehen von Anlage zu Anlage, zwischendurch zu den preiswerten Essensangeboten und zum Kaffeestand mit selbstgebackenem Kuchen. Diesmal war dieses Bewegen noch mehr vonnöten, denn das Wetter wurde immer ungemütlicher und der Regen immer stärker. Trotzdem säumt das Volk die Diskusanlage, und jubelt Weltmeister Robert Harting zu, der mit 66,37 Metern seinen polnischen Konkurrenten Piotr Malachowski (65,15) klar beherrscht. „ Es sollte weiter gehen, der erste Wurf lag auch bei 68 Metern,“ so Harting. Doch der Wurf war außerhalb des Sektors, wie auch der nächste. „Das war so wie im Vorjahr, doch ich behielt die Ruhe.
Allerdings hatte ich einige technische Probleme, sodass die 66,37 Meter nicht so wirklich gut sind. In Shanghai wird die Scheibe weiter fliegen“.
Fast gleichzeitig findet in einiger Entfernung, also auf der anderen Seite der Werferhalle, das Speerwerfen der Frauen statt, wo die Zuschauer so dicht wie selten bei Veranstaltungen an der Ablaufbahn stehen können. Sie sehen mit der WM-Sechsten Linda Stahl (TSV Bayer 04 Leverkusen) eine klare Siegerin, wobei die Siegweite von 61,16 Metern sicher nicht das Optimale war. „Doch ich war diese Woche erkältet und so gesehen ist es noch annehmbar, auch wenn ich mehr drauf habe“, erzählt die Medizinstudentin hinterher. Wie routiniert die Athleten mit Dopingkontrollen umgehen, zeigt sich bei ihr. Ausgelost für eine solche Kontrolle streckt sie der Kontrolleurin, die noch direkt an der Anlage das übliche Papier ausfüllt, ihren Personalausweis entgegen. Super, wird sie darob gelobt.

Lokalmatadorin wird Zweite

Nach kurzer Kaffeepause zieht es die Zuschauer dann wieder an die Diskusbahn, denn dort tritt die überragende Siegerin von Wiesbaden (67,78 m) Nadine Müller (Hallesche Leichtathletik-Freunde) in den Ring, um sich gegen die Chinesinnen durchzusetzen. Das gelingt nur bis zum vierten Durchgang, mit 62,34 Metern wird sie Zweite.
Die Zuschauer aber müssen weiter hasten, und sich zwischen dem gleichzeitig beginnenden Kugelstoßen der Männer und Hammerwurf der Frauen entscheiden. Aber diese Parallelität ist notwendig, um die Veranstaltung nicht auf Überlänge auszudehnen. Lange dauert es ohnehin, denn am Samstag beginnen die Werfertage bereits um 9 Uhr mit den Schülerwettbewerben, und am Sonntag tummeln sich fast den ganzen Tag Schüler, Jugendliche und Junioren auf den Anlagen. Insgesamt rund 500 Athletinnen und Athleten aus 28 Nationen sind am Start, ein Mammutpensum auch für die rund 80 ehrenamtlichen Helfer.

Ralf Bartels gewinnt auch im Winter

Die starken Männer im Kugelstoßring finden in Halle immer ihr Publikum. Ralf Bartels (SC Neubrandenburg) weiß das, und deshalb nimmt er auch die Reisestrapazen von Doha (Katar) nach Halle/Saale auf sich. Am Freitag wird er in Doha mit 21,14 Metern Zweiter, nach strapaziösem Flug kommt er am Samstag erst 12 Uhr im Athletenhotel an. 15.00 Uhr steht er auf dem Wurfplatz und beginnt mit den Wettkampfvorbereitungen. Den Wechsel von 40 Grad Hitze auf gefühlte 0 Grad Kälte überspielt er gekonnt. Mit 20,76 Metern gewinnt er den Wettbewerb vor seinem kanadischen Drehstoßkonkurrenten Dylan Armstrong (20,70 m). „
„Ich bin locker geblieben und habe mich auch nicht vom nassen Ring irritieren lassen. Ich möchte nach Doha noch weitere Meetings der neuen Diamond League bestreiten, so Oslo, Rom und Zürich. Diese Serie stellt uns Werfer endlich mal auf eine Höhe mit den anderen Disziplinen, „ drückt Ralf Bartels seine Freude aus.

Nicht ganz so viele Zuschauer beobachten nebenan die Hammerwerferinnen, wobei das sicher schade ist, denn trotz Regen und Kälte brillieren diese. Vizeweltmeisterin Betty Heidler (LG Eintracht Frankfurt) gewinnt mit 75,24 Metern und hält Weltmeisterin Anita Wlodarczyk (Polen; 74,00) sicher auf Distanz. Den dritten Rang sichert sich die WM-Vierte Kathrin Klaas (LG Eintracht Frankfurt) mit 72,52 Metern.
Die Zuschauer aber sind von den Witterungsbedingungen zermürbt, wandern langsam ab. Das bekommt auch der abschließende Speerwurf der Männer zu spüren. Durch den Olympiazweiten von Peking Ainars Kovals (Lettland; 82,33)) gibt es dort einen ausländischen Sieg, als bester Deutscher sichert sich Matthias de Zordo (SV schlau.com Saar 05 Saarbrücken) mit 77,55 Metern den dritten Rang.

Die Abendveranstaltung

Der Auftritt der Werfergarde ist für diesen Tag beendet. Die heiße Dusche ist für alle der nächste Tageshöhepunkt, doch der Samstag ist noch nicht vorbei. Schnell wird sich in Schale geschmissen, denn die abendliche Veranstaltung lockt. Sie ist ein jahrzehntelanges Markenzeichen dieser Werfertage. In Halle verlassen die Athleten nicht einfach die sportliche Stätte und fahren nach Hause, sondern sie treffen sich nochmals in geselliger Runde. Diesmal steht die Veranstaltung unter dem Motto „Das kommt uns aber SPANISCH vor“. Die EM in Barcelona lässt grüßen.
Unter Leitung von Klaus Peschka haben Hallenser Sportler gemeinsam mit Gästen wieder ein Programm von Sportlern für Sportler geschaffen. Was geschehen wird, ist immer ein großes Geheimnis. Kein Geheimis aber ist, dass diesmal Steffi Nerius, Franka Dietzsch und DLV-Bundestrainer Gerhard Böttcher verabschiedet werden. Alle drei sind eng mit der Geschichte dieser Werfertage verbunden. Die beiden Damen sind „gefühlte“ 36 mal dabei gewesen, der Trainer kennt als Hallenser Urgestein jedes Staubkorn und jeden Grashalm auf den Brandbergen.
Die Geschichte aber geht weiter, im Mai 2011 findet das nächste Familienfest der Werfer in Halle an der Saale statt.

Drei Fotos aus einem anderen Jahr: Lars Riedel wird beim Werfermeeting als „Leichtathlet des Jahres“ ausgezeichnet.  Mit gelbem Sakko Peter Grau, in Blau Fotografin Iris Hensel.

Halle Werfertag RiedelHalle Werfertag Riedel 2

Hamburg-Aus für Olympia

Veröffentlicht am 30. November 2015

An diesem Sonntag-Abend wird natürlich viel über die Entscheidung der Hamburger gegen eine Olympiabewerbung im Jahr 2024 geschrieben, vor allem auch im Netz. Ich hätte mir auch ein Ja gewünscht, denn das wäre für mich vielleicht erstmals die Gelegenheit gewesen, auch einmal bei Olympia dabei sein zu können. Doch es sollte nicht sein.
Und schon vorher habe ich gemeint, daß man mit dieser Abstimmung die Demokratie übertreibt… und kaum habe ich das gedacht, lese ich bei facebook vom Sportredakteur bei der BILD Berlin Sebastian Kayser die folgende Meinung, die mir so richtig aus dem Herzen spricht:

Sebastian Kayser

…wusste schon immer, dass man es mit der Demokratie auch übertreiben kann. The Olympic Games werden in Deutschland nicht stattfinden. Kein Wunder nach der Fehlerkette: Falsche Stadt, falsche Zeit, falsches Demokratie-Verständnis.
Ich bleibe dabei: Olympia-Chancen hätte nur Berlin gehabt, und dann auch nur für 2028 oder 2032. Die Bewerbung für 2024, wo Deutschland die Fußball-EM bekommt, war rausgeschmissenes Geld, völlig sinnlos. Und dann mit Hamburg! Nur Berlin hat als deutsche Stadt weltweiten Klang. Das ist eindeutig. Aber wenn ich mich als DOSB und Politik schon entscheide, ins Rennen zu gehen, dann muss ich es durchziehen – OHNE Volksabstimmung. Erst Recht, wenn sich über die IOC-Vorgaben hinweggesetzt wird, die da “Bestand nutzen” lauteten. Hamburg hat im Gegensatz zu Berlin kaum nutzbare Sportstätten. Die immensen Kosten haben nun anscheinend abgeschreckt. Umso mehr muss ich einfach mal anpacken, statt ständig hier noch ne Abstimmung und da noch ne Befragung zu machen. Das Volk hat die Bürgerschaft in Hamburg und das Abgeordnetenhaus in Berlin gewählt, und wenn die Ja zu Olympia sagen, dann wird es eben gemacht. Sonst brauche ich ja keine Wahlen, weder für den Bundestag noch für den Landtag noch in der Kommune.
Für Deutschland war es das in den nächsten Jahrzehnten mit Olympia. Schade, ich hätte gern zu aktiven beruflichen Zeiten Olympia im eigenen Land gehabt. München 2022 hätte die Spiele einfach nur abholen müssen, die wurden quasi auf dem Silbertablett serviert. Stattdessen: klassisch verbockt, wie nur wir Deutschen es fertigbringen. Berlin 2000 und Leipzig 2012 waren einfach schlecht vorbereitet. Kein Vergleich zu dem Bums und der Power, die z. B. London 2012 an den Tag gelegt hat.
Ich glaube, es bleibt nur eine Lösung: Berlin ordentlich angehen und mit aller Macht loslegen. Wird mit dieser Bundesregierung aber nichts, die es nicht fertig brachte, Hamburg eine klare Finanzierungszusage zu geben. Als die am Beginn der Abstimmung nicht da war, war klar, dass es in die Hose geht. Heißt: auf eine Regierung warten, die mehr auf den Sport zählt als die jetzige. Mit eigenem Sport-Ministerium und nicht als Anhängsel des Innenministeriums. Was soll das denn? Nur, wenn der Sport wieder die Rolle spielt, die ihm zusteht, als Botschafter außerhalb der Politik, wird das was. Wann das sein wird, das will ich mir lieber nicht ausmalen.

 

Die Mühen des Anfangs

Veröffentlicht am 28. November 2015

 

Es ist, wie ich mir schon dachte, garnicht so einfach, eine Homepage zu erstellen. Word Press hilft zwar, aber noch besser ist es, wenn man einen sachkundigen Helfer aus dem Umfeld findet. Und das gelang mir per Zufall, als ich kürzlich meine alte Laufwirkungsstätte, den Zachertsportplatz in Berlin-Lichtenberg, aufsuchte und einen “alten” Lauffreund traf, der mir sofort Hilfe anbot. Bisher  haben wir “nur” emails gewechselt, am 1. Dezember wollen wir bei ihm Nägel mit Köpfen machen. Meine Vorstellungen wechseln sehr häufig. Deshalb bin ich froh, wenn die “Geburt” näherrückt. Bis Weihnachten wird es auf alle Fälle fertig sein.

So könnte die erste Seite in etwa aussehen! Aber so wird sie nicht. Ich übe nur, die Fotos in die Beiträge hineinzubringen.

