Archiv für den Tag: 19. August 2016

Top-Diskustrio von Rio kontra Robert Harting beim 75. ISTAF

Harting klein ISTAF 067

Es wird der stärkste ISTAF-Diskuswettbewerb aller Zeiten werden. Zum Jubiläum am 3. September 2016 tritt Olympiasieger  Christoph Harting ebenso im Berliner Olympiastadion an wie der polnische Silbermedaillen-Gewinner Piotr Małachowski und der deutsche Überraschungs-Dritte Daniel Jasinski aus Wattenscheid. Das Top-Trio von Rio trifft zwei Wochen nach den Olympischen Spielen beim 75. ISTAF auf Robert Harting, der nach seinem Hexenschuss in Rio beim ältesten und zuschauerstärksten Leichtathletik-Meeting wieder starten kann.

Daniel Jasinski Christoph Harting

Daniel Jasinski (links) und Christoph Harting

Komplettiert wird das Feld mit dem Belgier Philip Milanov, WM-Zweiter 2015, dem WM-Dritten Robert Urbanek aus Polen, Martin Kupper aus Estland, der in Rio hinter Daniel Jasinski Vierter wurde sowie dem Olympia-Sechsten Lukas Weißhaidinger aus Österreich.

„Beim 75. ISTAF sind wir im Diskuswurf so hochklassig besetzt wie noch nie“, sagt Meeting-Direktor Martin Seeber. „Die Zuschauer können sich auf absoluten Spitzensport freuen.“

Freuen können sich auch die Athleten: Der Diskus-Wettbewerb wechselt diesmal die Seiten. Geworfen wird aus der Ostkurve und in Richtung des Marathontors. „Die Hertha-Kurve wird zur Harting-Kurve“, sagt Meeting-Direktor Martin Seeber: „Die Athleten haben dann voraussichtlich Gegenwind, der Diskus fliegt weiter.“ Gut möglich, dass am 3. September der 20 Jahre alte ISTAF-Rekord von Lars Riedel (70,60 m) „wackelt“.

Bernard Lagat – Abschied von der Laufbahn beim ISTAF

 

Harting klein ISTAF 067

Schon vor einem Jahr hat sich der US-Mittel- und Langstreckler Bernard Lagat beim ISTAF-Meetingdirektor Martin Seeber für das 75. ISTAF angemeldet. „ Ich will meine Karriere hier im Olympiastadion beenden, mit den Fans eine Party feiern“.  Vor sieben Jahren, bei der WM 2009, konnte sich Lagat erstmals von den Berlinern feiern lassen, als er WM-Bronze über 1500 m und WM-Silber über 5000 m gewann. Insgesamt zehn Mal ging der Doppelweltmeister und dreifache Hallenweltmeister beim ISTAF an den Start.

2010  gab er  Michael Reinsch von der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ ein längeres Interview und daraus ist damals folgende Geschichte entstanden, die die wichtigsten Fakten über Bernard Lagat enthält:

 

Bernard Lagat: Der laufende Weltbürger

Er stammt aus Kenia, ist amerikanischer Staatbürger, hat eine kanadische Frau und einen chinesischen Trainer. „Global, das ist das Wort“, sagt Bernard Lagat: „Ich bin ein Bürger der Welt.“

Der kleine Sportsfreund Miika Lagat ist nicht leicht zufriedenzustellen. Als er im Juni zu Hause in Tübingen im Fernsehen das 5000-Meter-Rennen der Diamond League in Oslo sah, machte er aus seiner Enttäuschung keinen Hehl. Da bogen drei Läufer gleichauf in die Zielgerade ein, da kämpften drei Männer mit schmerzverzerrten Gesichtern um den Sieg – und dann unterlag Papa den beiden Äthiopiern Imane Merga und Tariku Bekele. Miika Lagat vergoss bittere Tränen.

Als Bernard Lagat am Tag darauf seinen vierjährigen Sohn in die Arme nahm und ihm erzählte, dass er (in 12:54,12 Minuten) immerhin persönliche Bestzeit und amerikanischen Rekord gelaufen sei, konnte er ihn nicht ganz überzeugen. „Du sollst nicht verlieren“, rief der Junge. „Ich will, dass du immer gewinnst.“

 „Keine Gelegenheit, an das Rennen zu denken und nervös zu werden“

Das sind so die Aufgaben, die ein Vater zu meistern hat. Bernard Lagat geht sie optimistisch an. Schließlich ist er der Doppel-Weltmeister über 5000 und 1500 Meter von Osaka 2007, Hallen-Weltmeister über 3000 Meter von Budapest 2004 und Doha 2010 sowie Gewinner verschiedener Medaillen bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften. Für seinen Start an diesem Sonntag beim Istaf im Berliner Olympiastadion hat er seinen australischen Manager James Templeton ein paar besonders schnelle Tempomacher bestellen lassen. Wenn er über die 3000 Meter schon aus dem Rennen um die Diamanten ist, will er doch beweisen, dass er die Bestzeit von 7:32,49 Minuten, mit der er in Doha den Titel gewann, unterbieten kann.

