Was macht man, wenn man genervt ist von so vielen Negativmeldungen kurz vor dem Beginn der Olympischen Sommerspiele in Rio de Janeiro (5. August bis 21. August 2016)? Man befaßt sich mit den Sportlern selbst. Und eine Vielzahl der deutschen Olympioniken hat sich in Kienbaum vorbereitet, dem Bundesleistungszentrum 30 km östlich von Berlin.
Also ins Auto gesetzt und die 130 km auf der Autobahn in Angriff genommen. Am 2. August, einem Dienstag, gibt es auf dem Weg nach Kienbaum keine Staus. Zwar meldet mein Navi zwischendurch: fahren sie zurück auf die Route, aber davon lasse ich mich nicht abschrecken. Es ist eben einiges gebaut worden und mein Navi nicht mehr das Neueste.
Aber ich war auch früher schon öfter in Kienbaum. Und so kann ich dem Navi helfend zur Seite stehen.
Und irgendwann steht dieses Verkehrsschild an der Straße:
Dann sehe ich nach zwei Kilometern das Hauptgebäude:
Und wenige Meter weiter bin ich am Eingang angelangt. Ich will mich im Pförtnerhäuschen anmelden, doch dort ist niemand. Da kommt ein Auto mit Leipziger Kennzeichen und der freundliche Fahrer meint: Fahren Sie ruhig an die Schranke heran, sie öffnet sich von selbst. Danach handele ich und werde später von den Mitarbeitern des Bundesleistungszentrums belehrt, daß ich mich hätte anmelden müssen. „ Dort am Häuschen ist eine Klingel und dann haben Sie Kontakt zur Rezeption“. Ordnung muß sein, gerade in diesen turbulenten Zeiten und in Zeiten der Olympiavorbereitung. Aber ich fahre ja nicht nur so aufs Blaue, sondern habe mich mit Kugelstoßer Tobias Dahm verabredet.
Hinter der Schranke werde ich aufgeklärt, werde hier in Kienbaum alles trainiert:
Da ich mich erst für 13.30 Uhr verabredet habe, fahre ich noch weiter, in der Hoffnung, vielleicht einige Sportler zu treffen. Aber es macht alles einen menschenleeren Eindruck. Der Regen plätschert leise vor sich hin. Die Sportanlagen sind leer, es ist eben Mittagszeit.
Und der Liebenberger See ruht ruhig vor sich hin. Nichts zu sehen ist von trainierenden Kanuten.
Dann läuft mir Diskuswerferin Yanice Craft über den Weg. Sie packt gerade ihre Sachen, will sich dann auf die 6-Stunden-Reise nachhause begeben. „ Dort trainiere ich weiter, am 8. August geht der Flieger Richtung Rio ab“. Auf meine Bemerkung, daß ich hier vor allem nachfragen wolle, wie weit die olympische Vorfreude gediehen ist, antwortet sie sofort: „ Wir freuen uns alle auf Olympia“. Natürlich geht die Diskussion über Doping und die schlechten Nachrichten aus Rio auch an ihr nicht vorbei. „ Wir müssen ständig politische Wertungen der Lage geben. Aber trotzdem lassen wir uns die Freude nicht verderben“.
Sie lobt die Trainingsbedingungen. Auf dem Diskusplatz kann man prächtig trainieren, und wenn das Wetter zu schlecht ist, auch aus dem Wurfhaus werfen.
Noch als wir im Gespräch sind, kommt Kugelstoßer David Storl an uns vorbeigeradelt.
Und mit dem Fahrrad kommt auch Geher Christopher Linke daher, in Begleitung vom Geherkollegen Nils Brembach. Freundliches Grüßen, aber leider habe ich jetzt keine Zeit zu einem intensiven Gespräch, denn ich bin ja verabredet. Gleiches gilt auch für den dritten Geher, Hagen Pohle, der locker mit dem Rucksack auf dem Rücken auf dem Gelände herumspaziert.
Über das Potsdamer Gehertrio lese ich am nächsten Tag einen langen Artikel in den „ Potsdamer Neuesten Nachrichten“. Peter Könnicke hat im Potsdamer Kongreßhotel mit ihnen und mit Bundestrainer Ronald Weigel bei der Verabschiedung nach Rio gesprochen.
Und auf der Facebook-Seite von Hagen Pohle sehe ich ein aktuelles Foto, das ihn auf der 2-km-Trainingsrunde in Kienbaum zeigt:
Hagen Pohle (Foto: RaceWalk Pictures – Philipp Pohle)
Ich aber fotografiere noch ein wenig, fühle mich zwischenzeitlich als Papparazzo. Dabei bilde ich nur mich selbst in einer spiegelnden Glasscheibe ab.
Dann begebe ich mich zur Mensa.
Mein Gesprächspartner Tobias Dahm ist noch beim Mittagessen. Als ich draußen auf ihn warte, sehe ich Bundestrainer Sven Lang und den Chef von Kienbaum, Klaus-Peter Nowack, im intensiven Gespräch. Letzteren kenne ich auch seit ewigen Zeiten, noch aus unseren „gemeinsamen“ Berliner Jahren.
Er berichtet über die letzten drei Monate, die für sein Team eine große Belastung gewesen sind. „Aber wir haben alles gepackt und hoffentlich zum Wohle der Athleten“.
Im Foyer des Speisesaals studiere ich die Speisetafel:
Kurz nehme ich dort noch Platz und wappne mich für das Gespräch:
Dann kommt 2,03-m-Mann Tobias Dahm und wir gehen ins Bistro. Es folgt ein fast einstündiges, sehr interessantes Gespräch. Meine erste direkte Begegnung mit ihm.
Welches Foto ist besser?
Mir gefällt Tobias ohne Kopfbedeckung besser.
Den Inhalt des Gespräches werde ich demnächst hier veröffentlichen. Ich verabschiede Tobias Dahm in die Mittagspause und schaue mich im Bistro noch ein wenig um.
Hier wimmelt es an den Wänden von Schautafeln mit Sport-Koryphäen:
Doch die Zeit drängt. Ich packe meine Sachen und verlasse das Bundesleistungszentrum mit einem guten Gefühl.
Es regnet, aber jetzt kenne ich den Rückweg.
Vorbei geht es an einer großen Industrieanlage. Hier war früher das Rüdersdorfer Zementwerk:
Bald weist mich das Verkehrsschild auf den Berliner Ring:
Und die Heimfahrt nach Neuruppin macht mir trotz Dauerregen Spaß, auch weil die Autobahn relativ leer ist. Ich aber bin voll von sportlichen Eindrücken. Wie schön, bei all den Negativmeldungen. Die Olympischen Spiele können für mich kommen!
Peter Grau