Lodon-Marathon 1996

 

Neuruppin-das Album

Veröffentlicht am 18. November 2015

 

Am Sonntag (15. November) war letzter Tag bei der Korrektur eines neuen Buches aus dem in Neuruppin seßhaften Regionalverlag unter Leitung von Peter Pusch. Unter dem Titel „Neuruppin-das Album“ gibt es in diesem Buch eine Stadtführung der besonderen Art. Reich bebildert mit über 500 Postkarten, untermalt mit kurzen Texten, wird der Leser an die Hand genommen und durch Vergangenheit und Gegenwart der Stadt geleitet.
Und ich habe mich wieder durch alle 200 Seiten gewühlt, eifrig Korrektur gelesen. Dieses Tun liegt mir immer noch bzw. schon seit langem. Es macht einfach Freude, wenn man Fehler entdeckt, wenn man zum Gelingen eines Buches beitragen kann. Leider gibt es bei den meisten Zeitungen keine Korrektoren mehr, denn das wäre auch heute noch eine Tätigkeit für mich. Das war vor vielen Jahren, als ich noch in Berlin wohnte, anders. Da durfte ich für die „Berliner Zeitung“ Korrektur lesen.
Die fertige Fassung des Buches wurde auf einer CD per Post „durch die Lüfte“ nach Gera zur Druckerei geschickt. Zwei Wochen wird der Druck wohl dauern, und dann liegt das fertige Buch vor. Rechtzeitig zum Weihnachtsfest.

Ein schwarzer Freitag

Veröffentlicht am 14. November 2015

 

Er hatte so ganz normal begonnen, dieser Freitag, der 13. November. Schon früh fuhr ich Richtung Berlin, zum Berliner Olympiastadion, wo 10.30 Uhr eine Pressekonferenz zur Konstituierung des Organisationskomitees für die Leichtathletik-Europameisterschaften 2018 (Kürzel BEM 2018) stattfinden sollte. Auf dem Olympischen Platz vor dem Stadion traf ich Diskuswerfer Robert Harting, der dort wie ich sein Auto parkte. Schnell produzierte der Berliner noch ein Selfie, daß er später ins Netz stellte. Und im kurzen Gespräch meinte er zur Aufdeckung der russischen Dopingpraktiken. „ Eigentlich freue ich wie auch andere Sportler darüber, denn wir haben schon lange in dieser Richtung gedacht.“ Er sah jedoch auch die Gefahren für seine Sportart durch eine negative Stimmung in der Öffentlichkeit und eine Abkehr von der Leichtathletik.
Und nun sollte gewissermaßen die Arbeit für die EM 2018 im Olympiastadion beginnen, für die Leichtathletik geworben werden.
Der Andrang zur Pressekonferenz war groß. Fotos knipsen, den Text erstellen, das war eine normale Aufgabe. Und weil es im Stadion kein WLAN gab, fuhr ich dann in den Olympiapark um die Ecke und setzte meinen Bericht und die Fotos für leichtathletik.de dort im Büro des TOP Sportmarketing Berlin ab. (siehe http://www.leichtathletik.de).
Die Rückfahrt nach Neuruppin war unproblematisch, weil ohne Stau und Zwischenfälle. Am frühen Abend kam dann die Nachricht, daß der Internationale Leichtathletikverband (IAAF) die russischen Leichtathleten wie erwartet suspendiert hatte. Die sicher weitreichenden Auswirkungen bis hin zu einem Aus der russischen Athleten für die Olympischen Spiele 2016 in Rio sind noch nicht abzusehen.
Wechsel der Sportart: 21 Uhr begann im ARD-Fernsehen das Fußball-Freundschaftsspiel Frankreich und Deutschland. Und es endete im Pariser Stade France gegen 22.45 Uhr. Zweimal hatte man in der ersten Halbzeit schon sehr laute Explosionen gehört, sie aber noch als Böllerschüsse fehlgedeutet. Doch das waren unweit des Stadions bereits Bombenexplosionen, die eine Nacht des Schreckens mit vielen Opfern außerhalb des Stadions einleiteten. Bis 2 Uhr verfolgte ich das Geschehen am Fernseher, gebahnt, voller Entsetzen und Fassungslosigkeit. Ein Tag, der mit einem so hoffnungsfrohen Ausblick auf ein sportliches Großereignis in Berlin begann, endete so schrecklich. Es war ein wahrlich „Schwarzer Freitag“.

Das Glück des Mauerfalls

Veröffentlicht am 9. November 2015

 

Diesen 9. November 1989 erlebte ich in Neuruppin in meinem Arbeitszimmer. Ich sah im Fernsehen die Pressekonferenz des DDR-Fernsehens, auf der Günter Schabowski eine neue Reiseregelung verkündete und auf die Nachfrage, wann denn das gültig sei, stammelte: „ Nach meiner Kenntnis… ist das sofort, unverzüglich“. Verblüfft und im ersten Moment nicht erfassend, was das bedeutete, eilte ich ins Wohnzimmer, wo die Glasermeister der Region eine Versammlung abhielten. Auch deren Verblüffung war groß und die Versammlung wurde sofort abgebrochen.
Ich habe es damals bedauert, daß ich nicht mehr ständig in Berlin wohnte, wo ich die Chance gehabt hätte, sofort an die Mauer zu eilen. Aber auch so war zwei Tage später meine Fahrt zum Übergang an der Berliner Invalidenstraße, der Gang zum Grenzpolizisten, der mir nochmals einen Passierstempel in meinen Personalausweis drückte und der folgende Gang durch ein Menschenspalier nach Westberlin ein berührendes Ereignis.

Peter Visum Nov. 1989

Schatten über der Leichtathletik

Veröffentlicht am 9. November 2015

 

Die Negativschlagzeilen im Sport häufen sich. Nicht nur im Fußball, sondern aktuell auch in der Leichtathletik. Da wird es nicht leicht, sich unbeschwert weiter der Leichtathletik zu widmen, zumal man, wie ich, nicht direkt in das Ganze eingebunden ist, nichts davon gewußt hat und nun nur auf das angewiesen ist, was in den Medien verbreitet wird.
Aber vielleicht ist es gerade deshalb so wichtig, mit den deutschen Ex-Leichtathleten zu sprechen, über schöne Zeiten zu plaudern und zu beschreiben, wie nützlich der Sport für die berufliche Entwicklung war. Und nützlich bedeutet dabei nicht, daß man damals materielle Reichtümer angehäuft hat (was für die meisten sowieso nicht möglich war), sondern vielmehr, daß man Tugenden wie Kampfkraft, Durchsetzungsvermögen, Selbstbewußtsein erworben und gestählt hat.
Und zweitens ist es wichtiger als jemals zuvor, selbst Sport zu treiben. Selbst laufen ist also für mich eine naheliegende Schlussfolgerung.

Noch 100 Tage bis zum ISTAF Indoor Berlin 2016

Veröffentlicht am 6. November 2015

Wenn es um Pressekonferenzen in Berlin geht, nehme ich gern die einstündige Anfahrt von Neuruppin nach Berlin auf mich. So auch gestern, als das ISTAF-Indoor einlud, um auf die dritte Auflage am 13. Februar 2016 aufmerksam zu machen.
Diesmal fand sie direkt am Veranstaltungsort statt, der Mercedes-Benz Arena Berlin (vormals O2-World). Das Blau der O2-World ist verschwunden, nun dominiert Schwarz, was sehr modern wirkt. Hausherr Michael Hapka ist stolz darauf, weist auf Veränderungen hin. „ Seit dem 1. Juli 2015 heißen wir Mercedes-Benz Arena. Manches ist moderner, frischer geworden.“ Und er betont, daß er glücklich ist, daß auch die dritte Auflage des ISTAF-Indoor hier stattfindet. „ Bei der Premiere wußten wir noch nicht, wie es wird. Nun aber wissen wir es, daß es gut wurde.“
Und wie um das zu betonen, erklärt Meeting-Direktor Martin Seeger, daß die ARD diesmal zur besten Sendezeit am Samstag-Abend eine Zusammenfassung des Events bringt. Frank Kowalski, der in rund 1000 Tagen als Geschäftsführer der Leichtathletik-EM 2018 im Berliner Olympiastadion Gastgeber sein wird, lobt: „ Das ist für diese Veranstaltung der Ritterschlag.“
Bei beiden will Diskuswerfer Robert Harting dabei sein, der nach seinem Kreuzbandriß eine lange Wettkampfpause einlegen mußte. „ Ich freue mich darauf, auch wenn es nun für mich nicht mehr wie von selbst gehen wird. Die Würfe auf Knopfdruck, bei denen ich dann mit einer Weite von 68,50 m oder ähnlich als Sieger aus dem Ring ging, wird es nicht mehr geben.“ Aber er läßt keinen Zweifel daran, daß er die Diskusscheibe wieder weit werfen wird. „ Ich kann 2016 in Rio Olympiasieger werden. Aber ich habe durch die Verletzung eine andere Einstellung zum Sport gewonnen, und das finde ich sogar gut.“
(mehr zur Pressekonferenz und zu Robert Harting ist bei http://www.leichtathletik.de nachzulesen).

ISTAF Indoor, Zachert, Melle 012

PK ISTAF-Indoor 5.Nov. 2015 002

ISTAF Indoor, Zachert, Melle 007

Eine Stunde Laufspaß

Veröffentlicht am 4. November 2015

So sah ich 1985 aus, im Dreiergespann (links) auf der Hatz im Wald. „Etwas“ jünger und schlanker als heutzutage, und natürlich viel schneller. Aber auch heute macht mir Laufen noch Spaß, auch wenn es mühsam ist, sich nach wochenlangen Laufpausen wieder heranzutasten. Um so mehr bereitet mir ein solcher Tag wie heute Spaß. Eine Stunde war ich im Neuruppiner Stadtwald im speziellen Intervall-Training unterwegs, was gegenwärtig einen ständigen Wechsel zwischen Laufen und Gehen bedeutet. Nicht eben prickelnd, aber immerhin mit Luft nach oben. Und wie immer hatte ich auch viel Zeit, die Gedanken schweifen zu lassen. Heute am 4. November flogen sie zurück ins Jahr 1989, als ich mich am Berliner Alexanderplatz in die Millionenschar derer einreihte, die für Demokratie und Reformen demonstrierten und die alle noch nicht ahnen konnten, daß sich wenige Tage später, am 9. November, die Mauer öffnen würde.
Peter 1985

Glücklich im Ziel

Veröffentlicht am 2. November 2015

Norbert Hensen, mein Kölner Journalistenkollege, hat es am Sonntag geschafft: Trotz zu wenig Trainingskilometern und Krämpfen nach 25 km erreichte er nach 5:11 h das Ziel. Viel Zeit verbrachte er aber zwischendurch auch mit Fotografieren. “Es war ein Erlebnis”, schrieb er trotzdem hinterher. Und ich tröstete ihn, wenn er überhaupt Trost brauchte, mit meinem Zielfoto vom Marathon 1996 in London, wo es mir

London 2457

Lodon-Marathon 1996

ähnlich erging. Zwar fotografierte ich  nicht, aber ich hatte zu wenig trainiert, und zudem war es für Londoner Verhältnisse damals sehr warm.
Zwei Fotos von meinem London-Marathon (eines bei ca. 10 km mitten im Pulk (2457) und dann im Ziel).

Grandiose Formel 1 in Mexiko

Veröffentlicht am 1. November 2015

Spannend sind die Formel 1-Rennen zuletzt nicht mehr gewesen, vor allem wegen der Überlegenheit von Hamilton und Rosberg. So war es auch eben, bei der Formel 1-Rückkehr nach Mexiko. Aber alle Teilnehmer, alle Journalisten waren begeistert, sie lobten Mexiko über den grünen Klee. Und es war ehrliche Freude der sportbegeisterten Mexikaner, gekrönt mit der Siegerehrung.
Da kann ich ein wenig verstehen, daß sich meine Tochter Ulrike seit vielen Jahren in diesem Land wohlfühlt.