Miika wird das Rennen am Sonntagnachmittag nicht im Fernsehen verfolgen müssen. Er begleitet mit seiner kleinen Schwester und seiner Mutter den Vater zur Arbeit nach Berlin. „So reisen wir am liebsten“, sagt Bernard Lagat. „In unserem Hotelzimmer ist immer etwas los. Ich habe gar keine Gelegenheit, an das Rennen zu denken und nervös zu werden.“

„I bin a Schwob“, sagt Lagat akzentfrei

Vor bald 36 Jahren (am 12. 12. 1974) in Kapsabet im Rift Valley von Kenia geboren, hat das Laufen Lagat zu einem Weltbürger gemacht. Ein Stipendium brachte ihn 1997 an die Washington-State-Universität. Als er 2003 amerikanischer Staatsbürger wurde, hatte er schon sechs Sommer in Deutschland zugebracht. „Global, das ist das Wort“, sagt Lagat. „Ich stamme aus Kenia, bin Amerikaner, habe einen chinesischen Trainer, James Li, und eine kanadische Frau. Ich bin ein Bürger der Welt.“

Er lernte seine Frau Gladys Tom, die einen japanischen Familienhintergrund hat, an der Hochschule kennen, an die James Li ihn mit einem Stipendium geholt hatte. Sohn Miika trägt als zweiten Vornamen den kenianischen Namen Kimutai, und der Name seiner Schwester Gianna verweist auf die Liebe der Eltern zu Italien. Gemeinsam leben sie in Tucson in Arizona. Es war der Stadtlauf, der Bernard Lagat nach Tübingen brachte. Seitdem ist er mit dem Leiter des Laufs, dem Kinderarzt Frieder Wenk, befreundet, seitdem fliegt er im Sommer von Stuttgart aus in die Welt, seitdem liebt er die Laufstrecken in den Wäldern um Tübingen. Seit einigen Jahren hat er ein eigenes Häusle. Als Lagat 2007 als Doppelweltmeister aus Osaka heimkehrte, empfingen ihn Stadt und Bürgermeister als Tübinger. „I bin a Schwob“, sagt Lagat akzentfrei. „Ich bin ein halber Deutscher.“

Zum Laufen gebracht hat ihn seine Schwester Mary Chepkemboi

Seine europäische Heimat rettete ihn, als er, der stolz darauf ist, nicht einmal Nahrungsergänzungsmittel zu nehmen, bei der Weltmeisterschaft 2003 in Paris positiv auf Epo getestet wurde. Der Jura-Professor Dieter Rössner machte ihn mit dem Mikrobiologen und Doping-Experten Werner Franke aus Heidelberg bekannt, dessen Frau nach einem Treffen mit Lagat überzeugt war: Dieser Mann lügt nicht. Franke schickte einen erfahrenen Wissenschaftler aus seinem Labor, der den Doping-Analysten bei der Untersuchung der B-Probe auf die Finger sah. Das Ergebnis: Test negativ, Lagat unbelastet.

„Wenn sie die A-Probe ebenso sorgfältig analysiert hätten, wäre sie auch negativ gewesen“, sagt Lagat. „Das lehrt einen: Wenn jemand, gerade bei diesem Test, positiv ist, sollte man zweimal nachdenken, bevor man ihn einen Doper nennt. Es kann mich noch einmal treffen, es kann einen anderen sauberen Athleten treffen. Alles hängt von der Arbeit des Labors ab.“ Seine Klage, das Verfahren zu ändern, scheiterte.

„Sie wird alle Mädchen in der Leichtathletik schlagen“

Zum Laufen gebracht hat ihn seine Schwester Mary Chepkemboi. Sie gewann 1984 die Afrikameisterschaft über 3000 Meter, nahm an internationalen Crossläufen in Afrika teil, aber gab den Gedanken an eine Karriere auf, um ihre Familie mit acht jüngeren Geschwistern zu unterstützen. Sie kam nicht nur für das Schulgeld von Bernard, ihrem sieben Jahre jüngeren Bruder, auf. Sie hielt ihn auch zu ernstem Training und zur Teilnahme an Wettkämpfen an. „Sie sagte: Ich habe dich rennen sehen“, erinnert er sich. „Du kannst gut werden.“ Was sie nie konnte, tat ihr kleiner Bruder: Er rannte zu einem Stipendium in Amerika und zu den lukrativen Sportfesten nach Europa. „Ohne sie hätte ich die Schule verlassen und wäre zur Armee gegangen“, sagt Lagat.

