Archiv für den Tag: 22. August 2016

Corinna Harrer: „Olympische Spiele machen dich kaputt“

Corinna Harrer London Foto

Die 25-Jährige Corinna Harrer startet für die LG Telis Finanz Regensburg. Mit 16 Jahren wurde sie Deutsche Jugendmeisterin über 400 Meter. Diese Grundschnelligkeit nahm sie als Basis mit auf die Mittelstrecke und spezialisierte sich auf 1500 Meter. Auch auf längere Distanzen war sie schon erfolgreich. 2014 gewann sie den nationalen Titel über 10.000 Meter, vor der siebenmaligen Titelträgerin Sabrina Mockenhaupt.

Corinna Harrer hat auf ihrer Facebook-Seite ein Interview  verbreitet, welches Max Bosse für die Berliner Zeitung führte. Es ist gewissermaßen der Hilferuf einer Leichtathletin, die dicht vor dem Einzug in die Weltspitze stand, die nach Rio wollte, aber nun nicht dabei sein konnte. Warum das so ist, lesen Sie im folgenden im Interview:

Für Corinna Harrer hat sich der Olympiatraum in einen Albtraum verwandelt. 21 Jahre war sie alt, als sie 2012 in London über 1500 Meter mit 4:05,70 Minuten das Finale um ein paar Zehntelsekunden verpasste. Nachträglich wurden mehrere Konkurrentinnen wegen Dopings disqualifiziert. Die Läuferin aus Regensburg hätte das Finale somit eigentlich erreicht − als erste Deutsche seit 1988. Doch was der Beginn einer Profikarriere in der Weltspitze hätte sein sollen, geriet zur Verletzungsodyssee. In Rio ist sie nicht dabei.

„Olympische Spiele machen dich kaputt“

Frau Harrer, was machen Sie am Mittwoch um 3.30 Uhr morgens?

Schlafen. Das 1500-m-Finale möchte ich nicht anschauen. Ich hatte an London eigentlich immer gute Erinnerungen. Das wurde im Nachhinein immer mehr zerstört. Olympische Spiele sind ein unheimlich schönes Erlebnis, aber sie machen dich auch kaputt. Man ist wie bei Big Brother jeden Tag überwacht und ein bisschen eingesperrt. Im Nachhinein sollte man sich die Zeit geben, das zu verarbeiten.

Ihre Bewunderung für andere Sportler ist erloschen?

Man weiß, dass gedopt wird. Ja, klar. Aber nicht, dass es so viele sind. Ich war im Halbfinale 17., inzwischen bin ich Elfte. Die Dunkelziffer ist viel höher. Rio wird nicht arg viel sauberer sein. Durch den Ausschluss der Russen und die Sperren manch anderer sind ein paar raus, aber von zwölf sind im Finale wohl immer noch fünf voll.

Sechs der ersten neun aus dem Finale in London wurde Doping nachgewiesen sowie zwei weiteren Läuferinnen aus den Vorläufen.

Das Halbfinale war für mich eines meiner größten Rennen, vor allem, weil ich vom vorletzten Platz noch mal aufkam. Und dann kommt so was. Die Freude ist weg. Ich wäre im Finale gewesen, und vielleicht hätte das Finale einen ganz anderen Charakter gehabt ohne die Gedopten, weil die nicht die Kraft gehabt hätten, noch mal so schnell zu laufen. Dazu kommt die Sache mit der Gesundheit.

Und zwar?

Um mit den Gedopten mitzuhalten, musst du die ganze Zeit trainieren, und dann kommt die Regeneration zu kurz. 2012 hatte ich das erste Mal Probleme. Am Tag vor dem Halbfinale habe ich vier Stunden beim Physio im olympischen Dorf verbracht. In so einem Moment achtest du nicht auf die Gesundheit.

Was war die Folge?

Nach London habe ich nur zwei Wochen Pause gemacht und dann wieder angefangen. Du willst immer mehr, 2014 stand die EM in Zürich an. Ich habe so lange trainiert, bis mir der Fuß gebrochen ist. Ich habe Tage, an denen ich aus dem Bett aufstehe und mich frage, ob es das wert ist. Ich humple rum wie eine 80-Jährige. Aber ich bin 25 Jahre alt.