21.3.2015: Dreiviertel der Lebensleiter sind erklommen, nun gilt der Blick auf das letzte Viertel. Für die Feier ist das 3-Gänge-Programm angerichtet. Erster Gang: 12.30 Uhr beim Griechen um die Ecke. 14.00 Uhr zweiter Gang in den Musiksalon zuhause, Pianomusik und Erinnerungen des Jubilars an 75 abwechslungsreiche Jahre. Alle Gäste erhalten eine 32-seitige Zusammenfassung der Lebensstationen von Erfurt über Berlin nach Neuruppin. Dritter Gang: im Kaffeesalon bei Torten, Sahne, Kaffee. Und nebenher wurde auch Sekt, Wein und Obstler gereicht. 17.30 Uhr vierter Gang, der Heimweg der Gäste. Fazit: ein gelungener Tag, ohne Wehmut, ohne Klagen ob des Alters.

15.3.2015: Mein runder Geburtstag wirft seine Schatten voraus. Die Einladungen sind verschickt, die Tortenproduktion im Hause läuft.

12.3.2015
: In der Bibliothek habe ich mir einige Bücher ausgeliehen: „Der Crash ist die Lösung“ (Welk, Friedrich), „ Die verbotene Reise“ (Peter Wensierski), „ Restlaufzeit“ (Hajo Schumacher) und „Ab jetzt ist Ruhe“ (Marion Brasch).

5.3.2015: Ab heute ist wieder Leichtathletik-Zeit. Bis zum Sonntag geht es bei der Hallen-EM in Prag um Medaillen. Erinnerungen an frühere Europameisterschaften und Weltmeisterschaften werden wach. Die Halle hat mir immer Spaß gemacht.

4.3.2015: Ausführlicher Lebenslauf ist fertiggestellt. 32 Seiten sind es geworden, und dabei habe ich noch viel gekürzt. Später für die Homepage will ich das noch mit Fotos unterfüttern.

3.3.2015: Wie jeden Dienstag trafen wir uns wieder bei Peter Pusch zum Dreier-Gipfel in Sachen Homepage. Übten, wie man Fotos auf die Homepage verschiebt. Aber alles ist recht kompliziert, braucht noch viel Übung.

1.3.2015: Wieder mal eine halbe Stunde gelaufen. Zwar mit kleinen Gehpausen, aber immerhin. Das Wetter war auch lauffreundlich, kühl, so wie ich es mag. Und ein wenig Motivation habe ich aus den Briefen an meine Mutter geschöpft, die ich gerade für meine Homepage ausgewertet habe, und in denen viel über meine Lauferlebnisse zu lesen war.

23.2.2015: In wenigen Tagen habe ich das Buch „ Das hohe Haus. Ein Jahr im Parlament“ von Roger Willemsen mit großem Interesse gelesen. Willemsen saß dort nicht als Abgeordneter, sondern als ganz normaler Zuhörer auf der Besuchertribüne im Berliner Reichstag. Das gesamte Jahr 2013 verfolgte er, war in jeder Sitzungswoche dabei. Kein Thema war ihm zu abgelegen, keine Stunde zu spät. Er sprach nicht mit Politikern oder Journalisten, sondern machte sich sein Bild aus eigener Anschauung und durch die Lektüre von etwa 50.000 Seiten Parlamentsprotokoll. Als „mündiger Bürger“ und leidenschaftlicher Zeitgenosse mit offenem Blick erlebte er nicht nur die großen Debatten und Feierstunden, sondern auch Situationen, die nicht von Kameras erfaßt wurden und jedem Klischee widersprachen: effektive Arbeit, geheime Tränen und echte Dramen. Der Bundestag funktioniert, aber anders als vielleicht gedacht.

R.i.P: Das schreibe ich nun sehr ungern in meinem Tagebuch. Und noch mehr, wenn es überraschend kommt. Heute, am 8. Februar 2016, das sind nur rund 12 Monate nach dem Eintrag vom Buchtip in diesem Tagebuch, erreicht mich die folgende Nachricht:
Der Bestseller-Autor und frühere Fernsehmoderator Roger Willemsen ist tot. Dies bestätigten sein Büro in Hamburg und sein Frankfurter Verlag S. Fischer am Montag.
Willemsen starb am 7. Februar 2016 im Alter von 60 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung in seinem Haus in Wentorf bei Hamburg.
Der Autor gehörte zu den bekanntesten deutschen Intellektuellen. Im August 2015 wurde bekannt, dass der Autor an Krebs erkrankt ist. Die Diagnose erhielt er kurz nach seinem 60. Geburtstag. Daraufhin sagte er alle öffentlichen Veranstaltungen ab und lebte seither weitestgehend zurückgezogen aus der Öffentlichkeit.

ZDF-Sendung „Willemsens Woche“ machte den Autor bekannt
Willemsen, der vor allem mit essayistischen Reisebüchern („Die Enden der Welt“) bekannt wurde, landete zuletzt mit seinem Buch „Das Hohe Haus“ (2014) einen Bestseller. Er hatte ein Jahr lang das Geschehen im Bundestag von der Tribüne als Zuhörer verfolgt.
Im Fernsehen machte sich der in Hamburg lebende Autor vor allem in den 90er Jahren mit der ZDF-Talksendung „Willemsens Woche“ einen Namen. Im Schweizer Fernsehen moderierte er den „Literaturclub„.
Der 1955 in Bonn geborene Willemsen machte sich einen Namen als Journalist, Buchautor und Kulturkritiker. Einem größeren Publikum wurde er ab den 1990er Jahren im Fernsehen mit einer Sendung bekannt, in der er aufsehenerregende Interviews führte.
Willemsen auch als Dozent tätig
Darüber hinaus moderierte er zahllose Kulturveranstaltungen und -sendungen, schrieb Bücher und war als Dozent tätig.

22.2.2015: Zwei Tage lang habe ich am Computer den Livestream von leichtathletik.de von den Deutschen Hallenmeisterschaften in Karlsruhe verfolgt. Der Weg dorthin war mir zu weit, aber die Übertragung mit einem brillanten Kommentator Markus Röhrig ließ einen hautnah dabei sein. Und ich erinnerte mich auch an das Jahr 1992, als ich direkt in Karlsruhe bei Hallenmeisterschaften dabei war, damals noch in der Europahalle und damals noch damit befaßt, den Westen Deutschlands zu erkunden. Mir ist noch erinnerlich, daß ich in den Pausen, vor und nach den Wettbewerben, laufenderweise das Umfeld der Halle erkundete und über die schmucken Reihenhäuser staunte. Ich weiß, daß ich damals sagte: „ „Hier ist die heile Welt“. Und diesen Ausspruch wiederholte ich später oft, ob in Kiel im Stadtteil Mettenhof, ob in Sindelfingen, Bremen, Frankfurt, Nürnberg oder Ulm. Schade, daß heute so vieles selbstverständlich ist.

16.2.2015: Am Rosenmontag, an einem Tag, wo der Frohsinn in Köln regiert, kam aus der Domstadt in Sachen Leichtathletik die Mitteilung, daß nach sieben Jahren die Tätigkeit der CNG sport& media GmbH für den Kölner Markenverlag und damit auch für die Zeitschrift „Leichtathletik“ und das Laufmagazin „ aktiv Laufen“ beendet wird. Damit ist zwar nicht das Ende beider Zeitschriften angesagt, aber traurig bin ich doch, denn mit Anja Herrlitz, Norbert Hensen, Martin Neumann und Christian Ermert habe ich sehr lange zusammengearbeitet, viel mehr als nur sieben Jahre. Diese Nachricht überraschte mich nicht völlig, aber sie machte mich doch sehr traurig. Für mich ist es ein Zeichen, wie schwer es heute Zeitungen und Zeitschriften haben, sich zu behaupten. Die Leselust für Werke auf Papier läßt nach, das Internet ist weiter auf dem Vormarsch. Ein Grund auch für mich, daß ich meine Erinnerungen nicht in einem Buch niederlege, sondern auch den Weg übers Internet gehe und mir eine Homepage „baue“.

16.2.2015: Am heutigen Rosenmontag habe ich den Kölner Zug von Anfang bis Ende am Fernseher verfolgt. Ich wußte, daß meine Enkeltochter Paulie mit ihrer Mutter am Rande stehen wird und fleißig Kamelle auffängt. Mal sehen, wann das Paket bei uns ankommt. Übrigens war als Kommentator beim WDR erstmals der blonde Guido Cantz dabei, der ein geborener Kölner ist, den Karneval lebt und ansonsten im Fernsehen auch mit „Versteckter Kamera“ unterwegs ist.

14.2.2015: Das ISTAF-Indoor lockte und es wurde ein Fest.
Gegen 15 Uhr fuhren wir aus Neuruppin ab, auf fast leerer Autobahn. Mehr Verkehr erwartete uns in Berlin. In der Prenzlauer Allee war dann ziemlicher Stau und in der Warschauer Straße auch nochmal. Jedenfalls kamen wir glücklich auf dem Parkplatz an der O2 World an, ganz dicht vor der Halle. 17.00 Uhr spazierten wir beide durch den Haupteingang, ich also nicht durch den Presseeingang. Für meine Frau Ruth war es der erste Besuch in dieser Halle, sie war sehr beeindruckt. Nach leckerer Currywurst brachte ich sie auf ihren Platz, Block 207, Reihe 21, Platz 13. Und diese 13 brachte uns Glück. Ich verabschiedete mich, um die Presseplätze im 4. Stock suchen. Aber das war nicht so einfach. Die vielen Platzanweiser und Sicherheitsleute waren zwar freundlich, aber so richtig konnten sie mir nicht helfen. Doch das sollte sich später noch als Glückstreffer herausstellen. Es war dann ca. 17.45 Uhr und dann hatte ich den richtigen Einweiser getroffen, der meinte, die Presseplätze wären im Block 418 und 419, also ganz oben. Dann kam das Glück herangeflogen. Ich sah auf der gleichen Ebene (2. Stock) Ruth allein sitzen, d.h. ihre Nachbarn waren gerade unterwegs. Nun kam der erleuchtende Gedanke: einfach hingehen, hinsetzen… Und die beiden Plätze neben der 13 blieben frei, bis zum Schluß. Ich blieb also dort die ganze Zeit sitzen, hatte eine Supersicht, direkt auf die Stabhochsprunganlage, aber eben nicht von ganz oben. Ich war wieder überwältigt von allem, aber es war eben das zweite Mal für mich. Ein besserer Zeuge war Ruth bei ihrer Premiere, und sie sah alles sehr positiv, kurzweilig, und auch an die laute Musik gewöhnte sie sich schnell. Es war richtig schön, als einer der Hallensprecher die Zuschauer animierte, zu Laola-Wellen und ähnlichem. Und viel wurde mit Lichteffekten gearbeitet, mit Feuerwerk… Einfach alles sehr modern und mitreißend. Nach dem Fast-Weltrekord im Stabhochsprung durch den Franzosen Renaud Lavillenie (6,02 m übersprungen, 6,17 m verpaßt) gab es dann eine Umbauphase für die Diskuswerfer. Aber das dauerte zu lange für uns, weil ja noch eine lange Heimfahrt vor uns lag. Ich habe nochmals eine Currywurst gegessen und dann hinaus zum Parkplatz. Der „Grüne“ war gut zu sehen. Es dauerte einige Minuten, ehe wir die Ausfahrt fanden, aber dann hatten wir das „ Loch“ gefunden und los ging es in der autoleeren Stadt. Straße der Pariser Kommune, Greifswalder Straße, Prenzlauer Promenade, Autobahn, gegen 22.30 Uhr waren wir zuhause. Ein gelungener Tag!
Einige Fotos habe ich bei facebook eingestellt (unter meinem Namen zu sehen).