Längst ist es an ihm, das läuferische Talent seiner fünf jüngeren Geschwister zu fördern. Sein älterer Bruder William Cheseret hat eine Marathon-Bestzeit von 2:12,09 Stunden. Seine jüngere Schwester Evelyne Jerotich Lagat ist einen Halbmarathon in 1:11,35 gelaufen, und auch aus seinem Bruder Robert Cheseret ist ein respektabler Mittelstreckler geworden. Die Zweitjüngste, Irene Lagat, rannte zu einem Stipendium der Universität von Arizona und ist ebenfalls längst Amerikanerin. In die Jüngste, Viola, setzt Bernard die größten Hoffnungen. „Sie wird alle Mädchen in der Leichtathletik schlagen“, sagt er voraus. Der Teenager lebt inzwischen bei ihm und seiner Familie in Tucson in Arizona. Bernard könnte ihr Vater sein. Wenn Viola etwas von ihm lernen kann, dann, wie weit in die Welt das Laufen führen kann.

Michael Reinsch, Berlin

Michael Reinsch

(aus „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 22.8.2010)

Malaika Mihambo – glücklich auch ohne Medaille

 

Malaika Mihambo, der Springfloh aus Oftersheim, einer Gemeinde zwischen Heidelberg und Mannheim gelegen,  sprang in Rio so weit wie noch nie. 6,95 m wurde im Finale der Weitspringerinnen für die 22-Jährige vermessen, doch diese Weite reichte nicht für eine Medaille. Das Trio Tianna Bartoletta (7,17 m), Brittney Reese (7,15) und Ivana Spanovic (7,09) war einfach zu gut an diesem Tag. „ Aber ich bin trotzdem zufrieden, denn ich habe eine neue Bestleistung aufgestellt und bin über mich hinausgewachsen“. Wohl wahr, wenn man die Vorgeschichte kennt. Anfang des Jahres war für sie an Training nicht zu denken. An beiden Knien war die Patella-Sehne entzündet, die Ärzte sagten eine lange Reha-Phase voraus. Doch sie irrten sich, und die kleine Kämpferin war schneller wieder auf den Beinen als erwartet. In Kassel wurde die 1,70 m große und 56 kg schwere Athletin von der LG Kurpfalz,  deutsche Meisterin, bei der EM in Amsterdam holte sie Bronze.

Schon immer galt sie, deren Mutter aus Deutschland und deren Vater aus Sansibar (Tansania) kommen, als großes Talent. Als Kind hatte sich im Ballett, beim Turnen und beim Judo versucht, war dann aber zur Leichtathletik gekommen. Erste Goldmedaillen sammelte sie bei den Europameisterschaften der U20 und der U23.   Vor zwei Jahren sprang sie in Braunschweig schon mal 6,90 m, wußte also um ihr Leistungsvermögen. Und ihr Trainer Ralf Weber führte sie behutsam und zielgerichtet.

Zielstrebig ist Malaika Mihambo auch außerhalb des Sports. Sie studiert Politikwissenschaften an der Universität Mannheim. „Ich brauche etwas für den Kopf und will nicht nur Sport betreiben“. Beides bekommt sie recht gut unter einen Hut und wurde dafür sogar 2014 als „Sport-Stipendiat des Jahres“ ausgezeichnet. Und daß sie sich auf in der Öffentlichkeit gut bewegen kann, bewies sie auch bei einem Pflichtpraktikum im Oftersheimer Rathaus.

Stichwort Kopf! Malaika ist der Meinung, daß das Mentale beim Weitsprung eine wesentliche Rolle spielt. „ Wenn man mit dem Kopf nicht dabei ist, den Fokus hat und beibehält, dann wird es nichts. Körperliche Beschwerden oder Anlaufprobleme kann man besser ausgleichen.“ So konzentriert sie sich beispielsweise auf die Atmung, um das Drumherum auszublenden. „ Die Schwierigkeit ist allerdings dabei, daß bei Wettkämpfen immer neue Situationen auftreten. Würden immer die gleichen Problemmuster auftreten, wäre es einfacher.“

Malaika heißt auch die Tochter von Basketballer Dirk Nowitzki. Darauf angesprochen, ob sie ein Fan von ihm sei oder er von ihr, antwortete sie: „ Ich nehme mal an, daß seine Tochter jünger ist als ich. Also denke ich, eher von mir. Vielleicht wird sie ja auch mal Basketballerin und springt dann ganz weit und hoch.“

 

Malaika Mihambo

Weitsprung I Frauen

Alter: 22 Jahre

Land: Deutschland

Bestleistung: 6,95 m

Erfolge: 4. Platz Olympia 2016, Bronze EM 2016, 5. Platz WM 2015, 4. Platz 2013; Gold U23-EM 2015; Gold: U20-EM 2013.