2015 ist Ihre Achillessehne gerissen.

Ich hatte vorher schon jahrelang Fersenprobleme. Eine Russin hat mir bei der Mannschafts-EM dann die Achillessehne kaputt getreten. Ich will so nicht aufhören, mit diesen ganzen Verletzungen. Ich will es mir noch mal beweisen. Vielleicht ist es auch der Zeitpunkt abzuspringen. Der Verband hat mich in der Reha null unterstützt, und die Krankenkasse hat die Kosten nicht übernommen, weil es für die wie ein Arbeitsunfall war. Privat habe ich 10.000 Euro ausgegeben. Das war mein ganzes Erspartes von London. Wäre es beim Einsatz für den Verein passiert, wäre es bezahlt worden, weil man über den Verein versichert ist. Von der Sporthilfe habe ich eine Einmalzahlung bekommen: 1000 Euro. Der Tod ist 10.000 Euro wert.

Was ist das Problem?

Unser Bundestrainer fordert Profitum. Welche Möglichkeiten hat man? Ich wollte zur Polizei, Heimat und Verein aber nicht verlassen. Also wäre nur die Landespolizei gegangen. Die nimmt aber vorwiegend Wintersportler. Bundeswehr war für mich nie ein Thema, weil ich den Beruf ja auch nach dem Sport ausüben muss. Fordern, aber nicht fördern, das nervt mich.

Gibt es jemanden aus dem Rennen, der für Sie Olympiasiegerin ist?

Laura Weightman war im Finale relativ weit hinten. Die kenne ich sehr gut. Ihr traue ich zu, dass sie sauber ist. Wie sie trainiert, macht Sinn, sie bringt auch mal menschliche Leistungen. Ich bin aber sehr vorsichtig geworden. Letztlich sind die Sieger diejenigen, die für sich wissen, dass sie sauber sind.

Ist das ein Trost?

Nicht wirklich. Wäre ich in London im Finale gestanden, wären es fast 30.000 Euro mehr gewesen. Preisgelder, Sporthilfe und Sponsorengelder. Das wären fast zwei Jahre finanzierter Sport gewesen. Ich hatte die Hoffnung, den Sport als Profi so zu betreiben, dass ich davon leben kann. Wie soll ich mit denen, die Profisport machen, mithalten, wenn ich 30 Stunden arbeite, wie ich es jetzt mache? Einerseits erwartet Deutschland Profitum, andererseits tun wir zu wenig, um saubere Sportler zu unterstützen.

Bei der EM 2012 sind Sie aufgrund nachträglicher Doping-Disqualifikationen von Platz neun auf sechs gerutscht. Was bedeutet das?

Als Sechste hätte ich den A-Kader-Status bekommen, auch unter den Top-Acht bei Olympia. Der gilt für vier Jahre. Vier Jahre Geld vom Verband. Trainingslager wären bezahlt worden, mit Trainer und Physiotherapeut. Im B-Kader gibt es ein Mal im Jahr 200 Euro. Es ist nicht nur das. Bei der U23-EM 2011 war ich Dritte, inzwischen Zweite. Die Medaille habe ich jetzt nachträglich gekriegt, ich befürchte, dass es noch mehr werden. Bei der U20-EM 2009 war ich Zweite, die Erste ist inzwischen gesperrt. Es ist wie beim Lotto. Es ist ein Medaillenrecycling.

Deutsche sind immer nur Opfer?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass alle Deutschen sauber sind.

Warum?

Manche Kontrolleure reden auch ihren Frust von der Seele und erzählen, wie andere versuchen zu bescheißen. Ich glaube, dass wir eine Nation sind, die sauberer ist als vielleicht Kenia oder Russland. Aber schwarze Schafe gibt es überall. Was mich positiv stimmt: Mir wurde noch nie etwas angeboten, in keinem Fitnessstudio, in keiner Praxis. Als ich mit dem Sport auf dem Niveau angefangen habe, dachte ich, dass irgendwann einer kommt und sagt, dass er da was hätte.

Man muss also selbst aktiv werden, um Dopingmittel zu bekommen?