13.2.2015: Eine Pressekonferenz des ISTAF-Indoor ist angesagt, 14 Uhr im Maritim- Hotel in Berlin. Ich bin gespannt, denn dort wird auch das Programmheft vorgestellt, und dafür habe ich alle Geschichten über die Athleten geschrieben. Eine dankbare Aufgabe für dieses spektakuläre Fest der Leichtathletik, das schon im vorigen Jahr alle begeisterte.
Die acht Geschichten: Renaud Lavillenie, Sosthene Moguenara, Dafne Schippers, Christophe Lemaitre, Cindy Roleder, Dayron Robles, Martin Wierig und Nadine Müller.

9.2.2015: Es gilt ein Jubiläum zu feiern: Nun schon drei Jahre haben wir unseren Hyundai i20, und sind mit ihm vollauf zufrieden. Vor allem aber mögen wir nach wie vor seine Farbe: grün. Er fällt auf, wir finden ihn leicht auf dem Parkplatz und grün bedeutet außerdem: die Hoffnung.

7.2.2015: Im Bonner General-Anzeiger ist ein bemerkenswertes Interview mit Dieter Baumann veröffentlicht worden. Es wurde von Berthold Mertes geführt, den ich seit langer Zeit gut kenne, vor allem auch als Marathonläufer. In Erinnerung ist er mir noch als „Hase“ für Katrin-Dörre Heinig beim Hamburg-Marathon. Diesen Marathon bestritt ich viele Jahre zuvor 1987 in 3:21 h, damals noch als DDR-Bürger auf einer Westreise, die ich wegen eines 90. Geburtstages meines Onkels genehmigt bekam. Bei Berthold Mertes habe ich mich für das Interview bedankt und angekündigt, dieses Interview u.U. später auf meiner Homepage zu bringen.

4.2.2015: Heute ist meine Geschichte über den 400-m-Läufer Karsten Just in der Zeitschrift „Leichtathletik“ erschienen, und das auf fast zwei Seiten. Es hat zwar einige Zeit gedauert, aber jetzt ist die Freude um so größer. Und es ist erstaunlich, wieviel dann zunächst auf Facebook ihr positives Votum abgeben. Man bekommt schnell mit, wie sehr die Ex-Athleten an der beruflichen Entwicklung ihrer einstigen Konkurrenten interessiert sind. Das animiert mich, auch in Zukunft solche Geschichten zu schreiben. Und wenn sie nicht in der Zeitung oder bei leichtathletik.de gebracht werden können, dann habe ich ja immer noch meine Homepage im Hintergrund. Vielleicht wird sie ein wenig der Treffpunkt der Ehemaligen.

27.1.2015: Wir zwei „Peters“ haben einen Dritten gewonnen, der schon Erfahrungen mit Homepages gesammelt hat. Ulrich Bredow ist vor zwei Jahren nach Neuruppin gezogen und will uns beiden bei unserem Bemühen helfen. Von nun an wollen wir uns jeden Dienstag treffen. Der Arbeitseifer hat uns gepackt.

21.1.2015: Erstes Treffen mit Peter Pusch vom Regionalverlag Ruppin. Mit ihm habe ich viele Jahre zusammengearbeitet, als Autor und Korrektor seines „ Kreiskalenders“. Das war mehr als ein normaler Kalender. Vielmehr ein Sammelsurium von historischen Geschichten rund um die Stadt Neuruppin und die Region und ebenso aktuellen Geschichten. Nun mit dem 25. Jahrgang schloß dieses Kapitel. Peter Pusch aber will weiter aktiv bleiben und ebenfalls wie ich auch eine eigene Homepage erstellen. So trafen sich also zwei, die dasselbe anstreben.

20.1.2015: Gewöhnlich geht man mit guten Vorsätzen in ein neues Jahr. Und wer wie ich schon fast 75 Jahre seines Lebens hinter sich hat, dem drängt sich das Wort „Erinnerungen“ förmlich auf. Erinnern aber kann man sich an vieles, vor allem an die vergangenen Lebensjahrzehnte. Doch wie hält man so etwas fest? Ein Buch zu schreiben verbietet sich vor allem aus Kostengründen. Aber es gibt ja das Internet, in dem ich mich von Beginn an tummele. Recht oft stieß ich auf private Homepages von Leichtathleten, aber auch von Bekannten und Freunden. Warum also nicht selbst eine Homepage erstellen?

18.1.2015: Ich habe immer bedauert, kein Tagebuch geschrieben zu haben. Nun habe ich zwar entdeckt, daß meine Briefe an meine Mutter mehr als ein Tagebuch waren, aber trotzdem möchte ich für das letzte Viertel meines Lebens wieder ein Tagebuch führen. Nicht für jeden Tag, aber immer dann, wenn etwas Wichtiges passiert ist. Und offen lasse ich auch, ob ich einiges aus der Vergangenheit in diesem Tagebuch aufleben lassen werde.

Zu Besuch bei Karsten Just: Vom 400-m-Läufer zum Orthopäden

Karsten Just in seinem "Knochenjob"

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Karsten Just in seinem „Knochenjob“

Karsten Just war über Jahre hinweg ein wichtiger Teil schneller deutscher Staffeln über 4×400 Meter. Ich sah ihn in dieser „Rolle“ beispielsweise 1993 bei der spektakulären Weltmeisterschaft in Stuttgart. Anlaß genug, ihn bei einem Besuch darauf anzusprechen, und ihn aus seinem sportlichen und beruflichen Leben erzählen zu lassen.

„ Es war für mich der emotionalste Punkt meiner sportlichen Karriere, dieser Lauf 1993 bei der WM im Stuttgarter Gottlieb-Daimler-Stadion in der 4×400-m-Staffel, der uns Bronze brachte und eine sensationelle Siegerehrung inmitten der Abschlußzeremonie“, erinnert sich der Berliner Karsten Just 21 Jahren danach. „ Gemeinsam mit meinen Staffelkameraden Rico Lieder, Olaf Hense und Thomas Schönlebe habe ich die Ehrenrunde von damals tief in meinem Innern gespeichert.“ Die Laufbahn ist nicht mehr da, weil der Fußball wie in manch anderen früheren Leichtathletik-Stadien auch
in Stuttgart das alleinige Zepter übernommen hat.

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Karsten Just (3. von links) mit Hense, Rico Lieder und Thomas Schönlebe auf der Ehrenrunde bei der WM 1993 in Stuttgart

Hallen-Weltrekord 1991

Doch die Medaille ist noch präsent, ziert seinen Schreibtisch zuhause in Berlin-Pankow, genauso wie die Staffel-Bronzemedaille vom Weltcup in Barcelona 1989, die Bronzemedaille von der EM 1990 in Split oder die Goldmedaille für die Hallenweltmeisterstaffel 1991 in Sevilla, die man mit Weltrekord errang und der 15 Jahre lang hielt.
1997 hatte sich der 400-m- Läufer von der aktiven Leichtathletik verabschiedet und fortan der Berufsausbildung gewidmet.

100 Patienten am Tag

Wir sind in der Orthopädiepraxis im Gesundheitszentrum „Am Borsigturm“ in Berlin-Tegel verabredet. Dr. Karsten Just ist dort seit 9 Jahren als Orthopädiearzt tätig, führt mit seiner Kollegin Dr. Halder die Praxis.
Man sieht es dem gebürtigen Berliner an, daß er mal Leistungssport betrieben hat. Rank und schlank kommt er daher, mit 1,96 Metern Körpergröße ist er nach wie vor eine imposante Erscheinung. Mit ein wenig Stolz zeigt er dem Besucher die Praxisräume. Viele kleine Einzelräume für die normalen Behandlungen sind zu sehen, Räume für Akupunktur, andere mit einem Wasserbett ausgestattet, einem Vibrationsgerät GALILEO 2000 zur Behandlung chronischer Rückenschmerzen, moderne Geräte allüberall. Und man kann sich ausmalen, welch Leben hier herrscht, wenn die Patientenschar „ einfällt“. „ Ich habe am Tag bis zu 100 Patienten. Der Tag geht von früh 8 Uhr bis abends 19.00 Uhr, manchmal mit Mittagspause, manchmal arbeite ich auch durchgehend. Das sind also 10-11 Stunden pro Tag. Hinzu kommen die vielen administrativen Aufgaben wie Geschäftsführung, Krankenkassenanfragen, Abrechnungen, die außerhalb der Sprechstunden zu erledigen sind.“
Es sieht nach purem Streß aus, und es ist auch Streß, aber Karsten Just läßt keinen Zweifel daran, daß er dem gewachsen ist. „ Durch den Leistungsport war ich sehr gut darauf vorbereitet. Man lernt durch den Sport, sich Zwischenziele und ein Hauptziel zu setzen, daran zu arbeiten und am Ende das Ziel zu erfüllen. Ich habe es im Sport gelernt, Willen und Kampfgeist zu zeigen, um etwas zu erreichen.“
Und im Sport war Kampfgeist vor allem auch deshalb nötig, weil sich Karsten Just mit den 400 Metern die Strecke aussuchte, die nach seiner Meinung das Allerschwerste im Sport ist. „ Es ist das Intensivste, was man seinem Körper antun kann. Vom anaeroben Stoffwechsel her, von der Laktatbildung. Solch hohe Werte schafft man in keiner anderen Disziplin, in keiner anderen Sportart.“

Wollte in die Staffel

Der am 17.9. 1968 in Berlin geborene Karsten Just war in der DDR den „normalen“ sportlichen Weg gegangen. Als Schüler hatte er mit der Leichtathletik bei der BSG Medizin Buch angefangen, kam dann ins Trainingszentrum und wurde für die Kinder-und Jugendsportschule gesichtet, die damals KJS Ernst Grube hieß und heute den Namen von Coubertin trägt. Er wohnte von da an im Internat, in der Nähe der früheren Werner-Seelenbinder-Halle, dem heutigen Velodrom. Trainiert wurde er, der nunmehr dem TSC Berlin angehörte, von Alfred Papendieck. Jeden Tag 4-6 Stunden Schule, dazu noch 2 Trainingseinheiten pro Tag, das war ein hartes Pensum, aber Karsten Just unterwarf sich dem ohne Murren.
Schon damals war er von stattlicher Größe, hatte zudem von der Mutter, die 800-m-Läuferin war, und vom Vater, der Mehrkämpfer war, die nötigen Gene mitbekommen. „ Es war für mich klar, daß ich Läufer werden, und später, daß ich die 400 m laufen würde. Weil ich nicht die Fähigkeit hatte, unter normalen Bedingungen, sprich ohne Doping, eine Zeit unter 45 gar 44 Sekunden zu laufen, blieb mir nur die Nische der 4×400-Meter -Staffel. Und diese Staffel steuerte ich mit aller Konsequenz an.“ Als wesentliches Motiv wirkte dabei für ihn zu DDR-Zeiten die Aussicht, ins westliche Ausland reisen zu können. „ Kurz vor der Wende hatte ich 1989 beim Weltcup und 1990 bei der EM in Split die ersten internationalen Einsätze in der Staffel.“ Mit der Wende kamen auch für die Vereine viele Veränderungen. Neue Möglichkeiten boten sich. Karsten Just ging wie manch anderer Ostberliner Athlet bzw. Athletin zum LAC Halensee. Dort wurde er von nun an von Frank Hensel trainiert, dem heutigen Generalsekretär des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV).
Und es folgte 1991 der nächste internationale Einsatz, als er erstmals in einer gesamtdeutschen Nationalmannschaft bei der WM antrat. Inzwischen war er zwar das Motiv der „Westreisen“ weggefallen, aber „ wenn man einmal internationale Luft geschnuppert hat, will man da immer wieder hin. Man muß sich eben neue Motivationen suchen.“ Denn es war nicht einfach, gerade auf dieser schwierigen Strecke, den 400 Metern, nach denen er sich immer wie ‘vom Bus überfahren‘ fühlte. Aber trotzdem blieb er weiter auf dieser, seiner Strecke. „ Nun waren es eher der Drang nach ‚Ruhm und Ehre‘, der Wille, meine eigenen Ziele zu erreichen, eine Medaille zu erringen.“

Neun Jahre Studium

Aber nicht nur sportliche Ziele hatte Karsten Just. 1990 begann er an der Humboldt-Universität in Berlin ein Medizinstudium. „Ich wollte Sportarzt werden, wollte auch nach meiner Karriere im Sport involviert sein. Trainer zu werden war dagegen nicht so mein Traum“. Da wußte er aber noch nicht, was den Sportarzt ausmacht, welche Ausbildung dafür benötigt wird. „Später hat sich das relativiert, weil ich merkte, daß Sportarzt an sich kein echter Beruf ist, sondern eher ein Hobby. Es gibt nur einige wenige Sportärzte, die sich mit dem Sport wirklich ihren Lebensunterhalt verdienen können. Nur ein Beispiel: Die Plätze bei den Fußball-Bundesligisten sind limitiert.“ So schwenkte Karsten Just bald um auf eine „normale“ Arzt-Ausbildung.
Insgesamt 9 Jahre studierte er, legte zwischendurch jeweils vor internationalen Höhepunkten Urlaubssemester ein. „ Dann hatte ich meine Approbation in der Tasche, die staatliche Zulassung, als Arzt tätig sein zu dürfen.“ Es folgten 6 Jahre Facharztausbildung, d.h. nach der Theorie des Studiums erlernte er nun den Arzt in der Praxis, als Assistenzarzt in Kliniken und Orthopädiepraxen. Am Ende durfte er sich Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin am Bewegungsapparat nennen und später mit der Zusatzbezeichnung Sportmedizin und Naturheilverfahren. Kurzgefaßt: Karsten Just ist Orthopäde/Sportmediziner.
Um sich fit zu halten, fing er nach seiner Leichtathletik-Karriere mit Tennis an. Dreimal in der Woche spielte er, oft auch in Mannschaften. „ Ich hatte ja immer noch Ehrgeiz, und den mußte ich irgendwie kanalisieren.“ 12 Jahre lang praktizierte er das, aber dann konnte er es neben seiner Praxis zeitlich einfach nicht mehr schaffen und stieg auf Fitness und Laufen um. Fitness heißt dabei Klimmzüge, Liegestütze, Stabilisationsübungen, Gymnastik, Krafttraining, und das alles zuhause. „ Ich muß ja meinen Patienten noch etwas vormachen können“. Zwar konnte er sein Idealgewicht von 86 kg aus Leichtathletik-Zeiten nicht mehr ganz halten, aber mit 95 kg kann er sich noch immer sehen lassen. „ Früher durfte kein Gramm überflüssiges Fett an mir sein, aber da trainierte ich auch 8 Stunden pro Tag. Heute komme ich auf zweimal pro Woche und das ist einfach zu wenig. Aber bei mehr würden Familie und Beruf leiden.“

Viele Fortbildungen

Und die Zeit ist knapp, denn nicht nur die Praxis fordert alles, sondern auch Fortbildungsmaßnahmen kosten viele Wochenenden. Bei Sportärztetagungen und Sportmediziner-Kongressen sammelt er die neuesten Erkenntnisse. „ Man hat erstens eine Fortbildungspflicht als Arzt, aber ich habe auch einen Fortbildungswillen, möchte immer auf dem Laufenden sein.“

Stippvisite in München

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Und manchmal kommt die Fortbildung auch per Zufall. „ Zur Leichtathletik-WM 2009 in Berlin war ich als Gast geladen, saß neben dem Münchner Arzt Dr. Müller-Wohlfahrt. Im Gespräch bekam er mit, daß wir Kollegen sind. Als dann zufällig Manager Jos Hermens vorbeihuschte und sagte „ Hallo Justy“, da fragte Müller- Wohlfahrt: Woher kennt Ihr Euch denn? und Hermens antwortete: ,Na, der war doch 400-m-Läufer in der Staffel in Stuttgart.‘ Müller-Wohlfahrt lud mich ein, ihm in seiner Praxis in München mal über die Schulter zu schauen“.
Karsten Just fuhr nach München, und sah, wo sportmedizinisch „Norden“ ist. Es war beeindruckend, was sich ihm dort auf 1600 Quadratmetern darbot. „ Er schöpft aus dem Vollen, hat alle Untersuchungsmethoden vor Ort, ist technisch sehr gut ausgerüstet und hat auch immer schnell die Diagnosen parat, vor allem, weil er sehr viel Tastsinn in seinen Fingern hat und die Muskelverletzungen erfühlt“, kann Just die Bewunderung nicht verhehlen.
Vergleichen will er sich damit nicht, sondern stellt fest: „ Mein Ziel ist es, alle Patienten, die Beschwerden haben und zu mir kommen, auch zufriedenstellen. Wenn ich das erreicht habe, kann ich beruhigt nach Hause fahren.“
Nur 7 km sind es von seiner Praxis bis nach Berlin-Pankow, aber auf das Fahrrad verzichtet er. „ Das ist mir zu gefährlich. Ich fahre auch nicht Ski, treibe keinen Extremsport, mache nichts, was risikovoll wäre. Ich muß mit allen zehn Fingern und mit dem Geist immer da sein. Ich war noch nie krank, seitdem ich hier in der Praxis bin. Gesund ernähren, den Schlaf nutzen, ein wenig Sport treiben sind dafür die einfachen Rezepte.“
Sehr wichtig für ihn ist zudem, daß er ein glückliches Familienleben mit seiner Lebensgefährtin Kathleen und seinen zwei Jungen Tom (12 Jahre) und Leon (8 Jahre) führt. Beide Burschen sind begeisterte Sportler, spielen im Verein Tennis. „Laufen ist komischerweise nicht ihr Ding. Talentiert sind sie beide, aber ob sie dann mal in meine Fußstapfen treten, wird sich zeigen.“
Karsten Just hat den Weg vom Sport in den Beruf gemeistert. „ Dieser Beruf ist auch eine Berufung für mich, und deshalb habe ich ihn auch ausgesucht“, resümiert er. „ Wenn dann irgendwann auch mal der Sport dabei ist, wenn ich Nachwuchsathleten aus der Leichtathletik, aber auch Tennis-oder Fußballspieler behandele, dann ist es um so schöner.“
Peter Grau
(auch in der Zeitschrift „Leichtathletik“, Köln, Nr. 6 vom 4.2.2015 erschienen;
http://www.markenverlag.de/index/46/63/LEICHTATHLETIK/Abonnement

Mike Fenner überwindet neue Hürden

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Er ist einer von nur drei Deutschen, die die 110 Meter Hürden in unter 13,10 Sekunden gerannt sind. Auf dem Sportplatz ist Mike Fenner aber mittlerweile selten zu Gast. Seine neuen Wirkungsfelder: sein „Global Village Kindergarten“ sowie archäologische Recherchen auf Feldern, Wiesen und Burgwällen.

In den 90er Jahren gehörte der Berliner Mike Fenner zur deutschen Spitze im Hürden-Kurzsprint. Seine Bestzeit über 110 Meter Hürden lief er 1995 in Scheeßel mit 13,06 Sekunden. Das war damals Weltjahresbestzeit und gleichzeitig deutscher Rekord. Seine größten internationalen Erfolge errang Mike Fenner mit zwei Bronzemedaillen bei den Hallen-Europameisterschaften 1994 in Paris (Frankreich) und 1998 in Valencia (Spanien).
2006 beendete Mike Fenner seine sportliche Karriere. Danach riss naturgemäß die Verbindung des Journalisten zum Athleten ab. Erst 2014 sah der Autor den nunmehr Ex-Leichtathleten wieder, als dessen Tochter Jamie Lee bei der Fernsehshow „The Voice of Germany“ für Aufsehen sorgte und Mike Fenner gemeinsam mit Ehefrau Nicole im Hintergrund ins Bild kamen.
Doch was macht der mittlerweile 44 Jahre alte Mike Fenner heute beruflich? Er ist gemeinsam mit seiner Frau Geschäftsführer eines Kindergartens in Berlin-Tempelhof im Ortsteil Marienfelde. Anlass genug, ihn dort zu besuchen, um Näheres zu erfahren.

Aufbau einer „Wohlfühl-Oase für Kinder“

Bereits an der Eingangspforte empfängt Mike Fenner den Besucher. Im Vergleich zu seiner aktiven Zeit hat er sich äußerlich nur wenig verändert. Sein Wettkampfgewicht betrug früher bei einer Körpergröße von 1,88 Meter 94 bis 96 Kilogramm, heute wiegt er 100 Kilogramm.
Voller Stolz zeigt er sogleich das Umfeld des Kindergartens. Man fühlt sich auf einen kleinen Bauernhof versetzt, und das ist gewollt. „Viele Kinder haben leider heutzutage nur noch wenige Beziehungen zu Tieren, zu landwirtschaftlichen Produkten“, erklärt Mike Fenner. „Deshalb haben wir hier Schafen eine Heimstatt gegeben, wollen demnächst einen Streichelzoo schaffen. Auch im Anbau von Obst und Gemüse können sich die Kinder beweisen.“
Die alten Stallungen wurden umgebaut. Dort befinden sich nun unter anderem eine Kinderbackstube, ein Elterncafé und Veranstaltungsräume. Doch wie kam es überhaupt dazu, dass er sich eine solche „Wohlfühl-Oase für Kinder“ aufbauen konnte?

Über den Fußball zur Leichtathletik

Es war ein langer Weg. Zuerst bestimmte der Sport Mike Fenners Leben. Auf der Insel Rügen begann er als Fußballer bei der BSG Lok Bergen. Nach dem Umzug nach Berlin spielte er einige Zeit beim FC Union Berlin, doch weil die, wie er dem Autor vor 20 Jahren bei einem Interview erklärte, „keinen technisch guten Fußball spielten“, wechselte er zur Leichtathletik und gewann erste Medaillen bei Kreis-und Bezirksspartakiaden.
1983 wurde er zur Kinder-und Jugendsportschule und zum TSV Berlin delegiert. Dort wollten ihn alle, die Werfer, die Mehrkämpfer und die Sprinter. Mike Fenner entschied sich für das schnelle Laufen und fand den Weg zum Hürdensprint. Positive erste Impulse setzte dort Trainer Alfred Papendick, ab 1988 wurde er von Uwe Hakus trainiert.

Nach der Wende sechs deutsche Meistertitel

Die Erfolge stellten sich ein. Mike Fenner gewann 1988 und 1989 den DDR-Juniorenmeistertitel über 110 Meter Hürden und wurde 1990 bei den letzten DDR-Meisterschaften in Dresden Zweiter. Er liebte an seiner Disziplin: „Das ganze Zusammenspiel zwischen Geschwindigkeit, Geschmeidigkeit und Technik finde ich einfach super“, erklärte er damals.
Nach der Wende wechselte er mit seiner Trainingsgruppe und Trainer Uwe Hakus zum SCC Berlin, später zum TV Wattenscheid. 2001 und 2004 wurde er Deutscher Meister über 110 m Hürden, in der Halle holte er sich diesen Titel viermal. International gewann er zwei Bronzemedaillen bei Hallen-Europameisterschaften und kam 2004 bei Olympia bis in den Zwischenlauf.
Zu seiner aktiven Zeit konnte Mike Fenner es sich gut vorstellen, später als Trainer tätig zu werden. So schloss er 2006 an der DLV-Trainerschule in Mainz seine A-Trainer-Ausbildung ab. Nach seinem Abschied vom Leistungssport praktizierte er auf privater Ebene als Trainer, betreute Tennisspieler, A-Jugend-Fußballer, Hockeyspieler und auch einige Leichtathleten. Doch nach einiger Zeit stellte er fest, dass es ihn nicht mehr so packte wie früher. „Es war ein sehr schöner Lebensabschnitt, aber ich wollte einfach nicht bis 65 dort bleiben, wollte etwas neues, anderes wagen“, erinnert er sich.