Genau. Alleine ist das nicht möglich. Mein Trainer würde sich über die Leistung wundern, die Trainingsgruppe. Es gibt ein ganzes System, das dich irgendwann hinterfragt. Eigentlich musst du die einweihen. Du brauchst einen Arzt und einen Sponsor, um dir das leisten zu können. Einer alleine kann es nicht.

Hätte denn Julia Stepanowa nach Rio gehört?

Nein. Ich fand diesen Aufruhr mit den Spenden für sie ein bisschen krass. Es sei Julia Stepanowa vergönnt, wenn ihr jemand einen Job anbietet, damit sie ihr Leben finanzieren kann. Ihr Leben ist nicht leicht, aber sie war auch eigennützig genauso wie die Türkin Asli Alptekin, die als Zeugin aufgetreten ist, um vielleicht doch noch die Chance auf Rio zu bekommen.

Corinna Harrer Rückfront

Fotos: Photo-Studio Büttner in Regensburg

Das Interview führte Max Bosse für die Berliner Zeitung vom 16. August 2016.

Quelle: http://www.berliner-zeitung.de/24595368 ©2016

Die 24. Leichtathletik-EM 2018 wirft ihre Schatten voraus

Liebe drei EM 2018

Ticket-Vorverkauf für Leichtathletik-EM 2018 gestartet

Auf die Plätze, fertig, Tickets! Die 24. Leichtathletik-Europameisterschaften 2018 starteten am Montag, dem 22. August 2016  ihr wichtigstes Kommunikationsmittel und den Vorverkauf von Eintrittskarten. Ab sofort ist die Leichtathletik-EM 2018 unter www.berlin2018.info     mit allen verfügbaren Ticket-Angeboten im Internet erreichbar.

Vom 7. bis 12. August 2018 finden die Leichtathletik-Europameisterschaften erstmals im Berliner Olympiastadion und auf den Straßen der Sportmetropole Berlin statt. Rund 1.600 Athletinnen und Athleten aus über 50 Nationen werden um die Medaillen in 47 Disziplinen kämpfen.

Genau neun Jahre nach der stimmungsvollen Leichtathletik-WM 2009 kommt die olympische Kernsportart mit den besten Athleten Europas zurück auf und neben die schnellste Bahn der Welt! Erinnerungen werden wach an Jamaikas Sprint-Superstar Usain Bolt, der 2009 mit zwei Weltrekorden in Berlin Geschichte schrieb, und der Stern eines gewissen Robert Harting aufging. Die ganze Welt sah und spürte, dass nicht nur Athleten in Berlin ihre Höchstleistungen abrufen, sondern auch das fantastische Publikum im Olympiastadion und am Straßenrand zur Topform aufläuft.

Die 100-Meter-Finals am ersten Tag

Auch darum wird die Leichtathletik-EM am 7. August 2018 wie keine der 23 Europameisterschaften zuvor durchstarten. Höhepunkt folgt auf Höhepunkt – und das von Beginn an! Gleich am ersten von sechs Wettkampftagen stehen mit den 100-Meter-Finals der Frauen und Männer zwei Knüller auf dem Programm. Zwei von insgesamt fünf Final-Entscheidungen zum Auftakt – so schnell startet sonst kein Event!

Möglich wird der starke Start durch Vorläufe und Qualifikationswettkämpfe bereits am 6. August 2018. Weitere Highlights sind Qualifikationswettkämpfe an einem prominenten Ort sowie Start und Ziel der Straßenwettkämpfe inmitten der City.

Liebe eins   EM 2018

Frank Kowalski, Geschäftsführer der Leichtathletik-EM 2018: „Wir freuen uns sehr, dass wir planmäßig starten und bereits jetzt Tickets für die größte Sportveranstaltung des Jahres in Deutschland anbieten können. Wir bieten nur Karten für den Unterring im Berliner Olympiastadion an. Erst wenn wir dort ausverkauft sind, öffnen wir auch den Oberring für den Verkauf.“

Erstmals Mehrkampf-Tickets im Angebot

Eintrittskarten sind in insgesamt fünf Kategorien inklusive Premium- und Familien-Tickets erhältlich. Das günstigste Einzelticket für die vier angebotenen Veranstaltungen am Vormittag kostet 15,00 Euro, für die sechs Abend-Sessions 35,00 Euro. Dauerkarten für alle sechs Abende zusammen wird es ab 195,00 Euro geben. Für einen Aufpreis ab 35,00 Euro können Dauerkartenkäufer zusätzlich die vier Vormittags-Sessions besuchen.