Neubeginn auf einem alten Gutshof

Für einen Neubeginn hatte er mit seiner Frau Nicole eine ideale Partnerin. Sie hatte BWL studiert und Anfang der 2000er Jahre eine Betreuungsagentur für Kinder aufgebaut, also eine Art Babysitter-Dienst. Irgendwann überlegten sie, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen. „ Wir sind beide Arbeitstiere, können rund um die Uhr arbeiten“, erklärt Mike Fenner.
Vor fünf Jahren fanden sie ein Grundstück mit Haus in Tempelhof-Mariendorf, einen alten Gutshof, der aber völlig entkernt, zu Wohnungen umgebaut und mittlerweile ziemlich heruntergekommen war. „Aber wir konnten uns vorstellen, hier etwas in Richtung Kinderbetreuung zu machen.“
Die Fenners mussten sich lange um das Grundstück bemühen. „Wir haben mit dem Messer zwischen den Zähnen bis aufs Blut gekämpft“, formuliert es Mike drastisch. „Unser Beamtentum ist recht langsam, viele bürokratische Hürden standen im Weg.“ Doch Hürden zu überwinden war er gewohnt. „ Es hat lange gedauert, ehe wir das Grundstück kaufen konnten. Und dann gab es vieles im Gebäude aufzuarbeiten. Das Handwerkliche habe ich meistens allein gemacht.“

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„Global Village Kindergarten“

Doch all die Mühen haben sich gelohnt. „Wir sind alle zufrieden. Wir haben tolle Kinder und tolle Eltern.“ Insgesamt 25 Festangestellte sorgen sich um das Wohl und Wehe der 110 Kinder, hinzu kommen Honorarkräfte, etwa fürs Tanzen und für den Sport. Es besteht sogar eine Warteliste – der Lohn für ein stimmiges Konzept.
Der Name „Global Village Kindergarten“ zeigt die Richtung: Die Kinder im Alter von ein bis sechs Jahren unternehmen eine kleine Weltreise, werden von ihren Erzieherinnen und Erziehern Jahr für Jahr von einem Kontinent zum anderen geführt. Entsprechend sind die sieben Gruppenräume gestaltet. Die tägliche englische Sprachförderung wird spielerisch in den Alltag integriert.

Musikalische Familie

Für ihre Tochter Jamie-Lee hätten die Fenners früher sicher gerne einen ähnlichen Kindergarten gefunden. Mittlerweile ist diese aus dem Kindesalter längst heraus, befindet sich gerade im Abiturstress. In welche Richtung es dann weitergehen wird, ist noch offen. Unterstufenlehrerin hat sie im Kopf, Kinder-Psychologie, vielleicht auch irgendetwas mit Medien. Weniger wird sie auf die Musik setzen. Zwar fand sie die Erfahrung bei „The Voice of Germany“ toll, lernte dabei auch einige Leute aus dem Musik-Business kennen. Doch sie weiß wie schwer es ist, beruflich allein auf die Musik zu setzen.

Auch für  Vater Mike Fenner ist die Musik schon immer eine große Leidenschaft gewesen. „Ich spiele Gitarre, bezeichne mich aber nicht als Musiker. Ich war auf vielen Konzerten und habe dabei auch oft meine Tochter mitgenommen. Ich habe ihr die Beatles, die Rolling Stones und David Bowie nahegebracht. Auch Bruce Springsteen gehörte dazu, den ich rund 30 mal bei Konzerten erlebt habe, unter anderem 1988 beim legendären Konzert vor 200.000 bis 300.000 Zuschauern in Berlin-Weißensee. Ich finde es wichtig, dass man sich auch mit der Geschichte der Musik beschäftigt, wenn man Musik machen will, mit ihren Anfängen.“

Fund des Goldschatzes von Biesenbrow

Dass der Sportler Fenner nie eingleisig fuhr, beweist eine weitere Leidenschaft. „Seit ewigen Zeiten interessiere ich mich für Geschichte und speziell für Archäologie. Doch während meiner Zeit im Leistungssport konnte ich ja nicht mit einem Metalldetektor über die Felder laufen. Das hätte mir meine Muskulatur übel genommen.“ Umso schöner für ihn, dass er nun im Team des Mittelalter-Archäologen Prof. Felix Biermann mitarbeiten darf.
„Ich bin vor allem in Brandenburg und Berlin auf Feldern, Wiesen und Burgwällen dabei, wenn wir all das suchen, was in Jahrhunderten verlorengegangen ist.“ Ein spektakulärer Fund gelang der Gruppe nahe des Stolper Turms in Angermünde, als sie dort acht Gräber fand und zudem einen aus 900 Stücken bestehenden Silberschatz. Mike Fenner schwärmt außerdem von dem Moment, als sie ebenfalls in Angermünde 2011 auf zehn Münzen aus dem Goldschatz von Biesenbrow stießen.
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Die Welt des Mike Fenner ist also in Ordnung. Über Langeweile kann er nicht klagen. Nach vielen Jahren im Sport hat es der Berliner nicht bereut, eine völlig andere Berufsrichtung eingeschlagen zu haben. Sein Kampfgeist und Durchhaltevermögen haben ihm dabei geholfen, auch auf diesem Weg viele Hürden zu überwinden.

Peter Grau

(erschienen auch bei leichtathletik.de am 9.5.2015)

Kofi Prah: 40 Jahre und fit wie ein Turnschuh

Der Berliner Kofi Amoah Prah gehörte vor 15 Jahren zu den besten Weitspringern Deutschlands. Im Juni 2000 stellte er in Wesel mit 8,20 Metern seine Bestleistung auf. Den größten Erfolg landete er im gleichen Jahr mit Platz fünf bei den Olympischen Spielen in Sydney. Heutzutage sorgt er sich als Personal Trainer um die Fitness seiner Kunden.

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Wir treffen uns auf der Arbeitsstelle von Kofi Prah, dem mitten in der City von Berlin gelegenen Studio „Fitness and Friends“. Seit unserer letzter Begegnung im August 2008 in Elstal sind sieben Jahre vergangen, aber der nunmehr 40-jährige Kofi hat sich äußerlich nicht viel verändert. Er strahlt wie eh und je und man sieht ihm sofort an, dass er austrainiert ist. Zwar hat er nicht mehr ganz sein Wettkampfgewicht von 72 Kilogramm, aber mit seinen 77 Kilos kann er sich immer noch sehen lassen.

Mit ein wenig Stolz führt er den Gast zuerst durch das Studio, erklärt die einzelnen Geräte. „Wir haben die typischen Fitnessgeräte, Kraftgeräte und funktionelle Geräte, Dehnungsgeräte, dazu vielseitige therapeutische Möglichkeiten.“

 

Aber die Geräte seien nur der eine Teil der Arbeit. Genauso wichtig: das Erstellen eines Trainingsplanes, die Beschäftigung mit Ernährungsfragen und die persönlichen Gespräche. „Das ist das Schöne an unserem Beruf“, erzählt Kofi Prah. „Man kann sich weg vom Sportlichen auch über andere Themen unterhalten. Und das Klischee, dass man nur danebensteht und Anweisungen gibt, stimmt nicht. Man macht viel mehr, ist fast wie ein Arzt. Die Leute vertrauen dir, sie vertrauen dir ihren Körper an. Auch ihre Seele.“

Als Baby von Ghana nach Berlin

Viel geschehen ist in den vergangenen vierzig Jahren im Leben des Kofi Prah.
Im Alter von vier Monaten kam er mit seinem Vater, der Mitarbeiter in der Botschaft von Ghana in Ostberlin war, nach Berlin. Ein Jahr später folgte die Mutter. „Ich bin als Baby eingepackt worden und mit nach Deutschland gekommen, habe die ganze Zeit in Berlin gelebt. Ich habe mich schnell als Deutscher gefühlt, aber ich hatte es leichter, mich einzugewöhnen. Ich bin nicht wie die anderen Diplomatenkinder auf eine Schule gekommen, wo die Kinder Ausländer waren, sondern war auf einer normalen DDR-Oberschule, sprach Deutsch – Berlinerisch.“

Sportlich fing er mit Fußball an, entdeckte dann seine Leidenschaft für Basketball. „Ich war technisch sehr gut am Ball und die Sprungkraft war auch vorhanden.“ In der Schule zeichnete er sich durch seine Schnelligkeit aus, mit 14 Jahren beteiligte er sich an den ersten intensiven Wettkämpfen in der Leichtathletik.

„Habe einfach Spaß gehabt“

Relativ spät entschied er sich dann für den Weitsprung – auch wenn er dafür mit 1,76 Metern Körpergröße eigentlich etwas zu klein war. „Die Hebel spielen schon eine Rolle und es ist kein Zufall, dass oft die größeren Athleten die Medaillen geholt haben.“ Beispiele sind Carl Lewis, Mike Powell (beide USA), Ivan Pedroso (Kuba), Christian Reif oder Sebastian Bayer (Hamburger SV). „Den Nachteil musste ich mit meiner Kraft und Schnelligkeit ausgleichen“, meint Kofi Prah.

„Aber“, und da wirkt er wieder bescheiden, „ich habe mich nie als ein Carl Lewis gesehen, habe nie gedacht, dass ich im Weitsprung eine Legende werden könnte. Ich habe einfach Spaß an dem gehabt, was ich gemacht habe.“

Zuerst bei Nachwuchstrainer Jochen Hepe, dann ab 1994 bei Trainer Klaus Beer stellten sich die Erfolge ein. Anfangs auch im Langsprint, als er 1993 Deutscher Jugendmeister mit der 4×400-Meter-Staffel wurde. „Die Stabilität im Anlauf und die Schnelligkeit habe ich in der Jugend durch die langen Sprintstrecken gelernt.“

Knapp an der Olympia-Medaille vorbei

Es dauerte einige Jahre bis zu seinem größten Erfolg, dem fünften Platz im Weitsprung bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney (Australien). „Ich weiß, dass sich im Nachhinein nur wenige für fünfte Plätze interessieren. Aber ich hatte bereits mein Ziel erreicht, denn meine Grundeinstellung lautete: Im Sport ist es das Höchste, an Olympischen Spielen teilzunehmen. Doch als ich dann im Finale war, habe ich gedacht: Jeder hat eine Chance.“

Nach dem dritten Durchgang war er mit 8,19 Metern Dritter. „Dann sind noch zwei vorbeigesprungen. Es fehlten nur zwölf Zentimeter zu Bronze, aber trotzdem war ich hochzufrieden. Schließlich war ich nur als 23. der Welt angereist.“

Kleine Randnotiz: Diese 8,19 Meter waren genau die Weite, mit der sein Trainer Klaus Beer bei den Olympischen Spielen von 1968 in Mexiko Silbermedaillengewinner wurde, hinter dem US-Amerikaner Bob Beamon, der damals mit 8,90 Metern Weltrekord sprang.

Verletzungen verlangsamen Karriere

Für Kofi Prah sollte es nach seinem Selbstverständnis der Anfang einer längeren Karriere sein. Aber er wollte zu schnell zu viel. „ Mein Trainer Klaus Beer sagte immer: Das Jahr nach Olympia ist immer ein Jahr, in dem man herunterfährt. Ich aber wollte direkt die Erfolge wiederholen, noch mehr trainieren, noch weiter springen.“ Das war im Nachhinein der falsche Weg.

2003 kamen die ersten schweren Verletzungen. „Ich war zwar trotzdem noch schnell, hatte auch noch einige Acht-Meter-Sprünge und konnte mich in der deutschen Elite der Weitspringer halten.“ Aber 2004 musste er ganz pausieren. „Und wenn man in eine Ruhephase hineingezwungen wird, nicht selbst mehr entscheiden kann, leidet man vor allem auch mental.“

Doch er wollte noch nicht aufgeben, wollte nochmals zu Olympia. Das Jahr 2008 begann auch vielversprechend, mit 7,98 Metern wurde er in der Halle Norddeutscher Meister. Ein Hoffnungsschimmer, doch im März folgte die nächste Verletzung. „Mit 33 Jahren war es nicht mehr so einfach, das zu kompensieren und den Trainingsrückstand aufzuholen.“ Er verlor den Glauben an sich selbst. „Mir war klar, dass die Deutschen Meisterschaften in Nürnberg meine letzte Chance waren, aber auch, dass ich es wohl nicht schaffen würde, denn die jungen Leute wie Bayer und Reif rückten schnell näher und vorbei.“

Ein schwacher Moment

Schon kurz vor der DM fiel er in ein Loch. Drei Jahre später hat er die Situation in einem Interview mit der Berliner Tageszeitung B.Z. so geschildert: „Ich suchte nach Ablenkung, ging in Diskotheken, doch ich fand die Ersatzbefriedigung dort nicht. Aus dem Sportmenschen wurde kein Partymensch. Ich wollte nur irgendwie den Schmerz betäuben, dass meine Karriere vorbei sein würde.“

„Und“, so erinnerte er sich, „an einem Disco-Abend war ich zur falschen Zeit am falschen Ort, mit den falschen Leuten. Ich nahm Kokain. Ich weiß nicht, warum. Ich schiebe es aber nicht auf andere. Ich bin schuld, ich bin erwachsen. Und ich habe in dieser Zeit nicht mehr nachgedacht.“

Das Verhängnis nahm seinen Lauf. Für Kofi Prah blieb in Nürnberg nur der vierte Rang. „Das war seit 1999 das erste Mal, dass ich bei Deutschen Meisterschaften angetreten bin und keine Medaille bekam.“ Als Einziger des Spitzenfeldes wurde er zur Dopingprobe bestellt. In den folgenden Tagen ging er nicht mehr ans Telefon, öffnete keine Briefe. „Ich hatte Angst vor einer Nachricht“. Aber sie kam, und der DLV verhängte eine zweijährige Doping-Sperre. Zuvor hatte Prah zwar seinen Rücktritt vom Leistungssport erklärt, aber das konnte die Sperre auch nicht mehr verhindern.

Tagelang zuhause eingeschlossen

Für ihn brach eine Welt zusammen. Er schloss sich tagelang zuhause ein, kapselte sich ab. Er suchte eine Lösung, fand sie vor allem in der Arbeit.
Es zahlte sich aus, dass er sich schon während der Sportkarriere um die Zeit danach gekümmert hatte. Seit 2004 arbeitete er als Personal Trainer im Studio „Holmes Place“ in der Berliner Friedrichstraße.

Als er dort den Kollegen seinen Fehltritt beichtete, wurde ihm vergeben. Es ging ihm damit so wie bei seinen zahlreichen Freunden: „Denen musste ich meine Einstellung zum Sport nicht erklären. Die wussten, dass ich ein fairer Sportler bin. Und nun hatten sie gesehen, dass ich auch mal ein schwacher Mensch sein kann.“

Studium abgebrochen

Nicht so einfach war es dagegen mit seinem Studium. „Ich studierte Sportwissenschaft und Marketing an der Berliner Humboldt-Uni und hatte das Vordiplom abgeschlossen. Nun hatte ich also mein Leben in die falsche Richtung gedreht.“ Er wurde zwar nicht exmatrikuliert, aber er zog selbst die Reißleine, brach das Studium ab.

„Ich habe mich zurückgezogen, bin ins Dunkle gegangen. Ich konnte mich einfach nicht mehr ungezwungen in die Seminare setzen, wo erfahrene Professoren über Sportmedizin lehrten und natürlich auch das Thema Doping ansprachen.“

Jetzt aber ist er so weit, dass er sich zutraut, im nächsten Jahr wieder zu studieren und das Studium abzuschließen. Trotzdem: Wenn man sich mit ihm unterhält, merkt man, wie diese ganze Geschichte noch an ihm nagt, wie er darum kämpft, sich von dem Ganzen zu befreien, mit sich selbst ins Reine zu kommen.

Athletiktrainer im American Football

Viel hilft ihm, dass er weiterhin seinen Körper trainiert und daran über Facebook auch die Öffentlichkeit teilhaben lässt. „Das hängt eng mit meiner Tätigkeit als Personal Trainer zusammen. Man muss eine positive Einstellung haben, aber die Leute wollen auch ein Vorbild. Ihnen reicht es nicht aus, wenn ich etwas theoretisch erkläre, sie finden es besser, wenn ich es ihnen vormache. Es reicht nicht aus, wenn ich früher mal weit gesprungen bin, jetzt aber einen dicken Bauch habe. Und außerdem ist es schön, wenn man beweist, dass man auch mit 40 Jahren noch ein hohes Niveau haben kann, wenn man möchte.“

Im Jahr 2014 hat Kofi Prah als Athletiktrainer eine Berliner American Football-Mannschaft betreut, die später Europokalsieger geworden ist. „Die Spieler waren alle mindestens zehn Jahre jünger als ich, aber ich war der Schnellste. Das motivierte sie natürlich, es sind alles ehrgeizige Sportler. Wenn ich denen etwas vormachen kann, folgen sie mir.“

Deshalb arbeitet er auch gern mit jungen Leistungssportlern zusammen, fährt er fort. „Ich habe zum Beispiel mit Leon Balugon einen Fußballer fit gemacht. Der hatte sich vor der WM in Brasilien den Fuß gebrochen und konnte deshalb dort nicht für sein Land Nigeria spielen. Er hat drei Monate mit mir Reha und Aufbautraining durchgezogen, stieg dann mit dem SV Darmstadt 98 in die 1. Bundesliga auf. Mittlerweile ist er beim 1. FSV Mainz gelandet. Er ist happy und ich bin auch happy, denn so sehe ich, dass sich meine Arbeit gelohnt hat.“

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Arbeit an einer Fitness-App

Doch Kofi Prah will nicht nur einzelne Leute erreichen. Er weiß um die Chancen, die sich mit der Verbreitung des Internets ergeben. „Wie es der Zufall will, traf ich vor rund zwei Jahren einen ehemaligen Sprinter, der dann aber früh in die IT-Branche umgeschwenkt und App-Designer geworden ist. Mit ihm und drei seiner Partner habe ich begonnen, eine Fitness-App zu schaffen. Mit eigenen Mitteln, Unterstützung von Investoren und eigener Arbeitskraft haben wir sie in diesem Jahr fertiggestellt“, berichtet er.

Er selbst sowie andere Personal Trainer machen in dieser App die Übungen vor, erklären sie und bieten auch einen Trainingsplan an. Unter „portabletraining“ ist sie im App-Store erhältlich, zunächst allerdings nur fürs iPhone.

„Sie wird bisher sehr gut angenommen, aber wir wollen noch mehr tun, um weitere Investoren zu begeistern. Im Moment ist die App noch kostenlos, weil wir sie erst mal bekannt machen wollen. Irgendwann soll damit natürlich auch Geld verdient werden.“ Und irgendwann wird auch die Zeit kommen, in der Kofi Prah den Fehltritt vom Sommer 2008 vergessen kann und ganz mit sich im Reinen ist.

Peter Grau

(erschienen auch bei leichtathletik.de am 10.10.2015)

Beate Gummelt: Von der Geherin zur Lehrerin

Beate Gummelt am Arbeitsplatz im Oberberstufenzentrum

Beate Gummelt war zwischen 1987 und 1999  die beste deutsche Geherin, hält noch immer zahlreiche deutsche Rekorde. Heute arbeitet sie als Lehrerin in Neuruppin.

1989 schaffte Beate Gummelt, damals noch unter ihrem Mädchennamen Anders, den Durchbruch in die Weltspitze. In L’Hospitalet bei Barcelona (Spanien) siegte sie beim Weltcup, der praktisch einer Weltmeisterschaft gleichzusetzen war, über 10 Kilometer.

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Im gleichen Jahr 1989 hatte sie schon Medaillen bei der Hallen-EM in Den Haag (Gold) und bei der Hallen-WM in Budapest (Silber) über jeweils 3000 m geholt:

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1991 wurde sie in Sevilla (Spanien) Hallen-Weltmeisterin über 3.000 Meter:

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Bei der Heim-WM 1993 in Stuttgart stand Beate Gummelt kurz vor einer weiteren Medaille. „Doch da habe ich einen Fehler gemacht, als ich 1.200 Meter vor dem Ziel als Einzige eines Spitzenquartetts nochmals einen Schwamm zur Erfrischung nahm. Sofort waren die anderen weg, und damit auch die Medaille“, erinnert sie sich.

Heute Lehrerin in Neuruppin

Der Autor erlebte diesen Moment zehn Meter entfernt mit. Seitdem ist viel Zeit vergangen, und heute empfängt Beate Gummelt den Gast in ihrem Büro im Oberstufenzentrum in Neuruppin. Früher waren hier vor den Toren der Stadt die Kasernen der sowjetischen Besatzungsmacht. Als die Truppen 1994 abzogen, wurde in den Kasernen unter anderem ein moderner Schulkomplex aufgebaut.
Hinter dem Namen Oberstufenzentrum verbirgt sich eine berufliche Schule mit rund 1.700 Schülern, an der man die allgemeine Hochschulreife erwerben kann und in vielen verschiedenen dualen Ausbildungsberufen den schulischen Teil der Berufsausbildung absolviert.
Beate Gummelt ist seit dem 1. August 2013 Leiterin der Abteilung Wirtschaft und Verwaltung, gehört mit drei anderen Abteilungsleitern zur Schulleitung. „Die Hälfte der Zeit unterrichte ich Fächer wie Wirtschaftslehre, Rechnungswesen und Informations- beziehungsweise Textverarbeitung. Die andere Zeit benötige ich für Verwaltungsaufgaben, plane den Lehrereinsatz und alles rund um die Klassen und kümmere mich um die rechtlichen Dinge“, erklärt sie.

Duale Karriere kein Fremdwort

Es war ein langer Weg bis hierhin. „Aber Lehrerin wollte ich schon als Kind werden,“ erinnert sich Beate Gummelt. Deshalb studierte sie Sport und Geographie an der Berliner Humboldt-Universität. Nach der Wende sah sie da keine Perspektive mehr und wechselte zu den Sozialwissenschaften. Doch diese Studienrichtung wurde bald eingestellt, sodass Beate ein neues Fach suchte und bei den Wirtschaftswissenschaften landete. Sie fing mit der Volkswirtschaftslehre an und wechselte dann zu BWL. Etwas ironisch meint sie: „Wer nichts wird, wird Wirt. Und wer gar nichts wird, wird Betriebswirt.“
1992 hatte sie ihren langjährigen Trainer Gerhard Heber verlassen, zog von Berlin nach Potsdam und wurde nun von Bernd Gummelt, dem EM-Zweiten von Split (Kroatien) 1990 über 50 Kilometer Gehen, betreut. Und beide wurden, nachdem sie sich 1990 in einem Trainingslager in Mexiko näher kennengelernt hatten, auch privat ein Paar und heirateten am 29. Oktober 1993. Dual war für Beate Gummelt kein Fremdwort. Oft verband sie Sport und Lernen, wenn sie im Potsdamer Wildpark, ihrem Haupttrainingsrevier, mit Kopfhörern und Walkman lernend durch den Wald ging.