Highlights sind die erstmals angebotenen Mehrkampf-Tickets, die preisgünstigen Familientickets oder die Dauerkarten für die besten Plätze auf Höhe der Ziellinie.

Schaufenster der digitalen Aktivitäten www.berlin2018.info

Die Webseite www.berlin2018.info ist das Schaufenster für alle digitalen Aktivitäten der Leichtathletik-EM 2018. Auf der Startseite laufen Facebook und Twitter in einem Social Media Stream zusammen und informieren auf den ersten Blick und in Echtzeit über alles, was in der deutschen und internationalen Leichtathletik passiert.

Das digitale Angebot bietet ständig aktuelle und exklusive Nachrichten, Fotos und Filme aus der internationalen Leichtathletik, Informationen zum Zeitplan, attraktive Ticket-Angebote, Porträts interessanter Athletinnen und Athleten und vieles mehr. Bereits vom ersten Tag an ist die Online-Präsenz für alle mobilen Endgeräte optimiert.

Mehr Informationen, Zeitpläne, Preise und Tickets unter www.berlin2018.info.

Liebe zwei EM 2018

 

P.S: Und eine von zwei Generalproben findet am 3. September 2016 beim ISTAF im Berliner Olympiastadion statt.

Harting klein ISTAF 067

Zerplatzte Träume – Die Leere nach Olympia

Meine Kollegin Silke Morrissey war bei den Olympischen Sommerspielen in Rio de Janeiro dabei, um für  leichtathletik.de  von den Leichtathletik-Wettbewerben zu berichten.

 

Byd achtzehn Silke Morrissey

Silke Morrissey

Sie hat anschließend eine persönliche Bilanz gezogen:

“ Viele Hoffnungen zerplatzten im Olympia-Stadion von Rio de Janeiro wie eine Seifenblase. Fragen nach dem Warum müssen gestellt und beantwortet werden. Aber ist nun alles schlecht, nur weil an Tag X der Erfolg ausblieb? Ganz sicher nicht!“

Lesen Sie den gesamten Artikel auf     www.leichtathletik.de. (Suchbegriff: Zerplatzte Träume)

 

Thomas Röhler: „Ich wußte: Ich bin bereit für 90 Meter“

 

Thomas Röhler mit Medaille

Den olympischen Goldwurf des Jenaers Thomas Röhler habe ich live im Fernsehen verfolgt und umjubelt. Im Mai hatte ich am Rande der Hallenser Werfertage gemeinsam mit Johannes Knuth von der Süddeutschen Zeitung mit ihm gesprochen. Schon damals waren wir beide von ihm beeindruckt, ob seiner klaren Aussagen, ob seiner Art, wie er das Speerwerfen lebt.

Um so mehr hat mich dieses Gold nun begeistert. Und ich hatte auch keine Bedenken, daß er sich anschließend irgendwie verkehrt verhalten könnte. Er ist für jeden Journalisten ein „dankbarer“ Gesprächspartner. Vielleicht ganz anders als ein Robert Harting, aber eben doch von ähnlicher intellektueller Klasse.

Kein Wunder, daß sich nach seinem Wettkampf die deutschen Journalisten um ihn scharten. Und sie alle lächelten um die Wette. Hatten sie doch vorher leider wenig zu lachen.

Thomas Röhler Rio mit Journalisten

Meine Kollegin Silke Morrisey, die in Rio das Geschehen hautnah für leichtathletik.de verfolgte, hat seine Aussagen in der Mixedzone von Rio  zusammengefaßt.

Byd achtzehn Silke Morrissey

Nachzulesen unter  leichtathletik.de am 22. August 2016 im Interview der Woche unter der Überschrift: Thomas Röhler: Ich wusste: Ich bin bereit für 90 Meter.

 

(alle Fotos von Olaf Brockmann, Kronen-Zeitung Wien)