Schwanger im WM-Finale

Sportlichen Ehrgeiz besaß sie immer noch. Bei der WM 1997 im heißen Athen (Griechenland) wollte sie es im 10.000-Meter-Bahnwettbewerb nochmals wissen. Den Vorkampf überstand sie, doch im Finale war bald Schluss. Aber eine erfreuliche Entschuldigung hatte sie dafür: Sie war schwanger. Wir Journalisten wussten davon nichts, aber ihren Mannschaftsarzt hatte sie informiert und von ihm grünes Licht für einen Start bekommen.
1998 kam ihre Tochter Sarah zur Welt. In dieser Zeit war die Wettkampfdistanz bei den Frauen von 10 auf 20 Kilometer verdoppelt worden. „Das war nicht mehr mein Ding, auch wenn ich nochmals deutschen Rekord ging.“ Im Jahr 2000 beendete Beate Gummelt in Sydney (Australien) ihre Karriere mit der dritten Olympia-Teilnahme.

Über Umwege zum Traumberuf

Die Familie Gummelt war inzwischen nach Neuruppin gezogen. Beate hatte ihren Abschluss als Diplom-Kauffrau in der Tasche. Sie fing in einem Steuerbüro an, wühlte sich durch Jahresabschlüsse und Steuererklärungen. Aber diese Arbeit sagte ihr bald nicht mehr zu.
Als beim Joggen ihre Mitläuferin Martina Ahlhausen davon erzählte, dass am Oberstufen-Zentrum eine Lehrerstelle frei sei, bewarb sie sich und wurde angenommen. „ Ich hatte vorher noch nie eine Stunde Unterricht gegeben, aber es klappte.“ Beate Gummelt erklärt das so: „Man ist Lehrer oder ist keiner. Das Handwerkszeug kann man lernen, aber entweder man kann den Stoff vermitteln oder nicht.“
Neben ihren Unterrichtstunden absolvierte sie 2005 bis 2007 ein Referendariat, um auch auf dem Papier eine vollgültige Berufschullehrerin zu werden. Und in einem Fernstudium an der TU Kaiserslautern erwarb sie einen weiteren Abschluss, den Master im Schulmanagement.

Positives Resümee der Sportkarriere

Die Gummelt‘sche Familie ist weiter gewachsen, 2007 wurde Sohn Sebastian geboren. Beate ist seit drei Jahren Vereinsvorsitzende beim Leichtathletikclub Ruppin und dort auch Übungsleiterin einer Trainingsgruppe. „Das hat aber nichts mit Leistungssport zu tun. Die Kinder wollen vor allem ihre Schulnoten verbessern.“
Sie selbst hält sich dreimal in der Woche mit Laufen fit, aber Wettkämpfe locken sie nicht mehr. Ein wenig traurig wird sie, wenn sie das deutsche Frauengehen betrachtet. „Schade darum, aber sicherlich ist Gehen heute nicht mehr so attraktiv, und finanziell kann man sich damit auch nicht über Wasser halten.“
Für Beate Gummelt aber fällt das Resümee ihrer eigenen Karriere positiv aus. „Ich hatte beim Gehen eine schöne Zeit, habe viel von der Welt gesehen, viele tolle Leute kennengelernt und möchte diese Zeit nicht missen. Ich denke, dass mir das auch sehr viel in meiner Persönlichkeitsentwicklung gebracht hat. Vor allem die Zielstrebigkeit habe ich hundertprozentig vom Leistungssport mitbekommen.“

Peter Grau
(auch veröffentlicht in leichtathletik.de am 3.4.2015)

Oliver-Sven Buder: Nach der Kugel folgte die Kurbel

Eineinhalb Jahrzehnte zählte Oliver-Sven Buder zu den besten Kugelstoßern der Welt. Nach seinem Rücktritt 2003 blieb der zweimalige Vize-Weltmeister dem Sport erhalten. Allerdings nicht im Ring, sondern bei der „Formel 1 des Segelsports“. Und außerdem baute er sich in einer Textilfirma eine Existenz auf.

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WM-Silber 1999

Der Kugelstoß-Vizeweltmeister von Sevilla 1999, Oliver-Sven Buder, hat den Treffpunkt selbst vorgeschlagen, das Kaffee Cup&Cino mitten im Zentrum von Kiel. „ Dort gibt es einen sehr guten Kaffee“, meinte er. Nun läßt er sich den Macchiato XL munden. Es wird eine kurzweilige Stunde, der 48 – Jährige hat viel zu erzählen.
In Kiel ist er aus beruflichen und privaten Gründen gelandet. Gleich um die Ecke befindet sich die Logistik-Zentrale seines Arbeitsgebers, der Textilfirma elkline, die . „ sportliche Freizeitbekleidung vertreibt. „ Wir sind so etwas ähnliches wie Jack Wolfskin, nur etwas kleiner und etwas modelastiger,“ beschreibt der Hüne die Firma.

2008 hat er an der Förde einen Shop der Firma übernommen, ist im Außendienst tätig und für die ostdeutschen Bundesländer und Bayern zuständig. Streßig wird es, wenn die Frühjahrs- und die Herbstkollektionen auf den Markt kommen. „ Da lebe ich im Hotel, fahre von Kunde zu Kunde, von Stadt zu Stadt,“ berichtet der Hallen-Europameister von 1998. Flink wie ein Elch muss er sein, ganz wie das Markenzeichen seiner Firma.
Unbedarft ist Buder nicht in diese Branche gekommen. „1992 hatte ich als Kugelstoßer die Wahl, entweder zur Bundeswehr zu gehen, oder aber zum TV Wattenscheid, wo damals der Textilfabrikant Klaus Steilmann Mäzen war. Ich wählte Wattenscheid und begann gleichzeitig meine berufliche Ausbildung zum Industriekaufmann der Textilwirtschaft.“ Das war im Nachhinein der richtige Schritt. Aber es dauerte viele Jahre, bis sich der Kreis mit der jetzigen Arbeit schloß.

WM-Gold entrissen

Zunächst trainierte der Modellathlet – mit einer Größe von 1,99 kg und einem Gewicht von 155 kg- bei Miroslaw Jasinski und hatte sportlich 1999 sein erfolgreichstes Jahr. Als sie beide ins WM-Stadion von Sevilla schritten, sagte sein Trainer: „ Heute ist Dein Tag, heute kann Dich keiner schlagen“. Und lange sah es auch danach aus, denn Oliver-Sven Buder führte mit 21,42 m das Feld an. Erst im letzten Versuch schnappte ihm der Amerikaner Cotrell James ( C.J.) Hunter mit 21,79 m noch das Gold weg: Hunter, damals Ehemann von Sprinterin Marion Jones, wurde ein Jahr später wegen Nandrolon-Dopings gesperrt. Die Goldmedaille von Sevilla durfte er trotzdem behalten. Doch Buder schaut nicht im Zorn zurück. „Das bringt nichts. Die Leichtathletik hat mir großen Spaß gemacht, ich möchte nichts missen.“

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2003 nahm er endgültig Abschied aus dem Kugelstoßring, und eine bewegte Zeit begann. Ein halbes Jahr trainierte er in Leipzig den Kugelstoßer René Sack, den heutigen Trainer von Diskuswerferin Nadine Müller. Doch das war nur eine ABM-Maßnahme, die Arbeitslosigkeit drohte. Da kam das Angebot wie gerufen, als Geschäftsführer bei den gerade in die 2. Bundesliga aufgestiegenen Cuxhavener Basketballern zu arbeiten. „ Neun Monate machte ich das, es war purer Streß, denn niemand wußte so recht, wie es funktionieren sollte und mußte,“ erinnert er sich.

Auf hoher See

Doch der Ausflug zum Basketball sollte nicht der letzte Sportartwechsel für Oliver-Sven Buder bleiben. „ Ich traf mich in einem Kieler Café mit einem Freund, den ich in Cuxhaven kennengelernt hatte, um mich zu erkundigen, wie meine Athletik- Trainingspläne bei ihm angeschlagen hatten.“ Der Freund war Profisegler und fragte ihn, ob er nicht mal nach Valencia zum America‘s-Cup kommen könne. Es handelte sich um nicht weniger als eine Einladung zur berühmten Segelregatta um die älteste Sporttrophäe der Welt (seit 1851 ausgetragen). Um die Formel 1 auf See mit Hightech-Booten, die Aber-Millionen in der Herstellung kosten. Der Exkugelstoßer sagte sofort zu: „Das war eine meiner besten Entscheidungen“.

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Kraft an der Kurbel

Oliver-Sven Buder wurde „der Kurbler vom Dienst“ , auch „Kaffee-Grinder“ genannt. Dieser Begriff stammt von Kaffeemühlen, die man früher in den USA verwendete. „Mit den Grindern werden die Winschen bewegt, über die die Seile gehen, mit denen die Segel eingestellt werden,“ erklärt Buder. Hört sich einfach an, ist aber eine echte Knochenarbeit. Er schnupperte als Mitglied der ersten deutschen Kampagne überhaupt ( United Internet Team Germany aus dem nicht unbedingt als Segelhochburg geltenden Montabaur) beim America´s Cup 2006/ 2007 ins Regatta-Segeln hinein und fand Geschmack daran.

Von Norbert Plambeck, den er aus seiner Tätigkeit beim Basketballteam Cuxhaven kannte, bekam er bald danach ein verlockendes Angebot, das er sofort annahm. Er sollte auf dessen 24 Meter langen Privatyacht in Amerika als Bootsmann arbeiten. „ Wir segelten in der Karibik, erlebten die wetterbedingten Höhen und Tiefen des Segelns. Rückblickend war es sicher meine bisher schönste Zeit“. Und sie hatte einen positiven Nebeneffekt: Auf dem Schiff lernte er seine Freundin Maren kennen und zog später zu ihr nach Kiel.
„ Ich hätte auch in Cuxhaven an der Werft arbeiten können, wo die Yacht nun liegt, aber dann wäre es eine Fernbeziehung geworden und das wollte ich nicht.“ So kam das Angebot, einen Shop der Firma elkline in Kiel zu übernehmen, zum rechten Zeitpunkt.

Lob für David Storl

Das Kugelstoßen aber hat der gebürtige Erlabrunner nicht aus den Augen verloren.
Eine hohe Meinung hat er von Weltmeister David Storl. „ Beeindruckend für mich war vor allem, wie reibungslos David und sein Trainer Sven Lang den Übergang von den Junioren zu den Erwachsenen hinbekommen haben. Spannend wird es aber nun werden, wie er sich im Sommer 2012 schlagen wird, besonders auch bei Olympia. Jeder kennt ihn jetzt, und da wird es nicht leicht werden, eine Medaille zu gewinnen.“ Das meinte Buder Ende 2011, und Storl schnupperte 2012 in London sogar an olympischem Gold, und war letztlich mit Silber zufrieden.
Das Flair von Olympia fasziniert Buder, der in Atlanta (Fünfter) und Sydney (Achter) dabei war, immer noch. „ Jeder Leistungssportler sollte das anstreben. Es ist einfach das Schönste, auch, weil man dort die Sportler aller Sportarten kennenlernen kann“.
Und nicht nur kennenlernen, miteinander reden, das ist eine Kunst, die Oliver –Sven Buder inzwischen ziemlich perfekt beherrscht und die ihm Herzen und Türen öffnet.
Peter Grau

(siehe auch Leichtathletik Nr. 47 vom 23.11.2011;
http://www.markenverlag.de/index/46/63/LEICHTATHLETIK/Abonnement)

Fotos: www.ard.ndr.de/berlin2009/wm_geschichte